Mal mit, mal ohne Flosse

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Mal mit, mal ohne Flosse
Junge Oper zeigt „Nixe“
Mal mit, mal ohne Flosse
Von Markus Dippold 17. April 2015 - 16:28 Uhr
Von links: Philipp Nicklaus
(Prinz), Stephan Komitsch
(Video), Kristi Anna Isene
(Rusalka), Renée Morloc
(Jezibaba). Foto: Kathrin
Thimme
Stuttgart - Wasser plätschert, Wellen rauschen, immer lauter wird die
elektronische Geräuschkulisse, während gleichzeitig ein junger Mann in Zeitlupe
vom Bühnenhimmel schwebt, dabei wie ein Ertrinkender mit Armen und Beinen
rudert, bis er ohnmächtig an einem unwirtlichen Ort zusammensinkt. Es ist ein
starkes audio-visuelles Bild, mit dem „Nixe“ (http://www.operstuttgart.de/spielplan/nixe/) beginnt. Die neueste Produktion der Jungen Oper der
Stuttgarter Staatstheater ist eine modernisierende Überschreibung von Antonín
Dvoráks Märchenoper „Rusalka“
(http://de.wikipedia.org/wiki/Rusalka_%28Oper%29). Die Nixe Rusalka hat sich in
den Prinzen verliebt und will deshalb ein Mensch werden, was weder ihre
Artgenossinnen noch der Wassermann gutheißen. Hilfe kann sie einzig bei der
Hexe Ježibaba bekommen. Die gibt Rusalka zwar die Gestalt eines Menschen,
nimmt ihr aber im Gegenzug ihre schöne Stimme und will am Ende, dass die
Protagonistin, angeblich, um sich selbst zu retten, den Prinzen tötet.
Herausgekommen ist die Produktion im Ludwigsburger Forum
(http://www.forum.ludwigsburg.de/forum,Lde/start.html), wofür es zwei Gründe
gibt. Zum einen soll dieser Raum stärker mit Eigenproduktionen zum städtischen
Theater in der Barockstadt werden, zum gibt es ein Platzproblem. Denn für „Nixe“
hat sich die Junge Oper mit dem Landesjugendorchester Baden-Württemberg
(http://www.landesjugendorchester.de/cms/index.php)zusammengetan, und
dessen sinfonische Massen würde man im Stuttgarter Kammertheater, das die
bevorzugte Spielstätte der Jungen Oper isst, nicht unterbringen.
Anfangs rumpelt die Ouvertüre noch
Das Orchester braucht am Premierenabend hörbar einige Minuten, um sich
rhythmisch und klanglich zu finden. Anfangs rumpelt die Ouvertüre noch, später
gelingen orchestrale Ausbrüche, etwa bei der Anrufung Ježibabas, gut; auch das
dunkel Brodelnde von Dvoráks Musik gelingt dem Dirigenten Till Drömann und
den Musikern gut; doch für die feine Differenzierung und das Liebessehnen der
Protagonistin fehlt ein bisschen die klangliche Flexibilität.
Problematisch, weil immer wieder unlogisch, ist auch die szenische Einrichtung
von Barbara Tacchini (https://www.oper-stuttgart.de/spielplan/gegen-diewand/barbara-tacchini/). Das beginnt damit, dass Rusalka anfangs mit
menschlichen Beinen gezeigt wird, nach ihrer Verwandlung aber nicht nur stumm
ist, wie vorgesehen, sondern sich plötzlich mit blau schillernder Schwanzflosse
(Kostüme: Mascha Schubert) durch die düstere Atmosphäre des Schlosses
kriechen muss, bei dem eine Waschmaschine, ein Geweih-Kronleuchter und
Wasserrohre eher an einen heruntergekommenen Industriepark denken lassen.
Nicht nur damit überfordert die Regisseurin ihr jugendliches Publikum. Wie soll
ein Zehnjähriger das nachvollziehen? Wie soll ein Viert- oder Fünftklässler die
ausufernden Monologe des Prinzen, in denen er von Beziehungsschwierigkeiten,
fehlenden Berührungen und Sprachlosigkeit schwadroniert, verstehen können?
Bilder, die Traum und Wirklichkeit ineinander blenden
Tim Staffel zeichnet für die deutschsprachigen Texte verantwortlich: unerfreulich,
dass es ihm nicht gelingt, den Märchenstoff spannend und kindgerecht zu fassen.
Gelungener ist die Idee, mit Videoprojektionen (Stephan Komitsch, Roman
Kuskowski) zu arbeiten. So entstehen magisch anmutende, surreale Bilder, die
geschickt Traum und Wirklichkeit ineinander blenden, wenn etwa auf der
Leinwand Rusalka und ihr Prinz beieinander liegen, während sie auf der Bühne
distanziert sind.
Begleitet wird das mal von original Dvorák-Klängen, mal von einer elektronisch
verzerrten Geräuschkulisse (Jonas Häger), die mit Wasser- und Klopftönen
arbeitet, mitunter auch sehr nervt. Erfreulicher ist das sängerische Niveau; vor
allem Kristi Anna Isene begeistert in der Hauptrolle mit großem Sopran, der noch
lyrisch gefärbt ist. Solide, aber etwas schwach tönt der junge Tenor Philipp
Nicklaus als Prinz, während David Steffens eine dunkel drohende Färbung für den
Wassermann mitbringt. Unausgeglichen agiert Renée Morloc, die große
dramatische Mezzosopranistin, die manchmal spröde klingt und als Ježibaba ein
seltsames Hirschgeweih tragen muss. Stimmschön und leicht in der Höhe agieren
die jungen Damen des Projektchors.

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