Sssst-rrrt-Bumms!...udja-udja-Bumms!

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Sssst-rrrt-Bumms!...udja-udja-Bumms!
literatur
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J u N G e F r e i H e i t | Nr. 41/10 | 8. Oktober 2010
Jochen Thies: Die Moltkes
André schlüter: Moeller van den
Bruck
Seite 26
Fritz J. raddatz: Tagebücher
1982–2001
eberhard straub: Zur Tyrannei der
Werte
Seite 27
Peer steinbrück: Unterm Strich
Peter-Michael diestel: Aus dem
Leben eines Taugenichts?
Seite 28
Udo Ulfkotte: Kein Schwarz. Kein
Rot. Kein Gold.
Alice schwarzer: Die große Verschleierung
Seite 29
Ulrike Jureit, christian schneider:
Gefühlte Opfer
Seite 30
herfried Münkler: Mitte und Maß.
Kampf um die richtige Ordnung
Seite 31
Foto: picture-alliance / dpa
Thea dorn: Ach, Harmonistan.
Deutsche Zustände
raphael Gross: Anständig geblieben
Seite 32
Französische Soldaten sichern ihren Graben, um 1916: An den „Stahlgewittern“ klebt eben nicht das Blut von Verdun, sondern nur die Tinte der Berliner Nachkriegszeit
Sssst-rrrt-Bumms!...udja-udja-Bumms!
Der erste Weltkrieg im Originalton: Helmuth Kiesel hat ernst Jüngers Kriegstagebuch 1914 bis 1918 ediert
AlexAnder PscherA
M
anchen Autoren begegnen
wir im strahlenden Sonnenschein, im Land, wo die Zitronen blühn. Mit anderen steigen wir
hoch hinauf auf den Berg, dorthin wo
die Luft rein ist, wo sie verklärt und
verzaubert. Das sind Autoren des stabilen metereologischen Hochdrucks.
Zu diesen gehört einer mit Sicherheit
nicht: Ernst Jünger. Zwischen uns und
ihm steht nicht nur eine atlantische Regenfront mit Tiefausläufern, sondern
zwischen uns und ihm stehen veritable
Stahlgewitter.
Es hilft nichts: Wer zu Jünger will,
muß durch dieses Unwetter hindurch.
Mit oder ohne Schirm. Und so mancher verliert dann den Glauben, wird
naß und schreibt Despektierliches über
jenen Stahlblitze schleudernden, menschen- und weltverachtenden, zynischen
Wettergott mit dem kalten Blick. Diese Abwertung kann aber allenfalls den
Text treffen, aber nicht seinen Autor.
Denn die „Stahlgewitter“ sind – wie jeder halbwegs Informierte weiß – trotz
ihres Authentizität verbürgen wollenden
Untertitels (Aus dem Tagebuch eines
Stoßtruppführers) alles andere als ein
Diarium. Sie sind eine sorgfältig komponierte und vielfach umgearbeitete Erzählung in Ich-Form. Sie sind literarische
Sublimation, episches Konstrukt, am
Ende eben doch fiktionales Gebilde. An
den „Stahlgewittern“ klebt eben nicht
die Kreide der Champagne, auch nicht
das Blut von Verdun oder der SommeSchlacht, sondern nur die Tinte der Berliner Nachkriegszeit. Das Erleben, gesehen durch die Brille des Überlebens: So
könnte man die Grundkonstellation von
Jüngers Erstling beschreiben.
Die Konjekturen, die der Autor dabei an der erlebten Wirklichkeit vornimmt, können nun überprüft werden
an der von Helmuth Kiesel einwandfrei besorgten Edition der originalen
Kriegstagebücher Ernst Jüngers, die in
14 nicht nur tinten-, sondern blut- und
schweißbefleckten Notizbüchern heute im Marbacher Schrein liegen. Jeder
wußte, daß es sie gab, jene mythischen
Kladden (viele haben dieses Wort erst
hier kennengelernt), die der Leutnant
Jünger unter den in die Hosenträger eingehängten Handgranaten in der Rock-
tasche trug. Jetzt kann man sie studieren. Doch wer diese Kriegstagebücher
nur philologisch liest und ständig in
den zwölf Fassungen der Stahlgewitter
hin- und her blättert, um zu sehen, was
sich wann, wo und wie verändert hat,
dem ist nicht zu helfen.
Denn was bei dieser Lektüre zunächst
auffällt, ja einen regelrecht anspringt, ist
die Monotonie der Echtzeit. Granaten
schlagen ein, Verwundete werden abHelmuth Kiesel
(Hrsg.): Ernst Jünger. Kriegstagebuch 1914–1918.
Klett-Cotta Verlag,
Stuttgart 2010, gebunden, 655 Seiten, 32,95 Euro
transportiert, Schanzen werden ausgehoben. Granaten schlagen ein, Verwundete werden abtransportiert, Schanzen
werden ausgehoben. Und so weiter. Je
länger man liest, um so bedrückender
wird diese Monotonie, um so unerträglicher und auswegloser wird dieses mahlende Rad der Front, das erbarmungslos
über alles hinwegrollt.
Diese Musik der Monotonie ist
durchzogen von allen möglichen heranzwitschernden, heranwummernden, heranpfeifenden Projektilen. Jünger zeichnet sie auf, weil er weiß, wie
überlebenswichtig es ist, die gefährlichen von den weniger gefährlichen zu
unterscheiden. Dieser Soundtrack der
Stahlgewitter drückt den Leser regelrecht in sein Sofa hinein, man ist schon
versucht, den Kopf einzuziehen, wenn
die Tür im Nachbarzimmer in den Angeln quietscht. Das hat etwas von akustischen 3D-Effekten, heißt aber auch:
Schon ganz ohne bewußte literarische
Gestaltung und Feilung, wie sie den
veröffentlichten Text der Stahlgewitter
auszeichnet und zu der der Leutnant
im Graben weder Zeit noch Lust hatte, ist Jünger schon ein famoser Erfasser von Realität. Ja, sein Blick ist hier
schärfer denn je. Er sucht, magnetisch
angezogen, die Zonen des Verfalls, die
in den originalen Tagebüchern einen
weit größeren Raum einnehmen als in
der veröffentlichten Version.
Die Kriegstagebücher sind ein Text
der schwarzen Romantik, in denen ein
Bildschock den anderen ablöst: die
schleimige Mumie des Engländers im
Feindbild als Spiegelbild.
Drahtverhau; die Bottiche der Schweinezucht, in denen Pferdekadaver in kochendem Wasser ausgelassen und zu
Futtermaterial verarbeitet werden; die
dreißig Särge in der Kirche, aus denen
das Blut fließt.
Dies alles deutet voraus auf das
„Abenteuerliche Herz“, in Teilen auch
auf die metaphorisch zerklüftete Landschaft der „Marmorklippen“ mit ihren
definierten Zonen des Bösen. Unter diesem Aspekt ist die Lektüre der Kriegstagebücher besonders lohnend: Die Optik
des Kriegers ist nicht gleichgültig, sie
differenziert bei aller auch hier zur Schau
gestellten Gleichgültigkeit („sie ist eine
meiner Haupteigenschaften“) nach Gut
(Überleben) und Böse (Zerstörung und
Tod). Natürlich ist das ein unmittelbarer Vitalismus, der im Überlebenwollen gründet, aber in der Art, wie Jünger
die Besichtigung der Schlachthöfe im
Hinterland der Front beschreibt, kündigt sich schon eine im Kern moralische
Ahnung von einer Abgründigkeit und
Doppelbödigkeit von Realität an, wie
sie den Jünger der surrealistischen Phase
später kennzeichnen soll.
Den nationalistischen Impetus hingegen, den die von den Stahlgewittern
Begossenen so gerne brandmarken,
sucht man in den Kriegstagebüchern
fast vergebens. Spürt man ihm nach,
so findet man ihn in schwachen, fast
mechanisch klingenden Floskeln.
Eher stößt man auf das Gegenteil:
Die Frage nach dem Sinn des Tötens
(„Es ist ein Jammer, solche Kerle totschießen zu müssen“) und eine grüblerische Nachdenklichkeit, die man vom offiziellen Jünger (der sich natürlich selbst
erzeugt hat), nicht kennt. Phrasen wie
„Dabei sagte ich mir selber“ oder „dachte ich, ich weiß nicht, wie ich darauf
kam“, die den inneren Monolog mit sich
selbst abbilden, kennt man von Jünger
nun überhaupt nicht. Sie passen am allerwenigsten ist das Bild des Autors. Da
ist das Ich immer voll und ganz und
einheitlich ein „Ich“ – ohne zersetzenden, relativierenden inneren Monolog,
der schließlich ein Zeichen von Schwäche ist, weil er erstens die Zufälligkeit
der getroffenen Entscheidung zeigt und
zweitens die Möglichkeit von Optionen
offenläßt. Im Innern des unbedingten
Wollens spricht Jünger also ständig mit
sich selbst: Das ist nicht die geringste
Erkenntnis, die man aus der Lektüre der
Kriegstagebücher mitnimmt.
Gegen den Feldzug
der Tugendwächter.
Viele Personen und Bewegungen, die das Feindbild Muslim eint, übersehen in ihrem Zorn, daß es sich bei näherer Betrachtung um ein häßliches Spiegelbild handelt. Aus
ihm blickt uns die eigene Schwäche entgegen – die Tatsache, daß die westlichen Demokratien demographisch, demokratisch, kulturell, moralisch und ökonomisch von der
Vergangenheit zehren und auf Kosten der Zukunft leben.
Wer an die Wurzel der tatsächlichen Probleme greifen will,
muß sich wie der Autor mit dem hausgemachten Sozialismus, einem gescheiterten Wohlfahrtsstaat und falscher
Einwanderungspolitik beschäftigen, statt sich an religiösen Symbolen zu vergreifen und damit nebenbei noch die
letzten eigenen Werte preiszugeben. Ein mutiges, notwendiges und politisch in jeder Weise unkorrektes Buch, das
die vielfältigen Einzelprobleme in ihrer Verflechtung differenziert, gedankenscharf und urteilssicher auslotet.
Politische Korrektheit: Denken in den streng vorgezeichneten Bahnen derer, die in einzelnen gesellschaftlichen Bereichen und zu mehr oder weniger grundlegenden Fragen
die Deutungshoheit für sich beanspruchen – und jede Verlautbarung in eine oft abstruse, von schauderhaften Worthülsen strotzende Sprache gießen. Man könnte das mit Erheiterung registrieren, wenn sich dahinter nicht etwas sehr
Ernstes verbergen würde. Jörg Schönbohm, eigenwilliger
und unbeugsamer Konservativer, zeigt in beklemmender
Weise, daß das, was einst sinnvoll als Kampf gegen Minderheitendiskriminierung begonnen hatte, heute immer
mehr in eine Dämonisierung und Stigmatisierung von
Andersdenkenden mündet. Was die Folgen angeht, die
Gefahren für Demokratie und Meinungsfreiheit nämlich,
kann er sich zu Recht auf Montesquieu berufen: „Dort, wo
es keine sichtbaren Konflikte gibt, gibt es auch keine Freiheit.“
André F. Lichtschlag: Feindbild Muslim.
Schauplätze verfehlter Einwanderungs- und Sozialpolitik.
64 Seiten, 10,3 x 15,3 cm, Leinen.
ISBN 978-3-937801-61-2
e 7,80
www.manuscriptum.de
Jörg Schönbohm: Politische Korrektheit.
Das Schlachtfeld der Tugendwächter.
64 Seiten, 10,3 x 15,3 cm, Leinen.
ISBN 978-3-937801-56-8
e 7,80
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JUNGE FREIHEIT
Nr. 41/10 | 8. Oktober 2010
Antje Vollmer:
Doppelleben. Heinrich und Gottliebe
von Lehndorff im
Widerstand gegen
Hitler und Ribbentrop. Eichborn Verlag, Frankfurt/Main
2010, gebunden,
415 Seiten, Abbildungen, 24,95 Euro
Lehndorffs. Am 4. September
1944 wurde Heinrich Graf Lehndorff, Herr auf Schloß Steinort am
Mauersee in Ostpreußen, wegen
seiner Beteiligung am Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 zum
Tode verurteilt. Zwei Stunden
nach Urteilsverkündung fand dieser „Typ des preußischen Junkers“,
wie ihn ein Prozeßbericht charakterisiert, den Tod am Galgen von
Plötzensee. Unmitelbar darauf
verbrannte man die Leiche und
verstreute die Asche auf den Rieselfeldern vor Berlin. Von „Heini“ Lehndorff ist danach, nimmt
man gelegentliche Erwähnungen
in den Erinnerungsberichten Marion Gräfin Dönhoffs aus, in der
seit 1970 anschwellenden Literatur über die Opposition gegen das
NS-Regime kaum mehr die Rede
gewesen. Der Grünen-Politikerin
und ehemaligen Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, promoviert mit einer theologiehistorischen Arbeit, kommt daher das
Verdienst zu, mit ihrer extraordinär schön gestalteten, die erstaunlich informativen Familiennachlässe ausschöpfenden, auch aus
staatlichen Archiven jedes Mosaiksteinchen zusammentragenden Lehndorff-Biographie diese
Ungerechtigkeit aus der Welt geschaff t zu haben. Vollmer beläßt
es indes nicht dabei, den engeren
Kontext der Beteiligung am 20.
Juli zu rekonstruieren, sondern
schreibt mit der Doppelbiographie von Heinrich und Gottliebe Lehndorff einen wertvollen
Beitrag zur ostpreußischen Landes- und Kulturgeschichte. Daß
Vollmer die Geduld ihrer Leser
zugleich mit endlosen Referaten
und Zitaten aus Standardwerken
zum „20. Juli“ auf eine harte Probe stellt, darf als Schatten des Ausflugs einer Berufspolitikerin in die
Zeitgeschichte nicht unerwähnt
bleiben. (wm)
Bruno Pieger,
Bertram Schefold
(Hrsg.): Stefan
George. Dichtung
– Ethos – Staat. Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin
2010, gebunden,
504 Seiten, 34,90
Euro
George-Kreis. Der Lyriker Stefan George und sein „Kreis“ werden seit Mitte der neunziger Jahre
fast inflationär porträtiert, wobei
die Qualität oft in keinem Verhältnis zur Quantität steht. Die
Aufsatzsammlung „Stefan George. Dichtung – Ethos – Staat“, die
im Untertitel sogar noch an EUPropaganda andockt („Denkbilder für ein geheimes europäisches
Deutschland“), erfüllt jedoch etwaige Befürchtungen kaum, überblätterte man die beiden Beiträge Peter Trawnys, des glücklosen
Heidegger-Editors, oder auch den
Aufsatz zu Edith Landmann, der
Ulrich Raulffs Porträtskizze von
2009 nur unwesentlich ergänzt.
Oder die knarzende Deutung
Christophe Frickers zu Georges
„Geheimem Deutschland“. Die
Frage, ob dies Gedicht ein politisches Programm sei, findet vielleicht eine überzeugendere Antwort in seiner für 2011 avisierten
George-Monographie. Ansonsten
darf der Leser aber für den reichen
Ertrag des Bandes dankbar sein.
Dafür sei hier nur exemplarisch
verwiesen auf die Interpretationen
des Philosophen Harald Seuberts,
des jüngst verstorbenen Manfred
Riedel (JF 46/09) und vor allem
auf Wolfgang Graf Vitzthums
Erinnerungen an Walter Elze,
von dem das beste Werk über
die 1914 geschlagene Schlacht
von Tannenberg gegen die russische Übermacht stammt und
der im Berlin der 1930er Jahre
eine Schar junger Kriegshistoriker heranzog, unter denen der
Danziger Werner Hahlweg, der
Clausewitz-Exeget, der berühmteste gewesen ist. (ob)
FOTO: JF-MONTAGE
Frisch gepreßt
Der „große Schweiger“ Helmuth von Moltke, Helmuth James von Moltke im Kreise der Famile 1931 und vor Freislers Volksgerichtshof 1944,
Gut Kreisau und Ehefrau Freya von Moltke und Helmuth von Moltke „der Jüngere“ 1914, (von links): Spiegel der deutschen Tragödie
Glanz, Versagen und Opferbereitschaft
Jochen Thies porträtiert die wichtigsten Köpfe der Familie Moltke zwischen den schicksalhaften Orten Königgrätz und Kreisau
HERBERT AMMON
N
un also die Moltkes. Jochen
Thies, Verfasser eines Buches
über die Dohnanyis, eröffnet
seine „deutsche Familiengeschichte“ mit
Stimmungsbildern der Orte, an denen
der geschichtsträchtige Name Moltke in
Erscheinung tritt: am Großen Stern mit
dem Standbild des Sedan-Siegers in Berlin, etwas weiter, an der Moltkebrücke,
wo noch nach Hitlers Selbstmord blutige Endkämpfe stattfanden, in Toitenwinkel bei Rostock, Stammsitz der im
mecklenburgischen Uradel verwurzelten
Familie, in Parchim, Geburtsort des
Generalfeldmarschalls, schließlich in
Kreisau. Einige Fußminuten oberhalb
des renovierten Schlosses liegt das Berghaus, wo die drei Besprechungen des
„Kreisauer Kreises“ über den deutschen
Reichsaufbau nach Hitler stattfanden.
„Der Blick aus dem Fenster in die schlesische Landschaft war beeindruckend
und auch ein wenig imperial.“
Das moderate Bild ist auch ein wenig kennzeichnend für das ganze Buch.
Thies spannt den Bogen vom Sedan-Sieger Helmuth Karl Bernhard von Moltke (der „ältere Moltke“; 1800–1891),
über dessen in der Marne-Schlacht im
September 1914 gescheiterten Neffen
(der „jüngere Moltke“; 1848–1916) und
über den „Kreisauer“ Helmuth James
(1907–1945) bis zu den in Wirtschaft
und Diplomatie tätigen Moltkes der Gegenwart. Eingefügt sind Porträts von
Helmuth James‘ südafrikanischer Mutter Dorothy, Tochter des hochrangigen
Juristen Sir James Rose Innes (1855–
1942), sowie von seiner Witwe Freya
von Moltke (1911–2010).
In Bachelor-Zeiten, da historisches
Grundwissen über den „großen Schweiger“ nicht zum Bildungskanon gehört,
bietet das erste Kapitel über den preußischen Generalfeldmarschall viel Wissenswertes. Eher durch Zufall, bei einer
Reise nach Konstantinopel, gelangte der
junge Moltke, ausgestattet mit Disziplin, Bildung und zeichnerischer Begabung, zur Rolle als Militärberater des
Sultans. Doch wie kam ein Mann mit
vornationaler Prägung, in dänischen
Diensten zum Offizier ausgebildet, zu
deutlich bekundetem Nationalgefühl?
Der erstmals im Revolutionsjahr 1848
von dänischer Seite national zugespitzte
Streit um Schleswig-Holstein kommt
hier zu kurz. Deutlich werden dagegen Moltkes Konflikte mit Bismarck,
so vor der Annexion Elsaß-Lothringens
nach 1870.
In dem Porträt des „jüngeren Moltke“ wird die Figur eines kränklichen,
entscheidungsschwachen Mannes, der
sich selbst für das Amt an der Spitze des
Generalstabs für überfordert hielt, plausibel. Was fehlt, ist die Rolle Moltkes in
der Julikrise, das verhängnisvolle, sich
zur Eskalation ausweitende Zusammenspiel mit dem k.u.k. Generalsstabschef
Franz Conrad von Hötzendorff. Das
Manko wird nicht aufgewogen durch
die Schilderung des Zusammenstoßes
Moltkes mit Kaiser Wilhelm II. auf dem
Koblenzer Bahnhof, der am 3. August
1914 den bevorstehenden Angriff plötzlich anhalten wollte.
In dem Kapitel zu Helmuth James
konnte der Autor auf die Biographien
von Günter Brakelmann und Jochen
Köhler zurückgreifen. Im Kapitel über
Freya ist zu erfahren, das Helmuth James „einmal aus Protest seine Stimme
der KPD geben wollte“, worauf ihm sein
stets loyaler Gutsinspektor, ein NSDAPMitglied, riet, die Stimme dann der Auffälligkeit halber doch lieber in Berlin
abzugeben. Daß es sich um die Reichspräsidentenwahl im Entscheidungsjahr
1932 handelt, erfährt der Leser indes
nicht. Präzis geschildert werden Moltkes bis zum Schluß gehegte Hoffnungen sowie Freyas klug gezielte Vorstöße
zur Rettung ihres Gatten bei GestapoChef Heinrich Müller, dem Stellvertreter Himmlers. Anschaulich wird auch
das Kriegsfinale sowie der von Amerikanern, unter ihnen der aus Schlesien
stammende Geheimdienstoffizier Gero von Schulze-Gaevernitz, und Briten
dringend nahegelegte Abschied von
Kreisau im Herbst 1945.
Dem Lektorat sind Fehler in mehr als
tolerablem Maße entgangen. Unter Presbyterianern, Konfession der schottischen
Einwandererfamilie Rose Innes, gibt es
keine „Priester“. Der von Helmuth James geschätzte kroatische Bauernführer
Stjepan Radić war alles andere als ein
„Kommunist“. Historisch abwegig ist
ein Passus, der die von den „Kreisauern“
angestrebte Neuordnung, begründet in
christlich-personalistischen Ideen, in Beziehung zu Titos Selbstverwaltungssozialismus „nach 1945“ rückt.
Gespür für Widersprüche ist Thies’
Sache nicht. Das in Abgrenzung zu Weimar konzipierte konservative Staatsmodell wird an anderer Stelle für „autori-
tär“ erklärt. Nichts erfahren wir über
das Entsetzen von Dorothys Vater Rose
Innes über die Friedensbedingungen von
Versailles, wenig über die bitteren, blutigen Konflikte um Oberschlesien. Ein
Freikorps unter von der Goltz habe sich
auf Kreisau „eingenistet“. In Moltkes
Lebensbericht an seine Söhne aus dem
Gefängnis liest es sich anders. Man war
1921 offenbar alles andere denn widerwilliger Gastgeber.
Orientiert an Andreas Hillgruber, hält
Thies Hitlers Weltherrschaftspläne allerorts schon vor 1933 für erkennbar. Daß
sich Dorothy nach Lektüre von „Mein
Kampf“ keine Illusionen machte, hinderte sie nicht, im Herbst 1933 Hitler
als gemäßigt wahrzunehmen. Warum
erwärmten sich zwei Moltke-Brüder für
Jochen Thies:
Die Moltkes. Von
Königgrätz nach
Kreisau. Eine deutsche Familiengeschichte. Piper
Verlag, München
2010, gebunden,
379 Seiten, 22,95
Euro
Partei bzw. SA? Unerwähnt bleiben zwei
von Brakelmann genannte Briefstellen.
Im September 1939 schrieb Moltke an
Freya, er wisse aus verläßlicher Quelle,
„wir seien in den Krieg hineingeschliddert.“ Die Quelle war vermutlich sein
bis zum 9. August 1939 in Warschau als
Botschafter tätiger Onkel Hans-Adolf
von Moltke, was dem Leser verschlossen
bleibt. Die von schwankenden Stimmungen gekennzeichneten Beziehungen
zwischen Neffe und Onkel werden hin-
gegen dargestellt. Ebenso fehlt Moltkes
seltsam naiv anmutendes Plazet vor dem
22. Juni 1941 in einer Briefstelle, wo er
– ganz anders als Beck und Dohnanyi
– im Angriff auf die Sowjetunion „eine
Chance“ sehen wollte.
In den Personen des älteren Moltke
und Helmuth James „spiegeln sich deutsche Tragödien wider“. Am Sedan-Sieger zielt der Begriff vorbei. Eher findet
er im jüngeren Moltke, dem Taufpaten
von Helmuth James, den klassischen
Protagonisten. Ausgerechnet er, Rudolf
Steiner in anthroposophischer Geistesfreundschaft eng verbunden, schlug
beim halb erzwungenen Abgang Ludendorff als Nachfolger vor. Ihren Höhepunkt findet die Tragödie in den Versuchen der „verlassenen Verschwörer“,
die Westmächte für ihre Rettungspläne
des Reiches zu gewinnen. Bei seinen zwei
Reisen nach Istanbul wartete Helmuth
James vergeblich auf ein Treffen mit dem
ihm bekannten US-Botschafter Alexander Kirk. Es kam nur ein Emissär des
US-Geheimdienstes, der ihm angeblich
die Zustimmung zum bedingungslosen
Kapitulation abnötigte. Davon erfahren
wir hier leider nichts.
Dem in Rauschen/Ostpreußen 1944
geborenen Autor, langjähriger Journalist
beim Deutschland-Radio Kultur fehlt es
an Mut, seine Familiengeschichte zur
Dramatisierung der deutschen Tragödie in aller bitteren Schärfe auszureizen.
Seine Mahnung, der Name Moltke sei
in einem „selbstbewußter gewordenen
Deutschland“ nicht allein auf die Erinnerung an „Kreisau“ zu beschränken,
dürfte in Christian Wulffs „bunter Republik“ verhallen.
Nachdenken über einen Vordenker
André Schlüter hat sich dem biographisch lange vernachlässigten Staatstheoretiker und Konservativen Revolutionär Arthur Moeller van den Bruck genähert
KARLHEINZ WEISSMANN
D
er Name Moeller van den Brucks
ist fast vergessen. Er findet sich nur
noch in Fußnoten, wenn es um den Ursprung des Begriffs „Drittes Reich“ geht,
oder in der Fachliteratur zur „Konservativen Revolution“. Deren Umfang hat in
den vergangenen Jahrzehnten erstaunlich
zugenommen, und es erscheinen weiter
Quellenpublikationen wie Darstellungen
zu allen möglichen Aspekten, darunter
auch eine Reihe von Aufsätzen und Büchern, die sich mit Person und Ideen
Moellers befassen. Allerdings fehlte bis
dato ein Ersatz für die Monographie von
Hans-Joachim Schwierskott (Arthur
Moeller van den Bruck und der revolutionäre Nationalismus in der Weimarer
Republik, Göttingen 1962), die in bezug auf die Biographie als maßgeblich
zu betrachten war.
Die Lücke versucht jetzt André
Schlüter mit seinem Buch „Moeller van
den Bruck. Leben und Werk“ zu schließen. Er stellt auf mehr als vierhundert
Seiten den Lebenslauf, vor allem aber
den geistigen Werdegang Moellers dar.
Man wird gegen das meiste, was Schlü-
ter schreibt, nichts einwenden müssen.
Er zeichnet den Weg vom Sohn aus
gutem Hause zum gescheiterten Gymnasiasten, Bohémien décadent, Nationalerzieher, Herausgeber der Schriften
Dostojewskis, Propagandafachmann
und der Leitfigur des jungkonservativen Lagers nach, referiert den Inhalt
der Hauptschriften – der frühen Arbeit „Das Varieté“, des mehrbändigen
Werks „Die Deutschen“, des „Preußischen Stils“, des „Rechts der jungen Völker“, des „Dritten Reichs“ – genauso wie
die Entwicklung der Leitgedanken, die
Moeller zum Teil in Aufsätzen an entlegener Stelle zuerst veröffentlicht hat.
Es gibt außerdem ein Schlußkapitel zur
Rezeption, das sich ganz sachlich mit
der wachsenden Bedeutung Moellers in
der Endphase der Weimarer Republik
(wobei die fatalen Eingriffe des Herausgebers seiner Schriften, Hans Schwarz,
deutlich hervorgehoben werden) und
dann mit den Stellungnahmen in der
NS-Zeit beschäftigt, die ursprünglich
ambivalent waren, bei grundsätzlich
positiver Tendenz, dann aber ins Negative umschlugen und den „letzten
Konservativen“ aus der Reihe der Vorläufer tilgten.
Vorbehalte muß man allerdings gegen
die Gewichtung Schlüters und manche
Bewertungen anmelden. Hierfür einige
Beispiele: So bleibt schon unverständlich, warum in bezug auf Moellers 1906
erschienenes Buch „Die Zeitgenossen“
der wichtigen Auseinandersetzung mit
der Figur des amerikanischen Präsidenten
Theodore Roosevelt (der in Deutschland
damals oft als Repräsentant eines stammAndré Schlüter:
Moeller van den
Bruck. Leben und
Werk. Böhlau Verlag, Köln 2010, gebunden, 449 Seiten, 54,90 Euro
verwandten „Amerikanertums“ galt) so
wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde.
Eine präzisere Fassung dieses Zusammenhangs hätte auch einiges Licht auf den
eigentümlichen Sozialdarwinismus Moellers werfen können. Grob verzeichnend
ist, wenn Schlüter behauptet, daß „Das
Recht der jungen Völker“ eine spezifische
„Version der ‘Dolchstoßlegende’“ präsentierte, nur weil Moeller auf die Bedeutung
der alliierten Propaganda abhob und der
einen maßgeblichen Anteil am Zusammenbruch der „Heimatfront“ zuwies.
Hier kommt – wie an anderen Stellen
– ein deutlicher Mangel an Vertrautheit
mit den historischen Rahmenbedingungen zum Tragen, der sich auch bei der
Behandlung von Moellers Wirken in der
Nachkriegszeit niederschlägt, weil Schlüter die Mühe scheut, die Entwicklung
seiner Position vor dem Hintergrund der
politischen, militärischen und sozialen
Ereignisse im einzelnen nachzuzeichnen
und zu deuten. Eine genauere Kenntnis der Literatur hätte an diesem Punkt
hilfreich gewirkt. Ähnliches wird man
in bezug auf die Darstellung von Moellers Faschismus-Rezeption sagen müssen. Zutreffend hebt Schlüter Moellers
prinzipielle, keineswegs nur taktische,
Kritik hervor, aber die zeitgenössische
Debatte über die italienische Bewegung
ist ihm nicht vertraut, so daß ihm auch
die relative Normalität der Anschauungen Moellers entgeht.
Statt einer adäquaten Einordnung
in den Zusammenhang bietet Schlüter
schließlich eine merkwürdige Spekulation: „Obgleich sich also eine vermutlich
unüberbrückbare Distanz sowohl zum
Italofaschismus als auch zum Nationalsozialismus ausmachen läßt, bleibt letztlich der Befund, daß Moeller die Nationalsozialisten als tatkräftigen Bündnispartner im Kampf gegen Weimar und
Versailles allemal akzeptiert hätte.“ Der
Leser weiß so wenig, was er davon halten soll, wie bei anderen Abschnitten
des Buches, die der Reflexion dienen,
aber keine eigenständigen Überlegungen
und Wertungen bieten, sondern nur Begriffe rekombinieren, die Schlüter von
allen möglichen Autoren bezogen hat,
die gerade Mode sind.
Es fällt dabei ein Mangel an Sorgfalt
im Gedanklichen auf, dem die Schlamperei im Satz des Buches korrespondiert:
Angefangen bei den Falschschreibungen
über die große Zahl von Druckfehlern
bis zur abhanden gekommenen Schlußseite des Literaturverzeichnisses gibt es
vieles, das mehr oder weniger ärgerlich
ist, wenn auch nicht so ärgerlich wie
die Unzulänglichkeiten des Inhalts.
Insofern wird man zwar dankbar zur
Kenntnis nehmen, daß es wieder eine
umfassende Arbeit zu Moeller van den
Bruck gibt.Man kann dieses Buch aber
leider bloß mit erheblichen Einschränkungen empfehlen.
L I T E R A T U R | 27
JUNGE FREIHEIT
Nr. 41/10 | 8. Oktober 2010
Deutsche Daseinsverfehlung
Frisch gepreßt
Fritz J. Raddatz’ Tagebücher: Die Elite der Republik als „Riesenaufgebot kaputter Typen“
MICHAEL WEBER
Fritz J. Raddatz:
Tagebücher. Jahre
1982 – 2001.
Rowohlt Verlag,
Reinbek 2010,
gebunden, 939
Seiten, 34,95 Euro
FOTO: PICTURE-ALLIANCE/DPA
I
m Juli 1991 empfing die Zeit-Redaktion Joschka Fischer zur Blattkritik.
Fritz J. Raddatz, als Feuilletonchef
1985 gefeuert, als „freier“ fester Mitarbeiter jedoch weiterhin dabei, war von
der „höchst oberflächlichen“ Art des Politikers wenig angetan. Denn mehr als
die flapsige Bemerkung, „Kultur ist nicht
mein Ding“, sei Fischer zum Feuilleton
nicht eingefallen. FJR wollte den grünen
Granden damit nicht durchkommen
lassen. Es sei doch lamentabel, wie er
mit der linken Hand jenen Teil der Zeitung wegwische, der „Tradition, Denken, Theorie, Inhalte“ offeriere. Darauf
gestand Fischer pampig, noch nie in der
Oper gewesen zu sein, nie ein Theater
oder Konzert besucht zu haben. Als Raddatz konsterniert nachhakte, ob es ihn
nicht geniere, auf so kärglicher Basis „die
Gesellschaft umbauen zu wollen“, erhielt er den ungnädigen Bescheid: Nein,
es geniere ihn keineswegs. Mit „Feist,
aber leer“ quittierte FJR diesen denkwürdigen Auftritt in seinem Tagebuch.
„Feist, aber leer“ – das klebt als Stigma
am gesamten Führungspersonal der Republik, wie auf Raddatz’ Tagebuch-Bühne chargiert.
Die Eintragungen, die der Diarist für
die Jahre 1982 bis 2001, vom Beginn
der Kanzlerschaft Helmut Kohls bis
zum 11. September 2001 samt seiner
Kriegsfolgen, jetzt der Publikumsneugier preisgibt, präsentieren die Elite der
späten Bonner und der frühen Berliner
Republik, Politiker, Literaten, Journalisten, Künstler, als Gurkentruppe, als
„Riesenaufgebot kaputter Typen“. Adorno dürfte nach solcher Bestandsaufnahme als widerlegt gelten: es ist offenbar
doch ein falsches im richtigen Leben
möglich.
Und zwar vor allem jenen Intellektuellen, die in Raddatz’ comédie humaine
die Hauptrollen spielen und in deren
Kreisen sich der Autor als „Großkritiker“
seit Jahrzehnten wie ein Fisch im Wasser
bewegt. Von Verlogenheit ist dabei viel
die Rede, noch mehr von autistischer
Egozentrik. Am kräftigsten verkörpert
von den Hamburger Meinungsmachern.
Siegfried Lenz, Günter Grass mit Fritz J. Raddatz 1980 in München: Verlogenheit und Egozentrik
Der „Pressetycoon“ Rudolf Spiegel-Augstein geistert durch die Notate als wirrer
Alberich, ein ewig betrunkener „größenwahnsinniger Zwerg“. In der Zeit regieren der „Koofmich“ Gerd Bucerius, ein
„gerissener Vorstadtadvokat“, zusammen
mit einer urteilslosen Gräfin Dönhoff,
der „Inge Meysel des Journalismus“, einer „dummen Herrenreiterin“, die sich
schamlos in den „20. Juli“ hineinlüge,
sowie der „bramsig-eitle Kleinbürger“
Helmut Schmidt, der mit „grauslichem
Oberlehrergequatsche“ nerve. Der abgehalfterte Stern-Chef Henri Nannen,
„kunstunsinnig“, auch als Pensionist
„ohne Kontakt zur Außenwelt“, ganz
wie wie Raddatz’ andere Bonner Kontakte. Oder „der Mystiker“ Axel Springer,
der per Hubschrauber zum Meditieren
in die Berge flog. Allesamt „nette Typen,
die uns die Welt erklären, wenn nicht
gar verbessern wollen“.
Über „meine Freunde, die Literaten“,
urteilte Raddatz nicht milder. Daß die
rezensierende Konkurrenz, der krakeelende Marcel Reich-Ranicki („beißwütiger Literaturstalinist“), der pathologische
Egomane Hans Mayer, der opportunistische Schwafler Walter Jens, im trübsten Licht erscheint, verwundert nicht.
Wenn aber Ur-Freund Günter Grass,
ungeachtet vieler Sympathiebekundun-
gen, wie eine Symbolfigur bundesdeutscher Daseinsverfehlung wirkt, ist dies als
analytischer Kraftakt eines Kritikers, in
dessen geistigem Haushalt es an linken
Lebenslügen ebensowenig fehlt, wahrlich bemerkenswert. Grass mit seiner
1990 feilgebotenen These, der „deutsche Einheitsstaat“ habe den „Ort des
Schreckens Auschwitz“ ermöglicht, also schließe Auschwitz die Vereinigung
von BRD und DDR aus, stehe für die
Unfähigkeit der hierzulande alle Fäden
ziehenden Linken, „wirklich radikal zu
denken“.
Eingepuppt und wohlversorgt pflegten sie ein Weltbild aus schuldkultischer
Vergangenheitsbewältigung, Volksverachtung (à la „Silber-Zunge“ Richard
von Weizsäcker, 1987: „Verblüffend,
wie der Begriff ‘Nation’ – auch von
ihm – geradezu geleugnet wird“) und
Multikulturalismus, das als Kompaß
für dieses Gemeinwesen spätestens seit
dem Mauerfall nicht mehr taugt. Mit
„roten Poesiealbumsprüchen“ und „Legosätzen“ schotte man sich gegen die
Zumutungen derer ab, die „kein Recht
haben, recht zu haben“ (Adorno). Dabei
könnten diese monologisch-narzißtischen Realitätsverweigerer eines Tages
in Christa Wolfs Lage geraten, die 1990
fassungslos auf das „Jahrzehnte-Deba-
Der Wert wird uns bestimmt werden
Eberhard Straub warnt vor einer zivilgesellschaftlichen Wertediktatur
ERIK LEHNERT
I
m Jahr 1959 hielt Carl Schmitt einen Vortrag über „Die Tyrannei der
Werte“, der zunächst nur als Privatdruck Verbreitung fand, später aber
noch mehrfach nachgedruckt wurde.
Der Historiker und Essayist Eberhard
Straub wandelt auf diesen Pfaden, hat
aber schon im Titel seinen Anspruch
Schmitt gegenüber relativiert. Während
Schmitt einen Zustand beschreibt, umkreist Straub ein Phänomen, ohne es
endgültig packen zu können. Dafür
benötigt er wesentlich mehr Platz als
Schmitt, der damals auf etwas mehr als
ein Dutzend Seiten kam. Die Länge geht
bei Straub auf Kosten der Präzision.
Schmitt wird bei Straub nur zweimal explizit genannt, obwohl er dessen Kerngedanken, daß Werte immer
jemanden brauchen, der sie zur Geltung
bringt, mehrfach variiert. Die Formel
von der „Tyrannei der Werte“ stammt
allerdings nicht von Schmitt, sondern
von dem Philosophen Nicolai Hartmann, der sie erstmals 1926 in seiner
„Ethik“ gebraucht, um darauf hinzuweisen, daß der Wert die tyrannische
Eigenschaft hat, andere Werte zu entwerten. Da diese Einsicht völlig in Vergessenheit geraten zu sein scheint, muß
man Straub dankbar sein, daß er dieses
Argument in neuer Form präsentiert.
Auch heute sind Kritiker der gegenwärtigen Zustände schnell mit einem
Loblied auf die Werte, die es wieder zu
beachten gelte, bei der Hand. Sie übersehen dabei, daß in Deutschland gegenwärtig sehr wohl Werte gelten, nur eben
andere als sich das die Kritiker jeweils
wünschen. Es spricht wenig dafür, daß
der Appell an Werte diese wieder zum
Leben erweckt, wenn die anderen Werte
so ungleich stärker durchgesetzt werden.
Werte, die nicht durchgesetzt werden,
sind wertlos. Was im ersten Moment
paradox klingt, erschließt sich durch
Straubs Blick auf die Geistesgeschichte
der letzten 150 Jahre.
Straubs Buch macht deutlich, wie
es zu den Mißverständnissen und der
Hochschätzung der Werte kam. Den
Ausgangspunkt sieht er im Historismus
des 19. Jahrhundert, der alles Seiende
relativierte. Verschiedene Standpunkte
waren möglich und durch Interpretation sollte dem jeweils eigenen Geltung
verschaff t werden. Auf der anderen
Seite stand die erwachende Sehnsucht
nach dem Echten bzw. nach einem Halt
außerhalb der greifbaren Gegenwart.
Konkret macht Straub das an der Person Nietzsches fest, den er, wenig überzeugend, in einer Doppelrolle zwischen
Umwerter und Romantiker sieht.
Eberhard Straub:
Zur Tyrannei der
Werte. Klett-Cotta,
Stuttgart 2010,
gebunden, 171
Seiten, 17,95 Euro
Es gab jedoch, so Straub, keine Alternative zu den Werten: „Als Zeitgenossen
des zur Reife gekommenen Kapitalismus
konnten sie sich nur in Werte flüchten,
um damit, wie Karl Marx spottete, die
ganz praktischen Verwertungsmechanismen und Mehrwertanhäufungen mit
einer Ideologie der Werte hinter einer
feierlich verzierten Fassade zu verbergen.“ Das überhöht Straub zu einem
Gegensatz zwischen Bürger und Ritter.
Der mehrwertorientierte Bürger bleibe
auf seine Subjektivität beschränkt und
brauche daher einen Wert, auf den er
sein Leben beziehen kann: Staat, Nation, Volksgemeinschaft. Das Ganze sei
ihm nicht mehr selbstverständlich, weil
der Bezug zur Transzendenz fehle.
Straub rekonstruiert weiter die Entstehung der Hochschätzung für die Werte anhand der Wertphilosophie, wie sie
insbesondere von Heinrich Rickert und
Wilhelm Windelband vertreten wurde.
Bis zum Ersten Weltkrieg konnte diese
Philosophie gleichsam heimliche Ideologie des Kaiserreichs sein: Was wertvoll ist, setzt sich durch. Das sah nach
der Niederlage anders aus, die nach dieser Lesart die deutschen Werte negiert
hatte. Dennoch war der Siegeszug der
Werte nicht aufzuhalten.
Im Gegenteil: Er hält bis heute an
und feierte, so Straub, mit der Gründung der Bundesrepublik, dem Fürsorgestaat und dem zivilreligiösen Verfassungspatriotismus einen ungeahnten
Triumph, der die eigentlichen Abhängigkeitsverhältnisse auf den Kopf stellte:
„Nicht ein Menschenbild des Grundgesetzes und ihr gemäße Verfassungslyrik
erlauben ein Leben in Freiheit, vielmehr
kann sich die vorstaatliche, dem Menschen eigene Würde und Freiheit nur
im Staat und unter dem Schutze des
Rechtes entfalten.“
Daher blickt Straub in eine düstere
Zukunft. Wenn die Rechtsordnung des
Staates durch eine Werteordnung ersetzt
wird, heißt das nichts anderes, als daß
eben alles relativierbar wird. Je nachdem, welche Werte geschätzt werden,
danach wird Recht gesprochen. Ohne
daß er Beispiele aus der Gegenwart bemüht, dürfte klar sein, worauf sich das
bezieht: die zunehmende Einflußnahme
der Zivilgesellschaft, die ihre Werte auch
in der Rechtsprechung verwirklicht sehen möchte.
kel“ ihrer Schriftstellerexistenz in der
DDR zurückgeblickt habe.
Wie keine andere öffentliche Diskussion seit dem Streit um den „Asylkompromiß“ (1991/92), illustriert soeben
der „Fall Sarrazin“, was Raddatz stets im
Auge hat, wenn er die Parallelwelt der
Redaktionen, Verlagsbüros und Parteizentralen beschreibt: die unermeßliche
„Abgehobenheit“ unserer politisch-medialen Nomenklatura. Diese Tagebücher
entlassen den Leser daher wie selbstverständlich mit dem Gefühl, daß bald ein
gründlicher Neuanfang fällig werde.
Wenn dem bald 80jährigen Autor
auf 900 Seiten trotzdem nicht, wie auf
dem Schutzumschlag FAZ-Herausgeber
Frank Schirrmacher jubelt, „der große
Gesellschaftsroman der Bundesrepublik“
gelang, dann ist das systembedingten
Scheuklappen geschuldet. Geschichtsblind überzeugter Anhänger der „ewigen
These der Kollektivschuld“, unbeirrbar
im Ressentiment gegen „dieses Volk“
(„Es ändert sich NIE.“), das „sechs Millionen Juden ermordete“, nähert sich
Raddatz dem „genetischen“ Determinismus eines Daniel J. Goldhagen und
kolportiert naiv-gläubig jeden Unfug
über „rechte Gewalt“.
Für weite philosophisch-religiöse
(Heidegger – „nie gelesen“), für historisch-politische Gefilde fehlt ihm das
Sensorium, ist der Horizont zu eng.
Als Tucholsky-Editor, Benn- und Rilke-Biograph ist ihm das 20. Jahrhundert
Heimat. Schon im 19. beginnt er zu
fremdeln, obwohl er sich einst an Marx
und Heine versucht hat. Daß gerade ein
Anachronismus, die Einordnung Goethes als Zeitgenosse der Eisenbahn, FJR
den Chefsessel in der Zeit kostete, war
eben kein Zufall.
Von arg provinzieller Weltsicht zeugt
zudem der Unwille, aus dem schiefen
Dreieck Hamburg-Kampen-Paris auszubrechen. Der Journalistenalltag in neppigen Restaurants oder auf öden Vernissagen liefert halt nicht den Stoff, an
dem Raddatz zum deutschen Balzac hätte reifen können. Gar nicht zu reden von
der Maulwurfsperspektive miefiger Homosexualität, ermüdender Reminiszenzen an die schöne Zeit mit dem suizidal
geendeten Eckfried (oder war’s Bernd?),
unsägliches Gepussel zur Zweisamkeit
mit Gerd, oder eher unappetitliche „Privat-Ferkeleien“ aus Altherrensaunen und
Pornokinos der Schwulenszene.
Bei morgendlicher Gymnastik auf
der Cashmere-Decke, eingehüllt vom
Harvestehude-Chic, den 12-ZylinderJaguar in der beheizten Garage wissend,
übermannen Raddatz Selbstzweifel: bei
dieser „Ruhe im Einweckglas“ produziere er nur „Unbeträchtliches“. Dem mag
man nicht widersprechen. Ausgenommen davon sind allerdings jene Passagen
seiner Tagebücher, die über das „Unbeträchtliche“ als Markenzeichen bundesdeutscher Kultur aufklären.
Dieter
Hildebrandt, Felix
Kuballa (Hrsg.):
Mein Kriegsende.
Erinnerungen
an die Stunde
Null. Propyläen
Verlag, Berlin 2010,
gebunden, 223
Seiten, 19,95 Euro
Kriegsende. Der WDR hat
2005 eine Fernsehreihe anläßlich des 60. Jahrestages des 8. Mai
1945 produziert, in der Prominente der „Flakhelfer-Generation“ ihr
ganz persönliches Kriegsende in
Interviews schildern. Fünf Jahre
später finden sich nun diese Erinnerungen an die Stunde Null
zwischen zwei Buchdeckel wieder, herausgegeben vom altlinken Kabarettisten Dieter Hildebrandt und dem WDR-Journalisten Felix Kuballa. Skurril wirkt
das spätestens an der Stelle, wenn
Hildebrandt seine Beiträger als
„wir altgewordenen Kriegskinder“
vorstellt und dabei unterschlägt,
daß viele wie Joachim Fest, Carola Stern oder Max von der Grün
seit Jahren unter der Erde liegen.
Auch wenn viele Darstellungen
der Ausgebombten (Uta Ranke-Heinemann), NS-Verfolgten
(Ralph Giordano), HJ-Jungen des
letzten Aufgebots (Peter Rühmkorf) oder gar Augenzeugen des
Dresdner Infernos – inklusive erlebter Tieffliegerangriffe – wie die
Schauspielerin Giselle Vesco, recht
aufschlußreich sind, leidet die Authenzität nicht selten darunter,
daß die wiedergegebene Nachkriegsperspektive inklusive moralischer Wertungen allzu offenkundig wird. Wenn die in Danzig 1945 brutal von einer Schar
Rotarmisten vergewaltigte spätere
Drehbuchautorin Eva Ebner (nun
auch schon vier Jahre tot) gar ihren Peinigern großmütiges Verständnis zollt, weil schließlich in
deren Heimat „die Deutschen sich
auch nicht wie Engel benommen
haben“, mutet die Rückschau geradezu bizarr und kitschig an. (bä)
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28 | L I T E R A T U R
JUNGE FREIHEIT
Nr. 41/10 | 8. Oktober 2010
Alles riskant, alles bedenklich!
Frisch gepreßt
Rudolf Lambrecht,
Michael Müller:
Die Elefantenmacher. Eichborn
Verlag, Frankfurt
am Main 2010, gebunden, 368 Seiten,
19,95 Euro
Der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück ätzt auf frische Art gegen seinesgleichen
BERND-THOMAS RAMB
Elefantenmacher. Das Thema
spricht der Untertitel an: „Wie
Spitzenpolitiker in Stellung gebracht und Entscheidungen gekauft werden.“ Wer hat sich nicht
schon oft gefragt, wie „große“ Politik gemacht wird, wie hinter der
politischen Fassade gemauschelt
wird, und wie es überhaupt um die
Rechtstreue und Unabhängigkeit
unserer Politiker bestellt ist? Licht
ins Dunkel verdeckter politischer
Machtgefüge wollen die investigativen Journalisten Rudolf Lambrecht und Michael Müller bringen. Sie schaffen es aber entgegen
des neutralen Titels nur zum Teil:
Denn beleuchtet werden allein die
Schreibers, Flicks, Kohls und Möllemänner; Spitzenpolitiker anderer Fraktionen bleiben unbeleckt.
Anscheinend gab und gibt es nur
in CDU/CSU/FDP machtvolle
Politiker (Elefanten), die von den
Elefantenmachern installiert und
nach Bedarf für ihre Zwecke in Bewegung gesetzt werden: „Tricksen,
tarnen, täuschen“ gehört aber überall zum politischen Handwerk, und
so bleiben viele Fragen offen. (ctw)
Peter Struck:
So läuft das. Politik mit Ecken und
Kanten. Propyläen
Verlag, Berlin 2010.
311 Seiten, gebunden, 19,95 Euro
FOTO: WIKIMEDIA
U
m in Peer Steinbrückscher Manier zu beginnen: Die guten
Nachrichten zuerst. Das Buch
„Unterm Strich“ ist unterhaltsam geschrieben. Der schnoddrige, lockerflockige Ton, den Steinbrück in seinem
– um es ebenso scherzhaft zu interpretieren – „Enthüllungsbuch“ anschlägt,
wird konsequent durchgehalten, von
der Tiefe („Mein Lieblingssatz politisch
nichtssagenden Inhalts lautet: Eine gute
Grundlage ist die beste Voraussetzung für
eine solide Basis“) bis zur Höhe („Dabei
stelle ich nach eigenen Erfahrungen mit
exzellenten Insolvenzverwaltern nicht in
Frage, daß auch nach mancher ‘geordneter’ Pleite ein Phönix aus der Asche
steigen kann“).
Hinter der Flapsigkeit verbirgt Steinbrück jedoch auch eine empfindsame Seele. Seine Probleme mit dem aufschießenden Politstar zu Guttenberg oder seine
Ängste, eigene Verdienste im Schatten der
Bundeskanzlerin verschwinden zu sehen,
werden vorsichtig, aber oft angedeutet. So
verliert die vorgeblich entkrampfe Schreibe nicht nur nach einer Weile ihren Reiz,
sie schlägt auch zunehmend in den Eindruck einer gewissen Wehleidigkeit des
Autors um. Die Dünnhäutigkeit Steinbrücks erweist sich zumal in den Klagen
über seine eigenen Parteigenossen. Sein
Lamento über linientreue Parteikarrieristen, die „Parteiweisheiten bis zur Leugnung des gesunden Menschenverstands
aufsagen und abweichende Meinungen
mit einem Bannstrahl bestrafen“, offenbart eine Verbitterung über die in wirk-
Steinbrück, böse und drahtig: Auch kein zukünftiger Retter
lichkeitsfremden Parallel-Welten lebenden SPD-Genossen, die „von neuen Erkenntnissen und Erfahrungen nicht die
Bohne angekränkelt“ sind.
Der zunehmende Attraktivitätsverlust durch sattsam eingesetzte Wortwitze wird durch die steigende Redundanz
der inhaltlichen Ausführungen verstärkt.
Im Grunde hat Steinbrück seinen Strich
schon nach den ersten 168 Seiten des fast
dreimal so umfangreichen Werkes gezogen. In dem bis dahin letzten Abschnitt
„Der unbekümmerte Michel: Deutsch-
land“ resümiert Steinbrück exemplarisch:
„Unterm Strich bleibt, daß der deutsche
Landesbankensektor erheblichen Risiken
unterliegt.“ Statt des Landesbankensektors könnte jeder andere Bereich eingesetzt werden, den Steinbrück bis dahin
behandelt hat, von den Kommunen über
Europa bis zur Weltordnung, vom Geldmarkt über die Güterproduktion bis zum
Arbeitsmarkt und den Transferzahlungen. Steinbrück läßt fast nichts aus und
kommt stets zum Ergebnis: Alles riskant,
alles bedenklich!
Der Abschnitt „Im Kessel der Finanzmarktkrise“ ist zudem gerade das, was
Steinbrück eigentlich nicht abliefern
wollte, ein Erinnerungsbuch mit autobiographischen Zügen. Bezeichnend ist die
wichtigtuerische Dramatisierung seiner
Person anläßlich der umstrittenen Rettung der bankrotten Hypo-Real-EstateBank: „Hätte das Bundeskabinett meine
Kabinettsvorlage (...) nicht gebilligt oder
verschoben und der Deutsche Bundestag
den Gesetzentwurf nicht verabschiedet,
wäre ich als Bundesminister der Finanzen
zurückgetreten.“ Mit keinem Wort wird
jedoch der Hintergrund der HRE-Rettung erhellt, außer einem vagen Hinweis
auf die „Systemrelevanz“ dieser Bank. Dagegen wiederholt Steinbrück offen seine
Begründung, weshalb der Staat die privaten HRE-Aktionäre enteignen mußte:
„Die Abhängigkeit von einer Hauptversammlung und (...) von Minderheitsaktionären mit dem Potential erheblicher
Störmanöver mußte aus meiner Sicht
beendet werden.“
Nach Sarrazins skandalisierter Immigrantenschelte dürften Steinbrück einige
seiner darauf folgenden Einlassungen zu
den „Grenzen der Transfergesellschaft“
möglicherweise nachträglich peinlich
sein. Dabei formuliert er vorsichtig indirekt, wie um sich abzusichern: „Hinter
vorgehaltener Hand gilt es nicht als abwegig, daß die Addition von Kindergeld,
Elterngeld und eventuell Geschwistergeld
bei drei, vier und fünf Kindern (...) eine
stark motivierende Wirkung für die Zuwanderung nach Deutschland hat.“ Diese politischen Fettnäpfchen, in die man
mit solchen Hinweisen tritt, erweiterten
sich zu ganzen Schüsseln, so Steinbrück,
wenn man hinzufüge, „daß der wachsen-
de Geldsegen für Kinder in einkommensschwachen und bildungsfernen Schichten
nicht zu weniger und besser gebildetem
Nachwuchs führt, sondern noch mehr
bildungsferne Kinder hervorbringt“.
Steinbrück kaschiert in seinem gesamten Buch regelmäßig seine Angst
vor klaren Positionen. Überhaupt: Ambivalenz ist seine Grundposition, Pragmatismus seine Lehre. Seine „tiefe Skepsis gegenüber Visionen und Utopien“
paart sich mit seiner Kapitulation vor
der Komplexität der Wirklichkeit mit
ihren vielen Politik-Varianten. Er sieht
die Politik „zum Spagat gezwungen“:
„Das Sowohl-Als-auch wird die politische Kunst des 21. Jahrhunderts.“ Dabei verhehlt Steinbrück nie seine Verortung als knallharter Sozialdemokrat und
Marktskeptiker mit einem tiefen Glauben an die segensreichen Wirkungen von
Staatsinterventionen.
„Nur ein Idiot glaubt, daß er über
sich die Wahrheit schreiben kann“, zitiert Steinbrück den britischen Schriftsteller Eric Ambler. Steinbrück verkündet
durchaus eine Menge Wahrheiten, „unterm Strich“ aber fehlt die Weisheit des
Resümees. Dessen offensichtlich unfähig
diskreditiert sich Steinbrück mit seinem
Buch als potentieller politischer Retter in
kommenden Zeiten.
Peer Steinbrück:
Unterm Strich. Verlag Hoffmann und
Campe, Hamburg
2010, gebunden,
320 Seiten, 23 Euro
Nachworte in eigener Sache
Peter Struck. Mit dem brummigen Schnauzbartträger Struck,
sozialdemokratischer Ex-Fraktionsvorsitzender und Ex-Verteidigungsminister, hat der nächste
Politiker a.D. seine Tagesfreizeit
für die Buchproduktion verwendet und gibt seine Expertise zum
besten. Beispielsweise über die
Frage, wo Deutschland verteidigt
werden muß (Hindukusch) – und
wo nicht (Hindelang). „Genosse
Struck, warum tust Du Dir das
an?“ zitiert der Politpensionist die
bange Frage eines besorgten Sozialdemokraten zum Amtsantritt
als Chef auf der Hardthöhe. Die
Frage ist berechtigt, denn weder
die Erlebnisberichte noch die Analysen sind spannend. Allerdings
begibt sich der passionierte Kradlenker auf juristisch dünnes Eis,
wenn er im Kapitel über den von
ihm veranlaßten Rausschmiß des
Generals Reinhard Günzel wahrheitswidrig behauptet, der CDUBundestagsabgeordnete Martin
Hohmann habe „die Juden als
‘Tätervolk’“ bezeichnet. (vo)
Der letzte Innenminister der DDR, Peter Michael Diestel, publiziert seinen Blick auf das Jahr 1990 / Als Zeitzeugnis ist der Rückblick eher unbrauchbar
DETLEF KÜHN
W
er ist Peter-Michael Diestel? PeterMichael Diestel ist ein offenbar
erfolgreicher deutscher Rechtsanwalt
mit Wohnsitz und Kanzlei in Zislow. Er
liebt die mecklenburgische Landschaft,
die Jagd, gutes Essen und Trinken,
Strickjacken mit Hirschhornknöpfen,
Lederhosen und den Kraftsport. Er ist
meistens fröhlich gestimmt. Ernst wird
er – und das ist für einen Rechtsanwalt
nicht unwichtig –, wenn er Ungerechtigkeit wittert. Das kommt dann Personen
zugute, die man gemeinhin zu den Verlierern der Weltgeschichte zählt.
Diestel ist gelernter DDR-Bürger
mit durchaus bürgerlichem familiären
Hintergrund, was im SED-Staat keine
Empfehlung war. Dennoch verlief sein
Leben bis 1989 beschaulich, aber insgesamt doch erfolgreich: Facharbeiter
(Melker) mit Abitur, Jura-Studium, Tätigkeit als Justitiar in einer Agrar-Industrievereinigung. Hier fand er noch Zeit
für die Promotion mit einem berufsnahen Thema, was in der DDR für die
gesellschaftliche Reputation mindestens
so wichtig war wie im Westen. Keine
Parteizugehörigkeit, auch nicht in einer Blockpartei. Rechtsanwalt durfte er
– zu seinem späteren Glück – nicht werden, sonst wären ihm Kontakte mit dem
Staatssicherheitsdienst kaum erspart geblieben, worunter Mitstreiter wie Wolfgang Schnur und Lothar de Maizière,
aber auch Gregor Gysi, Manfred Stolpe
und Wolfgang Vogel bald leiden sollten. Stattdessen konnte sich Diestel auf
den Ausbau einer idyllischen Nische mit
schönem Haus in Leipzig für die Familie
mit drei Kindern konzentrieren.
Aufregend wurde es erst 1989. Diestel
beteiligte sich an den Montagsdemonstrationen und stieß frühzeitig zu der
Gruppe um den Leipziger Pfarrer HansWilhelm Ebeling. Deren Vorbild war
die CSU in Bayern. Nach dem Fall der
Mauer übernahm Ebeling den Vorsitz
der Christlich Sozialen Partei Deutschlands (CSPD) in Leipzig, die dann im
Januar in der DSU aufging. Auch hier
wurde Ebeling Vorsitzender und Diestel
Generalsekretär, mit massiver Unterstützung der CSU bei der Vorbereitung der
Volkskammerwahl am 18. März 1990.
Spätestens hier muß der zeitgeschichtlich interessierte Leser Eigenarten des
Buches beklagen, die es als Zeitzeugnis
disqualifizieren: Es fehlt jede Chronologie. Die Mitteilung von Fakten wird in
Reflexionen verpackt. Zusammenhänge
sind häufig unklar. Man weiß nicht, wer
eigentlich als Autor fungiert. „Aufgeschrieben“ hat die „Geschichten aus 174
Tagen, in denen Amateure und Profis
deutsche Geschichte machten“ Hannes
Hofmann; verantwortlich ist aber offenbar Diestel selbst, der als Interview-Partner ausführlich zu Wort kommt und am
Schluß „ein Nachwort in eigener Sache“
beisteuert. Der schwammige ReportageStil des Journalisten Hofmann, derzeit
Chefreporter der Superillu, setzt sich jedenfalls immer wieder durch.
Diese Kritik gilt auch für die kurze
Zeit, die Peter-Michael Diestel als Per-
Peter Michael
Diestel, Hannes
Hofmann: Diestel.
Aus dem Leben eines Taugenichts?
Verlag Das Neue
Berlin, Berlin 2010,
gebunden, 239
Seiten, Abbildungen, 16,95 Euro
son der Zeitgeschichte interessant macht:
174 Tage lang durfte er als letzter Innenminister der DDR fungieren. Es oblag
ihm, das MfS aufzulösen und die Voraussetzungen für eine sachgerechte Aufbewahrung und Nutzung der Hinterlassenschaft des Staatssicherheitsdienstes zu
schaffen. Wie er diese Aufgabe löste, ist
noch immer umstritten. Neues zu diesem Komplex kann man diesem Buch
kaum entnehmen. Der häufig gegenüber Diestel erhobene Vorwurf, er sei
zu blauäugig gegenüber den Offizieren
des MfS gewesen, die nun seine Mitarbeiter und Berater im Ministeirum des
Innern waren, wird jedoch bestätigt. Weil
er von den organisatorischen Fähigkeiten und dem Hintergrundwissen dieser
Leute abhängig war, wollte er auch an
deren unbedingte Loyalität ihm gegenüber glauben. Das war zumindest leichtsinnig, auch wenn man ihm zugestehen
mag, daß seine Abhängigkeit häufig unvermeidlich war.
Diestel gehört seit August 1990 der
CDU an. Als Landtagsabgeordneter in
Brandenburg hatte er kaum noch Einfluß. 1994 schied er aus der Politik aus.
Jetzt kann er sich dem geliebten Beruf
als Anwalt widmen, mit einem Schwerpunkt unter den ehemaligen Stützen des
SED-Regimes. Ihnen mag dieser Politiker der Wendezeit wie ein Geschenk
des Himmels erscheinen. In Wahrheit
ist er nur im System der Bundesrepublik
angekommen. Hatte er sich in der DDR
als Justitiar eine „kuschelige“ Nische ausgepolstert, so ist ihm dasselbe jetzt im
Rechtsstaat gelungen, in dem er die PRMöglichkeiten zu nutzen weiß. Davon
zeugt auch dieses Buch mit seinen gar
nicht so neuen „Geschichten“.
JF-Anzeigenmarkt
Neuerscheinung
Armin Geus
Allahs Schöpfung oder die
Evolution des Lebens.
Zur Abwehr des Islamischen Kreationismus
Basilisken-Presse
Marburg an der Lahn 2010
Gerhard Hess Verlag
Klartext!
Ulm/Bad Schussenried
seit 1946
Verlag für Zeitgeschichte, Biographien und Religion.
Besuchen Sie uns unter www.gerhard-hess-verlag.de
(Bei Manuskriptzusendungen vorherige telefonische Rücksprache
erbeten: 0 75 83 / 94 66 23)
Gerhard Hess Verlag, Rilkestraße 3, 88427 Bad Schussenried,
Tel.: 0 75 83 / 9 46 23, Fax: 0 75 83 / 94 66 24, E-Mail: [email protected]
Bibeltreue Christen, die am Wortlaut des Schöpfungsberichtes festhalten, Anhänger des
wissenschaftlich maskierten Intelligent Design in den USA und islamische Kreationisten kämpfen inzwischen mit vereinten Kräften weltweit gegen die Evolutionstheorie, die
Molekulargenetik und gegen Forschungen zur Entstehungsgeschichte des Universums. In
Ministerien und Parlamenten nehmen sie zunehmend Einfluß auf den naturwissenschaftlichen Unterricht und die Forschungsförderung. Harun Yahya, Wortführer der türkischen
Kreationisten, behauptet wider besseren Wissens, der islamische Terror werde gar nicht von
Muslimen, sondern von atheistischen Darwinisten ausgeübt.
34 S., 17 x 24 cm, Br. Preis 14,– €, ISBN 978-925347-99-3
Bestellungen direkt an den Verlag: Basilisken-Presse, Postfach 561, 35017 Marburg an der
Lahn oder über den JF-Buchdienst bzw. den regulären Buchhandel
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Resch-Verlag . Telefon 0 89 / 8 54 65-0
L I T E R A T U R | 29
JUNGE FREIHEIT
Nr. 41/10 | 8. Oktober 2010
Verarmt, verdummt und abserviert
Frisch gepreßt
Daniel Eckert: Weltkrieg der Währungen. Wie Euro, Gold
und Yuan um das Erbe des Dollar kämpfen – und was das für
unser Geld bedeutet.
Finanzbuch Verlag,
München 2010, 272
Seiten, 19,95 Euro
„Kein Schwarz. Kein Rot. Kein Gold.“ Der Publizist Udo Ulfkotte rechnet die gewaltigen Kosten der Migration vor
D
aß Einwanderung unser Land
bereichert und nicht etwa in
erster Linie gewiefte Einwanderer, glauben wohl nicht mal mehr jene, die vom Verbreiten solcher Märchen
leben. Wer sich trotzdem noch Illusionen macht, kann sich von Udo Ulfkottes
neuestem Buch kurieren lassen: „Kein
Schwarz. Kein Rot. Kein Gold“ ist eine
düstere Bestandsaufnahme vom Status
der deutschen Selbstabschaffung.
Ulfkottes Bilanz: Sowohl die chronische Überlastung der Sozialsysteme als
auch die immense Staatsverschuldung
sind zu einem großen Teil den Folgelasten der politisch gewollten, aber nicht
kontrollierten Einwanderung aus anderen
Kulturräumen im großen Stil geschuldet.
Um dem bestgehüteten Staatsgeheimnis
der Bundesrepublik Deutschland, dem
wahren Ausmaß der Einwanderungs- und
Integrationskosten nämlich, auf die Spur
zu kommen, hat der Autor umfangreiches Material zusammengetragen.
Bereits 2007, also noch vor der Wirtschafts- und Finanzkrise, habe Deutschland eine Billion Euro Sonderschulden
für unqualifizierte Migranten aufgehäuft,
die aus den Sozialsystemen mehr entnehmen, als sie einzahlen, zitiert Ulfkotte
eine Berechnung Gunnar Heinsohns aus
der FAZ. Das wären etwa sechzig Prozent
der offiziell deklarierten Staatsschuld.
Jedem einzelnen der 25 Millionen vollerwerbstätigen Nettozahler schuldeten
Migranten demnach 40.000 Euro, präzisiert der Autor; unterm Strich bringe
jeder arbeitende Steuerzahler schon jetzt
Jahr für Jahr mehr Geld für unproduktive Migranten auf als für die eigene Urlaubsreise.
Im Schnitt koste jeder nichtwestliche Einwanderer zwischen 25 und 35
die öffentliche Hand im Laufe seines
Lebens 40.000 bis 50.000 Euro, zitiert
Ulfkotte eine weitere Vergleichszahl aus
den Niederlanden, offenbar vergleichbare Sozialstaatsverhältnisse unterstellend.
Zehn Prozent der gesamten Staatseinnahmen, schätzt der Autor an anderer
Stelle, gingen ohne Gegenleistung direkt als Transferleistungen an Migranten. Nicht immer legt Ulfkotte den Gang
seiner Berechnungen vollständig offen,
und die von sämtlichen Profiteuren und
Verantwortlichen sorgfältig verschleierte
Antwort auf die Frage nach den vollständigen Kosten der Einwanderung kann er
natürlich auch nicht letztgültig geben.
Aber er vermittelt zumindest einen Eindruck von der Dimension.
Und die ist in der Tat alarmierend.
Mit einer Fülle von Beispielen und Fällen – lauter „Einzelfälle“ natürlich in der
herrschenden Diktion – dokumentiert
Ulfkotte die „systematische Wohlstandsvernichtung“ durch planlose Einwanderung außereuropäischer Unterschichten. Deren Skrupel seien um so geringer,
meint Islamkritiker Ulfkotte, als gerade
die Muslime unter ihnen erschwindelte
oder mit Drohungen erpreßte Sozialleistungen oder sogar die Gewinne aus
Drogenhandel, Diebstahl, Zwangsprostitution oder Schutzgelderpressung mitunter quasi als legitime Tributzahlungen
der Ungläubigen betrachteten.
Dreiste, erschütternde und skurrile
Ereignisse und Fallstudien hat Ulfkotte
zum Treiben der Abkassierer im sozialund integrationsindustriellen Komplex
zusammengetragen, deren behaglich
eingerichtete und großzügig ausgestattete Strukturen ein gravierender Teil des
Problems sind und nicht der Lösung. In
Udo Ulfkotte:
Kein Schwarz. Kein
Rot. Kein Gold. Armut für alle im „Lustigen Migrantenstadl“. Kopp Verlag
Rottenburg 2010,
gebunden, 372
Seiten, 19,95 Euro
weiteren Kapiteln widmet sich der Autor der Zerstörung von Lebensqualität
für die autochthone Bevölkerung durch
kulturferne Migranten, Ghettobildung
und Verdrängungsprozesse und der politisch korrekten Degradierung Einheimischer zu „Menschen zweiter Klasse“.
Zutreffend beschreibt Ulfkotte diese Entwicklungen als europäische Phänomene,
ebenso die „Verblödung durch Zuwanderung“, die er wie Sarrazin konstatiert,
sich dabei aber wiederum vor allem auf
aktuelle Medienzitate stützt.
Über 900 Belegstellen sind im Anmerkungsteil aufgeführt und erfreulicher-
FOTO: FLICKR; FACEMEPLS
KURT ZACH
Wartende Ausländerinnen an der Bushaltestelle: Bereichert wird nicht nur die Gesellschaft
weise auch als direkte Verweise auf der
Netzseite zum Buch (www.keinschwarzkeinrotkeingold.de) zugänglich gemacht.
Überwiegend stützt sich der Autor auf
Beiträge in den gängigen Print- und elektronischen Medien in Deutschland und
einigen europäischen Ländern. Hin und
wieder erscheint eine „exotische“ Fundstelle nicht leicht nachvollziehbar.
Das Gesamtbild, das sich aus den von
Ulfkotte zusammengetragenen Zitaten
und Fällen ergibt, kann freilich deprimieren. Der Autor selbst kann sich dem
nicht immer entziehen; der Sarkasmus,
der schon im Untertitel „Armut für alle im lustigen Migrantenstadl“ steckt,
bricht in seiner Sprache immer wieder
durch, wenn er die Empörung seiner
Leser durch direkte Ansprache und
ironisch-bissige Wortwahl aufrütteln
will. Sarrazinsche Kühle liegt dem mit
heißem Herzen schreibenden Ulfkotte
wohl weniger, auch wenn sie die Wirkung seiner Argumente noch verstärken könnte.
Was tun also? Wegweisend findet
Ulfkotte den Stimmungsumschwung
der letzten Jahre in den Niederlanden.
Ersichtlich wünscht sich Ulfkotte eine
einwanderungskritische Partei à la Wilders auch für Deutschland, die seine
eher polemisch angedeuteten Lösungsvorschläge – „Rückführungsbetreuer“
statt Sozialarbeiter, „Inzuchtsteuer“ gegen
gesundheitsschädliche Verwandtenehen,
Schadensersatzprozesse gegen Multikulturalisten wie Armin Laschet – aufgreifen
könnte. Unbeschadet dessen ist die von
ihm vorgelegte Bestandsaufnahme ein
unverzichtbarer Beitrag zu einem freieren
einwanderungspolitischen Diskurs.
Währungskrieg. Nicht viele Wirtschaftsjournalisten, die
Dollar und Euro entgegen regierungsamtlichen Verlautbarungen
oder der Hochglanzpropaganda
von Großbanken grundsätzlich
in Frage stellen, haben derartige
publizistische Möglichkeiten wie
der Welt-Redakteur Daniel Ekkert. In seiner aktuellen Analyse
beschreibt er den Aufstieg und die
ungewisse Zukunft des US-Dollar
als Leit- und Weltreservewährung.
Doch ungebremste öffentliche
und hohe private Verschuldung
kennzeichnen auch die Euro-Zone. Hinzu kommen interne Spannungen, was in der Euro-Krise
im Mai offenbar wurde. Auch
hinter dem prognostizierten baldigen Aufstieg des chinesischen
Yuan zur Weltwährung macht Ekkert einige Fragezeichen. Für die
Zukunft schließt er „eine Staatsinsolvenz, eine Inflation oder eine
Währungsreform als Endpunkt
der Schuldenkrise“ nicht aus. Um
nach dem finanziellen „Großreinemachen“ wieder Vertrauen für
ein neues Papiergeld zu gewinnen,
sei es denkbar, „daß die Notenbanken das neue Geld statt allein mit Gold mit einem Korb von
Rohstoffen decken“. (fis)
Wolfgang Leonhard: Anmerkungen zu Stalin,
Rowohlt Verlag,
Reinbek 2009, broschiert, 188 Seiten,
8,95 Euro
Nach dem Schleier kommt die Scharia
Alice Schwarzer schwant, daß in einer islamisierten Gesellschaft die Emanzipation der Frauen kein Zukunftsthema ist
FABIAN SCHMIDT-AHMAD
E
s ist ein seltsamer Anblick, wie sich
selbst als fortschrittlich betrachtende
Gruppen einer Islamisierung in Deutschland den Weg bereiten, obwohl dies unzweifelhaft ihr eigener Untergang ist.
Gleichsam Sinnbilder einer den eigenen
Tod herbeisehnender Dekadenz, bejubeln
homosexuelle oder feministische Lobbyisten den gesellschaftlichen Wandel, der
zwar von den „Zwängen der deutschen
Gesellschaft“ befreit, aber nur das fiktive
gegen ein sehr reales Joch der Unterdrükkung eintauscht. Das große Verdienst von
Alice Schwarzer ist es, aus dieser Logik
der Extermination auszubrechen.
Alice Schwarzer
(Hrsg.): Die große
Verschleierung. Für
Integration, gegen
Islamismus. Verlag Kiepenheuer &
Witsch, Köln 2010,
272 Seiten, broschiert, 9,95 Euro
Schon frühzeitig, als Schwarzer im
Zuge der Revolution gegen das SchahRegime 1979 den Iran bereiste, wies sie
auf die Gefahren des wiedererstarkenden Islam hin. Vor allem in den letzten
Jahren, da auch hierzulande eine wachsende Ausbreitung und Zersetzung der
Gesellschaft durch das Regelwerk der
islamischen Sozialordnung immer deutlicher wird, ist hierzu in der Zeitschrift
Emma eine Reihe grundlegender Texte
erschienen. Sinnfällig wird für EmmaChefin Schwarzer die Islamisierung dabei in der Ausbreitung des islamischen
Frauenschleiers.
„Die große Verschleierung“ ist entsprechend ein Wortspiel – zum einen
für die im Straßenbild immer deutlicher
werdende Dominanz des Islam, zum anderen aber auch die gezielte Verschleierung der Tatsache, daß es sich dabei um
einen Angriff auf unsere Gesellschaftsordnung handelt. Die Aufsatzsammlung gliedert sich in fünf Abschnitte.
Im ersten Teil kommen Autorinnen zu
Wort, die anhand von Fallbeispielen einen Überblick über den augenblickli-
chen Stand der Entwicklung in Mitteleuropa verschaffen.
Im zweiten Teil kommen islamische
Frauenrechtlerinnen wie Necla Kelek zu
Wort, welche die Türkei in ihrer tatsächlichen Entwicklung besser beschreibt,
als es die vielen Hochglanzbroschüren
der Europäischen Union vermögen. So
heißt es über die Islamisierung des Landes: „Ganze Branchen wurden von den
Islamisten vereinnahmt. (…) Sie sind in
einem von der AKP-Regierung finanzierten Unternehmerverband organisiert
und finanzieren ihre Geschäfte über eigene Banken.“
Den Höhepunkt des Buches stellen
zweifelsohne die Berichte über islamische Konvertiten im dritten Teil der
Textsammlung dar. Es sind dies vom
Informationsgehalt wichtige Artikel über
zum Islam konvertierte Funktionäre,
die in der Öffentlichkeit als prominente „Brückenbauer“ erscheinen, oftmals
aber wohl eher zur Befestigung eines
islamischen Brückenkopfes installiert
wurden. Daneben sind es aber vor allem
die Biographien von Konvertitinnen, die
einem ausgesprochen wertvolle Einblikke verschaffen.
Was bringt europäische Frauen dazu,
ihre persönlichen Freiheiten aufzugeben?
Ist es bloße Naivität und Unkenntnis
über den Islam? „Wir wissen es nicht“,
schreibt Cornelia Filter. „Aber wir wissen,
daß in Kreisen von Islamisten die Heirat
mit einer Deutschen als sicherer Weg
zum Aufenthaltsstatus gilt.“ Und noch
mehr ist bekannt. So zeigt die Autorin
auf, daß man in der Vergangenheit bei
islamischen Konvertitinnen nicht selten
Fälle sexuellen Mißbrauchs findet. Der
Mensch ist eben ein vielschichtiges Wesen, und was äußerlich als pure Dummheit erscheinen mag, verbirgt manchmal
ein tragisches Schicksal. Der vierte und
fünfte Abschnitt beschäftigt sich mit der
weit vorangeschrittenen Islamisierung in
Frankreich beziehungsweise den islamischen Ländern selbst.
Doch bei allem lobenswerten Engagement muß man deutlich festhalten,
daß Schwarzer über die empirische Beschreibung hinaus nichts Fruchtbares
geben kann. So phantasierte sie schon
vor dreißig Jahren, daß man über das
Verhältnis der Geschlechter „in Teheran nicht anders als in Bonn“ sprechen
würde. Es ist der aus ideologischer Blindheit erzeugte Haß auf die eigene Kultur,
welche diese groteske Gleichsetzung von
europäischer und islamischer Kultur ermöglicht. Eine Blindheit, die übersieht,
daß sie und andere Frauen es waren, die
dem Islam überhaupt erst Tür und Tor
geöffnet haben.
„Nicht die islamistischen Terroristen“
seien das Problem, stellt Schwarzer fest.
„Das wahre Problem ist die systematische
Unterwanderung unseres Bildungswesens und Rechtssystems mit dem Ziel der
‘Islamisierung’ des Westens, im Klartext:
die Einführung der Scharia mitten in Europa.“ Ja, aber warum ist das so einfach
möglich? Hat es vielleicht etwas damit
zu tun, daß es keine Kinder für unsere Schulen gibt und keine Männer, die
Recht und Gesetz verteidigen? Wenn das
kinderlose Mütterchen der Emanzipation
eines Tages von muslimischen Männern
ins Altersheim geführt wird, kann es sich
ja diese Fragen stellen.
Stalin. Sein Erfahrungsbericht
aus dem Innern des kommunistischen Leviathan, der Klassiker „Die Revolution entläßt ihre
Kinder“ von 1955 hat den in der
Moskauer Zentrale der „Weltrevolution“ aufgewachsenen Wolfgang
Leonhard berühmt gemacht. Bei
allem, was Leonhard als „Sowjetologe“, als Wissenschaftler und
Publizist seitdem veröffentlichte, steht die Schreckensherrschaft
Stalins im Mittelpunkt. So auch
bei dem schmalen Bändchen, das
„Anmerkungen“ über den grausigen Georgier und sein Regime
macht. Bewegendes Motiv für den
Autor, um hier noch einmal im
Schnellgang die bekannten Stationen von den Fünfjahresplänen
bis zum Gulag-Staat zu passieren,
ist die aktuelle Tendenz in Rußland, die „den größten Massenmörder des 20. Jahrhunderts“ als
„Garanten nationaler Stärke“ zu
rehabilitieren versucht. (wm)
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Bücher von Johannes Dornseiff
Frieling-Verlag, Berlin
Inhaltsangaben und Auszüge unter www.johannesdornseiff.de
Sprache, wohin? Bemerkungen eines Sprachteilnehmers
2. Auflage | 288 Seiten | Euro 12,90 | ISBN 978-3-8280-2393-2
Die Sprache hat, vor allem in den letzten Jahrzehnten, schlimme Entwicklungen genommen, die man weitgehend als Schwächung oder als Verschmutzung bezeichnen
kann; ersteres vor allem in der Grammatik (z. B. Viele würden die Gefahr leider noch unterschätzen), letzteres vor allem im Wortgebrauch (z. B. schwul oder die Menschen
bei den Reformen mitnehmen). [Zur Wortschatzverschlechterung gehört auch die Fremdwörterei, die graecolateinische und mehr noch die englische.] Der Verfasser
stellt den verdorbenen Sprachgebrauch an den Pranger und zeigt zugleich, daß man sich davon freihalten kann; darüber hinaus, daß auch Sprachbereicherung möglich
ist. – Im Anhang wird die Rechtschreib„reform“ zerpflückt.
Verbesserungen: [da würden sie heute noch wohnen]: da wohnten sie noch heute [bräuchte]: brauchte [nichtsdestotrotz]: nichtsdestoweniger „Das hatte ich
[echt] nicht erwartet“: wirklich [blauäugig]: naiv kamen drei [Menschen] ums Leben: Personen Wir müssen diesen [Menschen] helfen: Leuten [Ängste]: Angst,
Befürchtungen Wir [danken für Ihr Verständnis]: bitten um Verständnis (Nachsicht) Herz[probleme]: Herzbeschwerden [Bürgerinnen und Bürger]: 1. Bürger und
Bürgerinnen 2. Bürger [Recycling]: 1. Rezyklierung 2. Rückverwertung [Ticket]: Karte, Fahrkarte, Eintrittskarte [Job]: Stelle, Arbeit, Beruf, Amt es [macht]
keinen Sinn: hat [Nutzer]: Benutzer [ethisch]: moralisch [maximal]: höchstens [authentisch]: echt [Region]: Gegend
Neubildungen: querab (= senkrecht zur Bewegungsrichtung), Stehbleibfehler (versehentlich nicht mitgetilgt), Bestuch (= sich bestechen lassen), sich anherzen, Hindernisse und Fördernisse, Multikulti und Rassamassa
Tractatus absolutus Selbstaufklärung des Denkens
2. Auflage | 896 Seiten | Euro 29,00 | ISBN 978-3-8280-1099-4
Aus der Erfahrung, daß sich alles von ihm Gedachte immer wieder zerdenken ließ,
hat der Verfasser einen Standpunkt gewonnen („Ist etwas zu sagen? – An sich ist
nichts zu sagen“), von dem aus diese zunächst anstößige Erfahrung verständlich
ist und alles bisherige Denken – zunächst nur das eigene Denken des Verfassers,
dann aber auch das aller Anderen – als naiv erscheint. Dieser Standpunkt ist
zugleich eine neue und vielleicht letzte Stufe eines historischen Weges, der mit
der frühgriechischen Philosophie (Vorsokratik) beginnt. Während der Kern des
Tractatus sozusagen ungegenständlich ist, werden in den weiteren Verzweigungen
alle klassischen Gegenstände des Denkens – Raum, Existenz, Begriff, Welt, Ding,
subjektiv-objektiv, Ich, Moral u. a. – in der gehörigen Ordnung entwickelt und
dargestellt.
Warnung! – Ein Leser, der an Wortgebilde wie „kognitive Relevanz“, „taxonomische Interdependenz“ oder auch „basic relations“ gewöhnt ist, wird bald
an Entzugserscheinungen leiden.
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Nachdem er die Fundamente „gefühltes / zu fühlendes Recht“ und „gerechter
/ berechtigter Anspruch“ gelegt hat, geht der Verfasser den letzteren Schritt
für Schritt durch, vom Rechtsanspruch auf den gleichen Anteil bis zum
Rechtsanspruch auf Wiederverletzung. Hier erörtert und widerlegt er zunächst
den Ausgleich durch gleiche Wiederverletzung, dann die Einwände gegen die
Wiederverletzung überhaupt („unvernünftig“, „unmoralisch“). – Im Anhang
geht es um konkretere Themen wie Strafunmündigkeit, Selbstjustiz, Resozialisierung und Todesstrafe. „Der Grundgedanke dieser Schrift ist, daß Recht
und Rache zusammenhängen und daß dies nicht gegen das Recht, sondern
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rauerarbeit macht frei? Von wegen! Mehr als vierzig Jahre Vergangenheitsbewältigung haben
Deutschland weder Seelenfrieden noch
das Ende moralischer und materieller
Reparationsforderungen beschert, nur
einen „rasenden Stillstand, der nicht vergehen kann“. Das jedenfalls glauben Ulrike Jureit, Historikerin am Hamburger
Institut für Sozialforschung (Reemtsma-Institut), und der in Kassel lehrende
Soziologe Christian Schneider. Gemeinsam haben sie über die Entstehung und
Mechanik des erinnerungspolitischen
Hamsterrades ein scharfsinniges, faktenreiches und wohlformuliertes Buch
verfaßt. Das sei – bei allen Einwänden,
von denen noch die Rede sein wird –
vorausgeschickt. Jureit wählte für ihren
Aufsatz einen gedächtnistheoretischen
Ansatz, Schmidt verbindet die zeitgeschichtliche mit einer psychoanalytischen Perspektive.
Ihr Ausgangspunkt ist die „Spirale
der Selbstzerstörung“, die der Soziologe
Norbert Elias im Angesicht des RAFTerrorismus im „Deutschen Herbst“
1977 konstatierte. Elias sah in den Terroristen die exaltierte Avantgarde einer
Jugend, die sich dem politischen System
der Bundesrepublik entfremdet hatte
und ihr Heil in marxistischen Gesellschaftsmodellen suchte. Die Ursache der
Entfremdung erblickte er in einer Identitätskrise, die in der fehlenden Auseinandersetzung der Vätergeneration mit
den Verbrechen des Nationalsozialismus
wurzelte.
Aus dem gefühlten Schuldzusammenhang der Nation bot sich den 68er-Studenten, um die es vor allem geht, ein
doppelter Ausweg an: zum einen die
Identifikation mit den Opfern des Regimes, insbesondere den Juden, zum anderen die unablässige Durcharbeitung
und Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen. Der Klassiker von
Margarete und Alexander Mitscherlich
„Die Unfähigkeit zu trauern“ lieferte
die Stichworte dafür. Bundespräsident
Richard von Weizsäcker verlieh der Vergangenheitspolitik in seiner Rede am 8.
Mai 1985 die staatspolitische Weihe und
rückte sie mit einem Halbsatz: „das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“
in eine religiöse Dimension. Ins Säkulare
gewendet, ergibt sich aus dem religiösen
Erlösungsversprechen die Aussicht auf
Versöhnung.
Über 25 Jahre danach sind Erlösung
und Versöhnung ausgeblieben oder noch
immer in eine unabsehbare Zukunft verschoben. Das unter manischem Erinnerungszwang stehende kulturelle Gedächtnis der Deutschen stellt einen Son-
derfall dar. Denn das Auswahlkriterium,
das über die Aufnahme eines Ereignisses
in die Kollektiverinnerung normalerweise entscheidet, ist die Sonderung des
„Lebensdienlichen vom nicht Lebensdienlichen“, so die bekannte Erinnnerungsforscherin Aleida Assmann.
Allerdings kann Assmann die Sonderrolle des Holocaust im öffentlichen
Bewußtsein nicht wirklich erklären
und empfiehlt den Deutschen daher
ein mehrgleisiges Geschichtsbewußtsein. Daraus folgert Jureit die generelle
Brüchigkeit ihrer Theorie der „kulturellen Arterhaltung“, ohne allerdings
einen Alternativentwurf aufbieten zu
können. Sie verweist nur auf eine „universale Rechtfertigungsordnung“, deren
„universale Gedächtniskrone“ der Holocaust darstelle. Das freilich ist weder
Erklärung, Trost noch Rechtfertigung
für die deutsche Schuldversessenheit.
Es impliziert jedoch, daß der gegenwärtige Universalismus den Deutschen abschneidet und verbietet, was ihnen als
Nation lebensdienlich ist.
Ulrike Jureit/
Christian Schneider: „Gefühlte Opfer“. Illusionen der
Vergangenheitsbewältigung. Klett
Cotta, Stuttgart
2010, gebunden,
253 Seiten, 21,95
Euro
Christian Schmidt beschäftigt sich
im zweiten Teil des Buches mit den
Grundlagen der Vergangenheitspolitik, insbesondere mit Theodor Adornos „Negativer Dialektik“ (1966) und
dem 1967 erschienenen Klassiker der
Mitscherlichs. Die ungeheure Wirkung
und Nachwirkung der „Unfähigkeit zu
trauern“ steht im grotesken Mißverhältnis zu seiner wissenschaftlichen Qualität.
Sie erklärt sich daraus, daß das Buch ein
„Deutungsangebot für den moralischen
Zustand der Nachkriegsrepublik“ lieferte. Es half der 68er-Generation, sich
selber als Opfer und „Entronnene“ ihrer
nazistisch kontaminierten Eltern zu fühlen und eine „vulgäre ödipale Dramatik“
ins Weltgeschichtliche zu projizieren.
Zugleich eröffnete der Auschwitz-Rekurs
– wie das Beispiel Joschka Fischers zeigt
– reale Machtoptionen. Weiterhin spielte
der Wunsch hinein, die Rache der Opfer
„durch nachträgliche Eingemeindung
und Heiligsprechung abzuwehren“.
Zum bevorzugten Objekt dieser „Gegenidentifizierung“ wurde der „jüdische
Intellektuelle als mehrdeutige Inkarnation des Opfers, als das man sich selber
fühlte“. Dieser „Andere“, den die Elterngeneration gefürchtet und eliminiert hatte, war jetzt der „geliebte Andere“, den
man vermißte. Aus Fremdheit wurde ein
„Liebesprogramm“, Fremdenfeindlich-
keit wurde in Fremdenliebe verwandelt.
Die Bitte „Ausländer, laßt uns mit den
Deutschen nicht allein!“ leitet sich ab
aus diesem Defekt.
So bestechend Schneiders Analyse ist,
so banal ist der Ausweg, den er weist. Er
appelliert an die Deutschen („an uns“),
die eingetretenen Verluste als solche zu
akzeptieren und sich von der Hoffnung
zu verabschieden, sie durch geschichtspolitische Operationen rückgängig machen zu können. Das Buch endet exakt
dort, wo eine Fundamentalkritik einsetzen müßte.
Sein grundsätzliches Defizit besteht
darin, daß Jureit und Schneider nur eine
Binnenperspektive zulassen und über die
Erinnerungspolitik schreiben, als handele es sich um Eigenbewegungen des
Geistes und der Moral. Historische und
politische Umstände – außenpolitische
zumal – bleiben außer Betracht. Das
Buch „Charakterwäsche“ von Caspar
von Schrenck-Notzing oder der Sammelband „Die intellektuelle Gründung
der Bundesrepublik“, der die Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule beleuchtet, kommen nicht vor. Diese zeigen aber, wie eine planvolle und langfristig angelegte Personal-, Bildungs- und
Wissenschaftspolitik genau das kranke
Bewußtsein geformt hat, dessen Zukkungen die Autoren jetzt analysieren.
Der von Christian Schneider entdeckte Wunsch, der Rache der Opfer
durch Eingemeindung zu entgehen, ist
nichts anderes als das von Arnold Gehlen formulierte Bestreben besiegter beziehungsweise „widerlegter“ Nationen,
die fehlenden praktischen Handlungsmöglichkeiten durch Missionierung zu
kompensieren und auf diese Weise Schonung zu erlangen. Dieses Streben und
die subalterne Stellung Deutschlands
innerhalb der „universalen Rechtfertigungsordnung“ lösen auch die Widersprüche in Assmanns Gedächtnistheorie auf.
In einem bestimmten Maße war die
Missionierung erfolgreich: Weltweit gilt
die deutsche Vergangenheitsbewältigung
als vorbildlich; nur die Schonung bleibt
aus, und das Rad der Erinnerung dreht
sich immer hektischer. Kein Wunder,
denn „ohne die relativierende Kraft
der konkreten Erinnerung werden die
Schuldgefühle zu Erinnyen, deren Rachedurst mit jedem Opfer, das ihnen
gebracht wird, wächst“ (Peter Furth).
„Konkrete Erinnerungen“ heißt auch,
geschichtliche Ereignisse begreifbar zu
machen, indem man sie in ihren historischen Kontext stellt, sie historisiert. Von
der Historisierung des Holocaust weiß
Schneider aber nur, daß es sie „nie wird
geben können“. So wird aus dem Aufklärer am Ende ein Dogmatiker und ein
Verteidiger des bundesrepublikanischen
Hamsterrades. Schade drum.
L I T E R A T U R | 31
JUNGE FREIHEIT
Nr. 41/10 | 8. Oktober 2010
Die Unentschiedenen sitzen im Sumpf
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Biographie. Verlag
C. H. Beck, München 2010, gebunden, 472 Seiten,
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Der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler analysiert die politische und gesellschaftliche Mitte
GÜNTER ZEHM
Herfried Münkler:
Mitte und Maß.
Der Kampf um die
richtige Ordnung.
Rowoht Verlag,
Berlin 2010, gebunden, 300 Seiten 19,95 Euro
FOTO: PICTURE-ALLIANCE/DPA
W
er über Mitte und Maß
schreiben will, darf nicht
selber mittelmäßig sein. Das
ist das Problem von Herfried Münkler, den Berliner Politikwissenschaftler und Ideenhistoriker, dessen Buch
„Mitte und Maß. Der Kampf um die
richtige Ordnung“ leider nur mittelmäßig geraten ist. Es faßt die Problematik
des Mitteseins durchaus übersichtlich
zusammen, liefert viele Fakten und am
Ende ein gewaltiges Literaturverzeichnis. Doch zur Klärung der Begriffe trägt
es wenig bei.
Münkler gilt als Schöpfer der Formulierung vom „asymmetrischen Krieg“.
Gern hätte man erfahren, ob der in seinem neuen Buch annoncierte „Kampf
um die richtige Ordnung“ nun symmetrisch oder asymmetrisch ist, wie darin
also die Kräfte verteilt sind und wie es
um mögliche Siege oder Niederlagen
bestellt ist. Aber darüber wird man nicht
belehrt, höchstens in Verwirrung gestürzt. Am Ende weiß man nicht einmal, ob es überhaupt eine politische
Mitte gibt oder ob das von den Akteuren nur behauptet wird.
Vielleicht liegt die Kalamität auch
darin, daß Münkler seinen Bogen allzu
weit gespannt hat. Es gibt bei ihm ein
großes Kapitel über „Mitte und Raum“,
über Mittelmächte, geopolitische Mittellagen und Einkreisungsängste, doch
was hat diese – durchaus interessante
– Thematik mit dem eigentlichen Thema des Buches zu tun, dem uralten politisch-ethischen Streit um das „rechte
Maß“ und den „goldenen Mittelweg“?
Faktisch nichts, muß man wohl sagen,
solches Zusammenquirlen schaff t nur
Irritationen.
Als gäbe es von der Sache her nicht
schon Irritationen genug. Denn einem
machtvollen Lobpreis der Mitte als absolut notwendigem Lebens- und Herrschaftsprinzip stand von Anfang an eine
kaum weniger machtvolle Verachtung
der Mitte entgegen, ja Lobpreis und Verachtung artikulierten sich oft in ein und
derselben Person. Zwischen Mittelmaß
und Mittelmäßigkeit klaff ten Abgrün-
Angela Merkel vor ihrem CDU-Sinnspruch: „Nichts ist dem Mittelmäßigen so verhaßt wie geistige Souveränität“
de, auch in Sprachen, die ein gemeinsames Wort dafür hatten, wie das Lateinische mit seiner mediocritas.
Mediocritas in omni re est optima („das
Mittelmaß in allen Dingen ist das Beste“) – so stand und steht es seit der
Antike in zahllosen städtischen Wappen eingeschrieben, beispielsweise im
Wappen von Lübeck. Andererseits troffen die Lippen allererster Geistesgrößen
über die Zeiten hinweg vom Hohn über
die Mediocritas. „Nichts ist dem Mittelmäßigen so verhaßt wie geistige Souveränität“, donnerte etwa Stendhal, „da
sprudelt die Quelle des Hasses und der
schrecklichsten Gehässigkeiten.“
Das Urteil des gesunden Menschenverstandes freilich steht fest: Der „mittlere Weg“ ist immer der beste. Er ist vielleicht nicht in jedem Fall der „goldene
Weg“, aber er ist der Weg der Gesundheit. Man soll im Leben nichts übertreiben, schon um der Gesundheit willen,
man soll stets das rechte Maß anstreben,
beim Essen und beim Fasten, beim Arbeiten und beim Ausruhen, beim Reden und beim Schweigen. Gibt es denn
aber auch in der Politik jenes „gesunde“
Mittelmaß, auf das sich die Menschen
einigen können und vor allem sollen?
Staaten und andere überfamiliäre Ge-
meinschaften sind ja keine Individuen
mit einem gleichsam natürlichen Maßhalteplan im Tornister. Sie integrieren
Interessengruppen der unterschiedlichsten Art; die einen wollen expandieren,
die anderen ihre Ruhe haben, die einen
wollen verändern, die anderen „das Erreichte sichern“. Wo ist da Mitte?
Sicher, die politische Rhetorik ist so
gut wie immer am individuellen Gesundheitsmodell orientiert; jeder Politiker tritt in seinen Reden für das ein, was
allen am besten bekommt, also für das
rechte Maß. Das heißt aber noch lange
nicht, daß er dieses Maß auch wirklich
vertritt oder daß er überhaupt weiß, was
es wirklich ist. Sondern er nimmt das
rechte Maß lediglich auf all seinen Wegen mit und pflanzt es nach Belieben
auf („Wo ich bin, da ist die Mitte!“). Der
berühmte „Kampf um die Mitte“, um
den Münkler soviel Aufhebens macht,
ist nichts weiter als ein Test darüber, wer
lauter „Mitte“ schreien kann.
Faktisch sämtliche politischen Strömungen, seitdem es Politik gibt, haben
die Metapher des rechten Maßes verwendet, selbst die radikalsten revolutionären
Gruppen, die mit ihren Umsturzversuchen angeblich immer nur die Gesellschaft „ins rechte Maß zurückbringen“
wollten. Erst im neunzehnten Jahrhundert gab es im Gefolge der Französichen
Revolution von 1789 eine Ausnahme.
Das Revolutionsparlament teilte sich
in gemäßigte Girondisten und radikale
Jakobiner auf, und dazwischen, also in
der Mitte, saßen die Unentschiedenen,
„der Sumpf“, wie die Revolutionäre verächtlich sagten.
Danach spalteten sich viele Parlamente in „Rechte“ und „Linke“ auf; man
verzichete deshalb aber keineswegs auf
die Mitte-Rhetorik, ganz im Gegenteil.
Jede Seite beanspruchte weiter, allein die
Mitte der Gesellschaft zu repräsentieren
und das rechte Maß zu halten. Heute haben in Deutschland im Zeichen der allgemeinen Gleichmacherei und ethischen
Promiskuität die Linken gesiegt, und alle
zugelassenen Parteipolitiker sind einerseits links und gleichzeitig allesamt für
die Mitte. Der Kampf um die richtige
Ordnung scheint entschieden.
Was bleibt, sind Gespensterkämpfe
im Souterrain, wo es nur noch darum
geht, wieviel Geld der einzelne „Sozialteilnehmer“ am Monatsende herausbekommt und was wem eventuell vom
Staat weggenommen wird, damit dieser
– seine Lieblingsbeschäftigung! – „umverteilen“ kann. Es gibt bekanntlich
eine „Mittelschicht“, weder arm noch
allzu reich, die der eigentliche Garant
gesellschaftlicher Wohlfahrt ist, und
es findet zur Zeit offenbar eine „Erosion der Mittelschicht“ statt. Alle herrschenden Parteien „des Maßes und der
Mitte“ machen sich nun Sorgen, daß
ihnen das beim Wählervolk Minuspunkte eintragen könnte und daß dadurch die gegenwärtige Machtlage ins
Rutschen gerät.
Herfried Münkler zeichnet diesen
Prozeß im letzten Kapitel seines Buches
getreulich nach, und selbstverständlich
ist auch er einerseits links und gleichzeitig für Maß und Mitte. Wie sollte
er auch anders, als Politologe? Er hat
ein Buch über Politiker für Politiker
geschrieben. Die gewissermaßen naturwüchsige politische Wirklichkeit
indessen sieht anders aus.
Einem linken Parteienkartell, das
von den Kommunisten über SPD und
Grüne bis zu CDU und CSU reicht,
steht ein „populistischer Sumpf “ gegenüber, der einen beträchtlichen Teil
des wahlfähigen Volkes hinter sich hat,
bisher aber trotzdem von der offiziellen
Politik ferngehalten werden konnte. Mit
Maß und Mitte hat das wenig zu tun.
Doch es wird nicht so bleiben.
Dahlmann. Dank viel Vitamin
B erhielt, ohne je Geschichte studiert zu haben, der Altphilologe
Friedrich Christoph Dahlmann
(1785–1860) im Jahre 1812 ein
Kieler Extraordinariat für dieses
Fach. Für eine der Gründergestalten der deutschen Geschichtswissenschaft ein etwas wackliger Karrierestart. Aber der junge Mann
bewährte sich, wechselte 1829 von
der Förde nach Göttingen, mußte
dort als einer der „Sieben“, die sich
1837 gegen den Verfassungsbruch
des Königs von Hannover stemmten, seinen Hut nehmen, arbeitete
in Jena an seinem dreibändigen,
gleichwohl nur bis ins 16. Jahrhundert vorstoßenden Hauptwerk,
der „Geschichte Dänemarks“, und
fand dann ein komfortables Asyl
im liberalen Preußen auf einem
Bonner Lehrstuhl für Geschichte und Staatswissenschaft, wo er
sich der Englischen (1844) und der
Französische Revolution (1845)
publizistisch widmete. Geprägt
vom Bürgergeist seiner Vaterstadt
Wismar, die sich zum Zeitpunkt
seiner Geburt noch unter schwedischer Herrschaft befand, verkörperte der altliberale Bewunderer
des englischen Konstitutionalismus
als Sekretär der schleswig-holsteinischen Ritterschaft wie als nationalliberaler, kleindeutsch-preußischer
Abgeordneter der Paulskirche zeitlebens den Typus des „Gelehrtenpolitikers“, für den „Geschichte
und Gegenwart, Geschichte und
Politik unauflöslich zusammengehörten“ (Reimer Hansen) und der
aus wissenschaftlich-historiographischem Tun vor allem „Nutzen“
für die Gestaltung des Gemeinwesens ziehen wollte. Der Bochumer
Emeritus Wilhelm Bleek glaubt,
daß Dahlmann uns mit diesem
Verständnis der politisch-staatsbürgerlichen Bedeutung von Geschichtsschreibung heute wieder
nahe ist. Dementsprechend sympathisch präsentiert er seine Biographie, die überpünktlich zum 150.
Todestag im November vorliegt,
die aber das zweibändige Lebensbild Anton Springers von 1870/72
freilich vielfach nur „modernisierend“ nacherzählt. (wm)
JF-Anzeigenmarkt
Am 16. Oktober 1946 wurde der deutsche Außenminister, Joachim
von Ribbentrop, im Nürnberger Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher wegen „Vorbereitung eines Angriffskrieges“ zum Tode durch
den Strang verurteilt. Bis heute wird
seine Rolle im Dritten Reich generell
negativ beurteilt, schon als Botschafter in London habe er England Hitler gegenüber als „dekadent“ und
„schwach“ dargestellt und ihm suggeriert, daß er im Konfliktfalle
nicht kämpfen werde.
Mein Vater:
Obwohl gerade er Hitler nachweislich auf die britische Kriegsentschlossenheit hinwies, wurde ihm von seinen Widersachern im Auswärtigen
Amt und einem Großteil der sogenannten Forschungsliteratur die
Behauptung zugeschrieben, die Westmächte seien schwach und feige
und würden es nie
wegen
Polen zur Auseinandersetzung kommen lassen. Der Staatssekretär im
Auswärtigen Amt, Ernst von Weizsäcker, und die Brüder Kordt fanden es angemessen, die politische Entscheidungszentrale in London
mit solchen Desinformationen zu traktieren und zu einer kompromißlosen britischen Haltung zu raten.
Erlebnisse und Erinnerungen
Rudolf von Ribbentrop
Mein Vater: Joachim von
Ribbentrop Erlebnisse
und Erinnerungen
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Der durch Joachim von Ribbentrop ersatzweise favorisierte Kontinentalblock unter Einschluß der Sowjetunion ließ sich nur im Ansatz
realisieren. Ribbentrop sprach sich gegen den Angriff auf die UdSSR
aus.
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„Der Königsweg zu Gesundheit und hohem Alter“
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Nach seinem Erscheinen wochenlang Platz 1 der BoD.-Bestseller-Liste
Gesundheitseck Kaufmann: „Wir haben selber viele, viele hundert Bücher zum
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sofort unangefochten den Spitzenplatz einräumen, nämlich diesem Buch von
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bis hin zum Krebs im Endstadium auf natürliche Weise nebenwirkungsfrei
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Sprache und ihrer Denkweise kann
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Deshalb hat Gerhard Bach ein
Nachhilfegerüst geschrieben, das
auf eigenen Erfahrungen beruht.
Der Autor, ältester Sohn Joachim von Ribbentrops und im Zweiten
Weltkrieg selbst mehrfach verwundet, schildert in diesem zeitgeschichtlichen Quellenwerk seinen Vater aus eigenem Erleben, insbesondere aufgrund der häuslichen Gespräche im Laufe der 30erJahre.
Es ist kein unkritisches Buch, das der Sohn von Ribbentrops hier vorlegt, und kein Werk, das die Geschichte des Dritten Reiches glätten
oder beschönigen will. Auch die künftige Geschichtsschreibung wird
an diesem Zeitzeugenbericht, der als echte historische Quelle einzustufen ist, nicht vorübergehen können.
Band 1
Das kleine Einmaleins
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Band 2
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32 | L I T E R A T U R
JUNGE FREIHEIT
Nr. 41/10 | 8. Oktober 2010
Frisch gepreßt
Deutsche
Moral
Moshe Zimmermann: Die Angst
vor dem Frieden.
Das israelische Dilemma. Aufbau
Verlag, Berlin 2010,
broschiert, 152 Seiten, 14,95 Euro
Thomas Morlang:
Rebellion in der
Südsee. Der Aufstand auf Ponape
gegen die deutschen Kolonialherren 1910/11. Ch.
Links Verlag, Berlin
2010, broschiert,
200 Seiten, Abbildungen, 24,90
Euro
Polynesien. Nicht nur in der
Kalahari in Deutsch-Südwest
(Hererokrieg) oder im Süden von
Deutsch-Ostafrika (Maji-MajiAufstand) zeigte der kaiserliche
Kolonialismus seine häßliche Fratze, sondern auch in der Südsee.
Darauf will Thomas Morlang in
seiner Arbeit über den weitgehend unbekannten Aufstand der
Sokehs auf der entlegenen, etwa
dreißig Kilometer im Durchmesser zählenden Karolineninsel Ponape 1911 hinweisen. Auch wenn
„im Krieg gegen die Deutschen
mit sechs bis zehn Toten nur vergleichsweise wenige Opfer zu beklagen waren“, wie der Autor im
Vorwort konstatiert, müht Morlang sich redlich, die im Zusammenhang mit der Ermordung von
vier deutschen Kolonialbeamten
und fünf mikronesischen Vorarbeitern 1910 stehende „Strafverfolgungsmaßnahme“ in den
Ruch von Völkermord zu setzen.
Immerhin, so darf der Autor seine Thesen über die „grausamen
Räuber, die wir waren“, natürlich
auch in der Zeit (39/10) breittreten, wurden später von den 36 Angeklagten 17 zum Tode verurteilt,
450 andere auf eine größere Insel
im Palau-Archipel verbannt. (bä)
OLIVER BUSCH
U
nter seinem Konterfei platziert, weist der Klappentext
des neuen Buches von Raphael
Gross den Autor als bewältigungspolitischen Multifunktionär aus:
Seit 2001 Direktor des Leo Baeck
Instituts in London, leitet er seit
2006 zudem das Jüdische Museum
in Frankfurt am Main und dort
seit 2007 auch das Fritz Baur Institut. Derart von den Geschäften
beansprucht, ist dem Tausendsassa
dennoch genügend Zeit für eine
Buchproduktion geblieben. So ist
es zu verstehen, daß das „neue“
Werk über die „nationalsozialistische Moral“ nicht wirklich neu ist.
Von den neun Kapiteln wurden
sechs in Aufsatzform in szeneüblichen Sammelwerken wie der
Festschrift für seinen Mentor Dan
Diner oder in purer Agitationsliteratur („Expressions of German
Guilt“) publiziert.
FOTO: JF SCREENSHOT; JF-MONTAGE
Israel. Israel ist wahrscheinlich
der einzige westliche Staat, in
dem links zu sein noch einen gewissen Mut erfordert. In diesem
Sinne hat Moshe Zimmermann
ein mutiges Buch geschrieben.
Seine Kernthese: „Die israelische
Gesellschaft, die die existentielle Angst zum obersten Gebot
machte, hat deshalb viele ihrer
Hemmungen verloren.“ Die Verrohung der Gesellschaft, die unverhohlene Apartheid – das alles
sieht der Jerusalemer Historiker
als größtes Hemmnis einer friedlichen Lösung der Nahost-Frage.
Daß es gerade der DeutschlandKenner als Unsinn abtut, jeder
Kritik an der israelischen Politik
pauschal mit dem Antisemitismusvorwurf zu begegnen, hebt das
Buch wohltuend von manch verdruckster Veröffentlichung hiesiger Provenienz ab. Nebenbei zieht
Zimmermann dabei noch gegen
den – wie er es nennt – „Mythos
vom Militär als der zentralen Ikone
des Zionismus und des Staates Israel“ zu Felde, etwa indem er vorrechnet, daß nur noch 52 Prozent
eines Jahrgangs den Wehrdienst
ableisten. Dennoch, so beklagt
der Autor, habe das Militär noch
immer überproportional viel Einfluß und dominierten militärische
Werte die „Zivilgesellschaft“. (vo)
Raphael Gross muß es
„unter Nazis“ aushalten
Raphael Gross:
Anständig geblieben. Nationalsozialistische Moral.
S. Fischer Verlag,
Frankfurt/M. 2010,
278 Seiten, gebunden, 19,95 Euro
Deutsche Talkshowkultur mit Dauergeplapper ohne Substanz: Es herrscht ein Mangel an tiefgehenden inhaltlichen Auseinandersetzungen
Laßt uns wenigstens ein bißchen streiten
Thea Dorn auf dem Weg, dem seichten linken Konformismus in Deutschland zu entfliehen
ELLEN KOSITZA
W
er die Krimiautorin, Philosophin und Talk-Dame, die
sich nach T. Adorno „Thea
Dorn“ nennt, als schillernde Persönlichkeit bezeichnen mag, muß sich nicht
mit dem leuchtenden Wechsel ihrer
Haarfarbe aufhalten. Daß Dorn auf
dem Bildschirm eine gehörige Spur intelligenter und origineller daherkommt
als ihre Kolleginnen, ist das eine. Das
„Schillern“ meint aber auch ein gewisses
Wechselspiel des Lichts, das auf sie fällt:
Einerseits sind einige platt-wohlfeile
Einlassungen von ihr noch in schlechter Erinnerung, allem voran ihre zeitgeistig äffende Eva-Herman-Schmäh
(„Eva Braun“).
Andererseits: Früh – noch bevor es
opportun wurde – hat sich Thea Dorn
in Essays (und als Drehbuchautorin eines vielbeachteten „Tatort“) islamkritisch geäußert und sich gegen manch
feministische Platitüden verwehrt. Wo
andere deutsche Intellektuelle vor dem
deutschen Staat warnten, konterte Frau
Dorn bissig mit einer Gegenwarnung
vor deutschen Intellektuellen. Im vergangenen Frühjahr hat sie – versehen
mit Vor- und Nachwort aus ihrer Feder
– Friedrichs Sieburgs „Die Lust am Untergang“ von 1954 neu herausgegeben,
und das ist durchaus ein starkes Stück:
Sieburg war der konservative Publizist
der Nachkriegszeit, begnadeter Kritiker eines Zeitgeistes, der sich seinerzeit
erst warmlief und heute gerade seine
Hochtourigkeit aufgibt. Wer sich für
Sieburgs dezidiert antilinke Polemiken
begeistern kann – und Dorn, Jahrgang
1970, tut es ganz offensichtlich – dessen
Schwimmrichtung geht sicher nicht mit
dem Hauptstrom.
Die Publizistin mag nun von ihrer Sieburg-Arbeit her Gefallen an dieser Idee
gefunden haben: Bereits veröffentlichte Aufsätze bündeln, und die unter ein
Motto und zwischen zwei Buchdeckel
pressen. Dorn jedoch, bei aller hübschen
Querköpfigkeit, ist bei weitem nicht so
kantig wie Sieburg, dessen Essays sich
noch Jahrzehnte später als Offenbarungen lesen. Was die „Fundamentalistin
der Aufklärung“ (Dorn über Dorn) 2005
auf einer Reise durch den südafrikanischen Busch über „Beta-Löwen“ (sprich:
Profilneurotiker) wie Möllemann oder
Lafontaine schreib, liest man heute mit
löwigem Gähnen. Ähnlich verhält es sich
mit angeblich postfeministischen Forderungen aus Dorns Feder, die Familien
endlich vom „patriarchalen Restmief zu
befreien“. Patriarchen – wo?!
Grundsätzlich ist das Buch eine Mogelpackung. „Ach, Harmonistan. Deutsche Zustände“ titelt es, doch es geht
in der Mehrzahl der Texte gar nicht
um ein harmoniesüchtiges Volk. Auf
der Titelrückseite lesen wir in großen
Lettern: Deutschland dümpelt vor sich
hin. Thea Dorn regt sich auf. Das wiederum klingt nach Temperamentsausbrüchen und spitzester Feder – auch das
ist keineswegs durchgehend der Fall.
„Harmonistan“ ist der Autorin ein negatives Etikett. In Deutschland werde
allenfalls gezankt, aber nie ordentlich
gestritten – jüngst hatte sie auch den
Mangel einer tiefgehenden inhaltlichen
Auseinandersetzung mit Thilo Sarrazins
Buch beklagt.
Die mangelhafte deutsche Streitkultur will Dorn mit dem Bild zweier
Spielplatz-Mütter verdeutlichen, die
darüber zanken, ob das Luxuseimerchen des einen Kindes nicht automatisch Begehrlichkeiten des anderen, ärmeren Kindes wecke und ob Luxuseimerchen nicht verboten gehörten: Daß
es solche Sandkastengespräche nicht
gibt, ist der Autorin (die ihre selbstgewählte Kinderlosigkeit häufig thematisiert) entgangen.
Thea Dorn:
Ach, Harmonistan.
Deutsche Zustände. Knaus Verlag,
München 2010,
gebunden, 253
Seiten, 19,99 Euro
So gerät ihr manches Bild vor lauter
Fabulierfreude schief. Etwa die Rede
davon, daß „wir Deutschen 6 Millionen und mehr Gründe“ hätten, „uns
zu schämen“. Oder ihre Forderung – in
einem ansonsten schönen Aufsatz über
„das Fehlen öffentlicher Intellektueller
unter sechzig“ – daß die jungen deutschen Denker vor lauter Abneigung
gegen den dauererregten Ton der 68er
nicht gleich das „Kind mit dem Dutschke auskippen“ sollten.
Jedoch: Jenseits des Mittelmaßes und
einer gewissen Vermessenheit finden wir
in dieser Aufsatzsammlung etliche gekonnte Formulierungen und manchen
brillanten Gedanken. Sehr schön der
Essay „Leben unter Vorbehalt“, in dem
sie die Infantilitätsmacken ihrer „verwöhnten, gelangweilten und gleichzeitig verängstigten“ Generationsgenossen
aufs Korn nimmt, die ihre „Mentalität,
‘sich alle Optionen offenzuhalten’“ als
EDITH BREBURDA
WILHELM HÜNERMANN
Verheißungen der neuesten
Biotechnologien
160 Seiten, 17 Farbfotos, Pb., € 39.80, Fr. 55.80
Die gesamte Spannbreite der Anwendungsgebiete
neuer Biotechnologien kommen in diesem Buch zur
Sprache. Die Autorin setzt sich kritisch mit den Verheißungen der Genmanipulation auseinander. Sie
beleuchtet die neuesten Techniken und zeigt deren
Konsequenzen für unser Leben sowie die Folgen für
Gesellschaft und Umwelt auf.
Leicht verständlich und spannend geschrieben, werden dem Leser Einblicke in viele Aspekte ermöglicht:
Genmanipulationen haben Nebenwirkungen, die wir in
ihrer Gesamtheit noch gar nicht abschätzen können.
Warum sind wir bei den inakzeptablen Versuchen,
den Genpool und die Umwelt zu manipulieren, nicht aufgewacht, nachdem wir aus
Versehen Krankheiten wie BSE erzeugt hatten? Die Autorin ist Biomedizinexpertin und
in Madison, der Metropole der US-Stammzellenforschung, tätig.
Vitalitätsgewinn verkaufen und damit
nur Entscheidungsschwächen verbrämen. Beachtlich auch Dorns Hader mit
den gängigen deutschen Intellektuellen,
die nicht aufhörten, „im ewigen Antifaschismus, im Anti-Deutsch-Sein zu
schwelgen“.
Einer der besten hier eingesammelten Artikel titelt „Seichtgebiete“ und
stammt von 2008. Frau Dorn geht
hier „tatsächlichen und vermeintlichen
Tabubrüchen in einer offenen Gesellschaft“ nach. Ein Restbestand an Tabus bleibe unangetastet (namentlich
der Holocaust), während der „linke
Bürgerschreck mit reger Plastikaxt die
letzten Sessel, die vom konservativen
Mobiliar geblieben sind“, zertrümmere. Mit Blick auf tönerne Provokationsgötzen wie Charlotte Roche, Lady
Bitch Ray, aber auch Alice Schwarzer
und ihre „Gönner“ Frank Schirrmacher
und Harald Schmidt höhnt Dorn über
Löwinnen, die sich „als Bettvorlegerinnen für exakt jene Schlafzimmer“
anbiedern, „die sie angeblich aufmischen“ wollten.
Ein Fazit des Bandes ist, daß Thea
Dorn heute schneidigere Artikel
schreibt als noch vor Jahren. In einem
ihrer jüngeren Aufsätze erträumt sie
eine Debatte mit der Kanzlerin über
Sarrazin, die „Konsumfront“, die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ und
den Sinn der Phrase, „Kanzlerin aller
Deutschen“ sein zu wollen. „Dann heißt
‘alle Deutschen’“, fragt Dorn Angela
Merkel im Traum, „nichts weiter als ‘alle in Deutschland Geschenkberechtigten’? Glauben Sie wirklich, dieses Land
zusammenhalten zu können, indem sie
jedes Jahr die neueste Spielkonsole unter den Baum legen?“
Und wie das bei geschickten
Mehrfachverwertern nun einmal Usus ist, reproduziert diese
Buchbindersynthese kaum mehr
als zwei Gedanken, die der Autor lediglich wortreich auswalzt.
Gross hat nämlich zum einen
die ungeheure Entdeckung gemacht, daß die deutsche Gesellschaft, die „Volksgemeinschaft“,
während der NS-Herrschaft nach
herkömmlichen sozialpsychologischen Gesetzen funktionierte, die
jedoch eine spezifische NS-Aufladung und Akzentuierung von
Ehre, Unehre („Schande“, „Rassenschande“), Treue und Kameradschaft erfahren hätte.
Deren Kern liege in ihrer „antiuniversalistischen Ausrichtung“.
Der somit als „völkisch“ und
„partikularistisch“ bezeichnete
Wertkodex des Nationalsozialismus, so lautet Gross’ zweite These, sei von der ausufernden Nachkriegsdiskussion über „Schuld“
und „Kollektivschuld“ verschont
worden, der Analyse und Bewältigung somit entzogen worden. Mit
der Folge, daß er selbst noch die
Dramaturgie von Bernd Eichingers Filmepos „Der Untergang“
(2004) und letztlich sogar die
Mentalität der Bundesdeutschen
im 21. Jahrhundert dominiere.
„Völkische Moralvorstellungen“,
auch von „Naturrechts“-Advokaten wie Fritz von Hippel nicht
hinterfragt, wirken also aus Gross’
Perspektive bis in die Gegenwart
fort.
Die Deutschen, so glaubt er,
seien nach wie vor davon überzeugt, für verschiedene Völker
gälten verschiedene moralische
Normen. Da Gross dies aber zum
Axiom der NS-Moral erklärt,
steht kaum verhüllt die Anklage im Raum, dem sporadischen
Wahl-Frankfurter mute man zu,
„unter Nazis“ leben zu müssen.
Kinder des Lichtes – Aus der
Jugend großer Heiliger
V. Yvette Salomon, 658 Rezepte, 432 S.,
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5. Aufl., 213 Seiten, 10 Abb., Pb., € 16.80, Fr. 24.80
Im Gedicht eines Teenagers heißt es: «Wir möchten
sogar an Gott glauben, an einen unendlich starken,
der alles versteht, und der will, dass wir gut sind. ...
Zeigt uns für jeden von uns, der Lärm macht, einen
von Euch, der im Stillen gut ist; lasst Männer auf uns
los, die uns zeigen, wo der Weg ist, nicht mit Worten,
sondern mit ihrem Leben.»
Genau solche Beispiele bringt der Autor in diesem
Buch; hier erzählt er auf spannende Art aus der Jugend großer Heiliger: Aloisius, Prinz von Gonzaga;
Gabriel Possenti, ein Tänzer; Theresia von Lisieux,
die Jugendheilige von Frankreich; Johannes Bosco,
der Bubenkönig von Turin u.v.a. Er zeigt, wie sie die Kraft aufbrachten, sich für das
Gute zu entscheiden. Dies könnte für junge Menschen Ansporn sein, sich Gedanken
über ihren Lebensweg zu machen. Das Buch ist auch für Erwachsene spannend zu lesen.
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