Barocknotizen - Barockmusik Schrobenhausen

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Barocknotizen - Barockmusik Schrobenhausen
Schrobenhausen
2013
Tage der Barockmusik
in Schrobenhausen
Eine kleine Stadt im Herzen Bayerns widmet sich im
Sommer eine Woche lang mit einigen bemerkenswerten Events einer bedeutenden musikalischen Epoche:
Vom 30. August bis zum 8. September finden die Tage
der Barockmusik in Schrobenhausen statt - bereits
zum fünften Mal. Zum kleinen Jubiläum werden Inszenierungen auf die Bühne gebracht, wie man sie nur
selten zu sehen bekommt. Durch das Festival etabliert
sich die 16 000-Einwohner-Stadt, die sich bislang vor
allem durch den Spargel, den Malerfürsten Franz von
Lenbach und durch die Popmusikszene einen Namen
gemacht hat, immer mehr als Hochburg auf dem Gebiet der Alten Musik.
Auf dem Spielplan steht unter anderem ein Barockorchesterkonzert mit Musik von Georg Friedrich Händel,
ein Nachtkonzert mit Lautenliedern von John Dowland,
ein Theaterevent in Art der Commedia dell´Arte und die
Barockoper „Dido und Aeneas“ in einer halbszenischen
Inszenierung.
International bekannte Musiker aus ganz Europa rei­sen
auch in diesem Jahr wieder für die Tage der Barockmusik
findet nun ein immer größeres
Publikum“, freut er sich.
Als alles begann, standen die Se­
minare, in denen Musiker aus Nah
und Fern sich mit Barock­musik in
Theorie und Praxis beschäftigen,
im Fokus. Über die Jahre haben immer reizvollere Veranstaltun­gen –
darunter zum Beispiel einige
Wandelkonzerte im Schrobenhausener Pflegschloss – das Programm
immer öffentlicher werden lassen.
Einem ganz neuen Publikum,
das bis dahin meist kaum Zugang
zur Welt der Barockmusik hatte,
Ein Ölgemälde von Pieter de Ring: „Stilleben mit Musikinstrumenten“.
erschlossen sich hier neue Klangwelten. Jakob David Rattinger ist
ins Städtedreieck München-Augs­burg-Ingolstadt. Sie alle keiner, der sich auf dem Erreichten ausruht. Darum werfolgen dem Ruf von Jakob David Rattinger. Der weltweit den die fünften Tage der Barockmusik noch farbiger, noch
tätige Gambist ist der künstlerische Leiter der einwöchigen opulenter, noch vielseitiger. Mehr Informationen gibt es auf
Veranstaltung in seiner Wahlheimat. „Was klein anfing, den folgenden Seiten.
Was-Wann-Wo
Alt und sehr lebendig
SA, 31. August 2013, 20 Uhr
Orchesterkonzert
Konferenzgebäude der BAUER AG
Pettenkoferstr. 4, 86529 Schrobenhausen
SO, 1. September 2013, 20.30 Uhr
Commedia dell´Arte
Museumsplatz des Pflegschlosses
Am Hofgraben 3, 86529 Schrobenhausen
bei Regen: Stadthalle Schrobenhausen
Bürgermeister-Stocker-Ring 41
DI, 3. September 2013, 21.21 Uhr
Nachtkonzert
Frauenkirche
Lenbachstr. 30, 86529 Schrobenhausen
SO, 8. September 2013, 20 Uhr
Dido & Aeneas
Stadthalle Schrobenhausen
Bürgermeister-Stocker-Ring 41
86529 Schrobenhausen
Kartenvorverkauf: bei allen bekannten eventim
Vorverkaufsstellen, weitere Informationen unter
www. barockmusik-schrobenhausen.de
Lang, lang ist´s her, dass sich einige illustre Personen
anschickten, die Hörgewohnheiten ihrer Generation
zu verändern und Musik schafften, die heute – von jungen
Künstlern mit viel Leidenschaft vorgetragen - eine immer
größere Fangemeinde gewinnt. Von Anfang des 17.
Jahrhunderts bis Mitte des 18. Jahrhunderts schrieben große Komponisten, wie Georg Friedrich Händel,
Henry Purcell, Johann Sebastian Bach oder Antonio
Vivaldi – um nur ein paar bekannte Namen zu nennen
– Musik, die die Jahrhunderte überdauert hat.
Die Musik des Barocks folgte auf die Renaissance und
wurde von der Wiener Klassik abgelöst. Während der
Frühbarock vor allem unter italienischem Einfluss
stand, dominierte im Hochbarock die französische
Schule, bis sich im Spätbarock die Stile annäherten.
Die Barockmusik ist die Musik der Gegensätze: Das
Spiel mit Dur und Moll wurde genutzt, um Spannung
und ein leidenschaftliches Gegeneinander auszudrücken, bewegte Gefühlswelten zu zeichnen. Die
Hinwendung zum monodischen Stil – instrumental
begleiteter Einzelgesang – gewann an Bedeutung im
Vergleich zur Polyphonie. Die barocken Instrumente,
etwa Fagott, Laute, Gambe, hatten zum Ideal, wie die
menschliche Stimme zu klingen.
Oper, Kantate, Oratorium, Fuge, Suite und Sonate
sind typische Formen der Barockmusik. Gerne wurden
in dieser Periode auch einzelne Stücke zu einem
großen Werk vereint. So wurden Lieder zu Kantaten
(Singstücken), und Tänze zu Suiten (Folgen). Königsform
des Zusammenspiels von Musik, Wort, Handlung und
Szenerie war die Oper, die eine erste Blütezeit im
Barock hatte.
Abseits der klassischen Musik erfreuen sich immer
mehr junge Musiker an Barockmusik, die manchmal
Laura Frey und Jakob David Rattinger.
improvisiert wie Jazz klingt, manchmal rockige Anklänge
hat, oft fröhlich und lebendig, manchmal melancholisch und schwermütig, aber immer maximal gefühlvoll
ist. Klassische Instrumentalisten begeistern sich für
barocke Instrumente mit ihrem spannenden Klang
und bilden eine kleine, aber feine Barockmusikszene,
die immer mehr Publikum in ihren Bann zieht. Zu den
Tagen der Barockmusik in Schrobenhausen reisen 38
Musiker aus ganz Europa an und zeigen, wie lebendig
Alte Musik sein kann.
S emi nar
Schrobenhausen
2013
Seminar für Musiker
aus ganz Europa
Mit einer Seminarwoche für Alte Musik legte Jakob
David Rattinger vor fünf Jahren den Grundstein für
die Tage der Barockmusik in Schrobenhausen. Auch
im Jubiläumsjahr ist ein einwöchiges Seminar die
Basis des Festivals. Während die Konzerte einem
breiten Publikum die Schönheit der Barockmusik
näher bringen, treffen sich Musiker aus ganz
Europa, um ihre Kenntnisse in der Alten Musik zu
intensivieren. Höhepunkt der Seminarwoche ist ein
gemeinsames Konzert aller Seminarteilnehmer.
Es sind Berufsmusiker an klassischen Instrumenten,
aber auch ambitionierte Hobbymusiker und Studenten,
die sich bei den Seminaren über die historische
Aufführungspraxis informieren können.
In diesem Jahr stehen ein Gambenkurs mit Jakob
David Rattinger, ein Lautenseminar mit Julian Behr,
ein Cembaloseminar mit Martin Müller, ein Seminar
für Barockgeige mit Dario Luisi und ein Seminar
für Chorgesang mit Alois Kammer l auf dem
Programm.
Die Musiker erhalten Einzelunterricht, aber
auch Spielpraxis in kleinen Ensembles sowie eine
abendliche Probeneinheit mit allen Teilnehmern
sind Teil der Veranstaltung. Der Spaß an Alter
Musik, die Freude am gemeinsamen Spiel und das
Kennenlernen neuer Menschen sind jedoch nicht
minder wichtig.
Rund 30 Teilnehmer aus ganz Europa, meist erfahrene Instrumentalisten aller Altersstufen, kommen
zur Fortbildung nach Schrobenhausen. „In den vergangenen Jahren waren die Teilnehmer immer sehr
begeister t von der S tadt“, sagt S eminar leiter
Jakob David Rattinger.
Der Gambist Jakob David Rattinger ist der künstlerische Leiter des Festivals.
Unvergessliches Jubiläumsjahr
Herr Rattinger, vor fünf Jahren haben Sie die Tage der
Barockmusik in Schrobenhausen gegründet und leiten seither
die Veranstaltung. Wie kam es dazu?
Jakob David Rattinger: Die Tage der Barockmusik
Schrobenhausen sind eine interessante Geschichte: Das
ganze Projekt ist eine gewachsene Struktur, die sich
eigentlich von selbst und durch die fantastischen Menschen hier vor Ort ergeben hat.
Ich bin vor fünf Jahren der Liebe wegen hierher gezogen,
und habe damals ein Seminar für Alte Musik, das ich
zuvor in Burghausen geleitet habe, an meinen neuen
Wohnort verschoben.
Damals haben wir in Schrobenhausen ein Eröffnungskonzert mit den Kursdozenten veranstaltet, das auf so
großes Interesse stieß, dass wir die Seminarwoche durch
immer mehr Konzerte erweitert haben. So entstand nach
und nach ein echtes Festival.
Was waren für Sie die Höhepunkte der vergangenen Festivals?
Musiker aller Altersgruppen treffen sich
in Schrobenhausen, um beim Seminar ihre
Kenntnisse der Barockmusik zu vertiefen.
Der Unterricht findet in der Regens-Wagner-Berufsschule statt. Dort, in der Aula der Schule, präsentieren
die Musiker am Ende der Festivalwoche gemeinsam
während der Seminarwoche erarbeitete Stücke.
Das Abschlusskonzert findet am Donnerstag,
5. September 2013, um 19 Uhr in der RegensWagner Berufsschule, Georg-Leinfelder-Str. 8, in
Schrobenhausen statt. Der Eintritt ist frei.
Mehr Informationen zu den Seminaren, zur
Anmeldung und zum Ablauf gibt es unter
www.barockmusik-schrobenhausen.de.
Rattinger: Ein Höhepunkt war sicher das barocke
Wandelkonzert, das auf besonders charmante Art
den örtlichen Gegebenheiten Schrobenhausens
nachgekommen ist. Schrobenhausen ist ja nicht
unbedingt reich an Barockarchitektur oder an
Örtlichkeiten für klassische Konzerte. Aber auch im
Gegensatz von Ort und Musik liegt ein Reiz, der die
Musik sehr pur zur Geltung bringt. Etwas, das mich
selbst überrascht und sehr freut.
Im letzten Jahr konnten wir dann sogar ein Barockorchesterkonzert auf die Bühne bringen, das
sich riesiger Publikumsnachfrage erfreute und das
vom Bayerischen Fernsehen mitgeschnitten wurde.
Die Tage der Barockmusik sind eine tolle Erfolgsgeschichte – nicht nur meine, sondern eine
Erfolgsgeschichte der Schrobenhausener Besucher,
Sponsoren, der Politik, der zahlreichen Helfer hier
in dieser lebendigen Stadt.
In diesem Jahr können Sie bereits ein kleines Jubiläum feiern
– fünf Jahre Tage der Barockmusik in Schrobenhausen mit großen Events. Sind fünf Jahre schon ein Grund
zu feiern?
Rattinger: In der derzeitigen Kultursituation, in
der Projekte eher eingestellt als bezuschusst werden, und die finanzielle Basis für Hochkultur
immer schwieriger zu schaffen ist, auf jeden Fall.
Es macht mich stolz und froh, ein Projekt leiten zu
dürfen, das entgegen dem Trend rasch wächst und
sich weiterentwickelt. Und aus diesem Gefühl
heraus entstand der Wunsch, in diesem Jahr unserem
Publikum zu danken und etwas Außergewöhnliches
zu präsentieren.
Wie geht es in den kommenden Jahren weiter?
Rattinger: Wir werden im nächsten Jahr sicher
nicht so groß weiter agieren können wie in diesem
Jahr, das mit dem Orchesterkonzert, dem Theater,
der Barockoper und dem Nachtkonzert unvergesslich bleiben wird. Für 2014 liegen bereits wieder
sehr interessante Projekte in der Schublade. Man
kann sich also auf weitere spannende BarockmusikSommer in Schrobenhausen freuen.
Sie werden ja – als bekannter Barockmusiker – auch in
Schrobenhausen wieder selbst zu Ihrem Instrument, der
Gambe, greifen. Wie kamen Sie zur Barockmusik und zu
Ihrem Instrument?
Rattinger: Mit sechs begann ich mit Klavierunterricht. Aber als ich mit elf zum ersten Mal eine
Gambe hörte, wusste ich: Das möchte ich lernen.
Die Nähe zur menschlichen Stimme macht das
Instrument für mich so spannend. Es ist der Charakter, die Unebenheiten, mit der die Gambe die
Musik zum Leben erweckt.
O rc hes t er k o n z er t
Schrobenhausen
2013
„Ein Geschenk
des Himmels“
Lina Tur-Bonet ist eine bekannte Barockgeigerin.
Als Solistin und Konzertmeisterin hat sie sich
international einen Namen gemacht. Seit 2005 ist
sie Professorin für Violine am Conservatorio Superior de Zaragoza in Spanien. In Schrobenhausen
leitet sie gemeinsam mit Jakob David Rattinger
zum zweiten Mal das Barockorchester.
Das Barockorchester bringt in diesem Jahr Händels „Feuerwerksmusik“ auf die Bühne.
Ein Feuerwerk barocker Musik
Mit einem wirklichen Paukenschlag starten in
diesem Jahr die Tage der Barockmusik in die
Festivalwoche. Am Samstag, 31. August, wird um
20 Uhr ein großes Barockorchester die Bühne im
Konferenzgebäude der BAUER AG betreten und
zwei imposante Werke Georg Friedrich Händels
– die „Feuerwerksmusik“ und Ausschnitte aus der
„Wassermusik“ - sowie ein Überraschungswerk
aufführen. Aus Madrid und Wien, aus Basel,
Innsbruck und aus vielen anderen Orten Europas
reisen die Musiker nach Schrobenhausen, um dem
Publikum einen barocken Ohrenschmaus der
Extraklasse zu bieten.
Im vergangenen Jahr trat das von Jakob David Rattinger
zusammengestellte Orchester zum ersten Mal auf
dem Festival auf. „Ich wollte unbedingt ein besonderes
Event anbieten und kam dann auf die Idee, ein
Barockorchester zusammenzustellen“, erzählt der
Gambist. Ein paar Anrufe bei Freunden und fertig
war die Zusammenstellung von 21 Spitzenmusikern
der europäischen Barockszene. „Wir haben uns bei
der Premiere für Händels „Wassermusik“ entschieden, weil es so ein tänzerisches, fröhliches Werk ist“,
erklärt Rattinger. Ein Stück, das es dem Publikum
leicht macht, sich in die Unterschiede zwischem dem
Klang eines Barockorchesters und dem eher gewohnten Sound eines klassischen Orchesters einzuhören.
„Ein Barockorchester klingt rauer, rotziger, rockiger“,
erklärt Rattinger. Barocke Oboen, Trompeten, Hörner, ein Fagott, Geigen, Bratschen, Cellos, Contrabass, Cembalo und Percussion vereinigten sich zu
einem ganz besonderen Hörerlebnis und hinterließen ein begeistertes Publikum.
In diesem Jahr wird das Orchester noch um ein paar
Musiker größer. „27 Musiker aus ganz Europa werden
anreisen und Händels „Feuerwerksmusik“ zur Aufführung bringen“, verrät Jakob David Rattinger, der
gemeinsam mit der in Spanien lebenden Geigerin Lina
Tur-Bonet die Leitung des Projekts übernimmt. Vor
allem der Bläsersatz wird für das gigantische Werk
verstärkt. Nur zwei Probentage stehen auf dem Programm. „Die Musiker erhalten die Noten im Vorfeld,
an den beiden Probentagen in Schrobenhausen findet
sich dann alles zusammen“, erklärt Rattinger. Bereits
jetzt freut sich der Musiker wieder auf das Ergebnis.
„Unsere Instrumentalisten gehören zur kleinen, aber
feinen Schar hochklassiger Barockmusiker. Entsprechend beeindruckend ist die Qualität“, freut er sich.
Georg Friedrich Händel
Georg Friedrich Händel, 1685 in Halle
an der Saale geboren, war einer der bedeutendsten Komponisten des Barock. Sein
umfangreiches Werk umfasst 42 Opern und
25 Oratorien, Kirchenmusik, Kantaten,
Werke für Orchester sowie Kammer- und
Klaviermusik.
Händels Feuerwerksmusik wurde am 27. April
1749 erstmals aufgeführt. Der britische König
Georg II. wollte zur Feier des Aachener
Friedens ein großes Fest mit Feuerwerk
und Musik veranstalten. Er beauftragte Händel damit, eine „Feuer-Musik“ zu
schreiben. Die Feier sollte im Londoner Green
Park stattfinden, daher ging Händel von einem
großen Freiluft-Orchester mit einer typischen
Bläser-Streicher-Besetzung aus. König Georg
jedoch wollte ein Orchester ausschließlich mit
Bläsern und Pauken. Erst spät soll sich Händel,
der während all der Jahre in England die Landessprache nie korrekt gelernt hatte, dem
Willen des Königs gebeugt haben.
Frau Tur-Bonet, was gefällt Ihnen am Leben als
Musikerin? Lina Tur-Bonet: Das Leben als Musikerin ist
einerseits kompliziert und mühsam, schwer und
erfordert Disziplin. Aber es ist auch ein Geschenk
des Himmels: mit Musik – einem Gut, das keine
„Substanz“ hat – seinen Lebensunterhalt verdienen
zu können. Ständig lernt man Neues, das einen als
Mensch bereichert, betritt immer neue Klangwelten. Man muss sich immer wieder in Frage stellen.
Nichts bleibt gleich. Es ist ein Leben voll Poesie und
Kraft, Kreativität und Lehre.
Manche Musiker geben ihren Instrumenten menschliche
Attribute. Tun Sie das auch?
Tur-Bonet: Meine beiden Violinen sind viel älter
als ich – aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Eine ist
ein alter Herr, sicher ein Aristokrat. Die andere ist
ein weiser, aber einfacher Mann. Leitet das Orchester: Lina Tur-Bonet.
Gibt es einen Unterschied zwischen dem Spiel im klassischen und barocken Orchester?
Tur-Bonet: Es gibt viele technische Unterschiede und
jede Epoche hat ihre Eigenheiten: Im Barock ist die
Rhetorik essenziell, das ist auch für die Klassik von
Vorteil. Die Darmsaiten des barocken Instruments sind
empfindlicher und es ist viel schwieriger, damit zu intonieren; aber dann mischt es sich miteinander wie keine
Stahlsaite es schaffen würde. Der Bogen ist gleichmäßiger bei der klassischen Geige, die linke Hand hat mehr
zu tun. Beim Barock ist die rechte Hand mehr im Spiel. Wie gefällt Ihnen das Projekt in Schrobenhausen?
Tur-Bonet: Ich mag die Menschen, mit denen ich
schon vor einem Jahr zusammengearbeitet habe. Als
Menschen und als Musiker.
T h ea ter
Schrobenhausen
Thos Renneberg
T hos Renneberg,
geboren 1959, ist
Reg isseur, S chauspieler und Musiker.
Seine Arbeit führte
ihn durch ganz
Deutschland. Unter
anderem ar beitete
er am Prinzregenten
-T heater in München, an der Deutschen
Oper am Rhein
und am Schauspiel
Köln.
2013
Commedia dell´Arte heute
Eine ganz besondere Kunstform, die in der
Barockzeit ihre Blütezeit hatte, können Besucher der Tage der Barockmusik am Sonntag,
1. September, ab 19 Uhr erleben. Dann findet bei
schönem Wetter auf dem stimmungsvollen Vorplatz des Pflegschlosses ein Freilufttheater im
Stil der Commedia dell´Arte statt. Das Theater
Narrattak – eine dreiköpfige Schauspielgruppe
aus Essen – hat es sich zur Aufgabe gemacht,
diese historische Form des Stegreiftheaters ins
Heute zu übertragen und die Commedia dell´Arte
wieder bekannter zu machen.
bäuerliche Bevölkerungsschicht – und der Vecchi –
die Alten, die reiche Oberschicht – einteilen lassen.
Die wohl bekannteste Figur der Commedia dell´Arte
ist der Harlekin, der mit naiver Fröhlichkeit meist
die Stimme des gemeinen Volkes verkörpert.
Auch das Stück des Theater Narrattak, „Ludowig
und Rosalind“, orientiert sich an diesen typischen
Figuren der Commedia dell´Arte. Die Geschichte entspinnt sich um die Liebe von Ludowig und
Rosalind, deren Heirat durch den geizigen Signor
Pantalone und den tollpatschigen Aufschneider
Capitano Fernandez in Gefahr gerät. Für Verwir-
Mit der eigenen
Bühne unterwegs
Thos Renneberg, Schauspieler und Regisseur
aus Essen, ist Mitbegründer des Theater Narrattak.
Gemeinsam mit Thomas Kemper und Bärbel
Kandziora bringt er in Schrobenhausen das
Stück „Ludowig und Rosalind“ auf die Bühne.
Herr Renneberg, wie haben Sie die
Commedia dell´Arte für sich entdeckt?
Thos Renneberg: Die Idee, sich mit der Commedia dell`Arte zu befassen, entstand, als ich mit
einigen Kollegen begonnen hatte, Straßentheater
auf historischen Märkten aufzuführen. Wir hatten
uns davor alle eher mit körperlichen Kunstformen, wie Akrobatik und Pantomime beschäftigt,
und wollten uns dann näher mit dieser Form des
Theaters befassen. Nachdem wir als Autodidakten
an unsere Grenzen stießen, arbeiteten wir mit
unterschiedlichen Schauspielern und Regisseuren
zusammen und lernten so viel über die Kunst der
Commedia dell´Arte.
Ihre Gruppe besteht aus drei Schauspielern. Wie
bringen Sie mit drei Menschen ein ganzes Stück auf
die Bühne?
Renneberg: Jeder von uns spielt mehrere Rollen,
meist zwei bis drei. Jede Figur hat ihre Eigenheiten. Der Reiz, der von der Commedia dell´Arte
ausgeht, ist, dass die Figuren zwar innerhalb einer
Handlung nach ihrem festgelegten Charakter
handeln, aber immer noch Raum für Improvisation bleibt.
In Schrobenhausen spielen Sie unter freiem Himmel.
Wie genau sieht Ihre Bühne aus?
Renneberg: Wir haben unsere eigene Bühne dabei. Früher wurden für das Straßentheater oft
Weinfässer zusammengestellt und Bretter darüber gelegt. Unsere Bühne ist eine Anmutung
daran – und enthält, trotz des historischen
Looks, die moderne Technik, die man heute für
eine professionelle Veranstaltung braucht.
Das Theater Narrattak zeigt das Stück „Ludowig und Rosalind“ im Pflegschlosspark.
Die Commedia dell´Arte entwickelte sich im
16. Jahrhundert. Jahrmarktskünstler, wie Schauspieler
und Akrobaten, schlossen sich zusammen und führten
gemeinsam Komödien auf, in denen sie entlang
eines Handlungsgerüstes und im Rahmen ihrer festgelegten Figuren teilweise aus dem Stegreif improvisierten. Im Laufe der Zeit entwickelten sich feste
Charaktere, die sich in die Gruppe der Zanni – eine
rung sorgen die beiden faulen Diener Zerbanotto
und Arlecchino, bis sich alles zu einem glücklichen
Ende fügt. Die pralle Lust und die kindliche Spielfreude der Figuren treiben die Handlung voran –
die Situation ist wichtiger, als der dramaturgische
Verlauf. So können die Schauspieler auch Bezug
auf aktuelle, lokale Ereignisse oder Reaktionen des
Publikums nehmen.
Bärbel Kandziora Thomas Kemper
Bärbel Kandziora, geboren 1965, studierte Sport
in Köln mit Schwerpunkt Bewegungstheater und
vertiefte ihre Kenntnisse in der Commedia dell`Arte an der
„Scuola internazionale dell`attore
comico“ in Reggio
Emilia, Italien. Seit
1989 steht sie mit dem
Theater Narrattak auf
der Bühne. Bärbel
Kandziora ist auch
als Dozentin und Regisseurin tätig.
Thomas Kemper, geboren 1959, ist Schauspieler sowie ausgebildeter Spiel- und Theaterpädagoge. Er ist bereits
mit einigen Theater preisen aus gez eic hn et worden,
unter anderem mit
dem Preis des Theaterfestivals NRW
„Theaterzwang“ für
die beste darstellerische Leistung. Derzeit ist er auch am
Grenzlandtheater in
Aachen zu sehen.
Nac ht k o n z er t
Schrobenhausen
2013
Musik der Gegensätze
Düster und fröhlich, melancholisch und dramatisch: Die Lautenlieder von John Dowland transportieren Gefühle auf meisterhafte Weise durch
Text und Musik. Am Dienstag, 3. September, erwecken
Lautenist Julian Behr und Tenor David Munderloh
um 21.21 Uhr in der Frauenkirche Schrobenhausen
die Kompositionen des englischen Komponisten
zum Leben.
„Für Lautenisten ist Dowland der wichtigste Komponist
überhaupt“, erklärt Julian Behr. Seine Werke, besonders
jene der „seconda pratica“ - einer Kompositionsform,
in der die Musik dem Text dienlich gemacht wurde -,
spiegelten die musikalische Weiterentwicklung jener
studierte Gitarrist sich auf der Laute weiterbildete. Inzwischen baut Behr sogar selbst Lauten. „Ich
baue gerade an einer neuen Laute und hoffe, sie beim
Konzert in Schrobenhausen zum ersten Mal spielen
zu können“, verrät er. Das Instrument mit seinen
vielen Saiten – 13 bei Behrs Instrument, es gibt
aber auch Lauten mit mehr als 20 Saiten – sei eine
Herausforderung im Spiel. „Der Lautenist stimmt
immer, die Laute nie“, zitiert Behr einen Spott des
Komponisten Johann Mattheson. In der Renaissance
und im Barock war die Laute das wichtigste Instrument, für das die meisten Musikstücke geschrieben
wurden. „Lauten lagen sogar zur Unterhaltung beim
Die Frauenkirche
Mit ihrem schlanken, hohen
Turm bildet die Schrobenhausener
Frauenkirche einen Kontrapunkt zur
Stadtpfarrkirche in der Innenstadt. Die
spätgotische Kirche – von 1409 bis 1416
dank einer Stiftung von Ulrich Peisser erbaut – besitzt eine barocke Ausgestaltung.
Im Jahr 1442 wurde der Kirche ein Bürgerspital angegliedert. Seit dem 18. Jahrhundert wurde die Kirche innen mehrfach
umgestaltet, 1964 wurden jedoch alle Innenausbauten zugunsten der barocken Ansicht wieder entfernt.
John Dowland
Er war ein Meister des Lautenspiels – und schrieb Werke,
die bis heute nichts von ihrer Anmut eingebüßt haben:
John Dowland, 1563 vermutlich in London geboren,
hinterließ einen musikalischen Schatz der Renaissance
und des frühen Barock. Einem breiten Publikum wurden Dowlands Werke im Jahr 2006 bekannt, als Sting
gemeinsam mit dem bosnischen Lautenspieler Edin
Karamazov die Platte „Songs From The Labyrinth“ veröffentlichte und damit auch auf Tour ging. Darin interpretiert er Stücke von Dowland und rezitiert aus Briefen
von Dowland an Sir Robert Cecil.
Lieder von John Dowland sind am 3. September beim Nachtkonzert zu hören.
Zeit, einen revolutionären Geist, wider. „Die Lieder
erzählen Geschichten voller Emotionen“, erklärt Behr.
Der aus San Francisco stammende Tenor David
Munderloh, der bereits mit einem Grammy ausgezeichnet wurde, erzählt diese Geschichten auf mitreißende Weise mit seiner klaren, hellen Stimme und
seinem schauspielerischen Talent.
Lautenist Julian Behr spielt bereits seit mehr als zehn
Jahren im Duo mit dem Tenor. Beide lernten sich an
der Schola Cantorum in Basel kennen, an der der
Friseur aus“, erzählt Behr. Dennoch kam das muschelförmige Saiteninstrument nach und nach aus
der Mode und wurde in ihrer Bedeutung vor allem
von der Geige abgelöst.
In Schrobenhausen singen und spielen die beiden
Musiker unterschiedliche Stücke Dowlands, vor allem Werke der seconda pratica mit ihrer melancholischen Ausstrahlung. Auch Dowlands wohl bekanntestes Lautenlied „In darknesse let mee dwell“ wird
beim Konzert in der Frauenkirche zu hören sein.
Julian Behr
David Munderloh
Der Lautenist absolvierte zunächst ein Studium in
klassischer Gitarre und Laute an der Hochschule
für Musik und Darstellende Kunst in
Stuttgart. Er studierter Alte Musik und
Lauteninstrumente an
der Schola Cantorum
Basiliensis in Basel. Er
arbeitet als Solist und
Kammermusiker ebenso wie für Produktionen
an Opern in Hamburg,
Berlin, Amsterdam
und Brüssel.
Der in San Francisco geborene Tenor David
Munderloh lebt heute in Basel. Sein Repertoire
umfasst Werke aus
den unterschiedlichsten Epoc hen, von
englischen Lautenliedern der Renaissance
bis hin zu Lieder n
des 19. Jahrhunderts.
Auch in der zeitgenössischen Musik ist
er zu Hause. Für seine
CD „Chanticleer“ erhielt er im Jahr 2000
den Grammy.
Ein Notenblatt von John Dowland.
Dowland war ein angesehener Musiker in Europa: Von
1598 bis 1606 war er Musiker am Hof des dänischen
Königs Christian IV. Doch erst im Alter von 50 Jahren
ging sein eigentlicher Lebenstraum in Erfüllung, als er als
Lautenspieler an den englischen Hof bestellt wurde und
fortan für James I. musizieren durfte. Selbst Zeitgenosse
William Shakespeare erwähnte den Lautenisten in „Der
verliebte Pilger“.
John Dowlands musikalisches Werk umfasst zahlreiche
Lautenlieder, Werke für Laute solo und Werke für Gambenconsort mit Lautenbegleitung. Besonders bedeutend
sind seine Instrumentalwerke. Seine Kompositionen markieren einen ersten Höhepunkt in der Entwicklung zu einer selbstständigen Instrumentalmusik. Zuvor war Musik
meist in Verbindung mit Gesang vorgetragen worden.
Der Komponist, der 1626 in London starb, schrieb rund
100 Lieder für Gesang und Laute. Sie gehören zu den
anspruchsvollsten und ausgereiftesten Werken für dieses
Instrument und sind bis heute im Repertoire nahezu aller
Lautenisten und klassischer Gitarristen.
O p er
Schrobenhausen
2013
Englische Oper
in französischer Maske
Prof. Dr. Florian Mehltretter, Professor für Italienische Literaturwissenschaften an der LudwigMaximilians-Universität in München, über „Dido
und Aeneas“:
Das Gemälde „Tod der Dido“ von Sébastien
Bourdon zeigt eine Szene aus Purcells berühmter Oper. Das Stück thematisiert die
dramatische Liebesgeschichte von Dido und
Aeneas. Die Geschichte hat kein Happy End:
er segelt fort, sie stirbt den Liebestod.
In London
zur Zeit Händels
1702 Die erste Londoner Tageszeitung „Daily Courant“ erscheint in der
Fleet Street, die später zum Zentrum der
britischen Presse wird.
1707 Act of Union, die Königreiche England
und Schottland vereinigen sich, London
wird zur Hauptstadt des neuen Königreichs
Großbritannien.
1708 Christopher Wren vollendet sein bedeutendstes Bauwerk, die St. Paul´s Cathedral, eines der wohl herausragendsten Beispiele
barocker Architektur.
1750 Eröffnung der Westminster Bridge,
bis dahin war die London Bridge die einzige
Brücke über die Themse.
1759 Das British Museum eröffnet, gezeigt
werden zu Beginn die vom Arzt Hans Sloan
gesammelten Kunstgegenstände aus aller
Welt, die er dem Staat vermacht hatte.
1762 König George III. erwirbt Buckingham
House, das 60 Jahre später zum Buckingham Palace ausgebaut wird.
Purcells berühmteste Oper ist nach dem Verständnis ihrer Zeitgenossen eigentlich gar keine. Denn
die Engländer der Barockzeit verstanden unter opera ein großes Maschinenstück mit Musikeinlagen,
dessen entscheidende Handlungspassagen jedoch
nur gesprochen, nicht gesungen wurden. „Experience hath taught us that our English genius will not
relish that perpetual singing“ schrieb Pierre Motteux 1692. „Dido and Aeneas“ ist vielmehr nach
französischem Verständnis eine tragédie lyrique,
wenn auch in Miniaturform. Als solche ist sie in der
Tat durchgehend gesungen und weist insbesondere die typische Abfolge von Rezitativ, Arie, Chor
und Ballett auf, welche die Aktschlüsse prägt. Diese Form bot sich an, da das Werk ursprünglich für
Josias Priests Schule für höhere Töchter in Chelsea
geschrieben wurde. Freilich goûtierten die Damen
der Gesellschaft „so Publick a show“ nicht. Eine
Mrs. Buck, die die Schule besichtigte, meinte:
„I cannot commend it.“
Insofern muss man sagen: Was wir heute als Perle
der englischen Oper lieben, ist ursprünglich ein Experiment mit einer fremdländischen Gattung. Das
Libretto von Nahum Tate versucht denn auch, die
fremde Form der tragédie lyrique an den einheimischen Geschmack anzupassen, indem es ein zentrales Element des elisabethanischen Theaters in den
antiken Stoff einführt: die Hexen; wir kennen sie
aus Shakespeares „Macbeth“.
Die Hexen haben vor allem zwei Funktionen: Sie
beschleunigen mit ihren Manipulationen das Geschehen, das die Götter ohnehin verfügt haben dergestalt, dass die ganze tragische Handlung innerhalb eines Sonnenumlaufs stattfindet. Zum anderen
entlasten sie Dido, die ja in Vergils Aeneis eine
durchaus problematische Figur ist: eine Figur, die
am Ende gar durch Hexerei versucht, die Gründung
Roms durch Aeneas zu verhindern. Dieses Element
der Zauberei wird bei Tate ausgelagert in die Hexen.
Der Effekt ist ebenso klar wie überraschend: Ausgerechnet das Erbe des ‚regellosen‘ elisabethanischen
Theaters, die Hexen, ermöglichen sowohl die regelhafte ‚Einheit der Zeit‘ (eben die Beschränkung auf
einen Tageslauf ) wie sie vom französischen Theater
angestrebt wurde, als auch die Anlage der Hauptfigur als typische Heldin einer klassizistischen
tragédie lyrique.
Der erste Akt beginnt in medias res mit dem Auftritt
des schiffbrüchigen trojanischen Helden Aeneas am
Hof der karthagischen Königin Dido. Deren Hofdame Belinda versucht, die Königin für Aeneas einzunehmen; dieser gesteht seine Leidenschaft. Eigentlich wissen alle, dass die Götter Aeneas nicht in
Karthago werden Wurzeln schlagen lassen, da er ja
Rom gründen soll („fate forbids what you pursue“),
aber man gibt sich der Illusion hin, schon auf die-
ser Station der Reise könne durch die Verbindung
der trojanischen mit der karthagischen Dynastie
ein künftiges Reich entstehen. Insbesondere Aeneas
prahlt damit, den seiner Ansicht nach schwachen
Schlägen des Schicksals trotzen zu wollen.
Der zweite Akt führt die Hexen ein. Sie wollen Dido
aus Neid zu Fall bringen. Aber ihr Plan ist, einen
als Merkur verkleideten Elfen zu Aeneas zu entsenden, der den Trojaner an seinen göttlichen Auftrag
erinnern soll, Rom zu gründen. Dies könnte man so
deuten, dass damit der Reichsgründungsauftrag eine
Fälschung der Hexen ist und also Rom (aus englischer Perspektive) keine weltgeschichtliche Legitimität zukommt; das wäre gerade in jener Zeit der
Furcht vor einem päpstlich-römischen Komplott
gegen England nicht unpassend. Aber man wird zugeben müssen, dass Aeneas ja bereits im ersten Akt
von diesem Auftrag weiß.
Es gibt ein Element der tragischen Verwicklung, das
indirekt auf die Hexen zurückgeht: den Sturm gegen
Ende des zweiten Aktes. Dort begeben sich Dido
und Aeneas auf die Jagd, und die Hexen wollen das
Jagdvergnügen mit einem Sturm zerstreuen. Die
Szene zeigt die ‚Ruhe vor dem Sturm‘: Nachdem
Aeneas mit der Erlegung eines Ebers geprahlt hat
(jenes Tiers, das den Geliebten seiner Mutter Venus
einst tötete), berichtet die zweite Dame davon, dass
Diana, Göttin der Jagd, aber auch der Keuschheit,
hier gerne weilt - und dass dies der Ort ist, an dem
der mythische Jäger Actaeon den Tod fand.
Acteaon, der Diana nackt im Bade erblickte und darauf, in einen Hirsch verwandelt, von den eigenen
Hunden zu Tode gehetzt wurde, galt als Sinnbild
sündhaften Begehrens, das den Begehrenden selbst
zerstört. Hier kündigt sich an, dass die tragische
Schuld Didos die Befriedigung vorehelichen Liebesbegehrens sein wird.
Es ist der von den Hexen gesandte Sturm, der dazu
führt: Alle fliehen vor dem Unwetter, und Dido und
Aeneas geraten in eine zweisame Situation (die aber
im Sinne der bienséance nicht direkt dargestellt
wird). Am Ende des Aktes erscheint Aeneas der falsche Merkur und bewegt ihn schon nach einer einzigen Liebesnacht zum Aufbruch gen Italien.
Der dritte Akt führt die Seeleute des Aeneas ein,
an deren Beispiel das weibliche Publikum den erotischen Wankelmut der Männer studieren kann Aeneas eingeschlossen, der in dieser Oper moralisch
nicht ungeschoren bleibt. Die Hexen planen, die trojanische Flotte im Sturm zu versenken und freuen
sich über Didos bevorstehenden Tod.
Aber Aeneas bereut seinen Entschluss: Er bietet
Dido an, doch zu bleiben. Sie muss dies ausschlagen, nicht nur weil große Geister sich stets selbst im
Wege stehen, sondern auch weil sie in Aeneas‘ Wankelmut ihren eigenen tragischen Fehler erkennt. Er
segelt fort, sie stirbt. Aber anders als bei Vergil ist
dieses Sterben keine theatralische Explosion, sondern ein stiller Liebestod, der uns noch einmal zeigt,
dass hier gegen die antiken Quellen eine französische Tragödie gespielt wird.
O p er
Schrobenhausen
2013
36 Jahre
Schaffenskraft:
Henry Purcell
Ann Allen führt Regie bei der halbszenischen Inszenierung von „Dido und Aeneas“.
„Das Stück hat einfach alles“
Auf eine spannende Inszenierung kann sich das
Publikum am Sonntag, 8. September, um 20 Uhr
freuen. Oboistin und Regisseurin Ann Allen
bringt in Zusammenarbeit mit Jakob David
Rattinger als musikalischem Leiter und dem
Chor von Alois Kammerl Purcells Oper „Dido
und Aeneas“ in einer halbszenischen Inszenierung auf die Bühne der Stadthalle. Die mehrfach
preisgekrönte Musikerin aus Großbritannien
leitet das Mittelalterensemble Mediva und
die Barockgruppe Il Bacio, inszenierte schon
zahlreiche Opern und Musiktheater und ist seit
2005 künstlerische Leiterin des Nox Illuminata
Festivals in Basel und St. Pölten.
Frau Allen, was fasziniert Sie am Stück „Dido und Aeneas“?
Ann Allen: „Dido und Aeneas“ ist eine meiner
Lieblingsopern. Das Stück hat einfach alles: Liebe,
Eifersucht, Macht, Leidenschaft, Betrug – und Tod!
Bei jeder Inszenierung des Stücks lege ich den Fokus
auf andere Aspekte. Das Libretto lässt den Raum
dazu, das gefällt mir.
Worauf können wir uns bei der Aufführung in
Schrobenhausen freuen?
Allen: In der Version, die wir in Schrobenhausen auf die Bühne bringen werden, hat die böse
Magierin den Palast von Dido infiltriert und
ihre Hexen geben vor, treue Freunde zu sein. Sie
bestärken Dido darin, mit Aeneas eine Beziehung einzugehen obwohl sie wissen, dass die
Beziehung dramatisch scheitern wird. Am Ende
siegt die Magierin und besteigt den Thron von
Karthago, nachdem Dido den Liebestod stirbt.
Obwohl er nur 36 Jahre alt wurde, hinterließ Henry Purcell ein beeindruckendes Werk: Der 1659 in
Westminster geborene Musiker galt bereits zu Lebzeiten als bedeutendster englischer Komponist der
Barockzeit und wurde mit dem Ehrentitel Orpheus
Britannicus bedacht.
1676 wurde er Organist an der Westminster Abbey,
1682 an der Chapel Royal. Bereits in dieser
Zeit entstanden zahlreiche geistliche Stücke sowie erste Schauspielmusiken. Zur Krönung Jakobs II.
schrieb er zwei seiner bekanntesten Anthems „I was
glad“ und „My heart is inditing“.
„Dido und Aeneas“ war die erste eigene Oper Henry Purcells, die 1689 in einem Mädchenpensionat in
Chelsea erstmals aufgeführt wurde. Die gesamte Oper
dauert in der heute überlieferten, unvollständigen
Form nur etwa eine Stunde. Sie gehört zu den wichtigsten musikdramatischen Werken des Barock und
wird von manchen als Purcells einzige richtige Oper
angesehen. Das bekannteste Stück ist wahrscheinlich
Didos Klage „When I am laid in earth“. Insgesamt
Gibt es eine besondere Erinnerung an vergangene
Aufführungen der Oper?
Allen: In einer Version stellte ein männlicher
Tänzer ein Haustier der Magierin dar. Er trug
nichts außer sehr, sehr knappen Ledershorts –
sehr zur Freude der Damen im Publikum.
Wie kamen Sie von der Musik zur Arbeit als
Regisseurin?
Allen: Dank meines Großvaters und Ur-Großmutter liegt mir das Schauspielern im Blut
und finde es wunderbar, meine Musikalität mit
meinem angeborenen Sinn fürs Inszenieren
verbinden zu können.
Andrea Brown
Thill Mantero
Andrea Lauren Brown ist Preisträgerin der Internationalen Sommerakademie am Salzburger
Mozarteum 2002 und gewann 2003 den 2. Preis
beim Internationalen Gesangswettbewerb der
ARD in München,
wo sie seit 2006 lebt.
Die Sopranisten war
bereits an der Komischen Oper Berlin,
im Festspielhaus Baden-Baden, am Thea te r a n d e r W ie n ,
und bei zahlreichen
Festivals sowie an
vielen Opernhäusern
in Europa und den
USA zu Gast.
Bereits als Kind entdeckte der franko-italienische Musiker seine Leidenschaft für Musik
und Theater. Mantero spielt sowohl die Violine, als auch Schlagzeug und Saxofon. Er
studier te am Trinity College of Music in London und
nahm am Knack
Baylis Prog ramm
der English National Opera teil. Als
Bariton sang er in
Inszenier ungen an
vielen wichtigen
Opernhäusern in
Europa und den
USA.
Henry Purcell galt zu Lebzeiten als bedeutendster Komponist Englands. Er wurde
mit dem Ehrentitel Orpheus Britannicus
bedacht.
schrieb Purcell 38 dramatische Musikwerke, für die
er sich von William Shakespeare und John Dryden
inspirieren ließ.
Weitere bekannte Meisterwerke Purcells sind sein Te
Deum und Jubilate aus dem Jahr 1664. Zur Trauerfeier
Maria II. von England schrieb er die Musik – nur ein
Jahr später starb der Komponist selbst auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Seine Witwe veröffentlichte
nach seinem Tod weitere seiner Werke als Druck, darunter die Sammlung Orpheus Britannicus.
Henry Purcell wurde in der Westminster Abbey neben der Orgel begraben. Auf seinem Grabstein steht:
„Here lyes Henry Purcell Esq., who left this life and
is gone to that blessed place where only his harmony
can be exceeded.“
Purcells Werk wirkt bis heute nach: Moderne britische
Komponisten wie Benjamin Britten, Michael Tippett
oder Peter Maxwell Davies geben ihn als Einfluss
an, ebenso Rockmusiker wie Klaus Nomi oder Pete
Townshend von The Who, wie im Intro von „Pinball
Wizard“ deutlich wird.
Schrobenhausen
2013
Grußworte
Außergewöhnliche Blumenarrangements zaubern Atmosphäre in die Konzertsäle.
Opulente Blumenpracht
Schon seit Jahrhunder ten ist es Brauch, der
Operndiva, dem Dirigenten, der ersten Geige
nach einem erfolgreichen Premierenkonzert einen opulenten Blumenstrauß zu überreichen. In
festlich mit Blumen geschmückten Konzertsälen
vereinen sich Floristik und Musik zu einem Gesamtkunstwerk und werden für das Publikum zu
einem Erlebnis für Ohr, Auge und Nase. Auch
bei den Tagen der Barockmusik wurde vom ersten Konzert an ein besonderes Augenmerk auf
die Floristik gelegt. Die Schrobenhausener Floristin Christel Majuntke-Schmid plant die außergewöhnlichen Raumdekorationen in Zusammenhang mit dem musikalischen Thema und in
Absprache mit den Musikern.
„Blumen und Musik drücken Gefühle aus und berühren unser Innerstes“, schlägt Majuntke-Schmid
den Bogen zwischen den Künsten. Gerade im Barock seien Blumen ein wichtiges Stilmittel gewesen. „Typische Blumen dieser Zeit sind Rosen, Lilien, Orchideen, Flieder und Frittilaria“, erklärt sie.
Farbenfroh, edel und opulent durfte es sein – davon
ließ sich die Schrobenhausenerin inspirieren.
„Ich plane den Raumschmuck in Zusammenhang
mit dem musikalischen Thema“, erklärt sie ihre Arbeitsweise. Für das Orchesterkonzert mit Händels
„Wassermusik“ im vergangenen Jahr entstanden
so die Idee, blaue Blüten kaskadenartig aus silbernen Gefäßen quillen zu lassen, ähnlich einem
Wasserkrug, der sich in den Raum ergießt. Für ein
Wandelkonzert dekorierte sie die Räume im Stil
der vier Elemente Erde, Feuer, Wasser, Luft in entsprechenden Farben. „Für das Luft-Thema habe
ich zum Beispiel kaum sichtbare Drähte durch den
Raum gespannt und Seidenpapier und Schleierkraut daran befestigt“, erzählt Majuntke-Schmid.
Auch der Kontakt zu den Musikern sei bei der floristischen Planung wichtig. „Eine Sängerin mochte
keine duftenden Blumen“, erzählt sie. Eine ande-
re Musikerin mochte den Duft von Lilien, Jakob
David Rattinger sei Rosenliebhaber. „Auf all diese
Vorlieben möchte ich auch eingehen“, sagt Christel
Majuntke Schmid.
Für das kleine Jubiläum stehen wieder
interessante, musikalische Projekte an.
Welche Ideen die
S c h ro b e n h a u s e n e r
Floristin für die unterschiedlichen Konzerte hat, wird wieder
eine Überraschung
sein. „Ich freue mich, Christel Majuntke-Schmid.
wenn ich am Veranstaltungsabend sehe, wie alles ineinander übergeht
und ein schönes Gesamtbild ergibt.“
Impressum
Barocknotizen, Ausgabe 1, Sommer 2013
Herausgeber / ViSdP: Jakob David Rattinger
Erich-Kästner-Weg 12
86529 Schrobenhausen
www.barockmusik-schrobenhausen.de
Konzeption, Redaktion: Sabine Beck
www.worte-wirken.de
Grafik, Layout: Steffi Laquai www.steffi-laquai.de
Fotos: Stadt Schrobenhausen, privat
Druck und Vertrieb: DONAUKURIER
Verlagsgesellschaft mbH
Stauffenbergstr. 2a, 85051 Ingolstadt
Auflage: 75 000
Alle Rechte vorbehalten.
Nachdruck, Kopie oder sonstige Vervielfältigung
und Verbreitung, auch in Ausschnitten, nur mit
ausdrücklicher Genehmigung der Herausgeber.
Liebe Mitbürger, liebe Freunde der Stadt,
die „Tage der Barockmusik“ sind in den vergangenen
Jahren in Schrobenhausen zu einem herausragenden musikalischen Höhepunkt geworden. Im Spätsommer 2013 finden sie bereits zum fünften Mal
statt. Dem Ruf Jakob David Rattingers folgen seit
Jahren Spitzenkräfte
der Barockmusik aus
mehreren Ländern.
Mit der Aufführung
von Händels „Wassermusik“ setzten sie im
vergangenen Jahr ein
Zeichen – mit dem
beeindruckenden Programm in diesem Jahr
f reu en w ir uns a uf
neue Glanzpunkte.
Aus Überzeugung ist
die Stadt Schroben- Dr. Karlheinz Stephan.
hausen Träger der
„Tage der Barockmusik“. In diesem Sinne danke ich auch allen Firmen, die in den vergangenen
Jahren mitgeholfen haben, dieses Projekt zu einem
Leuchtturmprojekt für Schrobenhausen mit überregionaler Ausstrahlungskraft zu machen.
Ihr Dr. Karlheinz Stephan
1. Bürgermeister der Stadt Schrobenhausen
Liebe Freunde der Barockmusik,
ein weiteres Mal kommen wir heuer im Zeichen
der Barockmusik in Schrobenhausen zusammen.
Dabei wächst unser Festival kräftig: Das Bayerische
Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und
Kunst hat die „Tage der Barockmusik“ in diesem
Jahr in sein Förderprogramm aufgenommen. Dies
macht uns stolz und ist
gleichzeitig ein Auftrag zur Wahrung und
zum weiteren Ausbau
der hohen Qualität
des Festivals in Schrobenhausen.
Zu unserem kleinen
Jubiläum haben wir
mit einem Orchesterkonzert, einer Commedia dell´Arte, einem
Nachtkonzert sowie
einer Barockoper ein Dr. Bastian Fuchs.
Programm entwickelt,
das sicherlich Ihre Sinne erfreuen wird.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch in Schrobenhausen.
Ihr Dr. Bastian Fuchs
Kulturreferent der Stadt Schrobenhausen

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