Studienleistung Migrationsrecht Beispiel

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Studienleistung Migrationsrecht Beispiel
Studienleistung - Migrationsrecht
von Victor Reichenberg
FH-Dortmund
14.11.2014
Freizügigkeitsgesetz/EU
Ausreisepflicht eines Unionsbürgers
Ausgangslage
Herr Petrescu (Name geändert), Rumäne, 24 Jahre, immigrierte am 13.03.2014 mit seiner
Familie (Ehefrau und drei Kinder) zur Arbeitssuche nach Bochum. Die Anmeldung der Familie
Petrescu erfolgte am 14.03.2014 beim Einwohnermeldeamt Bochum. Sein Ziel war eine
Erwerbstätigkeit in Deutschland aufzunehmen und seinen Kindern eine gute Schulausbildung
zu ermöglichen.
Die ersten drei Monate
In den ersten drei Monaten besuchte Herr Petrescu einen Sprachkurs, um die deutsche Sprache
zu lernen. In diesem Zeitraum blieb die Arbeitssuche erfolglos. Diese beschränkte sich aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse - auf sein unmittelbares Umfeld, welches aus
Rumänisch sprechenden Nachbarn und dem türkischen Vermieter bestand. Aus dem gleichen
Grund wurde Herr Petrescu von einem Mitarbeiter des Jobcenters abgewiesen. Den
Lebensunterhalt bestritt die Familie durch betteln, Pfandflaschen sammeln und Kindergeld. Zu
diesem Zeitpunkt bestand auch keine Familienkrankenversicherung.
Nach den ersten drei Monate
Nach den ersten drei Monaten beschloss Herr Petrescu Leistungen nach SGB II (ALG II) beim
Jobcenter zu beantragen. Diesmal in Begleitung einer Sprachmittlerin. Wenig später erhielt er
einen Ablehnungsbescheid, da er sich lediglich zur Arbeitssuche in Deutschland befinden
würde.
Die Ausländerbehörde
Das Jobcenter informierte die Ausländerbehörde über die Antragsstellung. Diese überprüfte
daraufhin das Freizügigkeitsrecht von Herrn Petrescu und stellte den Verlust des
Freizügigkeitsrechts fest und
Begründung: Das Recht nach § 2 Absatz 1 FreizügG/EU sei drei Monaten nach der Einreise
nicht mehr gegeben, weil Herr Petrescu die Voraussetzungen gemäß § 4 (ausreichenden
Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel) nicht erfüllte. Dies stellte die
Ausländerbehörde anhand des ALG II-Antrags beim Jobcenter fest und sendete einen Bescheid
mit einer Ausreisefrist.
Herr Petrescu wäre für die Ausländerbehörde gemäß § 7 Abs. 1 nicht aufenthaltsberechtigt und
somit ausreisepflichtig, weil er Leistungen beantragt hat. Doch dazu äußert sich die EU wie
folgt:
„[...] Jedoch dürfen die Mitgliedstaaten die Gewährung dieser Leistungen an nicht
erwerbstätige EU-Bürger weder automatisch verweigern, noch können sie von
vornherein davon ausgehen, dass Personen, die solche Leistungen beantragen,
nicht über ausreichende Mittel verfügen und somit nicht aufenthaltsberechtigt
sind.
Die Behörden sollten die individuelle Situation prüfen und dabei eine Reihe von
Faktoren berücksichtigen, wie den Betrag, die Dauer oder das allgemeine Ausmaß
der Belastung, die eine Leistung für das nationale Sozialhilfesystem bedeuten
würde, und ob sich die betreffende Person nur vorübergehend in einer
schwierigen Situation befindet. Stellen die Behörden auf dieser Grundlage fest,
dass die betreffende Person zu einer übermäßigen Belastung geworden ist,
können sie ihr das Aufenthaltsrecht entziehen.“1
Da bei Herrn Petrescu lediglich die Antragsstellung (und Ablehnung) herangezogen wurde, darf
die Ausländerbehörde - nicht ohne individuelle Prüfung der Situation - das Aufenthaltsrecht
entziehen. Die Ausländerbehörde hätte vorher Nachweise über Existenzmittel und
Krankenversicherungsschutz von Herrn Petrescu verlangen müssen. Abgesehen davon, müsste
geklärt werden, ob Herr Petrescu als „Arbeitssuchender“ (was das Jobcenter bestätigt hat)
überhaupt unter den Status „Nicht erwerbstätige Unionsbürger“ fällt. Denn: Das
Freizügigkeitsgesetzt unterscheidet zwischen Arbeitssuchende und nicht erwerbstätige
Unionsbürger. Für Arbeitssuchende gilt: „Arbeitssuchende dürfen nicht ausgewiesen
werden, wenn sie nachweisen können, dass sie weiterhin und mit begründeter
Aussicht auf Erfolg Arbeit suchen.“²
Demnach müssen nur nicht erwerbstätige Unionsbürger die Voraussetzungen nach §4
FreizügG/EU erfüllen.
Quelle(n):
1 Klarstellung: Deutschland muss nicht allen arbeitslosen EU-Bürgern hierzulande Sozialhilfe
zahlen, vom 10.01.2014, http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/11962_de.htm,
aufgerufen am 15.11.2014
2 Recht auf Arbeitssuche http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=459&langId=de