Jugendsubkulturen an öffentlichen Plätzen

Transcription

Jugendsubkulturen an öffentlichen Plätzen
l
JUGEND-KULTUR
Jugendsubkulturen an öffentlichen Plätzen
von Meent Adden
Das KIDS des Trägers basis & woge e.V. macht seit 1993 Angebote der Straßensozialarbeit. Diese niedrigschwellige Arbeit ermöglicht den Mitarbeiter/innen einen Einblick in die
Lebenssituation der Jugendlichen in den jeweiligen Szenen.
Hierüber können neue Kontakte zu Jugendlichen aufgenommen und bestehende gehalten werden, ohne auf die im offenen Bereich oder während der Beratung praktizierte
„Komm-Struktur“ angewiesen zu sein. (1)
Politisch positionieren sich Punks eher links,
in klarer Abgrenzung zu rassistischen
oder faschistischen Gruppen.
Immer wieder hat die Einrichtung in ihren Arbeitsfeldern
Kontakte zu spezifischen subkulturellen Gruppen. Im Folgenden soll geschildert werden, wodurch sich diese jungen
Menschen hinsichtlich ihrer Musik, ihrer Kleidung und, soweit es hier möglich ist, hinsichtlich ihres Lebensgefühls auszeichnen. Die Art und Weise, wie die Einrichtung KIDS mit
diesen jungen Menschen arbeitet, wird in diesem
Zusammenhang weniger erörtert.
Seit Mai 2007 verzeichnete das KIDS eine steigende Zahl
junger Punks, die sich am Hauptbahnhof treffen. Diese Jugendlichen kommen zum Teil von außerhalb, häufig aus anderen Großstädten (z.B. aus Berlin oder dem Ruhrgebiet).
Andere Szenetreffpunkte in der Stadt sind St. Pauli oder Altona. Hier gab es eine größere Szene am Bahnhof, die auf Basis
der Kooperation von Streetwork-Einrichtungen, Jugendamt
und Jugendhilfeträgern in eine Wohnunterkunft am Holstenkamp in Bahrenfeld untergebracht werden konnte. Am Bahnhof treffen sich die jungen Punks, um zu „schnorren“ oder,
vorzugsweise am Wochenende, von hier aus nach St. Pauli
weiterzuziehen. Auffällig wird diese Szene insbesondere
dann, wenn in den Sommermonaten große Punkfestivals wie
z.B. die Force Attack in der Nähe von Rostock stattfinden. In
dieser Zeit treffen sich junge Punks in einer Gruppengröße
von 50 bis 100 Personen, um vom Hauptbahnhof zu den Festivals zu fahren.
„Rave strikes back“
Die Raver-Szene gehört mittlerweile zu den „Klassikern“ unter den Zielgruppen des KIDS. (2) Neben der Anlaufstelle am
Hauptbahnhof erreicht das KIDS diese Jugendszene vor allem durch das 2004 implementierte DOM-Präventions-Pro„Punx not dead“ oder Totgesagte leben länger
jekt auf dem Heiligengeistfeld zu Zeiten des Doms. Weitere
Treffpunkte, vor allem an den Wochenenden, sind die BereiDieser Satz von Wattie Buchan von der Band The Exploited
che rund um den Spielbudenplatz (die berühmte Esso-Tankist nunmehr 28 Jahre alt. Seitdem wird der Punkbewegung,
stelle, der D-Club sowie der Hamburger Trichter). Seit Andie in der zweiten Hälfte der 70er Jahre in Großbritannien entfang 2009 taucht diese Szene wieder verstärkt am
standen ist, immer wieder das Ableben auf dem
Hauptbahnhof auf, nachdem auch sie ab
Foto: M. Kalde
subkulturellen Müllhaufen der Ge2001 durch sicherheitspolitische
schichte prophezeit. Stattdessen
Vorgaben aus diesem Areal in
hat sich diese Szene in einzelne
andere Stadteile abgedrängt
Subgenres (z.B. die ameriworden war.
kanische Spielart des
Punkrock, „Hardcore“
oder die englische Variante der Oi!-Musik)
verzweigt. Politisch
positionieren
sich
Punks eher links, in
klarer Abgrenzung
zu rassistischen oder
faschistischen Gruppen. Punks mit eindeutig
rechter Ausrichtung (sog.
Nazi- Punks) spielen in der
Bundesrepublik derzeit keine
Rolle mehr.
34
FORUM für Kinder und Jugendarbeit 3/2009
Auffällige Merkmale
sind weite Hosen mit
Bädern (sog. „UfoHosen“) und neonfarbene Jacken mit dem
Aufdruck „AMOK“.
Die Anfänge dieser
Subkultur liegen in der
zweiten Hälfte der 80er
Jahre (in dieser Zeit sprachen die Medien von „Acid
House“). Auch die Raver-Szene ist in den vergangenen Jahren
immer wieder totgesagt worden, Tatsa-
Jugendsubkulturen an öffentlichen Plätzen
che ist aber, dass die elektronische Musik ihren Siegesmarsch durch die europäischen
(Jugend-)Subkulturen vollzogen hat. (3)
Beeindruckend sind in diesem Zusammenhang auch die Besucherzahlen
großer Events wie z.B. der Love Parade. Trotzdem handelt es sich hier
keineswegs um eine homogene
Subkultur, sie verzweigt sich
ähnlich wie die Punk-Bewegung in unterschiedliche Subgenres wie z.B. Hardtrance und
Gabber (eine harte Variante)
oder eher „weiche“ Stile wie
Trance, Ambient und Goa.
abgelöst (daher der Begriff). Als ein typischer
Vertreter gilt z.B. die Band Killswitch Engage.
Angehörige der Szene tragen überwiegend dunkle Kleidung, enge
Röhrenjeans,
Converse-Turnschuhe („Chucks“), Nietengürtel
und häufig Schweißarmbänder
mit Karomuster. Die Haare sind
überwiegend schwarz gefärbt,
hin und wieder mit bunten
Strähnen. Entweder sind sie
hochtoupiert oder glattgekämmt mit einem Pony, der
über die Augen reicht. Weitere
Merkmale sind z.B. pinkfarbene Totenköpfe auf schwarzer
Kleidung.
Scheinbar verlaufen die o.g.
Subkulturen hinsichtlich der
Trendentwicklung in Wellen,
d.h. sie sind mal mehr, mal weniger angesagt, verschwinden aber
Der Emo-Szene wird ein eher „düsnie vollständig. Dabei spielt das Imateres“ Lebensgefühl mit einem Hang
ge einer Subkultur eine entscheidenzum autoaggressiven Verhalten („Ritdende Rolle. Diese treten nach jahrelanzen“ oder „Schnippeln“) zugeschrieben.
gem Schattendasein wieder verstärkt auf
In den Songtexten geht es häufig um verletzFoto: M. Kalde
und werden zu manifesten Subkulturen mit eite Gefühle, verlorene Liebe etc., in manchen
genem Outfit, eigener Musik und eigener LebenshalPassagen sehr aggressiv gesungen, abgelöst durch
tung (z.B. sehr plakativ: Raver = hedonistisch, Punks = antmelodisch ruhige Passagen. Vom Erscheinungsbild her wirkt
agonistisch). Dabei vermischen sich die älteren Szeneangehödie Szene sehr androgyn. Anders als z.B. in der Skinheadszerigen mit den „Neuen“. Teilweise gibt es regelrechte Initiane gibt es im äußeren Erscheinungsbild von Männern und
tionsriten wie z.B. in der Raverszene auf dem DOM. Im RahFrauen wenig Unterschiede. Insgesamt wirken die Angehörimen eines ausgedehnten Trinkgelages legen junge Szeneneugen dieser Szene eher introvertiert, im Gegensatz zur den
linge ihren bürgerlichen Namen ab und bekommen einen
Ravern, die sich insbesondere auf Events gern in Pose setzen.
Szenenamen. Ab diesem Zeitpunkt sind sie fest integriert.
Häufig entstehen aus bereits bestehenden Szenen (wie im folgenden Beispiel aus der Punk/ Hardcore-Subkultur) völlig
neue Richtungen.
Emocore: „Nobody cares about anything anyway,
so why don’t we all just die”
Seit 2000 trat die Emo-Szene zum ersten Mal in Deutschland
auf. In Berlin gibt es ca. 400 junge Menschen, die dieser
Subkultur zuzurechnen sind, in Hamburg sind es nach Einschätzung der Mitarbeiter/innen des KIDS ca. 150–200
Personen.
Der Begriff „Emo“ leitet sich von emotional-hardcore ab, ein
Subgenre der Hardcore- und Punkbewegung. Die Ursprünge
gehen zum Teil bis in die 80er Jahre zurück. US-Hardcorebands wie Hüsker Dü bauten emotionale Passagen in ihre Lieder ein (spätestens ab Candy Apple Grey 1986) und zählen in
gewisser Weise zu den Vorläufern. Aktuelle Emo-Bands sind
z.B. Off Minor oder Life at These Speeds (2007 aufgelöst).
Eine Unterart des Emotional-Hardcore bildet der sogenannte
Screamo, hier werden emotionale Parts durch „Schreigesang“
Der Emo-Szene wird ein eher „düsteres“
Lebensgefühl mit einem Hang zum
autoaggressiven Verhalten zugeschrieben.
Insbesondere in Mexiko ist es zu Ausschreitungen gegenüber
Angehörigen dieser Subkultur gekommen. So versammelten
sich im mexikanischen Querétaro an die 800 Angehörige aus
der Punks-, Metal- und Gothic-Sszene und veranstalteten eine
regelrechte Jagd auf Emos. In Hamburg gibt es glücklicherweise keine Auseinandersetzungen dieser Art. Punks, Raver und
Emos leben in friedlicher Koexistenz. Haupttreffpunkte dieser
Szene waren der Jungfernstieg und der nördliche Ausgang der
Wandelhalle. Hier haben sich am Wochenende ungefähr 70 bis
100 junge Menschen dieser Szene getroffen, z.T. haben sich
auch junge Punks und Gothics darunter gemischt.
„To Japan and back“ – Visual Kei
Der Begriff „Visual Kei“ setzt sich aus „Visual“ und „Kei“
(japanisches Symbol für System, Clique, Herkunft) zusammen. Visus ähneln vom Erscheinungsbild sehr den Emos,
FORUM für Kinder und Jugendarbeit 3/2009
35
l
JUGEND-KULTUR
sind jedoch wesentlich gestylter und erinnern oft an Figuren
Trotz großer Unterschiede hinsichtlich des Outfits
aus Manga- und Anima-Comics. Auch sie zeichnen sich
und des Lebensgefühls ergibt sich bei den
durch eine androgyne Erscheinung aus. Die Ursprünge dieser
Subkultur liegen in Japan. Die musikalische Ausrichtung
beschriebenen Gruppen eine große Gemeinsamkeit.
orientiert sich an unterschiedlichen Stilen japanischer Rockund Popmusik (J-Rock, J-Wave, J-Punk). In den 80er und
wird die Tendenz zur Verdrängung und Kommerzialisierung.
90er Jahren kopierten japanische Jugendliche zunächst die
Vitales öffentliches Interesse kann zu einer Verdrängung all
Stile aus Europa und den USA und entwickelten später eigenderjenigen führen, die das „normative Bild“ stören könnten.
ständige Genres. Aber auch in Europa und den Vereinigten
Dadurch ist die Szene von einer hohen Mobilität geprägt.
Staaten übte die japanische Kultur eine gewisse Faszination
aus. Punks trugen Anfang der 80er Jahre z.B. T-Shirts mit der
Laut Medieninformationen (5) gibt es seit Februar 2009 eine
Sonne Nippons oder japanischen Schriftzeichen. Die Gruppe
neue Dienstanweisung der Innenbehörde. „Wir hatten im JaAlphaville hatte 1984 große Erfolge mit Big in Japan,
nuar Ansammlungen von Punks und Leuten aus der so geRyuichi Sakamoto komponierte 1987 zusammen mit Iggy
nannten Emotional-Gothic-Szene“ (6), sagt Polizeisprecher
Pop Neo Geo. Als eigenständige Musikrichtung kam Visual
Ralf Meyer. Das Papier solle den Beamten HandlungsanweiKei jedoch erst in den letzten Jahren in Europa und in
sungen geben, Randgruppen mit Platzverweisen bis
Deutschland an. So spielte z.B. die Visu-Band
zum Geschäftsschluss zu belegen. Dieses
D’espairs Ray im August 2006 auf dem
Foto: M. Kalde
Vorgehen wurde zu einem späteren
Wacken Open Air und in diesem Jahr
Zeitpunkt zwar relativiert, führte
im Juli in Hamburg.
aber trotzdem dazu, dass jungen
Menschen
der
Trotz großer Unterschiede
Emo-Szene nahegelegt
hinsichtlich des Outfits
wurde, sich nicht mehr
und des Lebensgefühls
am Jungfernstieg aufergibt sich bei den bezuhalten und sich an
schriebenen Gruppen
anderen Orten zu
eine große Gemeintreffen. Deshalb halsamkeit. Sie treffen
ten sich im Augensich an öffentlichen
blick nur wenige junPlätzen, weisen eine
ge Menschen aus dieregionale oder bundesser Szene im Innensweite Mobilität auf und
tadtbereich auf, stattdessind nicht oder nur wenig
sen wurde der Stadtpark als
an Angebote in dem jeweilineuer Treffpunkt ausgewählt.
gen Stadtteil angebunden. So
Damit ist die Situation mit der am
hat eine Stichprobenerhebung (N
Alexanderplatz in Berlin vergleichbar.
= 48) des KIDS anhand eines FrageboAuch hier wurden Anfang des Jahres o.g.
gens ergeben, dass 73 Prozent der JugendliSzeneangehörige mit Platz- und Gebietsverweisen an
chen und 49 Prozent der jungen Volljährigen keine Angeandere Orte wie z.B. den Tiergarten abgedrängt.
bote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in ihren Stadteilen
nutzen. Über 70 Prozent aller befragten jungen Menschen hatHinsichtlich der Bedarfs- und Problemlagen ergibt sich ein
ten zum Zeitpunkt der Untersuchung keinen Kontakt zu der reunterschiedliches Bild. Junge Menschen aus der Emo-Szene
gionalen Straßensozialarbeit. Als häufigste Aufenthaltsorte
scheinen noch relativ gut in die üblichen Sozialisationsinstanwurden der Hauptbahnhof, die Reeperbahn, sowie Events
zen wie Familie, Schule und Beruf eingebunden zu sein. Den(DOM, Hafengeburtstag etc.) angegeben, um dort die Zeit zu
noch scheinen sich hier Menschen zusammengefunden zu haverbringen oder Freunde und Bekannte zu treffen. (4)
ben, die sich in einer gewissen Art und Weise ausgegrenzt
fühlen. Anfeindungen in der Schule, im Sozialraum oder im
In Hamburg, aber auch in anderen Städten der Bundesrepublik
virtuellen Raum tun ein Übriges. Auf der individuellen Ebene
zeichnet sich im Bereich der öffentlichen Plätze folgende Entgibt es bei dem einen oder anderen sehr wohl ausgeprägte
wicklung ab: Je stärker ein Ort, ein Raum, ein Platz ins BlicProblemlagen wie Sucht, drohender Schulabbruch oder
kfeld des öffentlichen Interesses gerät und sog. marginalisierte
Konflikte in der Familie.
und/oder subkulturelle Gruppen auffällig werden, desto stärker
Visus ähneln vom Erscheinungsbild den Emos,
sind jedoch wesentlich gestylter und erinnern oft
an Figuren aus Manga- und Anima-Comics.
36
FORUM für Kinder und Jugendarbeit 3/2009
Ausgeprägter sind die Problem- und besonderen Lebenslagen
bei den jungen Punks und Ravern. Hier liegen zum Teil bereits Beziehungsabbrüche zu den Familien vor, es gibt eine
deutliche Zuwendung zum Lebensort Straße mit all den Begleiterscheinungen wie Obdachlosigkeit, Sucht, finanzielle
Willkommen bei den Holstenpunx!
Schwierigkeiten etc. Die Unterschiede zwischen Punks und
Ravern liegen häufig in der Lebensplanung.
3) Vgl. P. Tossmann / M.-D. Tensil: Drogenkonsum Jugendlicher
in der Techno-Party-Szene europäischer Metropolen, S. 71. In:
Akzeptanz, Nr. 2/2000.
Haben junge Menschen aus der Raverszene häufig sehr bürgerliche Vorstellungen vom Leben, tendieren Punks als Ausdruck ihrer Subkultur häufig zu selbstbestimmten Lebensformen. Diese Tatsachen bestimmen die pädagogischen Handlungsmuster. Greifen bei vielen Ravern die üblichen Hilfestellungen wie z.B. die Unterstützung bei Fragen des SGB II
oder bei der Installation von Jugendhilfe, muss bei jungen
Menschen aus der Punkszene auf unkonventionellere Methoden zurückgegriffen werden. Dieses kann z.B bedeuten, dass
eventuell ein Bauwagen und ein dazugehöriger Stellplatz organisiert werden müssen. Insgesamt macht diese Unterschiedlichkeit die Arbeit mit diesen jungen Menschen jedoch
gerade interessant und stellt eine Herausforderung dar.
4) Vgl. Meent Adden: Szenen in Bewegung. Aufsuchende Straßensozialarbeit in mobilen Jugendszenen. Unveröffentlichtes Manuskript. Der Beitrag kann beim Autor über das FORUM
angefordert werden.
5) Kai von Appen: Operation saubere Innenstadt, taz vom 20.2.09.
6) Offensichtlich wurden in diesem Falle Gothics und Emos verwechselt.
Meent Adden
ist Diplom-Pädagoge und leitet die
Abteilung Jugendsozialarbeit beim
Träger basis&woge e.V
Anmerkungen:
1) Die Angebote dieser Einrichtung wurden bereits in vorhergehenden Ausgaben des FORUMs publiziert. Vgl. Meent Adden:
Das KIDS des Vereins Basis e.V. als Praxisbeispiel zur Partizipation von Kindern und Jugendlichen, in: FORUM für Kinder
und Jugendarbeit, 4. Quartal, 2003.
2) Vgl. Meent Adden: Arbeitsfeld DOM – eine Herausforderung
für die Straßensozialarbeit am Beispiel des Dom-Präventionsprojekts des KIDS, Hamburg 2006.
Willkommen bei den Holstenpunx!
Bewährt und bedroht: Wohnprojekt für Punker in Altona
von Jörg Bretschneider
Wotan und Absinth begrüßen mich freudig. In der Sandkiste
buddeln Flöte und Angel. An diesem Mittag ist es, bis auf die
baumhockenden Saatkrähen, ruhig am Holstenkamp, einer
seit ungefähr 2,5 Jahren leer stehenden ehemaligen Flüchtlingsunterkunft in Bahrenfeld. Seit August letzten Jahres sind
von insgesamt sieben Backsteingebäuden zwei von jungen,
ehemals wohnungslosen Punks und deren Hunden, Ratten
und Reptilien belegt.
Nach über einem dreiviertel Jahr gemeinsamen Wohnens im
Holstenkamp steht nun eine gravierende Veränderung ins
Haus: Seit Ablauf des Winternotprogramms Mitte April und
Fotokollektiv Holstenpunx
trotz zweier Verlängerungen bis Ende September ist der langfristige Verbleib der frisch Obdachhabenden in diesem einmaligen Projekt unsicher und sie fürchten, wieder auf der
Straße leben zu müssen.
„Ein und ein halbes Jahr hab ich ohne festen Wohnsitz,
dass heißt obdachlos, auf Hamburgs Straßen verbracht
bevor ich ins Haus 4 am Holstenkamp 119 eingezogen bin.
Das war Anfang Oktober 2008.Vor dem Einzug war mein
Alltag von Schnorren und Saufen geprägt, ich hatte zwar
versucht auf normalen Wege eine Wohnung zu finden,
wurde aber ständig abgelehnt. Meistens haben wir unter
Brücken, in Parks, oder am Altona Bahnhof geschlafen.
Das ist seit dem Oktober letzten Jahres anders. Heute habe
ich meinen eigenen Raum, Wasch- u. Kochmöglichkeiten,
2-mal in der Woche Boxtraining (bald sogar 3-mal), und
arbeite von Mo. - Fr. in dem Punkprojekt von Jugend hilft
Jugend, zudem wohne ich mit meinen 16 Mitbewohnern
zusammen, die ich schon aus meiner Straßenzeit kenne und
auf die man sich verlassen kann. In der Woche trinke ich
gar nicht mehr und schnorren muss ich auch nicht mehr.“
(Aus dem Erlebnisbericht eines Bewohners).
FORUM für Kinder und Jugendarbeit 3/2009
37

Documents pareils