Gefahr: IDE-Festplatten im Dauereinsatz - grosze

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Gefahr: IDE-Festplatten im Dauereinsatz - grosze
Gefahr: IDE-Festplatten im Dauereinsatz
Gefahr: IDE-Festplatten im
Dauereinsatz
› Immer häufiger laufen IDE-Festplatten und künftig Serial-ATA-Drives in
Servern und Arbeitsplatzrechnern im 24-Stunden-Betrieb. Doch die
Laufwerke sind nicht für den Dauerbetrieb konzipiert. Wir erklären, welche
Gefahren der Einsatz birgt.
› VON CHRISTIAN VILSBECK
Die Preisdifferenz zwischen IDE- und SCSI-Festplatten gleicher Kapazität ist seit Jahren
unverändert groß. Ein SCSI-Laufwerk ist bis zu viermal teurer als eine vergleichbare
IDE-Platte.
SCSI-Festplatten sind zwar noch immer die schnelleren Laufwerke, aber für viele Server
reicht die Performance von IDE-Festplatten vollkommen aus. Der Trend, dass
preisgünstige IDE-Drives das Serverfeld erobern, verwundert daher nicht. Und die
Serial-ATA-Laufwerke werden dieser Trend noch verstärken. Warum also eine teure
SCSI-Festplatte kaufen, wenn nicht allerhöchste Performance gefordert ist? Nur weil
deren MTBF mit einer Million Stunden eine höhere Zuverlässigkeit verspricht als die einer
IDE-Festplatte mit 500.000 Stunden? Damit umgerechnet über 114 Jahre verstreichen
statt nur 57 Jahre, bis die Festplatte einem Defekt erliegt?
Festplattenhersteller geben in ihren Datenblättern und Werbebroschüren nicht an, wie die
Berechnung dieser extrem hoch anmutenden Zuverlässigkeit zu Stande kommt. Dabei
wird gern verschwiegen, dass das Gros der IDE-Festplatten im Gegensatz zu den
SCSI-Drives nicht ausdrücklich für den Dauerbetrieb konzipiert ist. Laufen sie dennoch
ständig, können die IDE-Drives in dieser Mission schneller einem Defekt erliegen.
So erregte IBM (nun Hitachi (http://www.hgst.com) ) Aufsehen mit der Angabe, dass die
empfohlene Laufzeit der IDE-Festplatte Deskstar 120GXP 333 Stunden pro Monat
betrage. Ein Monat hat immerhin 732 Stunden. Doch ganz freiwillig dürfte IBM diese
Spezifikation nicht veröffentlicht haben. Ein Vorgängermodell der Deskstar 120GXP, die
Deskstar 75GXP, hatte seit Anfang 2001 durch Ausfälle bei vielen Anwendern für Unmut
gesorgt.
› tecCHANNEL-Umfrage: IDE-Drives im Dauerbetrieb
Wie wichtig es ist, Anwender auf die möglichen Gefahren des Dauerbetriebs von
IDE-Festplatten hinzuweisen, zeigt unsere tecCHANNEL-Umfrage. Wir haben die
tecCHANNEL-Leser gefragt, ob und wo sie IDE-Festplatten im Dauerbetrieb einsetzen.
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Gefahr: IDE-Festplatten im Dauereinsatz
IDE im Stress: Ein sehr hoher Anteil unserer Leser lässt
IDE-Festplatten im 24-Stunden-Betrieb arbeiten. Zwölf
Prozent erlitten dabei schon Ausfälle.
Von den über 1000 Befragten verwenden 54 Prozent in ihren Arbeitsplatzrechnern
IDE-Laufwerke im 24-Stunden-Betrieb. IDE-Drives in Servern benutzen 27 Prozent rund
um die Uhr. Bei den IDE-Dauerläufern hatten zwölf Prozent bereits mit Ausfällen zu
kämpfen. Immerhin drei Prozent nehmen seit einem Defekt von einem weiteren
Dauereinsatz Abstand. Und gerade mal 26 Prozent strapazieren ihre IDE-Festplatte
maximal acht Stunden pro Tag.
› IBM verwirrte mit 333 Stunden
Dass IDE-Festplatten keineswegs für den Marathonbetrieb, sondern eher für
Etappeneinsätze geeignet sind, dokumentierte IBM (nun Hitachi (http://www.hgst.com) ) Ende
2001 mit der Vorstellung der Deskstar 120GXP
(http://www.tecchannel.de/news/20011107/thema20011107-5900.html) . Nicht, dass es mit dieser Platte
hohe Ausfallraten gegeben hätte. Für Diskussionsstoff sorgte vielmehr eine kleine erstmals veröffentlichte - Angabe im Datenblatt der Deskstar 120GXP. Dort hieß es
neben "designed to protect user data" eben auch "recommended power-on hours
(monthly) 333". Die Deskstar 120GXP ist also für einen Betrieb von 333 Stunden pro
Monat spezifiziert. Umgerechnet sind das elf Stunden Laufzeit pro Tag.
Böse Zungen behaupteten, IBM wollte sich nach den Erfahrungen mit der Deskstar
75GXP durch die 333-Stunden-Spezifikation absichern. Das könnte ein Grund sein, im
Prinzip war IBM aber nur ehrlich. Der Hersteller legte mit der 333-Stunden-Angabe
erstmals offen, was der Rest der Plattenindustrie gern verschweigt: IDE-Festplatten sind
im Allgemeinen nicht für den Dauerbetrieb ausgelegt.
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Laufzeitbeschränkung: Im Datenblatt der Deskstar
120GXP fand sich die empfohlene Laufzeit von 333
Stunden pro Monat (letzte Zeile im Bild).
Die 333 Betriebsstunden pro Monat spiegeln laut IBM den typischen Einsatz einer
Desktop-Festplatte wieder. Das mag im Durchschnitt zutreffen, nur sorgte diese Angabe
für Verunsicherung bei den Anwendern. Was passiert, wenn die Deskstar 120GXP Tag
und Nacht läuft, und das über Monate hinweg?
Wie uns IBM mitteilte, lässt sich die Deskstar 120GXP auch zuverlässig im Dauerbetrieb
verwenden. Nur erhöhe sich proportional zur längeren Laufzeit die
Ausfallwahrscheinlichkeit. Ist die Festplatte länger als 333 Stunden pro Monat in Betrieb,
so müsse laut IBM "keineswegs davon ausgegangen werden, dass die Festplatte
innerhalb kürzester Zeit einen Defekt aufweisen wird".
IBM hat nach wenigen Monaten die 333-Stunden-Spezifikation wieder aus den
Datenblättern der Deskstar 120GXP entfernt. "Die Veröffentlichung der Power-on Hours
löste eine gewisse - unberechtigte - Verunsicherung aus", so Uwe Kemmer von der IBM
Technology Group gegenüber tecCHANNEL. Es stellt sich die Frage, ob die Festplatte
durch das Löschen einer Zeile aus dem Datenblatt ausfallsicherer ist.
› Unklare Herstellerangaben
Nicht nur IBM (http://www.hgst.com) (nun Hitachi) empfiehlt für seine IDE-Festplatten eine
bestimmte Nutzungsdauer pro Monat. Auch der Rest der Festplattengilde verwendet die
Power-on Hours (POH) als Grundlage für die Zuverlässigkeitsberechnungen ihrer
Laufwerke. Seagate (http://www.seagate.com) und Western Digital (http://www.westerndigital.com)
gehen ebenfalls von einer Nachtruhe für ihre IDE-Drives aus. Design und Komponenten
der Laufwerke seien für dieses "Laufzeitverhalten" ausgelegt. Etwaige Angaben finden
sich allerdings nicht in den Datenblättern der IDE-Platten.
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Gefahr: IDE-Festplatten im Dauereinsatz
40-Stunden-Woche: Seagate geht bei den
Zuverlässigkeitsangaben der IDE-Festplatten von
geregelten Arbeitszeiten aus: acht Stunden pro Tag
und fünf Mal pro Woche.
Western Digital erklärte gegenüber tecCHANNEL, dass die Zuverlässigkeitsangaben
ihrer IDE-Festplatten auf einer Laufzeit von 60 Stunden pro Woche basieren. Das
entspricht im Monat nur 240 Stunden und liegt somit noch unter IBMs POH-Angabe von
333 Stunden. IDE-Festplatten von Seagate werden im typischen Betrieb noch weniger
genutzt. Zumindest nimmt der Hersteller dies bei der Auslegung seiner Festplatten an:
acht Stunden pro Tag und fünf Mal die Woche. Daraus resultiert eine durchschnittliche
Laufzeit von 173 Stunden pro Monat.
Wäre eine IDE-Festplatte wirklich für den Dauerbetrieb geeignet und konzipiert, müsste
der POH-Wert 732 Stunden pro Monat betragen. Davon scheint Maxtor
(http://www.maxtor.com) auszugehen. Denn laut Thomas Astheimer, Manager Customer
Engineering bei Maxtor, weisen deren IDE- und SCSI-Festplatten keine qualitativen
Unterschiede auf. Beide Laufwerksgattungen seien für den Dauerbetrieb ausgelegt. Ein
Blick in die Datenblätter von Maxtors IDE- und SCSI-Festplatten lässt allerdings doch ein
paar Unterschiede erkennen. Während das aktuelle SCSI-Drive Atlas 10K IV eine
Ausfallrate von kleiner 0,7 Prozent verspricht, müssen IDE-Drives mit kleiner 1,0 Prozent
auskommen.
› Abstrakte MTBF-Zahlen
Die Festplattenhersteller reden bei ihren Laufwerken viel von "best reliability". Doch wie
ist Zuverlässigkeit eigentlich definiert? Die Lebenserwartung einer Festplatte spezifiziert
der MTBF-Wert (Mean Time Between Failure), das ist der Durchschnittswert für die
Zeitspanne zwischen Ausfällen des entsprechenden Geräts. Der MTBF-Wert hat sich
industrieweit als anerkanntes Instrument für die Fehlerhäufigkeit etabliert und findet nicht
nur bei Festplatten Verwendung.
Bei SCSI-Festplatten liegt der MTBF-Wert typischerweise bei einer Million Stunden. Hält
das Laufwerk also 114 Jahre durch, ehe es einem Defekt erliegt? Nein, die
Komponentenlebensdauer von Festplatten ist nur auf fünf Jahre ausgelegt. Die hohen
MTBF-Werte von Festplatten sind daher irreführend, weil sie nichts über die tatsächliche
Lebensdauer aussagen. Vielmehr ist die MTBF ein Indiz für die Ausfallwahrscheinlichkeit
des Laufwerks. Beispiel: 1000 Festplatten mit einer MTBF von je einer Million Stunden
sind ein Jahr lang im Betrieb. Dann ist auf Grund der MTBF davon auszugehen, dass 8,5
Drives einem Defekt erliegen. Die MTBF errechnet sich aus der Anzahl von Samples
multipliziert mit den Betriebsstunden geteilt durch die Ausfälle im Testzeitraum.
Anschaulicher als der MTBF-Wert ist die jährliche Ausfallrate AFR. Sie gibt die
Ausfallwahrscheinlichkeit einer Festplatte in Prozent an. Die AFR errechnet sich aus den
monatlichen Ausfällen pro installierter Basis multipliziert mit dem Faktor 12 (für ein Jahr).
Ein typischer AFR-Wert ist 0,9 Prozent. Es besteht auch ein direkter Zusammenhang
zwischen der AFR und der MTBF: AFR % = 1/MTBF x POH x 100. Aus Gründen der
Anschaulichkeit finden sich immer seltener Angaben über die MTBF in den Datenblättern
der Festplatten. Hersteller wie Maxtor (http://www.maxtor.com) veröffentlichen deshalb nur
noch die AFR.
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› Knackpunkt: Power-on Hours
Hat eine Festplatte eine MTBF von 500.000 Stunden, so gilt dieser Wert nur, wenn sie
unter den vom Hersteller vorgegebenen Bedingungen arbeitet. Die Zuverlässigkeit einer
Festplatte hängt wesentlich von der Belastung und der Umgebung ab.
Ein entscheidendes Kriterium bei der Kalkulation der MTBF sind die Power-on Hours der
Festplatte. Für SCSI-Festplatten verwenden alle Hersteller einen POH-Wert von 732
Stunden pro Monat. Dies entspricht umgerechnet einem 24-Stunden-Betrieb an sieben
Tagen pro Woche. Bei IDE-Festplatten variieren die zur Berechnung verwendeten
Power-on Hours von Hersteller zu Hersteller. Die MTBF von IDE-Festplatten ist also nicht
mit der von SCSI-Drives vergleichbar. Auch die MTBFs von IDE-Drives untereinander
lassen sich nur begrenzt vergleichen.
Power-on Hours: Läuft eine Festplatte statt 2400
Stunden pro Jahr durchgehend (7680 Stunden), steigt
die Ausfallwahrscheinlichkeit um den Faktor 1,8.
Quelle: Seagate.
Wird eine IDE-Festplatte mit einer POH-Spezifikation von 333 Stunden pro Monat im
Dauerbetrieb eingesetzt, so gilt keineswegs mehr der ursprüngliche MTBF-Wert für die
Zuverlässigkeit des Laufwerks. Laut IBM (nun Hitachi (http://www.hgst.com) ) nimmt die
Ausfallwahrscheinlichkeit proportional zur längeren durchschnittlichen Laufzeit zu.
Etwas genauer spezifiziert Seagate (http://www.seagate.com) den Zusammenhang zwischen
Ausfallwahrscheinlichkeit und Power-on Hours mit der MTBF-Adjustment-Curve: Eine
Festplatte ist mit 2400 Stunden pro Jahr Laufzeit angegeben (je zehn Stunden an fünf
Tagen pro Woche). Lässt man dies Laufwerk nun 7680 Stunden pro Jahr laufen
(Dauerbetrieb), so sinkt die MTBF um den Faktor 1,8. Nutzt jemand die Platte dagegen
nur 492 Stunden pro Jahr (zirka zehn Stunden pro Woche), so erhöht sich die
Zuverlässigkeit um den Faktor 2.
› Faulheit wird belohnt
"Wer sich viel bewegt, lebt länger" lautet ein Sprichwort. Das gilt allerdings nicht für
Festplatten. Je mehr sich deren Köpfe bewegen und je häufiger Schreib- und
Lesezugriffe erfolgen, desto die Lebensdauer der Platte.
Die Auslastung einer Festplatte ist definiert als Duty Cycle. Der Wert beschreibt den
Anteil von Positionier-, Schreib- und Lesezugriffen während des Betriebs. Bei
IDE-Festplatten gelten 20 Prozent, bei SCSI-Drives 30 Prozent als typische Auslastung.
Der Einsatz einer IDE-Festplatte in Serverumgebungen erhöht nicht nur die Power-on
Hours, sondern auch die Duty Cycles. Entsprechend verkürzt sich durch diesen Umstand
die Lebensdauer von IDE-Festplatten zusätzlich, wenn sie in Servern arbeiten. Eine
Erhöhung der Auslastung lässt natürlich auch bei SCSI-Festplatten die
Ausfallwahrscheinlichkeit steigen. SCSI-Drives sind jedoch bereits für eine höhere
Grundauslastung konzipiert.
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Gefahr: IDE-Festplatten im Dauereinsatz
Duty Cycle: Wenn die durchschnittliche Auslastung
(Zugriffe) sinkt, erhöht sich die Zuverlässigkeit
insbesondere bei Festplatten mit vielen
Magnetscheiben. Quelle: Seagate.
Die Zahl der vom Duty Cycle abhängigen Komponenten einer Festplatte hängt direkt mit
der Anzahl der eingesetzten Plattern zusammen. Das betrifft vor allem die Magnetköpfe
sowie die Aktuator-Einheit. Hat eine 1-Scheiben-Festplatte eine AFR von 0,8 Prozent, so
erhöht sich laut Seagate (http://www.seagate.com) die Ausfallrate um 0,2 Prozent je weiterer
Magnetscheibe. Eine 4-Scheiben-Version hätte demnach eine jährliche Ausfallrate von
1,4 Prozent. Bei Seagate basiert die MTBF-Angabe in den Datenblättern bei allen Platten
einer Familie jeweils auf dem 2-Scheiben-Modell. Maxtor (http://www.maxtor.com) bezieht
seine Zuverlässigkeitsberechnungen auf alle Kapazitäten der jeweiligen Produktfamilie.
Hier wird nicht nach bestimmten Modellen gemessen, so Thomas Astheimer von Maxtor.
Wie stark die MTBF einer Festplatte vom Auslastungsverhältnis abhängt, zeigt die Grafik
Duty Cycle. Sinkt die durchschnittliche Auslastung eines 4-Plattern-Laufwerks von
beispielsweise 70 auf 20 Prozent, so steigt die MTBF um den Faktor 1,65.
› Kühle Köpfe leben länger
Das Datenrettungsunternehmen Ibas (http://www.datenrettung.de) bekommt sehr oft defekte
SCSI-Festplatten aus Servern zugesendet. Nicht, weil die Platten per se unzuverlässig
wären, im Gegenteil, der Ausfallgrund ist Überhitzung durch mangelnde Kühlung.
Festplatten sind komplexe elektromechanische Geräte, deren Zuverlässigkeit stark von
der Umgebung abhängt. Neben relativer Luftfeuchtigkeit, Spannungsversorgung, Schock
und Vibration ist vor allem zu hohe Temperatur ein potenzieller Datenkiller. Sowohl die
Zuverlässigkeit der Elektronik als auch der Mechanik - Spindelmotor und Lager - hängt
stark von der Umgebungstemperatur sowie einem adäquaten Luftstrom ab.
Die Festplattenhersteller geben stets einen zulässigen Temperaturbereich für den Betrieb
der Laufwerke an. Meist liegt dieser im Bereich von 5 bis 55 Grad Celsius. Die
Zuverlässigkeitsangaben wie MTBF oder AFR basieren dabei auf einer bestimmten
Normtemperatur. Hier machen die Hersteller unterschiedliche Angaben: Maxtor
(http://www.maxtor.com) nennt für die SCSI-Platte Atlas 10K IV 30 Grad, IBM/Hitachi
(http://www.hgst.com) für das IDE-Laufwerk Deskstar 180GXP 40 Grad und Seagate
(http://www.seagate.com) beispielsweise für die Barracuda ATA V 25 Grad Celsius.
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Temperatureinfluss: Jedes Grad Celsius über der
Normtemperatur erhöht die Fehlerrate einer Festplatte
um zwei bis drei Prozent. Quelle: IBM.
Wie sich die Ausfallwahrscheinlichkeit einer Festplatte mit der Temperatur verändert,
zeigt IBM in der Illustration Temperatureinfluss. Jedes Grad Celsius über der
Normtemperatur senkt die Zuverlässigkeit um zwei bis drei Prozent. Nur 5 Grad mehr,
und die Ausfallwahrscheinlichkeit steigt bereits um zehn bis 15 Prozent. Andererseits
erhöht sich aber auch die Zuverlässigkeit, wenn die Betriebstemperatur der Festplatte
unterhalb des Normwerts verweilt. Von Seagate gibt es ähnliche Untersuchungen: Läuft
eine Festplatte bei 100 Prozent Duty Cycle statt bei "kühlen" 25 Grad bei 40 Grad
Celsius, so verdoppelt sich bereits die Ausfallwahrscheinlichkeit. Bei einer Temperatur
von 56 Grad Celsius vervierfacht sich laut Seagate der AFR-Wert sogar.
Bei zu hohen Betriebstemperaturen kann schnell eine thermische Überlastung des
Magnetscheibenstapels und des Aktuators auftreten. Dies verursacht möglicherweise
Off-track-Schreibvorgänge, die korrupte Daten auf angrenzenden Zylindern zur Folge
haben. Die Lager des Spindelmotors und Aktuators verschleißen bei hohen
Temperaturen schneller und können zu mechanischen Schäden führen. Auch die
Schmiermittel dieser Komponenten verlieren schneller an Wirkung oder verflüchtigen
sich.
› IDE- vs. SCSI-Drives
Ein anschauliches Statement über die Unterschiede von IDE- und SCSI-Festplatten
kommt vom Laborleiter eines deutschen Datenrettungsunternehmens: "IDE-Festplatten
sind billig zugeklebte Blechbüchsen." IDE-Drives sind aber erste Wahl, wenn niedrige
Anschaffungskosten im Vordergrund stehen. Neben den hohen Stückzahlen sorgt eine
hohe Integration durch Verwendung weniger Bauteile für günstige Preise. Mittlerweile gibt
es IDE-Drives fast nur noch als Versionen mit einer oder zwei Plattern.
SCSI-Festplatten benötigen auf Grund ihrer hohen Drehzahl von 10.000 und 15.000
U/min eine aufwendigere Mechanik - IDE-Drives drehen dagegen nur mit 5400 und 7200
U/min. Einzig Western Digital hat mit der Raptor eine Serial-ATA-Festplatte mit 10.000
U/min im Angebot.
Die Magnetarmkonstruktionen sind bei SCSI wegen der deutlich kürzeren Zugriffszeiten
straffer ausgelegt. Zur Realisierung der schnellen Positionierung ist der Aktuator im
Vergleich zu IDE-Drives mit mehr Windungen und stärkeren Magneten ausgestattet. Die
hohen Drehzahlen fordern bei SCSI-Festplatten stärkere Motoren.
Zielvorgaben: IDE- und SCSI-Festplatten sind für
unterschiedliche Einsatzbedingungen konzipiert. Der
Bildauszug entstammt einem Whitepaper von IBM.
Der drehzahlbedingten höheren Wärmeentwicklung sowie den Dauerlaufzeiten der
Motoren tragen entsprechend angepasste Schmiermittel Rechnung. SCSI-Festplatten
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produzieren bei Zugriffen pro Datenmenge wesentlich weniger Vibrationen als
IDE-Festplatten. Zudem sind sie unempfindlicher gegenüber Vibrationen von außen,
beispielsweise durch benachbarte Laufwerke. Durch Rotationsvibrationen können sich
die Festplatten gerade in Systemen mit einem Laufwerksverbund (RAID) gegenseitig
beeinflussen. Die Folgen: Abbruch von Schreibvorgängen, Wiederholung von
Lesevorgängen oder der Magnetkopf wird aus der Spur vibriert. SCSI-Laufwerke schaffen
laut Seagate bei gleichen Rotationsvibrationen von 21 rad/s² einen 88 Prozent höheren
I/O-Durchsatz (16 KByte Random Writes) als ein IDE-Laufwerk.
Die höhere Zuverlässigkeit von SCSI-Festplatten ist in den Datenblättern durch eine
höhere MTBF ausgewiesen. In der Regel liegt sie zwischen 1,0 und 1,2 Millionen
Stunden. Die MTBF-Werte von IDE-Laufwerken bewegen sich dagegen in einem Bereich
von 500.000 bis 800.000 Stunden. Auch in der Garantiezeit unterscheiden sich die
beiden Laufwerksgattungen: Die Hersteller gewähren auf IDE- im Regelfall ein, auf
SCSI-Drives fünf Jahre. Eine Komponentenlebensdauer von fünf Jahren ist den IDE- und
SCSI-Festplatten aber wieder gemein.
› Studie: SCSI zuverlässiger
Die Diskussion um die Zuverlässigkeit von Festplatten beruht zu großen Teilen auf
Theorien, Statistiken und Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Unabhängige realitätsnahe
Testergebnisse über die Ausfallsicherheit von IDE- und SCSI-Drives sind schwer zu
bekommen.
Dies befand auch die Computer Science Division (http://www.cs.berkeley.edu/) der
Berkeley-Universität (http://www.berkeley.edu/) in Kalifornien, die im Jahr 1999 die
Ausfallcharakteristik einer großen Storage-Lösung untersucht hat. In einer 18 Monate
währenden Testphase wurden die Fehlerraten aller Komponenten protokolliert. Das 3,2
TByte fassende Speichersubsystem bestand unter anderem aus 368 SCSI- sowie 24
IDE-Festplatten. Die Anzahl der IDE-Drives gilt allerdings nicht als statistisch adäquat.
Ausfälle in einem Speichersubsystem
Komponente
Anzahl im System
Zahl der Ausfälle
Ausfallrate
SCSI-Festplatte
368
7
1,9 %
IDE-Festplatte
24
6
25 %
SCSI-Box Backplane
46
13
28,3 %
SCSI-Box Netzteil
92
3
3,3 %
SCSI-Controller
44
1
2,3 %
SCSI-Kabel
39
1
2,6 %
Ethernet-Controller
20
1
5,0 %
Ethernet-Switch
2
1
50 %
Ethernet-Kabel
42
1
2,3 %
CPU/Mainboard
20
0
0%
Die Ausfälle beziehen sich auf einen Dauertest von 18 Monaten. Die Daten stammen von der
Berkeley-Universität in Kalifornien.
Während die SCSI-Drives mit einer Ausfallrate von 1,9 Prozent zur zuverlässigsten
Komponente des Storage-Systems avancierten, wiesen die IDE-Laufwerke mit 25
Prozent die höchste Ausfallrate auf. Die IDE-Festplatten zeigten in dem 18-monatigen
Dauerbetrieb eine 13-mal höhere Fehlerrate als die SCSI-Drives. Die zahlreichen Defekte
der IDE-Festplatten führt die Universität teilweise auch auf die Arbeitsumgebung zurück.
Während die SCSI-Drives in speziell auf gute Kühlung und vibrationsmindernd
ausgelegten Anlagen betrieben wurden, mussten die IDE-Laufwerke mit handelsüblichen
PC-Gehäusen vorlieb nehmen.
Anhand der Testergebnisse der Berkeley-Universität errechnet sich eine AFR von 1,27
Prozent für die SCSI-Festplatten. Der Wert liegt bereits knapp 40 Prozent über den
AFR-Angaben aktueller SCSI-Drives von zirka 0,9 Prozent. Die Zuverlässigkeit des
Speichersubsystems hängt jedoch im Wesentlichen auch von den restlichen
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Komponenten ab, wie die Berkeley-Studie zeigt. So gab es beispielsweise bei den 46
externen Festplattengehäusen 13-mal Probleme mit der Datenintegrität (zum Beispiel
Probleme mit Steckverbindungen). Von den insgesamt 92 Netzteilen der SCSI-Boxen
quittierten über drei Prozent den Dienst.
› Veränderte Einsatzgebiete
Das Problem mit den IDE-Festplatten ist keineswegs, dass sie unzuverlässiger geworden
sind. Im Gegenteil, die MTBF stieg in den vergangenen Jahren. Ein hoher Anteil der
Laufwerke arbeitet aber nicht mehr in der Umgebung oder unter den Bedingungen, die
sich die Plattenhersteller ursprünglich vorstellten: tagsüber an und nachts aus. Hier muss
von Seiten der Hersteller klar Stellung bezogen werden. IDE-Festplatten sind nicht für
den intensiven Dauerbetrieb konzipiert. Zudem sollten die Festplattenproduzenten
angeben, wie sich die Ausfallwahrscheinlichkeit im Dauerbetrieb erhöht.
Neben dem Einsatz der IDE-Drives in Bürorechnern - über 50 Prozent der
tecCHANNEL-Leser verwenden sie hier im Dauerbetrieb - und Servern wandern sie
vermehrt in neue Devices. Vor allem die NAS-Appliances und Filer in den Preiskategorien
bis 5000 Euro sind hervorzuheben. Die Geräte erweitern die Storage-Kapazität in
Netzwerken und setzen meist vier IDE-Festplatten in einem RAID-Verbund ein. Ein
Dauerbetrieb ist bei Netzwerk-Devices unumgänglich. Intern arbeiten in den
NAS-Appliances Laufwerke "von der Stange". Unsere NAS im tecCHANNEL-Labor von
Dell, IBM, Iomega, Snap Appliances verwenden IBMs Deskstar 120GXP oder Maxtors
DiamondMax 160. Selbst die 2,5-Zoll-Mobile-Festplatten bleiben vom Dauereinsatz nicht
verschont. Die besonders platzsparend konzipierten Blade-Server setzen auf die
2,5-Zoll-Drives.
Dem Trend entsprechend bieten die Festplattenhersteller nun vermehrt spezielle
IDE-Festplatten an, die auf Dauerbetrieb ausgelegt sein sollen. Im folgenden Abschnitt
geben wir einen Überblick.
› Spezielle 24/7-IDE-Festplatten
Fujitsu (http://www.fujitsu.de) hat bereits im März 2002 eine spezielle 24/7-Version der
2,5-Zoll-IDE-Festplattenfamilie MHR2xxxAT vorgestellt. Die 24/7-Version ist für den
Dauereinsatz konzipiert und soll primär in Blade-Servern Einsatz finden. Auch
IBM/Hitachi (http://www.hgst.com) bietet von den Mobile-Festplatten Travelstar 40GN und
60GH Versionen für den Dauerbetrieb an. Statt 333 Stunden weist das Datenblatt hier
732 Power-on Hours pro Monat aus.
Enhanced Availability: Hitachi bietet die
2,5-Zoll-Festplatte Travelstar 60GH auch als
Serverversion an. Neben dem Dauerbetrieb ist das
Laufwerk auch für eine höhere Auslastung konzipiert.
Maxtor (http://www.maxtor.com) gibt bei seinen IDE-Laufwerken keine
Laufzeitbeschränkungen an. Dennoch hat der Hersteller im September 2002
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Gefahr: IDE-Festplatten im Dauereinsatz
http://www.tecchannel.de/news/20020910/thema20020910-8630.html) mit
der MaxLine-II-Familie
speziell für den Dauerbetrieb ausgelegte IDE-Drives vorgestellt. Die Laufwerke besitzen
eine MTBF von einer Million Stunden - dies entspricht dem Wert von SCSI-Festplatten.
Als Einsatzgebiet für die MaxLine-II-Familie sieht Maxtor Entry-Level- und
Mid-Size-Server. Maxtor bietet die IDE-Laufwerke mit Ultra-ATA/133- oder
Serial-ATA-Interface an.
Die bessere Wahl: Maxtor bewirbt die
MaxLine-II-Familie als ausfallsicherer, schneller und
preisgünstiger als klassische Bandlaufwerke und
optische Lösungen.
Western Digital (http://www.westerndigital.com) steigt mit der Raptor
(http://www.tecchannel.de/news/20030211/thema20030211-9885.html) erneut in den Festplattenmarkt
für Server und Workstations ein. Gleichzeitig debütiert die Raptor als erstes
Serial-ATA-Drive mit einer Umdrehungszahl von 10.000 U/min. Die Raptor soll die hohe
Performance und Zuverlässigkeit von SCSI-Drives zu deutlich günstigeren Preisen
bieten, so Western Digital. Laut Western Digital ist die Mechanik der Raptor - wie Lager
und Aktuator - speziell für den Dauerbetrieb konzipiert. Die hohe Zuverlässigkeit der
Raptor will Western Digital mit einer MTBF von 1,2 Millionen Stunden garantieren. Die
Garantie beträgt ebenfalls wie für SCSI-Drives fünf Jahre.
› Fazit
Die Hersteller verschweigen es gern: IDE-Festplatten sind nicht für den Dauerbetrieb
konzipiert. Wer will sich schon potenzielle Absatzmärkte verschließen. Fakt ist aber, dass
die Ausfallrate von IDE-Laufwerken bei intensivem Dauereinsatz steigt. Sie liegt ohnehin
schon höher als bei SCSI-Drives. Für den Dauerbetrieb sind nach wie vor
SCSI-Festplatten prädestiniert und bieten hier mehr Datensicherheit. Maxtors
(http://www.maxtor.com) IDE-Festplatten seien zwar für den Dauerbetrieb spezifiziert, so der
Hersteller. Die Ausfallrate liegt aber auch hier höher als bei den eigenen SCSI-Drives.
Nicht ohne Grund hat Maxtor mit der MaxLine II spezielle IDE-Festplatten für den
Dauerbetrieb im Angebot. Auch Western Digital (http://www.westerndigital.com) geht diesen
Weg mit dem Serial-ATA-Laufwerk Raptor.
Die von IBM (nun Hitachi (http://www.hgst.com) ) ausgelöste Verunsicherung mit der
333-Stunden-Spezifikation der Deskstar 120GXP zeigte Wirkung. Viele Diskussionen
zum Thema höhere Ausfallwahrscheinlichkeit bei Dauereinsatz von IDE-Drives wurden
entfacht. Zwar können auch IDE-Festplatten über Monate und Jahre hinweg
durchgehend betrieben werden, nur müssen die Hersteller den Anwender über das
höhere Ausfallrisiko informieren. Diese Hinweise sucht man bislang vergebens.
SCSI-Festplatten sind in der Anschaffung bei gleicher Kapazität gut viermal teurer als
IDE-Laufwerke. Berücksichtigt man aber die geringere Ausfallrate von SCSI-Drives und
die Kosten bei einem Defekt, so kann sich das zusätzlich investierte Geld für
SCSI-Equipment schnell bezahlt machen. (cvi)
› Weitere Themen zu diesem Artikel:
Grundlagen Festplattentechnik (http://www.tecchannel.de/hardware/641/index.html)
Professionelle Datenrettung (http://www.tecchannel.de/hardware/651/index.html)
Test: Ultra-ATA-Festplatten (http://www.tecchannel.de/hardware/498/index.html)
Test: SCSI-Festplatten (http://www.tecchannel.de/hardware/318/index.html)
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