ESSAY Bürgertum, Revolution, ex

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ESSAY Bürgertum, Revolution, ex
Jérémie Berlioux
IEP de Lyon, CO. Marx
Professeur: Thomas Hippler
ESSAY
Bürgertum, Revolution, ex-Nomination
In der Geschichte der Bourgeoisie kann man zwei Perioden unterscheiden. Die erste
Periode, in deren Laufe diese im Grunde relativ heterogene soziale Gruppe blühend
geworden ist, und
nach der sozialen Anerkennung strebt, die ihr dank ihrem
wirtschaftlichen Status zu gebühren ist. Diese Periode beginnt mit der Entstehung der
Bourgeoisie im 10./11. Jahrhundert und endet mit der Französischen Revolution. Die
Bourgeoisie entwickelt sich durch Handel, Eroberung von neuen Erdteilen, entstehende
Industrialisierung usw… Dann finanziert sie den Staat durch die Steuer und auch durch die
von ihr gewährten Kredite. Daraus folgt, dass die Wirtschaft des Königreiches von dieser
sozialen Klasse völlig abhängig geworden ist; deswegen dieses Streben nach politischer
Anerkennung. Die zweite Periode wird von der politischen Herrschaft der Bourgeoisie
geprägt. Während dieser Periode liegt das Streitobjekt für sie darin, dass sie irgendwelches
Mittel finden muss, um ihre Macht aufrechtzuerhalten, ihre Herrschaft weiter zu behaupten
und um zu verhindern, dass eine neue soziale Klasse dasselbe Mittel anwendet, wie sie,
nämlich die Revolution, um die Macht zu ergreifen.
Dieser Essay hat vor, zu zeigen, dass die Bourgeoisie die einzige revolutionäre Klasse
ist. Dass jede Revolution, die Frankreich erschüttert hat, von dieser sozialen Klasse veranlasst
worden ist. Von dem Augenblick an, wo sich diese Behauptung als gegründet erweist, und
wo man Weiß, dass die Bourgeoisie die Zügel der Macht in der Hand hat, stellt sich die Frage,
wie sie dieses Land weiterführen kann, indem sie gleichzeitig ihre eigenen Interessen
gewährleistet und weiterentwickelt. Die erste Antwort liegt auf der Hand und besteht darin,
die potentielle Konkurrenz das heißt das Proletariat (welche Form es im Laufe der Zeit auch
nehmen kann) zu beseitigen. Also muss hier die Rolle des Proletariats untersucht werden, so
wie auch die Rolle von den durchschnittlichen und kleinbürgerlichen Klassen. Aber die
Beseitigung von dieser potentiellen Konkurrenz in einem demokratischen Rahmen weist
notwendigerweise auf das Problem der benutzten Mittel hin: wie kann man die anderen
Klassen kontrollieren, ohne die (illusionäre oder nicht) Demokratie zu ruinieren und von da
an eine Koalition der anderen Klassen zu verursachen? Diese Frage wird von gewissen
Soziologen des 20. Jahrhunderts beantwortet: Adorno, Barthes, Baudrillard, Chomsky. Es
geht um eine symbolische Herrschaft
Infolgedessen könnte man sich auch fragen, ob die demokratischen Machtorgane, so
wie die Bourgeoisie sie veranstaltet hat, in fine gegen sich selbst nicht kehren könnten. Und
dazu, ob die Heterogenität der Bourgeoisie als soziale Klasse ihren eigenen Fortbestand
nicht gefährdet? Eines steht fest, sie kann sich nur dem Feind gegenüber einig machen, aber
diese Einigkeit verwirklicht sich eigentlich erst, wenn dieser Feind zur Bedrohung wird. In
„le 18 Brumaire de Bonaparte“ erklärt Marx einerseits, wie sich die Ordnungspartei einig
macht, und zwar gegen Bonaparte , gegen die Montagne, und gegen die Revolutionären ,
aber andererseits, wie sie sich aufreißt (in diesem Fall zwischen Legitimisten und
Orleanisten), wenn sich der Feind nicht deutlich entschleiert . Diese ständigen durchaus
logischen Spannungen können die Bourgeoisie zur Ruine führen, wie zum Beispiel im Jahre
1852. Von da an muss sie, um überleben zu können, die Zügel der Macht aufgeben, oder
wenigstens aufhören, sich als Bourgeoisie zu benehmen, wenn sie die Macht ausübt.
Also ist die Bourgeoisie in historischer Hinsicht die einzige revolutionäre Klasse.
Tatsächlich sind alle Revolutionen, die das
französische neunzehnte Jahrhundert
kennzeichnen, von der Bourgeoisie geführt worden. 1789 rebellieren die bürgerlichen
Abgeordneten des „Tiers-Etat“ gegen den Absolutismus und schaffen die Privilegien ab. Die
Revolution ist nicht in der „Prise de la Bastille“ von les „Sans-culottes“ zu finden, sondern in
der „nuit du 4 Aout » und in dem Todesurteil von Ludwig des 16. oder im
Gottesrechtverhöhnen. 1830 wird die romantische Revolution von den Bürgern geleitet.
1848 verlangen Bürger, die die „Cens“ nicht bezahlen können, Wahlrecht und Republik.
Jedes Mal versammelt die Bourgeoisie das zerstreute Proletariat, um den Feind
niederzuschlagen: Adel, Absolutismus, usw. Also wurden Revolutionen immer von der
Bourgeoisie veranlasst und geführt. Das bedeutet aber nicht, dass sie das Monopol der
Revolution besitzt. Die durchschnittlichen Klassen uns das Proletariat sind ebenso potentiell
revolutionäre Klassen. Es ist trotzdem zu bemerken, dass diese Klassen zur Revolution nicht
so geneigt sind, wie die Bourgeoisie.
Revolution ist die Folge politischer Frust. Sie muss durchgedacht werden, sie folgt
immer einer Periode, wo sich ein Teil der Bevölkerung über Ungerechtigkeiten beschwert,
wo Spannungen zwischen Beherrschenden und Beherrschten vorhanden sind. Aber um
dieses Unwohl auszudrücken, muss man dessen fähig sein, sich in den Raum und in die Zeit
zu versetzen, die Lage in historischer Hinsicht
aber auch in künftiger Hinsicht
durchzudenken. Dazu ist eine feste Erziehung nötig. Nun aber verfügt das Proletariat
(besonders im 19. Jahrhundert) nicht über diese Erziehung. Im“ Manifest der
Kommunistischen Partei“ gibt Marx zu, dass das Proletariat bürgerliche „Überläufer“
braucht, um sich empören zu können. Außerdem ist in demselben Werk zu bemerken, dass
Marx das Proletariat als geteilt betrachtet. Nur die Bourgeoisie ist dessen fähig, es zu
versammeln, um ihre eigenen Interessen zu befriedigen. Hier liegt vielleicht die Grenze der
marxistischen Analyse in diesem Gebiet: dieser Gedanke, dass das Proletariat sich einig
machen kann. Was diesen Punkt betrifft könnte man Vorbehalte äußern. Das Proletariat
besteht aus einer Menge von Einzelnen mit sehr unterschiedlichen Geschichten: exKleinbürgertum oder durchschnittliche Klassen, die gesunken sind, Bauer, die in die Stadt
ausgewandert sind, usw… All diese Menschen wurden auf unterschiedliche Art und Weise
strukturiert, so dass es ziemlich schwierig scheint, sie über ein gemeinsames Ziel zu
vereinigen. Zwietracht und Angehörigkeit zu einer verelenden Klasse
sind dafür
verantwortlich, dass das Proletariat weniger Chancen hat, als die Bourgeoisie, eine
Revolution führen zu können.
Marx betrachtet die durchschnittlichen Klassen als konservativ und reaktionär.
Konservativ, weil sie die Bourgeoisie bekämpfen, um in das Proletariat nicht sinken zu
müssen. Reaktionär, weil sie versuchen, eine geschichtliche Entwicklung zu beeinträchtigen,
die die Gesellschaft in drei Klassen teilen würde: Bürgertum, Proletariat (das sich die
durchschnittlichen Klassen einverleibt hat) und Lumpenproletariat. Sie streben also danach,
das Rad der Geschichte umgekehrt drehen zu lassen. Die durchschnittlichen Klassen
stammen aus dem sozialen Aufstieg. Es fällt ihnen schwer also, diesen Aufstieg durch eine
Revolution zu gefährden. Die Aussicht, dass sie ins Proletariat zurücksinken könnten,
erschreckt sie und sie ziehen vor, das gegenwärtige System zu behalten , eher als sich dem
Abenteuer hinzugeben. Die reaktionäre Seite soll jedoch nuanciert werden denn das setzt
voraus, dass man diesem Gedanken zustimmt, die Geschichte hätte ein bestimmtes Ende,
was reine Ideologie ist.
Also ist die Bourgeoisie die einzige Klasse, die die Revolution gemacht hat. Und selbst
wenn sie das Proletariat dazu benutzt hat, dann war es immer in einem einzigen Ziel: auf
eine politische Unzufriedenheit antworten, von der sie allein betroffen war, nämlich 1789
existieren, 1848 regieren. Die Frage lautet jetzt: zu welchen Mitteln wird sie greifen, um ihre
potentielle Konkurrenz zu beseitigen?
Marx schlägt eine historische Analyse dieser Herrschaft vor. Es steht scheinbar fest,
dass die bürgerliche Herrschaft 1848 anfängt. Dann schlägt Marx eine Lektüre von diesen
Ereignissen vor, ins besondere von dem Durchsetzen der bürgerlichen Herrschaft in „le 18
Brumaire de Louis Bonaparte“. 1849, nachdem das Bürgertum der Ordnungspartei die
Montagne von der politischen Bühne entfernt hatte (die Sozial-Demokraten bildeten eine
Allianz zwischen dem Kleinbürgertum und den Sozialisten) , hatte es seine Trümpfe gegen
Bonaparte abgeschwächt, nämlich die Gesetzlichkeit (die Ordnungspartei hatte die
Verfassung mehrmals verletzt) und die Garde Nationale. Die letzte war zum Teil der
Montagne unterworfen, und mit deren Beseitigung trug die Bourgeoisie dazu bei, die Garde
Nationale zu diskreditieren, so dass die Armee sie nicht mehr befürchtete. Die Garde
Nationale hatte weder Einfluss noch Macht mehr, denn sie war potentiell revolutionär, und
die Bourgeoisie konnte sie gegen Louis Bonaparte am 2. Dezember 1852 nicht gebrauchen.
So musste die Bourgeoisie auf ihre Wehrmittel gegen einen Staatsstreich verzichten,
während sie versuchte, ihre Gegner durch Gewalt zu beseitigen.
Somit erscheinen die Grenzen der bürgerlichen Herrschaft. Die Bourgeoisie ist eine
revolutionäre Klasse. Sie hat die Jahre 1789 und 1848 durch das allgemeine Wahlrecht,
durch das Versammlungsrecht durch den Liberalismus gerechtfertigt, Liberalismus als
Bewegung und Individuum im Gegensatz zu Ordnung. Das von ihr aufgebaute politische
System, nämlich die parlamentarische Republik ist nichts anderes als das Regime der
Aufregung. Zur gleichen Zeit hat ihre Beherrschungsstrategie sie dazu geführt, das
Versammlungsrecht zu zügeln, einen Teil der Bevölkerung aus dem allgemeinen Wahlrecht
auszuschließen, jede Diskussion zu beeinträchtigen. So Marx „Wenn sie in jeder
Lebensregung der Gesellschaft die "Ruhe" gefährdet sah, wie konnte sie an der Spitze der
Gesellschaft das Regime der Unruhe, ihr eigenes Regime, das parlamentarische Regime
behaupten wollen, dieses Regime, das nach dem Ausdruck eines ihrer Kampfe und durch den
Kampf lebt? La parlamentarische Regime lebt von der Diskussion, wie soll es die Diskussion
verbieten?“ (z. 10). Schließlich nennt die Bourgeoisie, so Marx, Sozialismus und also Gefahr
alles, worum sie gekämpft hat. Das hat sie dazu geführt zu gestehen, dass sie sich in ihrem
eigenen Interesse nicht mehr selbst regieren konnte; um ihre soziale Macht zu behalten ,
musste sie ihre politische Macht zerbrechen.
Ihre einzige politische Tätigkeit besteht dann darin, die Ruhe aufrechtzuhalten. Das
bedeutet, dass sie andere Mittel gebrauchen muss, um die anderen Klassen zu verhindern,
die Revolution zu machen. Hier treten andere Autoren auf: Roland Barthes, Adorno,
Baudrillard, Habermas….Der ihnen gemeinsame Leitfaden ist, dass die gesamte Bevölkerung
entweder von der kulturellen Industrie oder von einer Menge Vorstellungen manipuliert
wird, die sie dazu führen, das System als einzigen Weg der Geschichte zu betrachten und die
Empörung aufzugeben.
Roland Barthes spricht in seinem Buch “Mythologien“ von der Ex-Nomination des
Bürgertums in den politischen und gesellschaftlichen Gebieten: die Ex-Nomination
kennzeichnet den Willen bei einem Einzelnen oder bei einer Gruppe, sich nicht zu nennen,
oder genannt zu werden anhand der traditionellen Kennzeichnung. Also bestimmt sich die
Bourgeoisie heute, so Barthes, als die soziale Klasse, die nicht genannt werden will. Seit der
3. Republik gibt es keine eigentlich bürgerliche Partei mehr. In der Tat ist die Bourgeoisie zu
einer abstrakten Vorstellung geworden. Diese Ex-Nomination hat sich um denselben Begriff
„Nation“ aufgebaut, der vorher dazu gedient hatte, die Aristokratie auszuschließen. Heute
ist die Bourgeoisie mit der Nation fest gebunden, und sie schließt alle Internationalisten
jeder Art aus (Kommunisten, Anarchisten usw.). Aber die sogenannten nationalen Parteien
im Parlament neigen dazu, die Interessen des bürgerlichen Systems weiter zu verteidigen. Es
ist jetzt nicht mehr die Rede von der historischen Klasse, die ganze bürgerliche Herrschaft
beruht von nun an auf der Kultur, der Moral, der Ideologie. Das Proletariat oder die
durchschnittlichen Klassen (oft mit der Bourgeoisie verbunden aus den oben untersuchten
Gründen) können nämlich keinen Anspruch mehr haben auf eine ihrer Klasse eigene Kultur
oder Moral, selbst wenn sie Anspruch auf eine revolutionäre Partei haben können. Was sich
proletarische Kultur nennt, entleiht in der Tat seine Bestandteile von der bürgerlichen
Ideologie, die sich verbreitet, bis sie die Illusion schafft, es gebe eine einzige menschliche
Natur.
Jede Empörung kommt normalerweise von einer Avantgarde. Die Avantgarde kommt
von der Bourgeoisie (man findet hier den ‚Überläufer“ wieder, dessen Notwendigkeit in
einer Revolution von Marx erwähnt wird im „Manifest der kommunistischen Partei“), und
besteht im Allgemeinen aus einer kleinen Gruppe Intellektueller und Künstler ohne anderes
Publikum als die Bourgeoisie und von ihren Spenden abhängig.
Die Ex-Nomination des Bürgertums und das Anstecken der gesamten Gesellschaft
von der bürgerlichen Ideologie verstärken sich, wenn alltägliche profane Riten betroffen
werden, oder wenn der Kern des Alltags von den bürgerlichen Richtlinien geprägt wird.
Heute wird alles von diesem Überschwemmen des Bürgertums angesteckt: von der
Massenkulturindustrie, die wir in hoher Dosis einnehmen bis zu unseren Kleidern oder zu
dem Haus, von dem wir träumen. Die Folge dieser Verbreitung der bürgerlichen Ideologie ist
eine Naturalisierung der Dinge, die ursprünglich nur von einer Minderheit erlebt wurde.
Aber diese Verbreitung übersetzt sich auch in der Abschwächung der bürgerlichen Riten,
wenn die Mittelschichten davon betreten werden. Hier steht die ex-Nomination auf ihrem
Höhepunkt, denn sie beeinflusst das Kleinbürgertum und steckt alles an, was zum
Unbedeutenden, zum Alltäglichen, zum Undifferenzierten gehört.
Daraus ergeben sich zwei Folgen: die Abschwächung der Riten teilt erstens die
bürgerliche Klasse: es gibt nämlich diejenigen, die die Riten vermitteln, indem sie sie
abschwächen, und diejenigen, die neue Bedeutungen ständig erfinden. Die letzten
hinterfragen ständig unsere Vorstellung der Welt und gewährleisten dadurch die
revolutionäre Seite der Bourgeoisie. Nur dass Riten und Vorstellungen anhand Mythos
vermittelt werden, so Barthes, und die ständige Erneuerung von Mythos verhindert, dass
die Bourgeoisie neu entschleiert werden kann. Zweitens wohnt man einer Symbiose
zwischen Bürgertum und Kleinbürgertum auf ideologischen(und nicht wirtschaftlichen)
Grundlagen bei. Das ist wichtig, denn der innovative Teil dieses neuen Ensemble kommt aus
der Bourgeoisie, aber diejenigen die die Innovation vermitteln, kommen aus dem
Kleinbürgertum in seinem nachhaltigen Streben nach sozialem Aufstieg.
Allmählich wird die ganze Gesellschaft von der bürgerlichen Ideologie gefangen.
Aber die Gesellschaft kann diesen “Traum“ nicht anders erleben als im Imaginäre, das heißt
in der Abschwächung des Weltbewusstseins. Das hat auch zur Folge ein Homogenisieren
der sozialen Klassen. Von diesem Augenblick an ist nicht mehr die Rede von sozialen Klassen
sondern von sozialen Schichten und man fängt an, die Klassenidentitäten auszuradieren.
Sobald die Identitäten sich abschwächen, kommt der Verlust der Werteorientierung gleich
danach und eine Verknüpfung an die erste Vorstellung der Welt, die uns angeboten wird.
Die Bürgerliche Ideologie schlägt uns dann „das Glück“ vor, nämlich Hochhäuser in Dubai,
Ferien zu hundert Euro pro Nacht in Marokko, eine Menge Geld, Frauen in Badeanzug auf
einem paradiesischen Strand…
Aber indem sie ihre Ideologie verbreitet, nimmt die Bourgeoisie die Bedeutung der
Sachen in Angriff, besonders was sie kaum hätte zerstören können und zwar die
Demokratie. Barthes schreibt:“Er(der Mythos) schafft die Komplexität der menschlichen
Taten ab, er leiht ihnen die Einfachheit der Essenzen, er räumt jede Dialektik aus dem Weg,
jede Überlegung jenseits des unmittelbaren Sichtbaren, er veranstaltet eine
widerspruchsfreie Welt, weil ohne Tiefgründigkeit, eine in der Offensichtlichkeit liegende
Welt, er gründet eine selige Klarheit; die Sachen sehen so aus, als könnten sie von sich
selbst bedeutend werden.“ Welche sind dessen Folgen, was die Vorstellung des politischen
Systems betrifft? Sobald die Bourgeoisie eine heile Welt dank den Mythos gründet, will sie
abschaffen, was ihr ungünstig war: die Debatte, die intellektuelle Ausbildung des Bürgers,
der Kampf, die Demokratie, die Revolution. Denn wenn die Bourgeoisie eine universale und
ewige Idee des Menschen verbreitet, dann wird Konfrontation nicht mehr gebraucht, da der
Weg zum Ende der Geschichte gefunden wird. Von da an wird die Rede von besänftigter
Politik, von einer neuen Ära des Kompromisses (und auf keinem Fall von einem nach
heftiger Ideenkonfrontation gefundenen Consensus). In diesem Augenblick wird gerade die
Rede vom Apolitischen .Handelt es sich jedoch nicht um Politik, sobald man das Stadtgebiet
anrührt, oder die Verwaltung einer Organisation, sobald man um ein Programm kämpft. Es
folgt daraus, dass die Debatte verbannt wird, weil sie als zu gewalttätig und archaisch
betrachtet wird. In der Tat schützt sich die Bourgeoisie vor jedem Umsturzversuch der
Herrschaft oder Streitversuch.
Aber dieses Werk nimmt auch die Bedeutung selbst der Wörter in Angriff. Die
Demokratie, die als Ausbildung des Bürgers gilt, seine Fähigkeit zu entwickeln, sich in die
Hand zu nehmen und die Herausforderungen seiner Umwelt zu beeinflussen, wird auf die
sie zu organisieren beauftragten Institutionen begrenzt. Jedoch sind diese Institutionen von
den Mitgliedern der Bourgeoisie verriegelt. Daraus ergibt sich, dass die Veränderung des
Wortes vermeidet, dass die Institutionen und ihre Verriegelung hinterfragt werden.
Außerdem setzt die Ausbildung des Bürgers Erziehung und kritischen Sinn aufs Spiel, und
sowas zu erlauben gefährdet die Grundlagen der Herrschaft ,denn Kritiküben erlaubt einem,
sich von der Entfremdung zu befreien, und Mythos, verfälschte Vorstellungen, oder
Herrschaftsprozesse zu wahrnehmen.

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