Moderne Regeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz

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Moderne Regeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz
Prävention
Moderne Regeln für Sicherheit
und Gesundheitsschutz
Von Joachim Guth
Die Unfallverhütungsvorschrift „Gesundheitsdienst“ wird
von der TRBA 250 „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“ abgelöst.
Damit steht eine moderne, dem heutigen Gesundheitswesen
entsprechende technische Regel für biologische Arbeitsstoffe
zur Verfügung, die bei konsequenter Umsetzung das Unfallund Erkrankungsrisiko für die Beschäftigten nachhaltig
verringern kann.
Vorgeschichte
Die Unfallverhütungsvorschrift „Gesundheitsdienst“ (GUV-V C8, vormals
GUV 8.1), deren Erstfassung vom September 1982 im Wesentlichen unverändert bis heute Bestand hat, entspricht
schon seit einiger Zeit zumindest teilweise nicht mehr den Arbeitsschutzanforderungen, die sich in den vergangenen
20 Jahren durch die fortschreitende Entwicklung im Gesundheitswesen verändert haben. Versuche, eine aktualisierte
bzw. völlig neue Fassung dieser Vorschrift zu erarbeiten und zu verabschieden, führten aus verschiedenen – auch
formalen – Gründen nicht zum Erfolg.
Nicht zuletzt spielten hierbei auch die
grundsätzlichen und allgemeinen Bestrebungen nach Deregulierung und Abbau
von Vorschriften eine nicht unwesentliche Rolle.
der UVV „Gesundheitsdienst“ zu verabschieden.
Werdegang
In Absprache und in Zusammenarbeit
mit dem Ausschuss für biologische
Arbeitsstoffe (ABAS) hat der berufsgenossenschaftliche Fachausschuss „Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege“
(FA GES) nach dem so genannten „Kooperationsmodell“ die BG-Regel „Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“
– BGR 250 – erarbeitet. Hierbei waren
die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand über die Fachgruppe „Gesundheitsdienst“ des Bundesverbandes der Unfallkassen
(BUK) sowie im Rahmen des
üblichen Stellungnahmeverfahrens eingebunden.
gewerblichen Berufsgenossenschaften
im Oktober 2003 veröffentlicht und ist
seit diesem Zeitpunkt im berufsgenossenschaftlichen Bereich anzuwenden. In der
Folge hat die Berufsgenossenschaft für
Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
(BGW) die Unfallverhütungsvorschrift
„Gesundheitsdienst“ (BGV C8) im Dezember 2003 für ihre Mitgliedsunternehmen zurückgezogen. Der ABAS hat diese
BG-Regel – ebenfalls in Anwendung des
Kooperationsmodells – nach der Biostoffverordnung als Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe – TRBA 250 – in
sein technisches Regelwerk aufgenommen. Sie wurde mit dem Ausgabedatum
November 2003 vom Bundesminister für
Wirtschaft und Arbeit im
Bundesarbeitsblatt 11/2003
offiziell bekannt gemacht.
Anwendung im BUK-Bereich
Etwa zur selben Zeit wurde mit dem Erlass der Biostoffverordnung (BioStoffV)
die EG-Richtlinie 90/679/EWG über den
Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei
der Arbeit in nationales Recht umgesetzt. Da die Unfallverhütungsvorschrift in wesentlichen Teilen
ebenfalls auf die Infektionsgefährdung abstellt, war schnell
klar, dass mit der (staatlichen)
Biostoffverordnung quasi
„konkurrierendes“ Recht
geschaffen wurde und dass
es nunmehr kaum noch
durchsetzbar sein würde, eine Neufassung
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– April 2004
Die BGR 250 wurde
vom Hauptverband
der
Da die Biostoffverordnung und ihr
technisches Regelwerk uneingeschränkt
auch in den Betrieben der öffentlichen
Hand gilt, ist die TRBA 250 anzuwenden.
Hiervon ist insbesondere der Krankenhausbereich betroffen. Gleichwohl gilt
die UVV „Gesundheitsdienst“ (GUVV C8) formal weiter. Es ist jedoch
beabsichtigt, noch in diesem Jahr
analog zum berufsgenossenschaftlichen Bereich die BGR
250 / TRBA 250 als GUV-Regel
(GUV-R 250) zu veröffentlichen und die UVV „Gesundheitsdienst“ (GUV-V C8)
ebenfalls zurückzuziehen.
Fotos: Becton Dickinson GmbH
Prävention
Der Anwendungsbereich der Regel ist im
Wesentlichen mit dem Geltungsbereich
der UVV „Gesundheitsdienst“ identisch:
Sie ist vor allem anzuwenden in Einrichtungen der Human- und Veterinärmedizin, in Pflegeheimen, im Rettungsdienst
und bei Krankentransporten, in Blut- und
Plasmaspendeeinrichtungen sowie in
zahntechnischen Laboratorien. Medizinische Laboratorien sind dagegen vom
Anwendungsbereich ausdrücklich ausgenommen, da hierfür die TRBA 100
„Schutzmaßnahmen für gezielte und
nicht gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen in Laboratorien“
(vgl. Ampel Nr. 10/April 2002 S. 11) gilt.
gehören normalerweise zur Schutzstufe
2. Konkret nennt die Regel hier u. a.
Injektionen, Blutentnahmen, Wundversorgungen, Operieren incl. Instrumentieren, Absaugen, Umgang mit benutzten
med. Instrumenten etc. Eine Zuordnung
zur Schutzstufe 3 kommt dann in Betracht,
wenn es Anhaltspunkte
dafür gibt, dass Erreger
der Risikogruppe 3
auftreten können (z. B.
bei
der Behandlung eines Patienten
mit offener
Lungentuberkulose).
Entsprechend sind
Tätigkeiten im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten, die durch Erreger der Risikogruppe
4 ausgelöst werden, der
Schutzstufe 4 zuzuordnen. Da zu dieser Kategorie vor allem Erreger wie
z. B. Pocken-, Ebola-, Lassaund Marburgviren u. ä. gehören,
ist davon auszugehen, dass dies in
der Praxis nur in extrem seltenen Fällen
relevant ist. Ansprechpartner zum Umgang mit hoch ansteckungsfähigen lebensbedrohlichen Krankheiten (Schutzstufe 4) sowie spezielle Literaturangaben
enthält Anhang 1 der Regel.
Von der Systematik her lehnt sich die
Regel eng an die Struktur der Biostoffverordnung an. Zunächst wird betont, dass
die in Frage kommenden Tätigkeiten im
Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege ausschließlich nicht gezielte
Tätigkeiten sind. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sind alle Arbeiten, bei
denen Beschäftigte biologischen Arbeitsstoffen ausgesetzt sein können, Schutzstufen zuzuordnen. Dies wird durch die
detaillierte Aufzählung typischer Tätigkeiten für die 4 Schutzstufen wesentlich
vereinfacht. So sind z. B. Ultraschall-,
EKG- und EEG-Untersuchungen sowie
einfache körperliche Untersuchungen
(Abhören, Abtasten) i.d.R. der Schutzstufe 1 zuzuordnen. Tätigkeiten, bei denen
eine Infektionsgefährdung durch Erreger
der Risikogruppen 2 oder 3** (Erreger,
die zur Risikogruppe 3 gehören, aber
normalerweise nicht über den Luftweg
übertragen werden) bestehen kann,
Aus der Schutzstufenzuordnung ergeben
sich konkrete Schutzmaßnahmen, die
der Arbeitgeber zu treffen hat. Diese
werden im Kapitel „Schutzmaßnahmen“
detailliert beschrieben. Hierbei handelt
es sich um technische, bauliche, organisatorische, hygienische und persönliche
Maßnahmen. Zum großen Teil sind es
dieselben Anforderungen, die nach einschlägigen Gesetzen, Verordnungen,
Vorschriften und Regeln auch bisher
schon zu erfüllen bzw. zu beachten waren, wobei einige klarer gefasst oder
durch konkrete Beispiele verdeutlicht
wurden. So wird jetzt ausdrücklich die
Forderung erhoben, dass benutzte spitze,
scharfe oder zerbrechliche Arbeitsgeräte
zur einmaligen Verwendung unmittelbar
nach Gebrauch in stich- und bruchsicheren Behältnissen zu sammeln sind und
dass gebrauchte Kanülen nicht in die
Schutzhüllen zurückgesteckt werden
dürfen (ausgenommen bei Haltesyste-
Weitere Entwicklung
Der Fachausschuss „Gesundheitsdienst
und Wohlfahrtspflege“ (FA GES) hat in
Absprache mit dem Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe (ABAS) die Aufgabe
übernommen, die BGR 250 / TRBA 250
fortzuschreiben. Da aus der alten Unfallverhütungsvorschrift bisher lediglich
Infektionsgefährdungen, nicht aber
sonstige Gefährdungen übernommen
wurden, ist mit einer Fortschreibung bereits in Kürze zu rechnen: Es ist beabsichtigt, über den durch die Biostoffverordnung vorgegebenen Rahmen der Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe
hinaus auch weitere Gefährdungsarten
wie z. B. chemische, physikalische sowie
Gefährdungen durch Heben und Tragen
in die BG-Regel aufzunehmen.
Wesentliche Inhalte
men, die ein sicheres einhändiges
Zurückstecken der Kanülen in die
Schutzkappen erlauben). Aktuelle Änderungen anderer Rechtstexte wurden
berücksichtigt. So heißt es z. B. in Übereinstimmung mit der neuen LAGA-Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des
Gesundheitsdienstes, dass für das Sammeln von gebrauchten Kanülen, Lanzetten, Skalpellen etc. ausschließlich Einwegbehältnisse verwendet werden dürfen.
Vollkommen neu ist die Forderung der
Ziffer 4.2.4 der Regel, wonach spitze,
scharfe oder zerbrechliche Arbeitsgeräte
durch solche geeigneten Arbeitsgeräte
oder -verfahren ersetzt werden sollen,
bei denen keine oder eine geringere Gefahr von Stich- oder Schnittverletzungen
besteht. Hier sind in erster Linie Sicherheitsspritzen und –kanülen gemeint, die
nach dem Gebrauch selbsttätig oder
durch Aktivierung einer Schutzeinrichtung ein Verletzungsrisiko ausschließen
oder zumindest deutlich reduzieren. Der
Fachhandel bietet solche Systeme schon
seit geraumer Zeit in vielfältiger Form an;
wegen der höheren Kosten konnten sie
sich bisher noch nicht flächendeckend
durchsetzen.
Ein umfangreicher Abschnitt der Regel
befasst sich mit zusätzlichen Schutzmaßnahmen für besondere Arbeitsbereiche
und Tätigkeiten wie Reinigung, Desinfektion, Sterilisation, Umgang mit
benutzter Wäsche, Entsorgung von
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– April 2004
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Prävention
Abfällen, Instandhaltungsarbeiten, Endoskopie und Schutzmaßnahmen gegenüber MRSA. So werden z. B. Hinweise
zur Reinigung und Sterilisation von
Instrumenten gegeben, die bei Patienten
mit CJK, vCJK oder vergleichbaren
spongiformen Enzephalopathien bzw.
entsprechenden Verdachtsfällen eingesetzt wurden. Generell ist die manuelle
Reinigung von verschmutzten Instrumenten zu minimieren; sie muss mindestens in einem separaten gut belüftbaren
Raum durchgeführt werden. Hinsichtlich
der Entsorgung von Abfällen stellt die Regel auf die bereits erwähnte LAGA-Richtlinie über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen
des Gesundheitsdienstes ab. Anhang 2
gibt eine Übersicht über die einschlägi-
gen Abfallarten und die zugehörigen
Abfallschlüssel sowie Hinweise über
Anfallstellen, Sammlung, Lagerung und
Entsorgung der Abfälle. In Bezug auf bestimmte endoskopische Untersuchungen
bzw. bei Patienten mit bekannten übertragbaren Erkrankungen (vor allem
Hepatitis B, C und AIDS) wird klar
gestellt, dass neben medizinischen Einmalhandschuhen
und
Schutzkittel
zusätzlich Mund-Nasen-Schutz und
Schutzbrille getragen werden müssen.
Bei der Bronchoskopie von Patienten mit
offener TBC muss Atemschutz (mindestens Partikel filtrierende Halbmasken
FFP2) getragen werden.
suchungen und Impfangebote. Hier werden die einschlägigen Bestimmungen der
Biostoffverordnung wiedergegeben, erläutert und konkretisiert. Weitere Anhänge enthalten eine Musterbetriebsanweisung nach § 12 BioStoffV, die Gliederung eines Hygieneplans sowie eine
umfassende Zusammenstellung einschlägiger Vorschriften und Regeln.
Ansprechpartner:
Joachim Guth
0 26 32 / 9 60 –3 01
☎
Die Regel schließt ab mit einem Kapitel
über arbeitsmedizinische Vorsorgeunter-
Nach erfolgreicher Prüfung nun im Einsatz
Im Sommer 2001 begannen Dipl.-Ing.
(FH) Katja Skopek und Dipl.-Ing. (FH)
Bodo Köhmstedt die Ausbildung zur
Technischen Aufsichtsperson. Mit der
Prüfung am 21. Oktober 2003 wurde die
Vorbereitungszeit erfolgreich beendet.
Regional unterteilt betreuen sie u. a.
Kindertagesstätten, allgemeinbildende
Schulen, Berufsbildende Schulen, Sportstätten und Jugendzentren.
Foto: Konrad Klöckner
An der Fachhochschule in Wiesbaden
studierte Katja Skopek Bauingenieurwesen. Nach Abschluss des Studiums
war sie fünf Jahre in einem Betonwerk als
Gruppenleiterin im Technischen Büro
tätig.
Regionale Zuständigkeitsbereiche von
Katja Skopek: Landkreis Altenkirchen,
Westerwaldkreis, Landkreis Kaiserslau-
Achtung Krawattenträger!
So ist es passiert: Beim Griff nach der
Aktentasche geriet die Krawatte in den
automatisch anlaufenden Aktenvernichter.
Bevor der Träger „erdrosselt“ wurde,
schaltete sich das Gerät ab. Der Krawattenträger trug keinen Schaden davon, die
Krawatte ist jedoch nur noch bedingt einsetzbar.
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– April 2004
tern, Stadt Kaiserslautern, Landkreis Südwestpfalz, Stadt Pirmasens, Stadt Zweibrücken
Bodo Köhmstedt studierte Elektrotechnik
an der Fachhochschule Koblenz. Vor der
Ausbildung zur Aufsichtsperson bei der
Unfallkasse Rheinland-Pfalz war er ca.
3 Jahre bei einem Automobilzulieferer im
Bereich der Instandhaltung und Konstruktion tätig.
Regionale Zuständigkeitsbereiche von
Bodo Köhmstedt: Rhein-Lahn-Kreis,
Landkreis Alzey - Worms, Stadt Worms,
Landkreis Germersheim, RheinpfalzKreis, Stadt Frankenthal, Stadt Ludwigshafen, Stadt Speyer
Katja Skopek
Bodo Köhmstedt
☎ 0 26 32 / 9 60 –2 34
☎ 0 26 32 / 9 60 –2 33