Eröffnungsvortrag gehalten von Pater Klaus Mertes SJ, Direktor

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Eröffnungsvortrag gehalten von Pater Klaus Mertes SJ, Direktor
Eröffnungsvortrag gehalten von Pater Klaus Mertes SJ,
Direktor Kolleg St. Blasien, anlässlich der Fachtagung
Fundraising für Schulen an der Evangelischen Akademie
Bad Boll am 28. September 2012.
Schule braucht Mitstreiter – partnerschaftlich agierende Institutionen (Verbände, Jugendämter,
Rechtsbeistände, ehrenamtliche Mitarbeiter, aber auch Privatpersonen). Da Sie alle hier aus der
Praxis kommen, vermute ich, dass ich Ihnen da nicht viel erzählen muss, zumal wir alle erleben,
dass die gestiegenen Anforderungen an Schule nicht mehr zu bewältigen sind ohne Mitstreiter.
Es gibt zu viele Menschen, die auf dem Sofa sitzen und über Schule schimpfen – wie zuletzt geschehen in einem neuen talk-show-Format: Da sitzen ein philosophierendet Bestseller-Autor und
ein Hirnforscher zusammen und stellen mal wieder fest, dass in Deutschlands Schulen alles
falsch läuft, dass die falschen Leute Lehrer werden, dass die Kinder in der Schule die falschen
Sachen lernen und dass eigentlich das ganze System von oben nach unten umgekrempelt wird,
am besten in den nächsten fünf Jahren; sonst drohe mal wieder eine Bildungskatastrophe. Um
mich vor der entmutigenden Wirkung zu schützen, die der Diskurs der Besserwisser auf mich
inzwischen hat, habe ich mir angewöhnt, jeden Abend voll Dankbarkeit an die Mitstreiter zu denken, die es uns in unserem Umfeld möglich machen, Schule ein wenig besser zu machen: Eltern
(darüber wird gleich noch einiges zu sagen sein), Ehemalige, Eltern Ehemaliger, Fördervereine,
Stiftungen, Vereine, Unternehmen. Mitstreiter sind das Gegenteil von Besserwissern und Sofasitzern. Sie begeben sich mit der Schule in die Mühe der Ebene. Sie teilen mit der Schule das Wissen darum, dass sich an der Frage nach der Bildung – einerseits – die Zukunft einer Gesellschaft
entscheidet, dass aber andererseits Kinder und Jugendliche verwundbar sind – und Schule deswegen immer auch den Auftrag hat, Kinder und Jugendliche vor Instrumentalisierungen alles Art
zu schützen. Denn auch dies ist klar: Schule ist heute mehr als früher der Ort, auf den sich auch
kommerzielle, ideologische und andere Interessen richten, wenn man Zugang zu Jugendlichen
bekommen will. Dieser Trend wird sich verstärken, je mehr Lebenszeit pro Woche Jugendliche in
der Schule verbringen.
Sie haben mich gebeten, auf einer Fundraising-Fachtagung über das Thema „Schule braucht Mitstreiter“ zu sprechen. Ich beschränke mich also auf jene dringend gesuchten Mitstreiter, die
Schule finanziell unterstützen: bei der Anschaffung neuer Computer, bei der Einstellung eines
Sozialarbeiters, bei der Renovierung von Klassenräumen, bei der Finanzierung von AG-Leitern,
beim Aufbau eines Sozialfonds, bei der Umsetzung von Präventionsprogrammen gegen Mobbing,
Gewalt und sexuellen Missbrauch, bei der Entlastung von Lehrern, beim Aufbau einer Schulmensa, und so weiter. Das sind ja alles mehr oder weniger Investitionsnotwendigkeiten, sich aus den
Reformen der letzten Jahre ergeben. Der Staat hat sich dazu entschieden, zu reformieren ohne zu
investieren. Ich will jetzt nicht meinerseits anfangen zu schimpfen, zumal ich ja weiß, dass es ja
auch Investitionsprogramme gegeben hat. Doch erlebe ich sie angesichts der realen Verhältnisse
in den Schulen wie einen Tropfen auf einen heißen Stein. Es bleibt also gar nichts anderes übrig,
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als sich auch als Schule von der Staatsdenke zu verabschieden und sich aktive auf die Suche
nach Partnern zu begeben, die Schule auch finanziell unterstützen.
Ich möchte fünf Regeln nennen, die ich im Laufe der Jahre im Zusammenhang mit SchulFundraising gelernt habe.
1. Wer Spenden sammeln will, muss Ideen und Projekte haben und von ihrem Sinn überzeugt
sein:
Errichtung eines Sozialfonds, Anschaffung von Computern, Ausbau, Aufenthaltsräume für Schülerinnen und Schüler während Springstunden, und so weiter. So simpel diese erste Regel klingen
mag, so entscheidend ist sie. Sie entscheidet nicht nur über den Erfolg, sondern auch über die
pädagogische Rückwirkung des Fundraisings auf die Schule. Wer nach Ideen sucht, um an Geld
heranzukommen, vertauscht die Reihenfolge, die zwischen dem Mammon und der Idee herrschen soll.
 Wer Spenden sammeln will, muss zuerst einmal selbst tätig werden. Fundraising bedarf
zuerst einmal vorbereitender Aktivitäten, ja vielleicht sogar einiger Investitionen. Es reicht
meistens nicht, einen Rundbrief an Eltern oder Altschüler zu schreiben, die einen ohnehin schon kennen und die schon seit Jahr und Tag ihren Obolus entrichten. Um den Kreis
der potentiellen Spender zu erweitern, müssen neue Gelegenheiten gesucht und bisher
unbekannte Personen angesprochen werden.
 Gerade dieser letzte Punkt könnte schwierig sein. Wenn ich jemanden persönlich kenne,
dann fällt es mir leichter, ihn auf eine Spende anzusprechen. Denn ich kann davon ausgehen, dass er weiß, dass es mir in seinem Verhältnis zu sich nicht nur um das Geld geht.
Doch wer sich an Außenstehende, bisher Unbekannte wendet, um Geld von ihnen zu erbitten, könnte meinen, er müsse erst eine persönliche Beziehung zu ihm oder zu ihr aufbauen, um sie dann um Geld anzugehen. Wenn das so „funktionierte“, dann entginge
man kaum dem Vorwurf, man nehme die persönliche Beziehung letztlich nur mit einem
Hintergedanken auf und entwürdige deswegen die Person des Spenders.
 Sich an Außenstehende mit der Bitte um Geld wenden, ist „Betteln“. Es erfordert Mut und
Demut; die Bereitschaft, sich durch eine Absage demütigen zu lassen; sich und das Urteil
über die Lauterkeit der eigenen Motive einem anderen Menschen auszuliefern. Ein wesentlicher Punkt kommt hinzu, wenn man als Vertreter einer Institution „bettelt“: Es reicht
nämlich nicht, nur als Einzelperson eine Idee zu haben. Wer Spender gewinnen will, muss
zuerst einmal innerhalb der eigenen Institution für Konsens und Aufbruchsstimmung sorgen, muss für die Idee innerhalb der eigenen Institution werben; muss das Projekt ausarbeiten (lassen), Entwürfe präsentieren und von ihrer Machbarkeit überzeugen; muss
schon im Vorfeld dafür sorgen, dass die künftigen Spender und Spenderinnen nicht nachträglich in die Mühlen eines Dissenses innerhalb der Institution geraten, den sie nicht zu
verantworten haben. Wenn die Idee zum gemeinsamen Anliegen wird, dann lassen sich
auch in der eigenen Institution Mit-Sammler finden, Mitstreiter.
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2. Öffentlichkeitsarbeit und Öffnung gehören zu erfolgreichem Fundraising
Es gibt Öffentlichkeitsarbeit, die nicht im Widerspruch zu persönlicher Bescheidenheit und
Wahrheitsliebe steht. Dem Image darf die Wahrheit nicht geopfert werden – die Leute merken
das und wenden sich ab, innerhalb und außerhalb der Schule (Es ist ja immer bei Öffentlichkeitsarbeit mit zu bedenken, dass die Schüler, Kollegen und Eltern mitlesen). Öffentlichkeitsarbeit hat mit Offenheit zu tun. Wer Spender gewinnen will, muss sich und seine Institution öffnen, darf nicht nur über den Fortgang des neuen Anbaus informieren, sondern sollte die Spender
auch zum Schulfest einladen, Schule und Spender - wenn letztere es wollen - miteinander bekannt machen, den Besuch von Unterricht an der Schule ermöglichen, beim Schultheater Plätze
frei halten, und so weiter. Handgreiflicher, „leiblicher“ Kontakt ist immer besser als das Verschicken von Info-Blättern und Jahresberichten. Es gibt Schulen, die Lehrer nur zu dem Zweck entlasten, die Beziehungen zu den Spenderinnen und Spendern zu entwickeln und zu pflegen.
Das Ziel des Fundraising ist das Geld. Aber der (potenzielle) Geldgeber hat eine Würde als
Mensch, die es verbietet, ihn auf diese Funktion zu reduzieren. „Fundraising is Friendraising“.
Es geht also mehr als nur um Geld. Wer vom Spender nur Geld will, aber von vornherein nicht
willens ist, sich einer Beziehung zu öffnen, der sollte deswegen erst gar nicht mit dem Spendensammeln beginnen. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum Fundraising nach meiner
Auffassung Chef-Sache sein muss – oder doch von Persönlichkeiten getragen werden sollte,
die der Schule ein Gesicht geben: Lang gediente Kolleginnen und Kollegen, Mitglieder der
Schulleitung, Vertreter der Schulträger.
Zu Offenheit gehört die Bereitschaft, sich in die eigenen Karten schauen zu lassen. Statt Hofberichterstattung sind Informationen über Geglücktes und Nicht-Geglücktes, Erfolge und Probleme,
Konsens und Dissens empfohlen. Auch die Transparenz der Entscheidungsprozesse über die
Verwendung der Gelder ist für den Spender wichtig. Es sind Fragen, die vor der Annahme der
Spende geklärt werden müssen: Wie weit darf sich der oder die Spenderin selbst in diese Entscheidungsprozesse einmischen? Wie weit ist der Empfänger der Spende seinerseits in Entscheidungsstrukturen eingebunden, die der Spender kennen sollte, bevor er spendet? In welchen Fragen wird sich der Fundraiser vom Spender nicht reinreden lassen? Zur Offenheit gehört jedenfalls, dass diese Fragen rechtzeitig geklärt werden.
Exkurs 1: Eltern als Spender
Ein komplexes Thema ist die Fragen nach Schüler-Eltern als Spendern. Ich neige dazu, Eltern
nicht aktiv als Spender anzugehen, und zwar aus folgenden Gründen:
 Im Beziehungsdreieck Lehrer-Schüler-Eltern waltet ein komplexes Machtgefälle. Die Lehrer-Schüler-Beziehung ist eine asymmetrische Beziehung. Eltern stehen systemisch gesehen auf der Seite ihrer Kinder und sind deswegen ihrerseits auch in einer Abhängigkeitsposition. Abhängige um Geld zu bitten, halte ich für problematisch.
 Eltern stehen, genauer gesagt, nicht einfach nur auf der Seite der Kinder, sondern auf der
Seite ihrer eigenen Kinder. Ich nehme einmal den Fall, dass Eltern ein Interesse daran
haben, dass ihr eigenes Kind dieses oder jenes besondere Bildungserlebnis in der Schule
haben, das allerdings viel Geld kostet. Sie sind vermögend und wollen es für die Klasse
finanzieren, in dem ihr Kind ist. Ich würde eine solche Spende nicht annehmen, weil sich
daraus ein innerschulisches Gerechtigkeitsproblem für die Schule als Ganze ergeben
würde. Der andere Konfliktfall steht an, wenn es eine disziplinarische Problematik mit
dem Sohn oder der Tochter von Spendereltern gibt. So sehr man sich im Vorfeld auch geschworen hat, dass die Spende die Schule nicht bindet in Bezug auf disziplinarische oder
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andere Fragen gegenüber den Kinder der Spender, so sehr wird es dann im konkreten Fall
doch sehr schwierig.
 Elternspenden können die Kinder in eine Defensivposition gegenüber ihren Mitschülern
hineinbringen, insbesondere dann, wenn die Eltern ihren Kindern zu Hause erzählen,
dass sie gespendet haben, und diese es weitererzählen. Beispiel: Ein Vater spendet
100.000 € für die Renovierung des Oberstufenraums. Sein Sohn war immer ein ausgezeichneter Schüler. Doch seit sich herumgesprochen hat, dass der Vater gespendet hat,
steht der Sohn bei seinen Mitschülern unter Verdacht, dass er seine guten Noten vor allem deswegen hat, weil der Vater gespendet hat. Im Falle einer Sponsoring-Vereinbarung
mit Eltern kann sich dieser Effekt multiplizieren. Beispiel: Ein Vater, der Bankinhaber ist,
sagt dem Schulleiter anlässlich der Aufn ahme seiner Tochter in die Schule zu, eine Serie
neuer Computer zu spenden. Die Übergabe soll in Anwesenheit der Presse stattfinden,
um bei dieser Gelegenheit auch das Engagement der Bank für Bildung sichtbar zu machen. Das Problem ist nur: Was werden die Mitschülerinnen der Tochter denken? Mit der
Sponsoring-Aktion wird die Tochter als Kind reicher Eltern geoutet und wird mit dem Vorwurf zu kämpfen haben, dass sie bevorzugt behandelt worden ist – vielleicht sogar nur
aufgenommen wurde, weil der Vater sich spendabel gezeigt hat.
Es gibt Fälle, bei denen Eltern als Spender an der Schule agieren können, ohne dass man in die
genannten Fallen tappt. Die entscheidenden Dinge laufen am Anfang der Geschichte. Ist die
Schule auf die Eltern zugegangen oder die Eltern auf die Schule? Je nachdem kann man sich dann
auf eine Spenderbeziehung einlassen oder nicht – im letzteren Fall eher als im ersteren. Wie
steht es mit der Diskretion? Erfahren die eigenen Kinder von der Spendenaktivität der Eltern?
Letztlich setzt das Eingehen auf Spendenaktivitäten von Eltern ein hohes gegenseitiges Vertrauen voraus, und auf beiden Seiten einen Sinn für die Fallen im magischen Beziehungsdreieck Lehrer-Eltern-Schüler.
Ich komme unter Punkt 4 noch einmal auf dieses Thema zurück. Es sei noch kurz angemerkt,
dass ich sehr skeptisch bin gegenüber Fundraising-Aktionen bei denen Schüler und Schülerinnen
mit einbezogen werden als Fundraiser. Die Gründe liegen ebenfalls in den Beziehungs-Fallen, die
ich für das magische Dreieck angedeutet habe.
Exkurs 2: Zivilgesellschaftliche Partner
Viele gesellschaftliche Gruppen bieten heute der Schule Kooperation an. Mein Arbeitstisch quillt
über vor Projektideen, Wettbewerbskonzepten, Partnerschaftsangeboten, Einladungen für Klassen und Kurse und vielem anderen mehr. Allein das seriöse Studium der Angebote und eine jeweils angemessene Reaktion würden mich pro Woche einen Arbeitstag kosten. Von den Schulleiter-Kollegen an anderen Schulen weiß ich, dass es ihnen nicht anders geht.
Ratlos bin ich damit, weil ich einerseits beglückt bin über so viel Interesse an Schule und über so
viele gute Ideen in Unternehmen, Stiftungen, Akademien, Kulturinstitutionen und Vereinen; andererseits aber bin ich überfordert, die Fülle überhaupt zur Kenntnis zu nehmen geschweige
denn sie an das Kollegium weiterzugeben und die dafür nötigen internen Kommunikationsprozesse in Gang zu setzen. In dieser Situation sind mit einige Kriterien für die Partnerschaften wichtig geworden:
 Die Angebote außerschulischer Träger müssen auf Bedürfnisse der Schule eingehen.
Die Angebote sind Dienstleistungen für die Schule, nicht umgekehrt.
 Die Lehrerinnen und Lehrer müssen als pädagogisch Verantwortliche erkennbar bleiben und eingebunden sein. Schule kann von ihrem Wesen her erzieherische Kompetenz nicht an nicht-schulische Träger abtreten. Wenn unter „Öffnung der Schule“ die
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Verlagerung genuin schulischer Verantwortung in andere Hände gemeint ist, dann ist
nachvollziehbar, wenn Schule sich nicht öffnet.
 Projektarbeit ist in der Regel zusätzliche Arbeit. Auch die von nichtschulischen Trägern angebotenen Projekte beanspruchen in der Regel Arbeitszeit der Lehrkräfte. Dies
muss im Angebot mit bedacht werden.
 Das Kerngeschäft der Schule ist der Unterricht. Natürlich wird auch in Projekten gelernt. Aber in der Alltagsrealität besteht die Hauptaufgabe der Lehrer und Lehrerinnen
in der Sorge für guten Unterricht. Deswegen muss die Schule in sehr vielen Fällen de
facto dem Unterricht Vorrang geben vor Projekten.
 Schule ist an nachhaltig wirkenden Projekten interessiert, die das Ganze der Schule
prägen, und muss es sein. Das Problem vieler Projekte besteht in ihrer Befristung,
und damit auch in der Befristung der Zeit, in der sie die Mittel für die Realisierung des
Projektes zur Verfügung stellt. Aus schulischer Perspektive kann auch ein befristetes
Projekt Sinn machen. Es hat dann aber auch in der Regel keine nachhaltige Wirkung
für die Schule als Ganze, sondern maximal für die beteiligten Schüler – es sei denn,
dass das Projekt Auftakt zu einem Impuls wird, der in die Schulstruktur Einzug findet.
Aber dies funktioniert in der Regel nur, wenn der Projektpartner auch bleibt und die
Mittel weiterhin zur Verfügung stellt.
3. Fundraising muss auf die Anliegen der Gerechtigkeit achten
Es gibt „Blutgeld“ (vgl. Mt 27,6), gestohlenes Geld, Mafia-Geld. Solche Extrembeispiele machen
deutlich, dass die Frage, von wem, von welcher Stiftung, aus welcher Erbschaft das Geld komme,
nicht einfach suspendiert werden kann. Aber auch in die andere Richtung hinein kann die Frage
nicht suspendiert werden: Spendensammeln geht nicht ohne den Kontakt zu reichen Männern
und Frauen. Muss man also schlussfolgern, dass Spendensammeln im größeren Stil letztlich
immer schon einen Kniefall vor dem Mammon bedeutet, oder um es in kirchlicher Sprache auszudrücken: Ein Verrat an der „Option für die Armen“'?
Das Bedenken ist alt. Gestatten Sie mir, dass ich ein bisschen in die kirchliche Tradition schaue:
Jesus war ein Fundraiser – er lebte Zuwendungen reicher Frauen (Lk 8,1-3) und von Gönner wie
einen gewissen Josef von Arimathäa. Die Briefe von Paulus drehen sich immer wieder um Geld –
es geht dabei vor allem um Spenden für die Armenversorgung am Jerusalemer Tempel. Von Ignatius, dem Gründer des Jesuitenordens, sind 7000 Briefe erhalten – 6000 drehen sich ums
Geld. Einmal beschwerten sich Jesuiten in Spanien darüber, dass der Schulleiter Spenden von
einem Prälaten annehmen würden, der einen anstößigen Lebenswandel führte. Darauf antwortete er: „Wenn wir in unserer Berufung nur suchen, sicher zu gehen, und das Gute hintanstellen
müssten, um uns weit von der Gefahr zu entfernen, dann können wir nicht mit den Nächsten leben und umgehen. Aber gemäß unserer Berufung gehen wir mit allen Menschen um.“ Vereinfacht
gesagt: „Bitte keine Berührungsängste!“
Umgekehrt kann man aber auch sagen: Einen Spender von der eigenen pädagogischen Vision zu
überzeugen, bedeutet, ihn selbst zu gewinnen. Das gilt umso mehr, wenn der Bittgang für den
Spendersammler demütigend ist, weil der Reichtum den Spender zu einem arroganten Typen
gemacht hat. Wenn die Idee gerade auch im ethischen Sinne gut ist, dann kann sie genauso wie
bei mir auch beim Spender „Umkehr“ bewirken. Ein Beispiel aus den USA: „P. Paul Reinert erzählt die Geschichte von einem herausragenden Geschäftsmann, der zu einem besseren Leben
geführt wurde, nachdem er in humanitäre Anliegen verwickelt worden war. Er schließt seinen
Bericht mit den folgenden Worten: Es scheint, dass die Haltung der Großzügigkeit ihm die
Gnade geschenkt hat, ein sittlich besseres Leben führen zu können, mehr als man es jemals
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vorher für möglich gehalten hätte."i Das Vertrauen in eine solche Dynamik darf allemal stärker
sein als die Tendenz zur Angst um die eigene Unbeflecktheit und/oder zum moralischen Überlegenheitsgefühl. Andererseits muss klar sein, an welche Spender man sich erst gar nicht wendet:
an Stiftungen, die mit schmutzigem Geld arbeiten; an Firmen, die mit menschenunwürdigen Mitteln werben; an Profiteure von ausbeuterischen Geschäften.
In der Schule besteht eine Notwendigkeit, auf die pädagogischen Implikationen bei der Spenderauswahl zu achten. Das Thema Geld führt die Schule in gesellschaftliche Probleme ein, vor die
sie der Staat als Geldgeber in der Regel schützt. Das ist auch eine pädagogische Chance. Geld ist
immer auch Ausdruck von gesellschaftlichen Machtverhältnissen, und diese führen wiederum in
den Themenbereich Gerechtigkeit ein. Deswegen muss eine Schule in diesem Bereich auch immer ihre Vorbildfunktion für die Schülerinnen und Schüler bedenken.
Das gilt auch für die sozialen Unterschiede innerhalb einer Schule. In jeder Schule gibt es reiche
und arme Familien. Das Evangelium lobt die arme Witwe, die mit ihrer kleinen Spende „mehr“
gegeben hat als der Reiche, der von seinem Überfluss abgibt (vgl. Mk 12,41-44). Das kann man
m.E. auch verallgemeinern: Eine Spendenaktion darf deswegen nie nur den Begüterten die Möglichkeit geben, zu spenden. Die Spenden der Armen und der geringer Verdienenden verdienen
dieselbe Aufmerksamkeit und Dankbarkeit. Entsprechend wird der reiche Spender, wenn es mit
rechten Dingen zugeht, mehr deswegen geschätzt, weil er gibt, als wegen der Höhe des Betrages,
den er gibt. Und ganz abgesehen davon gilt: „Kleinvieh macht auch Mist.“
4. Spendeneinkünfte müssen professionell verwaltet werden
So lautet die vierte Regel. Spendengeld ist nicht einfach Geld, über das der Spendensammler
nach Lust und Laune verfügen könnte, ohne irgendjemandem darüber Rechenschaft abzugeben.
Spendengeld gehört nicht „mir“. Aus dem Fundraiser, der etwas erhalten hat, wird ein Verwalter.
Sinnvolle Ausgaben, kluge Anlagepolitik, sorgfältige Buchführung und Abrechnung sind unverzichtbare Bestandteile einer guten „oikonomia“. Wer es selbst nicht kann, muss Beratung durch
Sachverstand suchen - durch einen Finanzbeirat, durch Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern,
durch eigene Fortbildung. Ganz delegieren lässt sich der Umgang mit den Spendengeldern nicht.
Der häufig erklingende Hinweis auf das „Eigentliche“ des pädagogischen Handelns, das „nicht in
Verwaltungstätigkeiten liegt“, gilt nicht, wenn man anfängt, Spenden zu sammeln.
Was ich habe, gehört nicht mir; gerade deswegen, muss es besonders sorgfältig verwaltet werden.
5. Dankbar sein:
Spender sind nicht nur einfach Goldesel. Um noch einmal ein Beispiel aus der jesuitischen Tradition zu nehmen: Ein Schüler von Ignatius erzählte im Rückblick: „Unter den vielen Tugenden, die
unser Vater (= Ignatius) besaß, gab es eine, die ihn besonders von anderen unterschied: Die Tugend der Dankbarkeit. Darin war er einfach großartig. Es war für ihn von höchster Bedeutung, es
den frommen Bewunderern und Wohltätern der Gesellschaft in der Großzügigkeit gleichzutun
oder sie sogar zu übertreffen. Er hielt sie über ihre Fortschritte im Laufenden, er besuchte sie und
half ihnen, wo immer er konnte; er tat ihnen sogar spezielle Dienste, ganz gegen seine sonstige
Neigung, vor allem um ihnen zu Gefallen zu sein.“
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Man streicht nicht einfach Geld von Spendern kommentarlos ein und macht sich damit aus dem
Staub. Ein kleinlicher Spendensammler ist von derselben Sorte wie ein geiziger Spender - man
erkennt den letzteren an seiner Knauserigkeit, den ersteren aber an seiner Undankbarkeit.
Eine Spenderin hatte einen nennenswerten Betrag für den Bau einer Schule in einem afrikanischen Dorf gespendet. Der Empfänger kam persönlich, um die Spende entgegenzunehmen und
sie nach Afrika zu vermitteln. Als die Schule gebaut war, lud er die Spenderin ein, zur Eröffnungsfeier anzureisen - er sei bereit, den Flug zu bezahlen. Sie sagte aus Altersgründen ab. Drei Wochen nach der Eröffnung der Schule kamen Bilder von der Feier sowie von dem Namensschild,
das nun über dem Eingang der Schule prangte. Die Schule wir nach der Spenderin benannt worden. Als der Direktor der Schule zwei Jahre später nach Deutschland zu Besuch kam, ließ er es
sich nicht nehmen, die inzwischen alt und gebrechlich gewordene Spenderin zu besuchen, um
ihr ein kostbares Ehrenkleid zu schenken, das die Schüler für sie gestickt hatten.
Von Herzen kommende Dankbarkeit ist das Gütesiegel einer guten Fundraising-Aktion. Die Pflicht
zur Dankbarkeit ist mehr als eine Regel für erfolgreiches Spendensammeln. Umgekehrt wird dann
aber auch echte Dankbarkeit wieder die Herzen öffnen für noch mehr - wenn sie nicht berechnet
ist.
i
Clancy, Thomas: A. a. O, S, 36.
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