Forum Bildverarbeitung

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Forum Bildverarbeitung
Optische Lokalisierung, Klassifizierung und
automatische Behebung von Fehlern am
Beispiel von Agrarprodukten
Michael Weyrich, Philipp Klein und Martin Laurowski
Universität Siegen, Institut für Fertigungstechnik, Lehrstuhl für
Fertigungsautomatisierung und Montage,
Paul-Bonatz-Straße 9-11, D-57068 Siegen
Zusammenfassung Die Vermeidung von Verschwendung der
eingesetzten Agrarprodukte bietet in der Lebensmittel verarbeitenden Industrie ein großes Einsparpotential. Eine gezielte Behebung von Fehlstellen auf den Ausgangsprodukten gewinnt daher
zunehmend an Bedeutung. Im vorliegenden Artikel soll eine systematische Vorgehensweise zur Lokalisierung und Klassifizierung
von Fehlstellen dargestellt werden. Zum Abschluss werden noch
exemplarisch Methoden vorgestellt, mit denen eine gezielte Behebung realisiert werden kann.
1 Einleitung
Bei der industriellen Verarbeitung von Agrarprodukten zu Lebensmitteln ist die Qualität der Endprodukte ein wichtiger Erfolgsfaktor. Neben
der Vermeidung einer Gesundheitsgefährdung der Endverbraucher sollen
die Lebensmittel optisch einwandfrei und ansprechend sein. Die Kontrolle der eingesetzten Agrarprodukte findet allerdings aufgrund der variierenden Produkteigenschaften, der Unregelmäßigkeit der Geometrie sowie
der verschiedenen Fehlerklassen bisher meist manuell statt. Neben den
mikrobiologischen Untersuchungen kommt auch die Bildverarbeitung in
der Qualitätskontrolle von Agrarprodukten immer mehr zum Einsatz.
Außerdem werden durch eine optische Kontrolle unkritische, aber nicht
erwünschte Beschädigungen ebenfalls detektiert.
Automatische Prüfsysteme für Lebensmittel, die am Markt erhältlich
sind, sortieren fehlerbehaftete Objekte ganz aus. Eine gezielte Behebung
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von Fehlstellen an Agrarprodukten aufgrund von Prüfbefunden findet
bei den betrachteten Beispielen bisher nicht statt. Schadhafte Objekte
werden derzeit entweder entsorgt oder vollständig zu qualitativ minderwertigeren Produkten verarbeitet. Damit sind Kosten oder Mindereinnahmen für den Erzeuger oder das verarbeitende Unternehmen verbunden. Die gezielte Behebung von Schadstellen trägt also nicht nur zu einer
Sicherstellung der Qualität bei, sondern sie optimiert auch die effiziente
Nutzung der eingesetzten Lebensmittel. Dies ist vor allem für die Bereiche interessant, in denen Lebensmittel direkt zu Endprodukten weiterverarbeitet werden. Im Folgenden soll das Vorgehen zur Auswahl geeigneter Bildverarbeitungsstrategien vorgestellt und anhand ausgewählter
Beispiele erläutert werden.
2 Stand der Technik
Für Beschädigungen an Agrarprodukten gibt es eine Vielzahl an Ursachen [1]. Diese lassen sich in die Kategorien äußere Einflüsse, Pflanzen
und Tiere unterteilen. Viele Beschädigungen lassen sich durch äußerliche
Symptome, wie bspw. Verfärbungen, Formveränderungen und mechanische Beschädigungen oder eine Kombination aus mehreren dieser Symptome erkennen. Die verschiedenen Beschädigungen sind in der entsprechenden Literatur beschrieben [2].
Eine Recherche zu den Verfahren der Qualitätsprüfung von Agrarprodukten ergab, dass die bisher umgesetzten Systeme schadhafte Produkte
aussortieren [3]. Die beschriebenen Systeme prüfen die Agrarprodukte
vor, nach oder auch während der Verarbeitung. Zudem ergab die Recherche, dass zur optischen Qualitätsprüfung an Lebensmitteln verschiedene bildgebende Verfahren eingesetzt werden. LU & PARK beschreiben den Einsatz der Multispektralanalyse zur Qualitäts- und Sicherheitsüberprüfung von Lebensmitteln [4]. Die Thermographie, die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT) werden ebenso als Verfahren zur Qualitätsprüfung in der Lebensmittel verarbeitenden Industrie eingesetzt [5]. Die Auswertung der Bildinformation ist von BROSNAN beschrieben [6]. Aufgrund der angeführten Symptome eignen sich Farb- bzw. Gestaltmerkmale für die Auswertung der
Fehlstellen [7, 8]. Die Prüfobjekte werden danach anhand der ermittelten Merkmalsausprägung einer Ergebnisklasse zugewiesen. Als Klassifi-
Optische Lokalisierung, Klassifizierung und Behebung von Fehlern
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Abbildung 33.1: Vorgehen zur Eingrenzung der Prüfaufgabe.
zierungsverfahren kommen Entscheidungsbaum, Support Vector Machine
(SVM), Neuronale Netze und k-nächster-Nachbar in Frage. Nach einer
Untersuchung von KISSING [9] erweist sich eine Kombination der Verfahren k-nächster-Nachbar mit Support Vector Machine für die Oberflächeninspektion als empfehlenswert. Zudem wurden Verfahren recherchiert, die eine Lokalisierung des detektierten Fehlers ermöglichen. Eine Lösung, um die Geometrie nach dem Lasertriangulationsverfahren
zu erfassen, beschreibt SCARPIN [10]. Basierend auf der von BESL
beschriebenen Time of flight“ Technologie [11] lässt sich ebenso die
”
Geometrie eines Objektes erfassen. Weitere betrachtete Verfahren sind
Stereo-Vision“ [12] und Shape from shading“ [13]. Eine Einordnung
”
”
der Schneidverfahren zur Behebung von Fehlstellen an Agrarprodukten
ist bei LIGOCKI beschrieben [14].
3 Ansatz und Vorgehensweise
Das allgemeine Vorgehen um Lösungen für eine gezielte Behebung von
Fehlstellen auf Prüfobjekten einzugrenzen, ist in Abb. 33.1 dargestellt.
Nachdem die relevanten Fehlerarten, der Materialstrom, die Genauigkeitsanforderungen sowie die Rahmenbedingungen der Prüfung im Rahmen der Problemstellung definiert sind, werden mögliche Verfahren zur
Bildaufnahme, Behebung und Handhabung in Vorversuchen eingegrenzt.
Die Strategien zur Bilderfassung und zur Handhabung werden parallel
ausgearbeitet bevor die bestehenden Algorithmen der Bildauswertung
angepasst und ggf. ergänzt werden. Abschließend werden auf Basis der
ausgewerteten Bilder Behebungsstrategien entwickelt.
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Abbildung 33.2: Kontrastverlauf zwischen einem fehlerbehafteten und fehlerfreien Bereich (links), Probe mit dunkler Fehlstelle (rechts).
3.1 Problemdefinition
Die Fehlstellen an Agrarprodukten können sowohl Beschädigungen im
biologischen Sinne als auch eine optische oder geschmackliche Beeinträchtigung des Endprodukts durch einen natürlichen Prozess sein. Welche Fehlstelle gezielt behoben werden soll, muss daher definiert werden.
Für die Auslegung der späteren Anlage müssen zudem der Materialstrom
abgeschätzt und die Anforderungen an die Genauigkeit der Erkennung
und der Fehlerbehebung bestimmt werden. Saisonale Schwankungen in
der Qualität der Agrarprodukte sowie mögliche Schäden durch Lagerung
müssen bei der Aufnahme der Fehler berücksichtigt werden.
3.2 Vorversuche
Zur Eingrenzung auf ein oder mehrere geeignete Verfahren wurden
in einem ersten Schritt verschiedene Spektralbereiche der elektromagnetischen Strahlung untersucht. Dabei wurden verschiedene Strahlungsbänder von der Röntgenstrahlung bis hin zur Wärmestrahlung in
praktischen Versuchen sowie die Auswirkung auf die Kontrastierung im
Bild erprobt. Zur Bestimmung des Kontrastes zwischen einer fehlerhaften
und einer fehlerfreien Stelle wurden zwei entsprechende Bereiche auf dem
Prüfobjekt ausgewählt und der Verlauf der gemittelten Helligkeitswerte
in Abhängigkeit der Lichtwellenlänge ermittelt (s. Abb. 33.2).
Multispektralanalyse Im ersten Schritt wurde eine Analyse der Proben
mit einer Multispektralkamera vorgenommen. Die eingesetzte Multispek-
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Abbildung 33.3: Thermographische Aufnahme von Kartoffelknollen (links),
Computertomographie (Mitte), Magnetresonanztomographie (rechts).
tralkamera erlaubt Bildaufnahmen in einem Wellenlängenbereich von 450
bis 950 nm. Es wurden selektive Spektralaufnahmen mit einer Bandbreite von 10 nm aufgenommen. Die eingesetzte Lichtquelle hat eine breite
spektrale Charakteristik, die mit dem zu untersuchenden Spektralbereich
korrespondiert. Je nach Produkt- und Fehlertyp konnten geeignete Spektralbereiche zur Fehlerkontrastierung gefunden werden. In Abb. 33.2 ist
eine Auswertung am Beispiel einer Kartoffelknolle gezeigt. Für alle untersuchten Proben zeigt sich, dass der Infrarotbereich geeignet ist, um
größere unterhalb der Oberfläche liegende Fehler hervorzuheben.
Thermographie Die Untersuchungen der Proben nach dem Prinzip der
passiven Thermographie wiesen keine nennenswerten Besonderheiten auf,
da die Proben relativ geringe Temperaturunterschiede in Bezug auf die
Raumtemperatur besaßen. Für die Untersuchungen mit aktiver Thermographie wurden die Proben in einem Versuch mit thermischer Infrarotstrahlung (TIR) in einer Durchlaufstrecke innerhalb von 20 Sekunden
und in einem weiteren Versuch durch Mikrowellenstrahlen (Wellenlänge
12 cm) innerhalb von ca. 15 Sekunden jeweils auf eine Oberflächentemperatur von ca. 40◦ C erwärmt. Während der Abkühlphase wurden mehrere Bildaufnahmen in Abständen von wenigen Sekunden erstellt. Eine
ungleichmäßige Erwärmung der Probenoberfläche und somit eine abweichende lokale Oberflächentemperatur bewirkt dabei Erscheinungen, die
sich im gewonnenen Bild nicht eindeutig von den Oberflächenfehlern unterscheiden lassen. Unterschiede in der Gewebe- und Oberflächenstruktur
zwischen beschädigten und unbeschädigten Bereichen der Agrarprodukte lassen sich durch die thermische Reaktion bei Erwärmung darstellen
(Abb. 33.3).
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Computer- und Magnetresonanztomographie Das Ergebnis der Versuche mit Computertomographie und der Magnetresonanztomographie
ist in Abb. 33.3 dargestellt. In beiden Systemen wurden mehrere Proben gleichzeitig untersucht. In diesen schnittbildgebenden Verfahren werden neben den äußeren Beschädigungen auch innere Beschädigungen wie
beispielsweise durch äußere Einflüsse bedingte Wachstumsstörungen erkannt. Da beide Verfahren relativ viel Zeit in Anspruch nehmen, sind sie
für den Einsatz im laufenden Produktionsprozess ungeeignet.
Zusammenfassung Die durchgeführten Versuche führen bei den Proben zu differenzierten Ergebnissen. Aus Sicht der Kontrastierung sind
in die Tiefe der Proben ausgedehnte Fehlstellen mit den Verfahren der
Computer- bzw. Magnetresonanztomographie darstellbar. Die Thermographie liefert in vereinzelten Fällen brauchbare Ergebnisse, weil die thermische Anregung der Oberfläche nicht hinreichend gleichmäßig erfolgen
konnte. Oberflächliche Fehlstellen, wie Verfärbungen lassen sich mit Mitteln der Spektralanalyse erfassen. Hierzu sind fallspezifische Konfigurationen des Abbildungssystems notwendig. Die Helligkeitsinformation und
die Abmessungen des Fehlers charakterisieren einen Fehlertyp und dienen
somit als Merkmale zur Definition von Fehlerklassen.
Einige Fehlertypen wiesen bei der Spektralanalyse Besonderheiten auf.
Im infraroten Bereich können im Allgemeinen größere und unterhalb
der Oberfläche liegende Fehlstellen gut kontrastiert werden. In Abb.
33.4 ist eine Kartoffelknolle dargestellt bei der im Spektralbereich 530540 nm Verfärbungen besonders gut sichtbar sind. Die meisten dieser
Verfärbungen haben einen oberflächlichen Charakter mit einer Tiefe
von bis ca. 0,3 Millimeter. In der Bildaufnahme im Bereich 900–910 nm
sind tiefer liegende und tief gehende Oberflächenfehler erkennbar. Oberflächenfehler mit einer geringen Tiefenausdehnung sowie Verfärbungen
der Oberfläche werden hingegen im Infrarotbild unterdrückt. Besonders
nützlich kann dieser Effekt für Detektion von Fehlstellen auf Früchten
mit unregelmäßigen Schalenfarben wie beispielsweise auf Äpfeln sein.
Da die Rahmenbedingungen sowie die Anforderungen an die Prüfungen
variieren, müssen die Bildaufnahmesysteme entsprechend konzipiert und
konfiguriert werden. Zur Spezifikation der Anforderungen an das Bildverarbeitungssystem werden die Prüfobjekte mit einer mobilen Bildaufnahmeeinheit (s. Abb. 33.4) vor Ort aufgenommen. In Voruntersuchun-
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Abbildung 33.4: Mobile Bildaufnahmeeinheit zur Charakterisierung von Materialproben (links), Aufnahme einer Kartoffelknolle mit 530–540 nm (mitte)
und 900–910 nm (rechts).
gen können so mögliche Systeme eingegrenzt und unter vergleichbaren
Bedingungen getestet werden. Sind die geeigneten Spektralbereiche zur
Kontrastierung der Fehlerklassen definiert, müssen für eine gezielte Behebung die Fehlstellen lokalisiert sowie ein robustes Inspektionssystem
entwickelt werden.
3.3 Bilderfassung
Die Bilderfassung der Inspektion von Agrarprodukten zur gezielten Behebung von Fehlstellen unterteilt sich in die Geometrie- und die Oberflächenerfassung. Einige Verfahren zur Bilderfassung wurden bereits
im Kapitel Vorversuche beschrieben. Wichtige Voraussetzung für diese
räumliche Zuordnung ist die Führung oder die Prognose der Lage des
Prüfobjekts. Alternativ ist eine unmittelbare Bearbeitung der Fehlstelle
denkbar. Im Folgenden sollen einige Verfahren zur Geometrieerfassung
vorgestellt werden:
Räumliche Zuordnung von Fehlstellen Ein Verfahren zur dreidimensionalen Darstellung eines Agrarproduktes ist die Lasertriangulation. Um
mit diesem Verfahren die Topologie des Körpers zu erfassen, ist eine Relativbewegung zwischen Bildverarbeitungssystem und Objekt notwendig.
Abb. 33.5 zeigt einen einfachen Aufbau zur Erfassung der 3D-Information
des Prüfobjektes. Dem Problem der Abschattung kann bei rein translatorischer Bewegung mit mehreren Kamerasystemen oder durch Rotation von Objekt oder Kamera begegnet werden. Abb. 33.5 zeigt eine
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Abbildung 33.5: Bildverarbeitungssystem zur Geometrieerfassung über Lasertriangulation (links), 3D Rekonstruktionen eines Prüfobjektes (rechts).
Abbildung 33.6: Bildaufnahmen mit dem TOF-Verfahren: a) Tiefendarstellung in Falschfarben, b) Modulationsbild.
3D-Rekonstruktion der Objektgeometrie, die mit zwei Lasertriangulationssystemen erfolgt ist. Die beiden erfassten Objektbereiche werden zur
Lokalisierung der Fehlstellen zu einem Raummodell des Objektes zusammengefügt.
Im Gegensatz zu Laserscanner bieten Time of flight“-Verfahren
”
(TOF) den Vorteil das ganze Objekt auf einmal und ohne kontinuierliche Abtastung erfassen zu können. Allerdings sind die mit dem aktuellen
Stand der Technik erzielbaren Auflösungen vergleichsweise gering (lateral: 200×200 Pixel; Tiefenauflösung: ca. 1 cm). Die mit diesem Verfahren
aufgenommenen Bilder sind in Abbildung 33.6 dargestellt.
Zusammenfassung Die Auswahl eines Abbildungssystems richtet sich
nach den Anforderungen der Prüfaufgabe. Hierzu zählen insbesondere die
Spezifikation der zu detektierenden Merkmale sowie die Rahmenbedingungen. Sollen Gestaltmerkmale oder helligkeitsbasierte Merkmale eines
Objektes erfasst werden, so reicht für die Abbildung meist eine mono-
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chrome Kamera aus. Dabei werden die Objektmerkmale mit geeigneten
Beleuchtungen und optischen Filtern hervorgehoben. Für die Prüfung
von Agrarprodukten sind in vielen Fällen Aufnahmen im infraroten Bereich von Interesse. Sie erlauben die Farbmerkmale der Schale zu unterdrücken und die tiefer liegenden Oberflächenerscheinungen hervorzuheben. Soll hingegen die Beurteilung des Reifegrads eines Agrarproduktes
erfolgen, sind farbkamerabasierte Systeme erforderlich.
Für geometrisch einfache Objekte sowie geringe Genauigkeitsanforderungen reicht die Lasertriangulation zur Lokalisierung mit zwei Kameras aus. Deutliche Oberflächenfehler können mit Multi-Scan Zeilenkameras sogar ohne zusätzliche Kamerasysteme erkannt werden. Mechanische Defekte können teilweise sogar direkt in der 3D-Rekonstruktion
erkannt werden. Für geometrisch komplexe Prüfobjekte sind eine Kombination mehrerer Kamerasysteme und eine gesonderte Fehlstellenerkennung nötig. Die Rekonstruktion einer Stereo-Aufnahme ist eine weitere
Methode zur Erfassung von 3D-Informationen eines Prüfobjektes. Die
aufgenommenen Bilder können sowohl zur Fehlerlokalisierung als auch
zur Fehlererkennung genutzt werden. Eine exakte Rekonstruktion der
3D-Geometrie ist damit aufgrund des resultierenden Schattenwurfs bei
natürlichen Unregelmäßigkeiten der Agrarprodukte komplex. Das Verfahren Shape from Shading“ eignet sich grundsätzlich für eine schnelle
”
und kostengünstige Lösung mit geringen Anforderungen an die Genauigkeit, kommt aber wegen einer unzureichenden Unterscheidbarkeit zwischen Fehlstelle und Abschattung nur bedingt in Betracht.
Eine möglichst exakte Kenntnis der Tiefe der Fehlstelle ist für eine
gezielte und effiziente Behebung notwendig. Die Tiefe der Fehler kann
über schnittbildgebende Verfahren bestimmt werden. Diese Verfahren
kommen aber auf Grund der Verarbeitungszeit für industrielle Verarbeitungsprozesse nicht oder nur bedingt in Frage. Transmissive Untersuchungsverfahren ergeben bei unverarbeiteten Produkten keine eindeutige
Information über die Lokalisierung der Fehlstelle.
3.4 Handhabung
Die Führung der Prüfobjekte ist für die räumliche Zuordnung der Fehlstelle eine wichtige Bedingung. Inhomogene Oberflächen, unterschiedliche Größen und Formen sind Herausforderungen bei der Handhabung von
Agrarprodukten. Die Prüfobjekte durch ein Einstechen mehrerer Dorne
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zu fixieren, ist eine sichere aber aufgrund der Beschädigung des Objekts
nicht immer gewünschte Methode. Ein weiteres Problem, das agrarwirtschaftliche Güter und ihre Verarbeitung mit sich bringen, ist die feuchte
Oberfläche und die variierende Konsistenz. Dadurch sind diese Produkte
schwer zu greifen oder zu befördern. Die eingesetzten Methoden müssen
eine zuverlässige Greiftechnik bzw. Fixierung sicherstellen und gegen die
äußeren Einflüsse resistent sein.
3.5 Bildauswertung
Die Güte der Klassifikation, als letzter Schritt der Bildauswertung, hängt
neben der Wahl des Verfahrens auch von dem Informationsgehalt der
festgelegten Merkmale ab. Die Klassifizierung von Fehlstellen an naturgewachsenen Produkten stellt besondere Anforderungen an die Flexibilität
und Anpassungsfähigkeit des Schrittes der Klassifikation. Die erforderliche Anpassungsfähigkeit wird durch die Einbindung von maschinellen
Lernverfahren in den Klassifikationsvorgang erreicht. In Versuchen wurden unterschiedliche Klassifikationsansätze erprobt. Der Klassifikationsansatz nach dem Prinzip des k-nächsten-Nachbars hat sich als besonders
geeignet gezeigt. Er zeigt den Vorteil darin, dass beliebige und nichtlineare Klassengrenzen erzeugt werden können. Mit zunehmender Größe
der Stichprobe werden die Klassengrenzen präziser bestimmt.
3.6 Behebung
Um die Fehlstellen effizient beheben zu können, sind verschiedene Verfahren notwendig. Allgemein können die Beschädigungsarten in punktuelle,
oberflächliche oder räumliche Fehler unterteilt werden. Eine geeignete
Positionierung spielt für die gezielte Behebung eine besondere Rolle, da
die Lage des Fehlers für die Behebung bekannt sein muss. Mögliche Verfahren zur gezielten Behebung von Fehlstellen sind Wasserstrahlschneiden und mechanisches Schneiden (Fräswerkzeuge etc.). Je nach Fehlerklasse müssen ganze Sektionen abgetrennt oder nur Punkte gezielt bearbeitet werden. Daher müssen häufig mehrere Behebungsverfahren eingesetzt werden. Abb. 33.7 zeigt sowohl einen mit einem Wasserstrahl sektionell bearbeiteten Apfel als auch eine Kartoffel. Die homogene Struktur
der Kartoffel wird problemlos bearbeitet. Im Gegensatz dazu wird durch
die inhomogene Struktur des Apfels bzw. der Paprika der Wasserstrahl
Optische Lokalisierung, Klassifizierung und Behebung von Fehlern
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Abbildung 33.7: Sektionelle Behebung einer Kartoffel (links) und eines Apfels
(rechts) mit einem Wasserstrahl.
aufgefächert. Dadurch entstehen im Schnitt Riefen.
4 Fazit
Durch die beschriebene systematische Klassifizierung von Fehlstellen an
Agrarprodukten können relevante Verfahren der Bildverarbeitung schnell
eingegrenzt werden. Aufgrund der saisonalen Schwankungen, der variierenden Sorten und der unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Anforderungen an die Prüfung ist eine Übertragbarkeit von Lösungen aber
nur bedingt gegeben. Die gezielte Behebung konkurriert wirtschaftlich gegen ungezielte Behebungsverfahren wie bspw. Nachschälen. Dabei spricht
die ressourceneffiziente Nutzung hochwertiger Agrarprodukte bei gleichbleibenden oder steigenden Qualitätsansprüchen für die gezielte Behebung.
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