Manuelle Aufbereitung semikritischer Medizinprodukte

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Manuelle Aufbereitung semikritischer Medizinprodukte
Praxis
BZB Mai 11
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BLZK
Manuelle Aufbereitung
semikritischer Medizinprodukte
Verschiedene Verfahren und Schritte je nach Art des Medizinprodukts (Teil 3*)
Jedem Medizinprodukt (bzw. jeder Medizinproduktgruppe) ist – abhängig von der vorgesehenen
Anwendung, Risikobewertung und Einstufung –
ein geeignetes Aufbereitungsverfahren zuzuordnen. Bei der Auswahl des Verfahrens sind die Herstellerangaben zu beachten (Tipps zur Einstufung
siehe BZB 4/2011, S. 32f.). Die Aufbereitung von
semikritischen Medizinprodukten erfolgt in mehreren Schritten.
Insbesondere bei Instrumenten mit noch anhaftenden Rückständen ist eine manuelle Vorreinigung notwendig (z.B. Zementstopfer). Man spart
sich viel Zeit sowie Kratzer an den Instrumenten,
wenn Inkrustierungen sorgsam vor der Desinfektion entfernt werden. Es reicht nicht aus, lediglich
Wasser über die benutzten Instrumente laufen zu
lassen. Die Rückstände sind mit einem Zellstofftuch zu entfernen. Lässt sich die Verschmutzung
nicht vollständig entfernen, so ist das Instrument
in eine reinigende Lösung zu legen (ggf. nicht fixierende desinfizierende Lösung), um anschließend
nachgereinigt zu werden.
Die Reinigung von Medizinprodukten beschränkt
sich nicht auf den Nassabwurf in eine Desinfektionslösung oder desinfizierende Reinigungslösung
mit anschließendem Abbürsten unter fließendem
Wasser. Nur vollständig gereinigte Medizinprodukte ohne anhaftende Reste können desinfiziert
werden. Wichtig ist also die Verwendung eines separaten Reinigungsbades! Nach der Vorreinigung
ist eine visuelle Kontrolle notwendig.
Ultraschall
Hilfreich, jedoch nicht in jedem Fall zwingend erforderlich, ist die Anwendung von Ultraschall im
* Dieser Beitrag ist Teil einer Serie zum Thema Hygiene
des Referats Praxisführung der BLZK. Bereits erschienen: „Grundfragen der Praxisorganisation und die
Händehygiene“ (BZB 3/2011, S. 36f.) und „Organisation der Medizinprodukteaufbereitung“ (BZB 4/2011,
S. 32f.). Nächstes Thema ist die maschinelle Aufbereitung von semikritischen Medizinprodukten.
Ultraschallbad. Die Reinigungswirkung wird dadurch verstärkt. Gerade für Instrumente mit noch
anhaftenden Rückständen ist dies zu empfehlen,
da die Aufbereitung wesentlich erleichtert und die
Zeit, die die Mitarbeiter für die Reinigung gerade
von filigranen Instrumenten wie zum Beispiel Bohrer aufwenden, verkürzt wird. Dabei muss auf die
Ultraschallverträglichkeit des Reinigungs-/Desinfektionsmittels und der aufzubereitenden Medizinprodukte geachtet werden.
Temperaturen um 45 Grad fördern die Reinigungswirkung. Höhere Temperaturen können zu
Proteinfixierungen führen. Die Angaben des Herstellers hinsichtlich Konzentration, Einwirkzeit,
Temperatur und Standzeit sind zu beachten. Die
Lösung muss bei optisch erkennbarer Verschmutzung sofort erneuert werden. Aus Gründen des
Arbeitsschutzes ist bei Verwendung eines Desinfektionsmittels im Ultraschallbad eine Abdeckung erforderlich, um Ausdünstungen zu vermeiden. Bei
erkennbarem Nachlassen der Reinigungswirkung
sollte regelmäßig die Funktionsfähigkeit des Ultraschallgerätes geprüft werden.
Die Prüfung – zum Beispiel mittels haushaltsüblicher Alufolie – erfolgt in folgenden Schritten: Bei
mehreren Ultraschallköpfen (siehe Bedienungsanleitung) werden über alle Köpfe für einige Sekunden Alustreifen gehalten. Bilden sich innerhalb kürzester Zeit feine Löcher in der Aluminiumfolie, ist die Wirkung des Ultraschalls in Ordnung. Wegen möglicher Aluminiumreste in der
Lösung sollte eine Prüfung der Wirkung noch vor
einem Wechsel der Lösung stattfinden. Die Prüfung darf nur einige Sekunden dauern, sonst „zerfetzt“ die Alufolie unter Umständen in viele kleine
Einzelteile.
Manuelle Reinigung und Desinfektion
Reinigung und Desinfektion von Medizinprodukten sind zwar – soweit nach Art des Medizinproduktes anwendbar – bevorzugt in Reinigungs- und
Desinfektionsgeräten durchzuführen, es ist aber
auch eine manuelle Aufbereitung zulässig. Manuelle Reinigungs- und Desinfektionsverfahren müssen mittels weitgehend standardisierter Arbeitsab-
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läufe erfolgen. Auf die Notwendigkeit des Erstellens von Arbeitsanweisungen wurde bereits hingewiesen (siehe BZB 4/11, S. 32f.). Zur Erstellung
einer detaillierten Arbeitsanweisung sind auf jeden Fall Herstellerangaben zu den verwendeten
Mitteln zwingend erforderlich, da die Angaben des
Herstellers zu Konzentration, Einwirkzeit, Standzeit
und gegebenenfalls Temperatur unbedingt zu beachten und schriftlich festzulegen sind.
Nur auf Wirksamkeit geprüfte, für die Instrumente
geeignete, materialverträgliche Mittel kommen zur
Anwendung. Laut Richtlinie „Infektionsprävention in der Zahnheilkunde – Anforderungen an die
Hygiene“ des Robert Koch-Instituts müssen Desinfektionsmittel nachweislich bakterizid, fungizid
und viruzid sein. Als wichtiger Qualitätshinweis
gilt die Zertifizierung durch den Verbund für Angewandte Hygiene (VAH).
Zu beachten: Nicht sicher aufbereitbare Instrumente, wie zum Beispiel Polierbürstchen, sind – wegen der dicht aneinanderliegenden Borsten und
der großen sich ergebenden Oberfläche mit vielen Zwischenräumen – praktisch nicht zu säubern.
Wenn man trotz mehrminütiger, mühevoller Aufbereitung mit einem Fingernagel über die Borsten
streicht, wird immer eine kleine Staubwolke aufsteigen. Aus diesem Grund sind Polierbürstchen in
der Regel als Einmalprodukte zu betrachten und
nach der Anwendung am Patienten zu entsorgen.
Mittlerweile sind nach Herstellerangaben aufbereitbare Polierkelche auf dem Markt. Hier sollte unbedingt auf die Kennzeichnung durch den Hersteller
geachtet werden:
\ = Einmalprodukt!
➁
Für die nach der Reinigung folgende manuelle
Desinfektion werden die Instrumente in eine Desinfektionslösung eingelegt. Zu beachten: Zu hohe
Konzentration und zu lange Einwirkzeit führen
zu Materialschäden. Eine zu niedrige Konzentration führt zu einer mangelhaften Desinfektionswirkung. Die Medizinprodukte müssen vollständig und blasenfrei abgelegt werden, das heißt, dass
die Instrumentenwanne keinesfalls überladen werden darf.
Instrumente mit Gelenken sind vor dem Einlegen
zu öffnen. Es ist darauf zu achten, dass Medizinprodukte mit Hohlräumen (z.B. Absaugkanüle)
innen vollständig benetzt werden. Nach Ablauf
der Einwirkzeit werden die Instrumente gründlich
abgespült und anschließend mit einem sauberen,
weichen, fusselfreien Tuch und/oder Druckluft sorgfältig getrocknet. Manuell aufbereitete semikritische Instrumente sind gegebenenfalls abschließend unverpackt auf Trays, Siebschalen oder Tabletts einer Desinfektion (thermischen Behandlung)
im Dampfsterilisator zu unterziehen. Weitere Hinweise, besonders zu Verfärbungen, Belägen und
Verfahren manueller Aufbereitung
Zur manuellen Aufbereitung von Medizinprodukten semi-
· Vorreinigung
kritisch A (z.B. Mundspiegel) bestehen folgende Möglich-
· Eintauchverfahren (ggf. in Verbindung mit Ultraschall),
keiten:
· Vorreinigung (anhaftende Rückstände entfernen)
Sichtkontrolle
· abschließende Dampfdesinfektion im Sterilisator
· Reinigung in reinigendem und desinfizierendem Tauchbad (Wanne 1) oder im Ultraschallbad, das mit einem rei-
Zur manuellen Aufbereitung von semikritischen Übertra-
nigenden Desinfektionsmittel bestückt ist, bis die Instru-
gungsinstrumenten sind folgende Schritte möglich:
mente visuell sauber sind (Sichtkontrolle)
· Außenreinigung und -desinfektion mit Flächendesinfek-
· abschließende Desinfektion im Tauchbad (Wanne 2)
tionsmittel
· Sprühverfahren: Reinigungsspray und Desinfektionsspray,
oder die am häufigsten praktizierte Methode:
sofern nach Herstellerangaben als alleinige Maßnahme
· Vorreinigung
zur Desinfektion zugelassen
· Reinigung in reinigendem und desinfizierendem Tauchbad oder Ultraschall, Sichtkontrolle
oder:
· abschließende Dampfdesinfektion im Sterilisator
· Außenreinigung und -desinfektion mit Flächendesinfek-
Zur manuellen Aufbereitung von Medizinprodukten semi-
· Sprühverfahren: Reinigungsspray und Desinfektions-
tionsmittel
kritisch B (z. B. rotierende und oszillierende Instrumente)
sind folgende Schritte erforderlich:
spray
· abschließende Dampfdesinfektion im Sterilisator
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Korrosionen von Instrumenten, finden sich in der
Gelben Broschüre des Arbeitskreises Instrumenten-Aufbereitung „Instrumentenaufbereitung in
der Zahnarztpraxis“.
Sprühverfahren für Übertragungsinstrumente
semikritisch B
Durch ihren komplexen Aufbau erfordern zahnärztliche Übertragungsinstrumente einen erhöhten Aufwand für Reinigung und Desinfektion. Die
Desinfektion aller kontaminierten Außen- und Innenflächen von zahnärztlichen Übertragungsinstrumenten setzt immer eine Reinigung voraus!
Die Anwendung von Sprüh-/Wischverfahren mittels Flächendesinfektionsmitteln für die Außenflächen von Übertragungsinstrumenten stellen lediglich einen (kleinen) Schritt in der langen Aufbereitungskette von semikritischen Übertragungsinstrumenten dar. Als alleinige Maßnahme zur Aufbereitung ist sie als mangelhaft zu betrachten. Auch
Flächendesinfektionsmittel müssen nachweislich
bakterizid, fungizid und viruzid sein. Eine 70-prozentige Ethanollösung hat keine Wirkung auf Sporen! Die äußere und innere Aufbereitung von Übertragungsinstrumenten (Reinigung und Desinfektion) ist nach jedem Einsatz am Patienten erforderlich. Eine halb- oder arbeitstägliche Aufbereitung
von Übertragungsinstrumenten reicht keineswegs
aus.
Die Innenflächen von Übertragungsinstrumenten
können nicht im Eintauchverfahren gereinigt und
desinfiziert werden. Nach neueren Erkenntnissen
der Wissenschaft ist die manuelle Reinigung und
Desinfektion der Innenflächen mithilfe verschiedener Adapter für Sprayverfahren möglich. Dieses
Aufbereitungsverfahren muss durch den Hersteller der Übertragungsinstrumente freigegeben und
durch unabhängige Gutachten akkreditierter Prüflaboratorien belegt sein.
Eine aufeinanderfolgende manuelle Reinigung
und Desinfektion der Außen- und Innenflächen
von Übertragungsinstrumenten ohne anschließende Behandlung im Dampfsterilisator darf
nur durchgeführt werden, wenn der Hersteller des
Übertragungsinstruments eine material- und funktionstechnische Freigabe erteilt hat und der Hersteller des Desinfektionsmittels die Wirkung der
manuellen chemischen Desinfektion als zuverlässiges Verfahren nachgewiesen hat. Der Arbeitskreis
Dentalinstrumente der Bundeszahnärztekammer
hat zu diesem Thema eine Stellungnahme abgegeben (s. BZB 4/2010, S. 36f.).
Kontrolle
Nach Reinigung und Desinfektion müssen die Medizinprodukte bei visueller Kontrolle sauber sein,
das heißt, die Instrumente sind einer genauen
Sichtprüfung zu unterziehen. Eine Sichtkontrolle –
gegebenenfalls mit Lupe – ist als hilfreich zu betrachten.
Die vollständige Reinigung der Instrumente dient
wesentlich dem Werterhalt der Medizinprodukte
und ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Sterilisation. Instrumente mit verbliebenen Rückständen
müssen nachgereinigt und erneut desinfiziert werden. Instrumentengelenke sollten nach der Desinfektion mit einem vom Hersteller empfohlenen
Öl, das sterilisiergeeignet ist, geölt werden. Nach
der Prüfung auf Sauberkeit folgt eine Funktionskontrolle:
· Bei spitzen Instrumenten erfolgt eine Kontrolle
auf Widerhaken,
· bei Instrumenten mit Gelenken muss die Gängigkeit geprüft werden,
· bei scharfen Instrumenten ist die Schärfe zu prüfen.
Stumpfe, verbogene oder beschädigte Instrumente
müssen aussortiert beziehungsweise in die Reparatur gegeben werden.
Dr. Michael Rottner
Mitglied des Vorstands
Referent Praxisführung der BLZK
Die Gelbe Broschüre „Instrumentenaufbereitung in der
Zahnarztpraxis“ des Arbeitskreises Instrumenten-Aufbereitung kann unter www.a-k-i.org > AKI-Broschüren
heruntergeladen werden.
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