Einstellungen zu wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Europa –

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Einstellungen zu wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Europa –
ZSR 54 (2008), Heft 2, S. 115-140
© Lucius & Lucius, Stuttgart
Claus Wendt
Einstellungen zu wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Europa –
Wie werden Gesundheitssysteme von den Bürgerinnen und
Bürgern wahrgenommen?
In diesem Beitrag werden Einstellungen zu Gesundheitssystemen in 14 europäischen Ländern
analysiert. Der Fokus ist dabei sowohl auf institutionelle Merkmale von Gesundheitssystemen als
auch auf sozio-ökonomische Merkmale unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen gerichtet. Dabei zeigt
sich, dass eine umfassende Verantwortung des Staates für die Gesundheitsversorgung nach wie vor
eine breite Unterstützung findet. Dagegen ist die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem auf
einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Die Analyse unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen belegt
vor allem die hohe Integrationskraft etablierter nationaler Gesundheitssysteme (NHS-Typus), die
sich in geringen Differenzen zwischen sozio-ökonomischen Gruppen widerspiegelt. Dagegen weisen
die stärker nach beruflichem Status und Einkommen differenzierenden gesetzlichen Krankenversicherungssysteme (GKV-Typus) sowie die spät entwickelten NHS-Systeme größere Unterschiede
zwischen Bevölkerungsgruppen auf. Unabhängig vom Gesundheitssystem-Typ wirkt sich eine höhere
Anzahl an Allgemeinärzten ebenso wie die Einschätzung, dass sich Ärzte ausreichend Zeit bei der
Gesundheitsversorgung nehmen, sehr positiv auf die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem aus.
1.
Einleitung1
In Wohlfahrtsstaaten nimmt der Anteil der Bezieher sozialpolitischer Leistungen zu.
In allen entwickelten Industrieländern mit ausgebauten Wohlfahrtsstaaten steigt der
Anteil älterer Menschen, die in höherem Ausmaß als jüngere Bürgerinnen und Bürger
auf Leistungen des Gesundheitssystems, auf Transferzahlungen der Alterssicherung
und auf weitere soziale Sicherungssysteme angewiesen sind. Außerdem verändert sich
das Unterstützungspotenzial der Familie nicht nur aufgrund sich wandelnder Familienstrukturen, sondern auch durch die steigende Flexibilitätsanforderung des Arbeitsmarktes. Auf der anderen Seite sehen sich politische Akteure unter dem wachsenden Druck, Kostendämpfungsmaßnahmen im Bereich sozialpolitischer Leistungen durchzuführen. In einer Phase, in der sie ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis
stellen müssen, scheinen Wohlfahrtsstaaten die Grenzen ihrer Ausdehnungsfähigkeit
erreicht zu haben. Insbesondere dadurch, dass der hohe Finanzierungsbedarf steigende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge und damit verbunden einen Anstieg
der Lohnnebenkosten zur Folge hatte, werden im Zuge des sich globalisierenden
Wettbewerbs Forderungen nach einer Senkung der Sozialausgaben lauter. Darüber
hinaus wird die Funktionsfähigkeit wohlfahrtsstaatlicher Institutionen kritisch hinterfragt und neben einer reinen Kostensenkung werden strukturelle Reformen in diesem
1 Für die Durchsicht des Manuskripts und Unterstützung bei der Datenanalyse bedanke ich
mich bei Monika Mischke, Michaela Pfeifer und Nadine Reibling.
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Bereich eingefordert oder bereits durchgeführt (Korpi 2003; Taylor-Gooby u. a.
2003). In einer solchen Situation scheinen etablierte gesellschaftliche Gruppen ihren
Einfluss auf sozialpolitische Entwicklungen zu verlieren (Korpi 2003; Pierson 2001).
Wenn es jedoch immer weniger die Machtressourcen etablierter Großgruppen sind,
die ein zentrales Unterstützungspotenzial bestehender wohlfahrtsstaatlicher Institutionen darstellen (Korpi 1978), ist zu vermuten, dass die schwächer werdende Position
dieser Akteure den Weg für einen Abbau sozialpolitischer Institutionen weiter ebnet.
Reformen des Wohlfahrtsstaates können aber auch zu neuen Konflikten und zur
Bildung neuer sozialer Gruppierungen führen (Dahrendorf 1996), die möglicherweise
jedoch sozialpolitische Ziele verfolgen, die von bisherigen Traditionen abweichen.
Zunehmend wird darüber hinaus die Möglichkeit diskutiert, dass sozialpolitische
Leistungen, die über viele Jahre im Rahmen staatlicher Strukturen bereitgestellt wurden, auf nicht-staatliche Akteure und Organisationen übertragen werden (Anheiner/Daly 2006).
Die permanente Diskussion über die Reformbedürftigkeit wohlfahrtsstaatlicher
Leistungssysteme kulminiert letztendlich in der Frage nach der Legitimation des
Wohlfahrtsstaates. Es ist deshalb zu klären, welches Ausmaß an Vertrauen wohlfahrtsstaatliche Institutionen erhalten und ob in dieser Hinsicht systematische Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen zu verzeichnen sind. Um das Ausmaß und
die Muster der Unterstützung wohlfahrtsstaatlicher Institutionen analysieren zu können, ist es erforderlich, nicht nur die subjektiven Einstellungen in den Blick zu nehmen, sondern auch die institutionellen Arrangements, auf die sie gerichtet sind (Zapf
1984).
Auf der Grundlage institutionentheoretischer Annahmen soll in diesem Beitrag
ein Konzept zur Analyse subjektiver Einstellungen zu sozialpolitischen Institutionen
vorgestellt werden. Unter Zuhilfenahme dieses Konzepts wird eine empirische Analyse von Einstellungen durchgeführt, die auf die Gesundheitsversorgung als einen
zentralen Bestandteil des Wohlfahrtsstaates bezogen sind. Wohlfahrtsstaatliche Teilsysteme bieten sich für eine Überprüfung von durch Institutionen geprägten Orientierungsmustern besonders an, da sie für weite Teile der Bevölkerung von zentraler
und teilweise existenzieller Bedeutung sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie
handlungsrelevant sind und z. B. bei der Inanspruchnahme von Leistungen entsprechende Handlungsmuster zur Folge haben (Gelissen 2002; Svallfors 1997). Daraus
ergeben sich für die Vorgehensweise zwei wesentliche Anforderungen: Erstens ist die
Analyse auf spezifische wohlfahrtsstaatliche Institutionen auszurichten und nicht
(nur) auf den Wohlfahrtsstaat insgesamt, da nur im ersteren Fall der Handlungskontext hinreichend genau abgegrenzt ist. Zweitens ist eine vergleichende Analyse erforderlich, da sich dadurch Orientierungsmuster in Bezug auf wohlfahrtsstaatliche Institutionen in unterschiedlichen Kontexten überprüfen lassen. Diese Anforderungen
verlangen somit eine vergleichende Analyse spezifischer wohlfahrtsstaatlicher Arrangements; eine Abgrenzung von Wohlfahrtsstaaten, beispielsweise nach der von
Esping-Andersen (1990) vorgeschlagen Typologie, reicht für diesen Zweck nicht aus.
Neben der Frage, inwieweit sich das allgemeine Niveau der Einstellungen zu
Gesundheitssystemen im Ländervergleich unterscheidet, wird in dem Beitrag vor
allem untersucht, ob im Vergleich europäischer Gesundheitssysteme systematische
Einstellungsunterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen zu erkennen sind. Diese
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Frage ist relevant, da in Gesundheitssystemen zentrale Solidaritätsbeziehungen mit
weitreichenden Umverteilungen (zwischen Gesunden und Kranken, jüngeren und
älteren Menschen, höheren und niedrigeren Einkommensgruppen sowie EinPersonen-Haushalten und Familienhaushalten) verankert sind. In dem vorliegenden
Beitrag wird analysiert, inwieweit diese institutionalisierte Solidarität in der Bevölkerung Unterstützung findet und ob hierbei spezifische Unterschiede zwischen Gesundheitssystemen zu erkennen sind.
Im Folgenden werden zunächst Zusammenhänge zwischen einer institutionentheoretisch angeleiteten Wohlfahrtsstaatsforschung und der Einstellungsforschung diskutiert, um vor diesem Hintergrund die zentralen Hypothesen zu entwickeln (Abschnitt 2). Daran anschließend wird ein Analysekonzept zur Untersuchung
subjektiver Einstellungen vorgestellt (Abschnitt 3). Auf Grundlage dieser auf den
Wohlfahrtsstaat insgesamt bezogenen Überlegungen werden für 14 Mitgliedsstaaten
der Europäischen Union mit Hilfe des Eurobarometer-Surveys Einstellungen in
Bezug auf das wohlfahrtsstaatliche Teilsystem der Gesundheitsversorgung analysiert
(Abschnitt 4). Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und unter Bezugnahme auf die forschungsleitenden Hypothesen diskutiert (Abschnitt 5).
2.
Institutionentheorie und Einstellungsforschung
Der Wohlfahrtsstaat ist aus institutionentheoretischer Perspektive als Lösungsversuch für Probleme anzusehen, die weder durch Individuen und ihre Familien noch
über Marktprozesse vollständig gelöst werden können. Die Neubildung bzw. der
Wandel von Institutionen zur Verarbeitung veränderter gesellschaftlicher Problemlagen führt zu einer zunehmenden Differenzierung und damit Modernisierung von
Gesellschaften. Institutionentheoretische Ansätze verfügen somit über einen dynamischen Kern: Die zentrale Frage ist auf den Wandel von Gesellschaften ausgerichtet –
eine Perspektive, die bei der Analyse von Institutionen häufig vernachlässigt wurde.
In der Regel wird die Stabilität, nicht aber die Dynamik von Institutionen hervorgehoben.
Bezieht man sich bei der Arbeit mit institutionentheoretischen Ansätzen auf
Max Weber, so lässt sich dieser Fokus nicht aufrechterhalten (Albert u. a. 2003). Die
Dynamik von Institutionen ist danach insbesondere auf die beständigen Konflikte
zwischen und innerhalb von institutionellen Ordnungen zurückzuführen (Lepsius
2003). Auch die Errichtung des Wohlfahrtsstaates erfolgte entlang einer zentralen
gesellschaftlichen Konfliktlinie – der zwischen Arbeit und Kapital (Pappi 1977; Roller
1992) – und erst seit Anfang der 1950er Jahre bildete sich in den meisten westeuropäischen Ländern ein Konsens über den Wohlfahrtsstaat heraus, der von Dahrendorf
(1979) als ‚sozialdemokratischer Konsens‘ bezeichnet wurde. Als Folgewirkung der
Ölpreiskrisen der 1970er Jahre und vor allem im forcierten Globalisierungsprozess
seit Beginn der 1990er Jahre droht diese grundsätzliche Zustimmung zum Wohlfahrtsstaat aufzubrechen (Pierson 2001). Es entstehen neue Konflikte, die darauf
ausgerichtete institutionelle Lösungen erforderlich machen.
Verhaltensrelevanz erhalten Institutionen zum einen durch den – teilweise über
Normen vermittelten – Zwang, der von ihnen ausgeht und der durch Sanktionen
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verstärkt werden kann (Ingram/Clay 2000; Scott 1995). Verhaltensrelevant werden
sie zum anderen durch die Herausbildung von Kriterien und Anreizstrukturen, an
denen Individuen ihre Präferenzen ausrichten und die im Fall positiver Erfahrungen
ihre Handlungen in vergleichbaren Situationen wiederholen (DiMaggio/Powell 1991;
Hall/Taylor 1996; Lepsius 1997). Über erfüllte Verhaltenserwartungen kann, selbst
wenn die konkreten institutionellen Regelungen und Verfahren nicht bekannt sind,
Vertrauen in eine Institution aufgebaut werden (Lepsius 1997).
Auch bei wohlfahrtsstaatlichen Institutionen wird angenommen, dass Vertrauensbildungsprozesse und die Unterstützung des Wohlfahrtsstaates mit dem jeweiligen
institutionellen Design zusammenhängen (Arts/Gelissen 2002; Esping-Andersen
1990; Gelissen 2002; van Oorschot 2006; Wendt 2003a). Die Ausdifferenzierung
wohlfahrtsstaatlicher Institutionen führt dazu, dass die Absicherung in sozialen Krisensituationen immer komplexer wird. Sozialpolitische Leistungssysteme, bei denen
der Einzelne weder den Prozess der Leistungsbereitstellung noch deren zukünftige
Leistungsfähigkeit beurteilen kann, sind auf ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung
angewiesen. Die Bedeutung von Vertrauen für gesellschaftliche Prozesse (Coleman
1990; Rothstein 2001) ist nach Taylor-Gooby deshalb auch bei wohlfahrtsstaatlichen
Analysen zu berücksichtigen.
Modern welfare states represent an important way of handling future uncertainties. They depend to a considerable extent on social trust. If people are not confident that welfare institutions will deliver, better than alternatives, what they
may need they may be less willing to support them in elections and pay taxes to
finance them (Taylor-Gooby 2005: 218).
Hieraus ergeben sich nach Rothstein zwei miteinander zusammenhängende soziale
Dilemmata:
The first is with the government: will the state actually, when the day comes, deliver what it has promised to deliver? For individuals, many things provided by
the welfare state have long-term horizons [...]. So the individual has to consider
whether he can trust not only the current government, but also any future government. The second dilemma is with all other citizens: will they finally support
the system or are they more likely to cheat and avoid paying taxes? And will they
try to undermine the system by claiming benefits they are not entitled to, or will
they play by the rules? (Rothstein 2001: 222).
Es hängt, so können diese Ausführungen zusammengefasst werden, von dem Design
wohlfahrtsstaatlicher Institutionen ab, ob diese eine Investition in gesellschaftliches
Vertrauen darstellen und eine positive Zukunftserwartung fördern oder nicht.
Vertrauen dient somit einer Reduktion von Komplexität (Preisendörfer 1995),
was im Bereich der Gesundheitsversorgung, bei der es um die Bereitstellung lebenswichtiger medizinischer Leistungen geht und Leistungserbringer einen hohen Spezialisierungsgrad aufweisen, von hoher Bedeutung ist. Patientinnen und Patienten müssen
sowohl dem einzelnen Arzt als auch dem Gesundheitssystem insgesamt vertrauen,
dass im Krankheitsfall die erforderlichen Leistungen zur Verfügung gestellt werden
(Calnan/Sanford 2004; Kuhlmann 2006). Institutionenvertrauen entsteht vor allem
über positive Erfahrungen mit einer Institution und es wird erwartet, dass sich die
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erfahrenen Ergebnisse in einer vergleichbaren Situation wiederholen. Vertrauen kann
sich jedoch auch über eine Zustimmung zu den Wertvorstellungen (z. B. Chancengleichheit) bilden, die mit einer Institution verbunden werden (Lepsius 1997). Empirische Analysen sollten sich somit auf beide möglichen Bezugspunkte des Institutionenvertrauens beziehen (siehe 3.1).
Diese Überlegungen stehen im Einklang mit Annahmen, nach denen Institutionen Wahrnehmungsmuster prägen und so zur Interessenformierung beitragen. „[I]t
can be argued that major welfare-state institutions are likely to be of relevance for the
formation of values, attitudes, and interests among citizens“ (Korpi 2003: 598). Ausgehend von diesen Überlegungen wird analysiert, ob sich Gesundheitssysteme in
Bezug auf die gemessenen Wahrnehmungsmuster systematisch unterscheiden (These
institutioneller Unterschiede). Richtet man den Fokus auf die Form der Institutionalisierung, kann u. a. die These aufgestellt werden, dass Systeme, die bei der Absicherung
nach Einkommenshöhe und/oder beruflichem Status differenzieren, auch eine entsprechend unterschiedliche Zustimmung durch die jeweiligen Bevölkerungsgruppen
erhalten, während universelle Systeme eine Vereinheitlichung der Interessen zur
Folge haben und somit über unterschiedliche Bevölkerungsgruppen hinweg eine
einheitliche Zustimmung erfahren (Korpi/Palme 1998). Dadurch, dass in der Regel
die gesamte Bevölkerung integriert ist, erhalten universelle Systeme das höchste Ausmaß
an Unterstützung in der Bevölkerung (Korpi/Palme 1998). Dagegen finden selektive
Systeme trotz ihres niedrigen Ausgabenvolumens eine geringere Zustimmung. Das
bedeutet beispielsweise, dass Gesundheitssysteme trotz ihres deutlich höheren Ausgabenniveaus eine sehr viel stärkere Unterstützung finden sollten als bedürftigkeitsgeprüfte Sicherungssysteme gegen Armut. Doch auch bei einer vergleichenden Analyse von Gesundheitssystemen müssten Differenzen in den Einstellungsmustern
erkennbar sein. Universelle Systeme wie der britische National Health Service (NHS)
sollten danach durch die Bevölkerung einheitlich wahrgenommen werden, während
Gesundheitssysteme, bei denen wie in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zwischen sozioökonomischen Gruppen unterschieden wird, auch entsprechende Unterschiede in Bezug auf die Wahrnehmung zur Folge haben müssten.
Hierbei wird der Fokus sowohl auf die Frage gerichtet, ob in Gesundheitssystemen
eine reduzierte Unterstützung der Mittelschicht zu erkennen ist (siehe zur MittelschichtThese z. B. Pierson 2001; Taylor-Gooby 1999), als auch auf die Frage, wie Gesundheitssysteme von Bevölkerungsgruppen wahrgenommen werden, die von der Form
ihrer Institutionalisierung besonders profitieren (siehe zur Leistungsempfänger-These
z. B. Korpi 2003; Svallfors 2004).
3.
Analysekonzept und Daten
3.1 Konzept
Einen Anknüpfungspunkt für die Zusammenführung institutionentheoretischer
Problemstellungen und Fragen zu sozialen Einstellungen bietet eine Konzeptualisierung von Roller (1992). Roller baut auf eine Differenzierung von Flora, Alber und
Kohl (1977) auf, die Wohlfahrtsstaaten danach unterscheiden, inwieweit diese in der
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Lage sind, die Wertvorstellungen der sozioökonomischen Sicherheit und sozioökonomischen Gleichheit zu ‚realisieren‘. Während beim Prinzip der sozioökonomischen
Sicherheit individuelle Nutzenüberlegungen im Vordergrund stehen würden, so Roller (1992), seien es beim Prinzip der sozioökonomischen Gleichheit allgemeine, über
individuelle Interessen hinausgehende Wertüberzeugungen. Auf dieser Grundlage,
und dabei bezieht sich Roller insbesondere auf Easton (1965), wird zwischen Zielen
und Folgen wohlfahrtsstaatlicher Politik unterschieden.
Schaubild 1: Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat
Einstellungsobjekte
Einstellungsdimensionen
Ziele / Wertvorstellungen
Extensität
Umfang / Ausdehnung
staatlicher Zuständigkeit
Intensität
Ausmaß staatl. Handelns
bei gegebener Zuständigkeit
Wohlfahrtsstaatliche
Institutionen
Folgen /
Ergebnisse
Intendierte Folgen
Realisierung sozioökonom.
Sicherheit / Gleichheit
Nichtintendierte Folgen
Außerhalb liegende Folgen,
wie z.B. Missbrauch
Quelle: eigene Darstellung nach Roller (1992)2
In diesem Konzept werden folglich zwei Einstellungsdimensionen voneinander abgegrenzt (siehe Schaubild 1): 1. Ziele, die sich weiter danach differenzieren lassen, für
welche Bereiche der Staat die Sicherstellung wohlfahrtsstaatlicher Leistungen übernehmen soll (Extensität) und wie weitreichend diese Kompetenzen bei gegebener
staatlicher Zuständigkeit sein sollen (Intensität); 2. Folgen, bei denen sich intendierte
und nicht-intendierte Folgen voneinander abgrenzen lassen (Andreß u. a. 2001; Roller
1992). Hierbei sind erhebliche Übereinstimmungen mit institutionentheoretischen
Ansätzen festzustellen. Außerdem bestehen Überschneidungen mit Konzepten, in
denen eine allgemeine Unterteilung von Orientierungsmustern vorgenommen wird,
2 Anmerkung zum Schaubild 1: Als dritte Einstellungsdimension führt Roller (1992) ‚Mittel
zur Realisierung sozioökonomischer Gleichheit und Sicherheit‘ an, wobei sie zwischen
kurzfristigen Programmen und langfristigen Institutionen differenziert. Im Unterschied zu
Roller werden in der hier verwendeten Konzeption die ‚Mittel‘ (also wohlfahrtsstaatliche
Teilsysteme) nicht als Einstellungsdimension, sondern als Einstellungsobjekte definiert,
denen unterschiedliche Wertvorstellungen zugrunde liegen und die unterschiedliche Ergebnisse herbeiführen.
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die auf Werte/Normen einerseits und Eigeninteresse andererseits rekurrieren (Gelissen 2002; Svallfors 1997; Wendt 2003b).
Bezogen auf das Gesundheitssystem und vor allem vor dem Hintergrund eines
möglichen Rückzugs des Staates aus Teilbereichen der Gesundheitsversorgung ist
somit zu fragen, welcher Umfang und welche Intensität an staatlicher Zuständigkeit
in der Gesundheitsversorgung durch die Bürgerinnen und Bürger befürwortet werden. Da Leistungen des Gesundheitssystems für jeden Einzelnen jederzeit von existenzieller Bedeutung sein können (Field 1989), ist zu erwarten, dass ein hohes Ausmaß an Extensität und Intensität eingefordert werden. Dagegen ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse von Gesundheitssystemen zunehmend kritisch bewertet
werden. Beispielsweise stellen steigende private Zuzahlungen nicht nur eine Belastung für den Einzelnen dar, sondern können auch das Ziel einer Realisierung gleicher
Zugangschancen zur Gesundheitsversorgung (sozioökonomische Gleichheit) beeinträchtigen.
3.2 Datenbasis
In die Analyse werden 14 Länder einbezogen, die bereits vor dem Jahr 2004 Mitglied
der Europäischen Union waren (Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien,
Schweden, Großbritannien).3 Diese Auswahl umfasst sowohl unterschiedliche Wohlfahrtsregime (Esping-Andersen 1990; Hicks/Esping-Andersen 2005) als auch unterschiedlich ausgestaltete Gesundheitssysteme (Freeman/Moran 2000; Wendt 2003a),
so dass die Wirkungen verschiedener institutioneller Arrangements vergleichend
analysiert werden können.
Bei der empirischen Analyse subjektiver Einstellungen wird auf den Eurobarometer-Survey zurückgegriffen. Der Eurobarometer-Survey ist eine repräsentative
Bevölkerungsumfrage der Wohnbevölkerung über 15 Jahre. Für die jeweilige Befragung wird der gleiche Fragebogen verwendet, der nach professionellen Standards
vom Englischen in die jeweilige Landessprache übersetzt wird. Der EurobarometerSurvey ist zum jetzigen Zeitpunkt die einzige international vergleichende Umfrage,
die sowohl Items für eine Analyse des gewünschten Ausmaßes staatlicher Zuständigkeit als auch Items zur Überprüfung der Zufriedenheit mit den Ergebnissen von
Gesundheitssystemen enthält.4 Die Analyse basiert auf dem Eurobarometer (EB)
57.2, der im Jahr 2002 erhoben wurde.
3
4
Luxemburg wurde von der Analyse ausgeschlossen, da die Stichprobe nur 600 Personen
umfasst und es sich bei knapp 30 Prozent der Befragten um Ausländer handelt. Für die
übrigen Länder beträgt der Stichprobenumfang jeweils etwa 1.000 Personen. Davon abweichend umfasst die Stichprobe für Deutschland jeweils 1.000 Personen in West- und
Ostdeutschland und für das Vereinigte Königreich 1.000 in Großbritannien und 300 in
Nordirland. In den Datenanalysen sind West- und Ostdeutschland getrennt aufgeführt, da
nach wie vor hohe Unterschiede in den Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat in den alten
und neuen Bundesländern nachgewiesen werden (Roller 2002). Außerdem werden die Daten für Großbritannien, nicht jedoch für Nordirland einbezogen.
Weitere Datensätze, die international vergleichbare Daten zu Gesundheitssystemen vorlegen, sind das International Social Survey Programme (ISSP; http://www.issp.org/da-
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3.2.1
Operationalisierung der abhängigen Variablen
Als abhängige Variablen werden die gewünschte Extensität, also der Umfang staatlicher Zuständigkeit, sowie die Zufriedenheit mit den Ergebnissen von Gesundheitssystemen herangezogen.5 Zur Bestimmung der Extensität wird das Item verwendet:
„Der Staat oder die Sozialversicherung sollte jeden nur mit einer Grundversorgung,
wie z. B. der Versorgung bei schweren Erkrankungen, ausstatten und die Bevölkerung ermutigen, in anderen Belangen für sich selbst zu sorgen“ (EB 57.2/2002, Q6).
Die Antwortkategorien lauten „stimme voll und ganz zu“, „stimme eher zu“, „stimme weder zu noch lehne ab“, „lehne eher ab“, „lehne voll und ganz ab“. Eine Ablehnung dieser Aussage wird als Zustimmung zu einer Verantwortung des Staates für
eine umfassende Gesundheitsversorgung gewertet (Gelissen 2002; Wendt 2003b). Ein
hoher Wert entspricht also einem hohen Ausmaß an Zustimmung zu einer umfassenden Verantwortung des Staates.
Zur Messung der Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem wird ein additiver
Index aus zwei Items gebildet:
(1) „Sagen Sie mir bitte jeweils für die folgenden Bereiche, ob Sie damit sehr zufrieden, ziemlich zufrieden, weder zufrieden noch unzufrieden, nicht sehr zufrieden
oder überhaupt nicht zufrieden sind: [...d]as Gesundheitssystem in Deutschland“
(EB 57.2/2002, Q4).
(2) „Ich lese Ihnen jetzt vier Aussagen dazu vor, wie die Gesundheitsversorgung in
Ihrem Land funktioniert. Welche davon kommt Ihrer persönlichen Auffassung
am nächsten?
•
•
•
•
5
Alles in allem gesehen funktioniert das Gesundheitssystem gut.
Es gibt einiges, das in der Gesundheitsversorgung gut funktioniert, und kleine Änderungen würden ausreichen, um sie zu verbessern.
Es gibt einiges, das in der Gesundheitsversorgung gut funktioniert, aber nur
grundlegende Änderungen würden sie wirklich verbessern.
Das Gesundheitssystem funktioniert so schlecht, dass wir es völlig umstrukturieren müssen“ (EB 57.2/2002, Q7).
ta.htm), die European Values Study (EVS; http://www.europeanvalues.nl) oder der European Social Survey (ESS; http://www.europeansocialsurvey.org). Zum gegenwärtigen
Zeitpunkt weist jedoch bspw. der ESS keine Items auf, mit Hilfe derer die Extensität staatlicher Zuständigkeit im Bereich der Gesundheitsversorgung erfasst werden kann.
Es wurde für beide Dimensionen überprüft, ob als abhängige Variable jeweils ein Index
aus mehreren Items gebildet werden kann. In Bezug auf die Zufriedenheit haben Analysen
ergeben, dass über alle Länder hinweg die im Folgenden dargestellten Items hoch auf demselben Faktor laden, aus denen ein additiver Index gebildet wurde. Für den Bereich ‚Extensität‘ zeigen – anders als bei Gelissen (2002: 144), der Daten des EB 44.3 verwendet –
Reliabilitätsanalysen sowie Faktoranalysen, dass nicht von einer einheitlichen Faktorstruktur über die Länder hinweg ausgegangen werden kann. Außerdem ist das von Gelissen
verwendete Item („Es ist unmöglich für einen Staat oder ein öffentliches oder privates
Krankenversicherungssystem, alle neuen medizinischen Behandlungen und Technologien
zu bezahlen“) auch aus inhaltlichen Gründen auszuschließen, da es sich nicht nur auf die
Rolle des Staates, sondern auch auf die Leistungsfähigkeit privater Absicherungsformen
bezieht.
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Aufgrund einer unterschiedlichen Anzahl von Antwortkategorien wurden die Antwortskalen vor der Bildung des additiven Indexes auf Werte zwischen 0 und 1 standardisiert. Ein Wert von 1 steht dabei für eine hohe Zufriedenheit.
3.2.1
Operationalisierung der unabhängigen Variablen
Zur Überprüfung der These, dass unterschiedlich ausgestaltete Gesundheitssysteme
zu unterschiedlichen Wahrnehmungsmustern führen, wird zunächst im Rahmen einer
deskriptiven Analyse im Ländervergleich überprüft, welche Merkmale von Gesundheitssystemen einen Einfluss auf Einstellungen zum Gesundheitssystem haben. Dabei werden folgende Variablen herangezogen: Die Höhe der Gesundheitsausgaben
(pro Einwohner und in Prozent des BIP), da höhere Gesundheitsausgaben unter
anderem damit gerechtfertigt werden, dass dadurch die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems verbessert wird. Als ein Indikator für das eingesetzte Personal wird
die Anzahl der Allgemeinärzte (je 1.000 Einwohner) herangezogen. Die Anzahl der
Allgemeinärzte gilt als wichtiger Indikator für das Leistungsniveau in einem Land, da
durch sie ein Großteil der Gesundheitsleistungen veranlasst wird und Patienten häufig von ihnen an weitere Leistungserbringer überwiesen werden (OECD 1994). Die
Höhe der privaten Selbst- und Zuzahlungen (in Prozent der Gesamtausgaben für
Gesundheit) werden herangezogen, um das Ausmaß der ‚Privatisierung‘ des Krankheitsrisikos (Hacker 2004) abzubilden. Schließlich wird auf die Höhe der öffentlichen
Gesundheitsausgaben (pro Einwohner und in Prozent der Gesamtausgaben) zurückgegriffen, um das Interventionspotenzial des Staates (Alber 1988) im Gesundheitssystem zu bestimmen.
Unter Berücksichtigung dieser institutionellen Indikatoren werden daran anschließend in einer multivariaten Analyse Einstellungen unterschiedlicher sozialer
Gruppen überprüft. Zunächst werden Gruppen unterschieden, die einem unterschiedlich hohen Risiko unterliegen, Leistungen des Gesundheitssystems in Anspruch
nehmen zu müssen. Eine hohe Leistungsinanspruchnahme ist zum einen älteren
Menschen und zum anderen denjenigen zuzuschreiben, die ihren Gesundheitszustand
als schlecht einstufen. In Bezug auf das Alter bilden über 65-Jährige die Referenzkategorie, und jüngere Menschen (unter 20 Jahre) werden von Menschen im Erwerbsalter zwischen 20 und 65 unterschieden. Der Gesundheitszustand wird über eine dichotome Variable abgebildet. Die Antworten „gut“ oder „sehr gut“ auf die Frage:
„Insgesamt gesehen, war Ihre Gesundheit in den letzten 12 Monaten sehr gut, gut,
einigermaßen, schlecht oder sehr schlecht?“ werden mit 1 kodiert, alle anderen Antworten mit 0. Des Weiteren wird auf die Einkommensposition der befragten Haushalte zurückgegriffen. Da bei der direkten Frage nach dem Haushaltseinkommen
viele Befragte keine Auskunft erteilt haben, wurde stattdessen zur Bestimmung der
Einkommensposition die Frage: „Wie gut kommen Sie mit Ihrem Haushaltseinkommen aus?“ verwendet. Befragten, die „komme gut aus“ oder „komme sehr gut aus“
antworten, wurde eine 1 zugewiesen, alle anderen Befragten erhielten eine 0. Auf
Basis der Europäischen sozio-ökonomischen Klassifikation (ESeC) werden außerdem
fünf soziale Klassen unterschieden. Die ESeC-Klasse 1 enthält Personen aus den
Dienstklassen (‚Higher and lower salariat‘), ESeC 2 fasst den Kreis der mittleren
Angestellten sowie Arbeiter mit Vorgesetztenfunktion zusammen (‚Higher grade
white and blue collar workers‘), ESeC 3 enthält das Kleinbürgertum und die Selbst-
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ständigen (‚Petty bourgeoisie or independents‘), ESeC 4 die nichtmanuellen Angestellten (‚Lower grade white collar workers‘) und ESeC 5 die Arbeiter (‚Skilled, semiand non-skilled workers‘). ESeC 4 und 5 bilden in den Analysen die Referenzkategorie. Rentner bzw. Pensionäre sowie Hausfrauen/-männer werden entsprechend ihrer
zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit klassifiziert (vgl. Harrison/Rose 2006; Müller u. a. 2006). Schließlich wird in den multivariaten Analysen ein Item einbezogen,
das Aufschluss über die institutionelle Ausgestaltung einer zentralen Schaltstelle der
Gesundheitsversorgung, das Arzt-Patienten-Verhältnis, gibt. Hierfür wird die positive
Bewertung der Zeit kontrolliert, die Ärzte bei der Behandlung aufwenden. Eine Ablehnung der Aussage „Ärzte nehmen sich nicht genug Zeit mit einem, wenn man sie
aufsucht“ wird mit 1 kodiert, Befragte, die der Aussage zustimmen oder unentschieden sind, erhalten eine 0.
Im folgenden Abschnitt werden Forschungsergebnisse zu sozialpolitischen Einstellungen kurz diskutiert, gefolgt von einer deskriptiven Analyse von Einstellungen
in unterschiedlich institutionalisierten Gesundheitssystemen (4.1) und einer multivariaten Analysen von Einstellungen unterschiedlicher sozio-ökonomischer Gruppen
(4.2).
4.
Analyse von Einstellungen zu Gesundheitssystemen
Inzwischen liegen eine Reihe international vergleichender Analysen von subjektiven
Einstellungen vor, die auf den Wohlfahrtsstaat insgesamt bezogen sind (Borre/Scarbrough 1995; Coughlin 1979; Gelissen 2002; Mau 2001; Svallfors 1997, 2002,
2004). Dabei erweisen sich zentrale Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat und insbesondere diesbezügliche Wertvorstellungen als verhältnismäßig stabil. Diese Feststellung, die bereits von Coughlin (1979) auf der Grundlage von Anfang der 1970er Jahre
erhobenen Daten getroffen wurde, konnte in neueren Studien bestätigt werden (Gelissen 2002; Taylor-Gooby 1999). Es zeigt sich außerdem, dass eine systematische
Polarisierung zwischen Mitgliedern der Mittelschicht einerseits und Leistungsempfängergruppen andererseits nicht zu erkennen ist (Svallfors 1997, 2004). Auch spiegeln sich die von Esping-Andersen (1990) angenommenen Klassenkonflikte nicht
systematisch in den subjektiven Einstellungsdaten wider. Danach müssten die größten Unterschiede zwischen sozialstrukturellen Gruppen im ‚liberalen‘ Wohlfahrtsstaat
zu verzeichnen sein, während Einstellungen im ‚sozialdemokratischen‘ Wohlfahrtsstaat verhältnismäßig homogen sein sollten. Svallfors (2004) stellt jedoch die größten
Unterschiede zwischen sozialen Klassen in Schweden (sozialdemokratischer Typus)
und die geringsten Unterschiede in den Vereinigten Staaten (liberaler Typus) fest.
Auch zeigt sich keine je nach Wohlfahrtsstaats-Typus stark voneinander abweichende
Zustimmung durch die Bevölkerung (Gelissen 2002). Allerdings weist Svallfors (1996,
1998; in Rothstein 2001) anhand von schwedischen Daten erhebliche Differenzen
zwischen einzelnen wohlfahrtsstaatlichen Institutionen nach, wobei für universelle
Leistungssysteme die stärkste Zustimmung zu verzeichnen ist, während in Bezug auf
selektive Systeme das geringste Ausmaß an Unterstützung zu erkennen ist.
Das bestätigen auch vergleichende Analysen von Einstellungen zu Gesundheitssystemen, in denen hohe Zustimmungswerte in EU-Ländern nachgewiesen werden
Einstellungen zu wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Europa
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(Gelissen 2002; Marmor u. a. 2006; Mossialos 1997). Im Jahr 1996 ist die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem dabei nahezu unabhängig von der relativen Höhe
der Gesundheitsausgaben (in Prozent des BIP). Auffällig ist allerdings die vergleichsweise geringe Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem in den südeuropäischen
Ländern Spanien, Portugal, Italien und Griechenland (Kohl/Wendt 2004). Gelissen
misst im Bereich der Gesundheitsversorgung außerdem ein hohes Ausmaß an Solidarität. Auch die Unterstützung des Gesundheitssystems ist danach weitgehend unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse oder von der Einkommenshöhe:
[A] moral commitment to the public good outweighs self-interest as a motive
for the overwhelming support for public health care services in the European
Community (Gelissen 2002: 162).
Hierbei sind jedoch zwei zentrale Punkte zu berücksichtigen. Erstens stützen sich die
genannten Texte auf Daten, die Mitte der 1990er Jahre erhoben wurden. In einer
Reihe von Ländern haben sich die Häufigkeit und Intensität von Gesundheitsreformen seit Anfang der 1990er Jahre erhöht und die dabei erfolgte Kombination aus
Leistungseinschränkungen und Erhöhungen privater Zuzahlungen kann sich in der
Wahrnehmung der Bürgerinnen und Bürger langfristig negativ widerspiegeln (Mossialos 1997). Zweitens bezieht sich die Zustimmung zum Gesundheitssystem auf zwei
unterschiedliche Fragen, die nicht immer deutlich voneinander unterschieden werden:
zum einen, ob der Staat eine umfassende Verantwortung im Bereich der Gesundheitsversorgung wahrnehmen soll und zum anderen, wie zufrieden die Bürgerinnen
und Bürger mit ihrem Gesundheitssystem sind. In der Terminologie von Roller
(1992) betrifft der erste Aspekt die Extensität, also das Ausmaß an gewünschter staatlicher Zuständigkeit, und der zweite Aspekt die Folgen bzw. die Zufriedenheit mit
den Ergebnissen des Gesundheitssystems.
Betrachtet man Veränderungen von Einstellungen über die Zeit, so zeigt sich,
dass 1996 eine hohe Zustimmung sowohl in Bezug auf das Ausmaß an staatlicher
Verantwortung als auch in Bezug auf die Ergebnisse zu verzeichnen war. Im Jahr
2002 hat sich demgegenüber der Wunsch nach einer zentralen Rolle des Staates im
Bereich der Gesundheitsversorgung weiter gesteigert, während die Zufriedenheit mit
der Gesundheitsversorgung deutlich gesunken ist (siehe EB 44.3/1996; EB
57.2/2002). Inzwischen ist die Anzahl derjenigen, die mit dem Gesundheitssystem
unzufrieden sind, größer als die Anzahl derjenigen, die sich zufrieden äußern.
4.1 Unterschiede zwischen Gesundheitssystemen
Die Frage der gewünschten staatlichen Zuständigkeit sowie der Zufriedenheit mit
dem Gesundheitssystem wird zunächst im Ländervergleich untersucht. Dabei wird
angenommen, dass es bestimmte institutionelle Merkmale der Gesundheitssysteme
sind, die dazu führen, dass der Wunsch nach einer umfassenden staatlichen Gesundheitsversorgung (und somit einer solidarischen Finanzierung) besonders stark ausgeprägt bzw. die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem besonders hoch ist.
Die allgemeinen Kategorien ‚NHS-System‘ (Dänemark, Finnland, Griechenland,
Irland, Italien, Portugal, Spanien, Schweden und Großbritannien) und ‚GKV-System‘
(Belgien, Deutschland, Frankreich, Niederlande und Österreich) sind für eine solche
126
Claus Wendt
Analyse weiterhin von Bedeutung. In NHS-Systemen sind vor allem die Ideen eines
universellen Deckungsgrades sowie eines chancengleichen Zugangs zur Gesundheitsversorgung verankert. Dagegen war bei der Institutionalisierung von GKV-Systemen
der Gedanke der sozialen Sicherheit von zentraler Bedeutung, der zunehmend als
Statussicherheit interpretiert wurde (Wendt 2008). Das Prinzip, dass über Beitragszahlungen Ansprüche auf Leistungen im Krankheitsfall erworben werden, lässt den
Ausschluss von Teilen der Bevölkerung ausdrücklich zu. Dadurch ist das Prinzip der
Selektivität in GKV-Systemen enthalten, das allerdings vor allem seit den 1970er
Jahren durch den ansteigenden Deckungsgrad aufgeweicht wurde. Die bisherige
Forschung hat gezeigt, dass diese Kategorien nicht ausreichen, um Einstellungsunterschiede im Ländervergleich zu erklären (Gelissen 2002; Kohl/Wendt 2004; Mossialos
1997). Aus diesem Grund werden in diesem Abschnitt zusätzlich weitere mögliche
Einflussfaktoren zur Erklärung von Einstellungsunterschieden herangezogen. Diese
hängen teilweise – aber nicht durchgehend – mit dem jeweiligen Gesundheitssystemtyp zusammen. So wird beispielsweise in NHS-Systemen die Anzahl der Ärzte in der
Regel stärker staatlich reguliert und auch die Gesundheitsausgaben unterliegen einer
stärkeren staatlichen Kontrolle als in GKV-Systemen.
Schaubild 2: Staatliche Verantwortung im Gesundheitssystem, 2002
0,9
Zustimmung zu umfassender__
staatlicher Verantwortung
0,8
0,7
0,6
0,77
0,73 0,72 0,71
0,71 0,69
0,66 0,66 0,65 0,64
0,61 0,61
0,58 0,58
0,55
0,5
0,4
0,3
0,2
0,1
Sc
De
hw
ut
ed
sc
e
hl
an n
d
Dä Ost
ne
m
ar
k
Ita
lie
Sp n
an
G
rie
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n
G Por
ro
tu
ßb
ga
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l
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De
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a
hl
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d
W
es
Ö
t
st
er
re
ic
h
Irl
an
Ni
ed
d
er
la
nd
e
0,0
Quelle: Eurobarometer 57.2/2002
Um für den Ländervergleich einheitliche Skalen verwenden zu können, wurde für das
gewünschte Ausmaß an Extensität und für die Zufriedenheit jeweils der Mittelwert
gebildet und auf Werte zwischen 0 und 1 standardisiert. Der Wert 1 steht somit für
das höchste und der Wert 0 für das niedrigste Ausmaß an gewünschter staatlicher
Einstellungen zu wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Europa
127
Zuständigkeit. Bei der Analyse der Extensität zeigt sich, dass die Werte besonders
hoch in Schweden, Ostdeutschland, Dänemark, Italien und Spanien sind, während
sich die Niederlande, Irland, Österreich und Westdeutschland am unteren Ende der
Länderskala befinden. Bis auf Ostdeutschland sind es folglich NHS-Systeme, in denen der Wunsch nach einer umfassenden staatlichen Verantwortung besonders ausgeprägt ist, und bis auf Irland sind es GKV-Systeme, in denen die Gruppe derjenigen
etwas größer ist, die der Auffassung sind, der Staat solle sich auf eine Grundversorgung zurückziehen. Im Folgenden werden als weitere mögliche Einflussfaktoren die
Höhe der Gesundheitsausgaben, der öffentliche Finanzierungsanteil, die Höhe privater Zuzahlungen sowie die Anzahl der Allgemeinärzte analysiert (siehe Tabelle 1).
Hierbei zeigt sich, dass zwischen der Höhe der Gesundheitsausgaben (in Prozent des
BIP bzw. in US$ je Einwohner) und der Einforderung einer umfassenden Rolle des
Staates in der Gesundheitsversorgung kein Zusammenhang besteht. Ebenfalls kein
Zusammenhang ist im Hinblick auf die Allgemeinärzte je 1.000 Einwohner oder die
Höhe der Selbst- und Zuzahlungen zu erkennen.
Tabelle 1: Korrelationen ‚staatliche Verantwortung‘ (Extensität), 2002
Gesundheitsausgaben in US$ pro Kopf (PPP)
Gesundheitsausgaben in % des BIP
Öffentliche Gesundheitsausgaben in US$ pro Kopf (PPP)
Öffentliche Gesundheitsausgaben als Anteil aller
Gesundheitsausgaben
Private Selbst- und Zuzahlungen in % der
Gesundheitsausgaben
Allgemeinärzte pro 1.000 Einwohner
Pearson’s
R
-0.0783
0.1907
0.1435
N
0.3706
15
0.2703
15
-0.0513
15
+
15
15
15
p < 0.1, * p < 0.05
Quelle: OECD Health Data 2006; Eurobarometer 57.2/2002; eigene Berechnung
Bei den einbezogenen Indikatoren zur Charakterisierung der Gesundheitssysteme ist
nur ein leichter (und nicht signifikanter) Zusammenhang zwischen der Höhe der
öffentlichen Gesundheitsausgaben (in Prozent der Gesamtausgaben) und der Zustimmung zu einer umfassenden staatlichen Verantwortung zu erkennen. In Bezug
auf die einzelnen Länder zeigt sich, dass sich die vergleichsweise geringe Beteiligung
des Staates an der Finanzierung in den Niederlanden und Österreich mit den Vorstellungen der Bevölkerung deckt, nicht jedoch in Griechenland. In Schweden, Dänemark und Ostdeutschland stimmt das hohe staatliche Engagement ebenfalls mit den
Vorstellungen der Bevölkerung überein, während vor allem in Westdeutschland und
Großbritannien durchaus ein Potenzial für eine Reduzierung des vergleichsweise
hohen öffentlichen Finanzierungsanteils zu sehen ist (OECD 2006; EB57.2; eigene
Berechnung). Institutionelle Unterschiede sind dahingehend zu erkennen, dass
durchgehend in GKV-Systemen eine geringere Zustimmung zu einer umfassenden
Rolle des Staates zu erkennen ist, auch dann, wenn das Gesundheitssystem bisher
überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Demgegenüber ist in NHS-
128
Claus Wendt
Systemen die Zustimmung zu einer staatlichen Verantwortung höher, auch dann,
wenn wie in den spät entwickelten Systemen Südeuropas (vor allem in Griechenland,
aber auch in Spanien und Italien) die private Finanzierung immer noch eine bedeutende Rolle spielt.
Schaubild 3: Zufriedenheit mit den Ergebnissen der Gesundheitssysteme, 2002
Zufriedenheit mit Gesundheitssystem
__
0,8
0,68
0,7
0,62
0,6 0
0,59
0,6
0,5 4
0,50
0,5
0,4 9
0,47
0,46
0,45
0,42
0,37
0,4
0,30
0,28
0,3
0,23
0,2
0,1
ga
l
d
P
or
tu
d
an
an
G
rie
ch
e
nl
n
I rl
lie
I ta
S
pa
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ch
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O
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N
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G
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D
k
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D
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D
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W
ic
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nd
Fr
an
kr
e
n
ie
nn
la
el
g
B
Fi
Ö
st
er
re
i
ch
0,0
Quelle: Eurobarometer 57.2/2002
Tabelle 2: Korrelationen ‚Zufriedenheit’, 2002
Gesundheitsausgaben in US$ pro Kopf (PPP)
Gesundheitsausgaben in % des BIP
Öffentliche Gesundheitsausgaben US$ pro Kopf (PPP)
Öffentliche Gesundheitsausgaben als Anteil aller
Gesundheitsausgaben
Private Selbst- und Zuzahlungen in % der
Gesundheitsausgaben
Allgemeinärzte pro 1.000 Einwohner
Pearson’s R
0.5424+
-0.0006
0.5272+
N
15
15
15
0.2795
15
-0.3264
15
0.7112+
15
+
p < 0.1, * p < 0.05
Quelle: OECD Health Data 2006; Eurobarometer 57.2/2002; eigene Berechnung
Größere Unterschiede als in Bezug auf die Extensität sind bei der Zufriedenheit mit
den Gesundheitssystemen zu erkennen (siehe Schaubild 3). Im Länderranking liegen
die GKV-Systeme von Österreich und Belgien an der Spitze, während die spät entwi-
Einstellungen zu wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Europa
129
ckelten NHS-Systeme von Griechenland und Portugal mit sehr niedrigen Werten am
unteren Ende zu finden sind.
Daran, dass kein Zusammenhang zwischen den Ausgaben in Prozent des BIP
und der Zufriedenheit, jedoch eine starke Korrelation zwischen den Ausgaben in US$
pro Einwohner und der Zufriedenheit zu verzeichnen ist (siehe Tabelle 2), zeigt sich
zum einen die Bedeutung der wirtschaftlichen Situation des Landes für die Funktionsfähigkeit der Gesundheitsversorgung. Zum anderen lässt sich daran ablesen, dass
weitere institutionelle Charakteristika der Gesundheitssysteme von Bedeutung sind.
Darauf weisen auch Unterschiede zwischen Ländern hin, in denen die Gesamtausgaben für Gesundheit (in US$ je Einwohner) auf einem ähnlichen Niveau sind. Beispielsweise ist jeweils bei einem ähnlichen Niveau der Gesundheitsausgaben die Zufriedenheit in Spanien sehr viel höher als in Portugal oder Griechenland und in Österreich deutlich höher als in Deutschland. Einen ähnlich starken Einfluss wie die
Gesamtausgaben pro Einwohner hat die Höhe der öffentlichen Gesundheitsausgaben
(in US$ pro Einwohner). Eine umfassende öffentliche Beteiligung an der Finanzierung des Gesundheitssystems scheint somit eine Grundvoraussetzung für eine hohe
Zufriedenheit mit der Gesundheitsversorgung zu sein.
Schaubild 4: Allgemeinärzte je 1.000 Einwohner und Zufriedenheit, 2002
Zufriedenheit mit Gesundheitssystem
__
0,8
0,7
AUT
0,6
BEL
FIN
FRA
DNK
0,5
SWE
NLD
D west
D ost
ESP
GBR
0,4
ITA
0,3
GRC
IRL
POR
0,2
0
0,5
1
1,5
2
2,5
Allgemeinärzte je 1.000 Einwohner
Quelle: OECD Health Data 2006; Eurobarometer 57.2/2002; eigene Berechnung
Den stärksten Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem hat die
Anzahl der Allgemeinärzte je 1.000 Einwohner: je höher die Anzahl der Allgemeinärzte in einem Land, desto höher die Zufriedenheit. Die Zahl der Allgemeinärzte gilt
als wichtiger Indikator für das Leistungsniveau eines Gesundheitssystems (OECD
1994), da der überwiegende Teil der Gesundheitsleistungen durch Allgemeinärzte
130
Claus Wendt
veranlasst wird. Die Allgemeinarztdichte verweist auf zentrale institutionelle Unterschiede zwischen den Gesundheitssystemen. So besteht vor allem in GKV-Systemen
eine Niederlassungsfreiheit für Allgemeinärzte (und Fachärzte). Dadurch ist die Ärztedichte in den entsprechenden Ländern im Allgemeinen höher und es kann flexibler
auf die – regional häufig unterschiedliche – Nachfrage nach Allgemeinärzten reagiert
werden. Insbesondere in den spät institutionalisierten NHS-Systemen von Griechenland und Portugal dürfte die niedrige Allgemeinarztdichte mit dazu beitragen, dass
die Zufriedenheit mit der Gesundheitsversorgung auf einem sehr niedrigen Niveau
ist. Spanien hat dagegen in dieser Hinsicht das Niveau der früh eingeführten NHSSysteme erreicht bzw. bereits übertroffen. Daran, dass Länder mit vergleichsweise
niedriger Allgemeinarztdichte wie Finnland oder Dänemark höhere Zufriedenheitswerte als Deutschland erzielen, ist zu erkennen, dass weitere Faktoren den Zusammenhang zwischen Gesundheitspersonal und Zufriedenheit beeinflussen. Hierbei
könnte die lokale Organisation der Gesundheitsversorgung in den skandinavischen
Ländern und die enge Kooperation zwischen niedergelassenen Allgemeinärzten und
weiterem Gesundheitspersonal einen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit haben,
während sich der steigende Wettbewerb zwischen Leistungserbringern in Deutschland möglicherweise negativ auf die Bewertung des Gesundheitssystems auswirkt.
4.2 Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen
Als nächstes werden Einstellungsunterschiede zwischen sozialen Gruppen analysiert.
Es werden solche Bevölkerungsgruppen in die Analyse einbezogen, zwischen denen
(je nach Gesundheitssystem unterschiedlich starke) Solidaritätsbeziehungen bestehen.
Es wird untersucht, wie Gesundheitssysteme von Kranken und Gesunden, Älteren
und Jüngeren, höheren und niedrigeren Einkommensgruppen sowie unterschiedlichen sozialen Klassen wahrgenommen und bewertet werden. Neben Mikrodaten
werden in einem zweiten Schritt Makrodaten (Gesamtausgaben in US$ pro Kopf,
öffentlicher Finanzierungsanteil, direkte Zahlungen durch Patienten, Anzahl der
Allgemeinärzte je 1.000 Einwohner) in die Analyse einbezogen, um ihren Einfluss im
Rahmen der multivariaten Analyse zu überprüfen.
Die These, dass potenzielle Leistungsempfänger ein höheres Interesse an einer
staatlich garantierten Gesundheitsversorgung haben, bestätigt sich nicht. Diejenigen,
die ihren Gesundheitszustand als schlecht angeben, fordern nur in sehr geringem
Ausmaß eine stärkere staatliche Verantwortung ein. Auch die These, dass speziell
ältere Menschen ein Interesse an einer umfassenden staatlichen Absicherung im
Krankheitsfall haben, bestätigt sich weder über alle Länder hinweg noch für einzelne
Länder. Dagegen zeigt sich eine leicht höhere Einforderung einer staatlich garantierten Gesundheitsversorgung bei Personen im erwerbsfähigen Alter gegenüber den
über 65-Jährigen. Betrachtet man einzelne Länder, so gilt dieser Zusammenhang vor
allem in Dänemark und Schweden (siehe Tabelle A1 im Anhang). Für diese Länder
gilt, dass vor allem die mittleren Altersgruppen, die in der Regel erwerbstätig sind und
häufig Kinder haben, eine hohe Verantwortung des Staates in der Gesundheitsversorgung einfordern.
Der stärkste Effekt zeigt sich bei der Analyse unterschiedlicher Einkommensgruppen. Für die Länder insgesamt befürworten höhere Einkommensgruppen in
Einstellungen zu wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Europa
131
deutlich geringerem Ausmaß einen starken staatlichen Einfluss und signalisieren
somit eine vergleichsweise niedrige Solidaritätsbereitschaft mit unteren Einkommensgruppen. Bemerkenswert ist allerdings, dass im Ländervergleich insbesondere in
den Ländern, die seit längerer Zeit über NHS-Systeme verfügen (Dänemark, Finnland, Großbritannien, Schweden) kaum Unterschiede zwischen Einkommensgruppen
zu verzeichnen sind. Außer in GKV-Systemen zeigt sich das geringere Interesse höherer Einkommensgruppen an einer staatlichen Zuständigkeit vor allem in den südeuropäischen NHS-Systemen. Diese Länder weisen, wie auch Irland und Österreich,
einen vergleichsweise hohen Anteil an privaten Selbst- und Zuzahlungen auf, die vor
allem untere Einkommensgruppen belasten. Je mehr ein Gesundheitssystem das
Risiko der Krankheitskosten den einzelnen Patienten überlässt, desto weniger zeigen
höhere Einkommensgruppen eine Unterstützungsbereitschaft für eine umfassende
staatliche Gesundheitsversorgung.
Tabelle 3: Regressionen für Extensität und Zufriedenheit (mit Makroindikatoren)
Extensität
ohne Makroinmit Makrodikatoren
indikatoren
Ref. krank
Gesund
Ref. über 65
Jung
Mittl. Alter
Ref. Eink. niedrig
Einkommen hoch
Ref. Esec 4+5
Esec 1
Esec 2
Esec 3
Zeit Ärzte
Gesamtausgaben
Öffentl. Anteil
Direkte Zahlung
Allgemeinärzte
N
adj. R2
Zufriedenheit
ohne Makromit Makroindikatoren
indikatoren
-0.021*
-0.021+
0.107**
0.091***
-0.027+
0.028+
-0.028*
0.029+
-0.002
-0.075**
0.003
-0.069**
-0.068***
-0.066***
0.108**
0.110***
-0.036*
0.024+
-0.028+
0.062***
-0.031+
0.026+
-0.038*
0.066***
0.004
0.087**
0.130**
0.006
13669
0.024
-0.006
-0.033*
-0.036*
0.115***
-0.016
-0.037**
-0.023*
0.101***
-0.073
-0.065
-0.146+
0.292***
13318
0.134
13669
0.014
13318
0.046
Standardized beta coefficients
+
p < 0.1, * p < 0.05, ** p < .01, *** p < 0.001
Quelle: OECD Health Data 2006; Eurobarometer 57.2/2002; eigene Berechnung
Die Untersuchung sozialer Klassen zeigt für die Länder insgesamt, dass die Dienstklassen (ESeC 1: ‚Higher and lower salariat‘) sowie die mittleren und kleinen Selbstständigen (ESeC 3: ‚Petty bourgeoisie or independents‘) in etwas geringerem Ausmaß
eine umfassende staatliche Absicherung im Krankheitsfall befürworten als die beiden
unteren sozialen Klassen (ESeC 4: ‚Lower grade white collar workers‘; ESeC 5: ‚Skilled, semi- and nonskilled workers‘). Die ESeC-Klassen 1 und 3 zeigen somit eine
132
Claus Wendt
geringere Unterstützungsbereitschaft, während die ESeC Klasse 2 (‚Higher grade
white and blue collar workers‘) eine umfassende Rolle des Staates befürwortet und
sich somit stärker mit den unteren sozialen Klassen solidarisch zeigt. Bei Einstellungen zum Gesundheitssystem zeigen sich somit (leicht signifikante) Unterschiede
zwischen sozialen Klassen. Bei der Analyse einzelner Länder ist auffällig, dass insbesondere in GKV-Systemen Unterschiede zwischen sozialen Klassen zu erkennen
sind. Der stärkste Effekt zeigt sich in Deutschland. Hier unterstützen die Selbstständigen, also eine Gruppe, die nicht in die gesetzliche Krankenversicherung integriert
ist, in sehr viel geringerem Ausmaß eine umfassende Rolle des Staates. Demgegenüber zeigen weder die soziale Krankenversicherung Österreichs, die die gesamte
Bevölkerung integriert, noch die etablierten NHS-Systeme von Dänemark, Großbritannien und Schweden nennenswerte Unterschiede zwischen sozialen Klassen (siehe
Tabelle A1). Dies kann als Hinweis dafür gewertet werden, dass vor allem die Form
der Integration unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen die Wahrnehmung und Bewertung von Gesundheitssystemen in Bezug auf die Extensität beeinflusst.
Bei der Analyse der Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem zeigen sich andere Muster als bei der Extensität (siehe Tabelle 3). In Bezug auf die Leistungsempfänger
zeigt sich eine stark signifikant geringere Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem
bei Personen mit schlechtem Gesundheitszustand. Erneut ist die Bewertung der
unterschiedlichen Altersgruppen kontraintuitiv. Es ist eine U-Kurve in der Form zu
erkennen, dass sich die Gruppe der über 65-Jährigen und die jüngere Altersgruppe
kaum unterscheiden, während Personen im mittleren Alter eine niedrigere Zufriedenheit aufweisen. Deutliche Differenzen gibt es zwischen Einkommensgruppen: je
höher das Einkommen, desto höher ist die Zufriedenheit. Dies gilt sowohl für die
Länder insgesamt als auch für den überwiegenden Teil der einzelnen Länder (nicht
jedoch für Dänemark, Finnland und Großbritannien). Dies steht möglicherweise im
Zusammenhang mit steigenden privaten Selbst- und Zuzahlungen, die höhere in
geringerem Maße als untere Einkommensgruppen belasten. Die Untersuchung sozialer Klassen zeigt über alle Länder hinweg für ESeC 2 und 3 eine geringere Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem. Auf Länderebene bestehen (bis auf Irland) hinsichtlich der Zufriedenheit nur geringfügige Unterschiede zwischen sozialen Klassen (siehe
Tabelle A2). Daran zeigt sich, dass weniger die Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse
als vielmehr die Einkommensposition einen Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem
Gesundheitssystem hat.
Nimmt man ausgewählte institutionelle Indikatoren hinzu, dann konkretisieren
sich die Ergebnisse des Ländervergleichs. Bereits die in den Mikrodaten enthaltene
Information über die Dauer des Arzt-Patienten-Kontaktes gibt einen wichtigen Hinweis über institutionelle Unterschiede. Die Einschätzung, dass sich Ärzte ausreichend
Zeit bei der Gesundheitsversorgung nehmen, wirkt sich sehr positiv auf die Zufriedenheit mit dem Gesamtsystem der Gesundheitsversorgung aus. Dieser Zusammenhang, der in nahezu allen 14 Ländern deutlich zu erkennen ist, kann als wichtiger
Hinweis dafür gewertet werden, dass Gesundheitsreformen insbesondere dann Unterstützung in der Bevölkerung finden, wenn dadurch das Arzt-Patienten-Verhältnis
gestärkt und für Ärzte die Anreize erhöht werden, sich ausreichend Zeit für ihre
Patienten zu nehmen. Dieses Ergebnis wird dadurch untermauert, dass eine höhere
Anzahl an Allgemeinärzten die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem signifikant
Einstellungen zu wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Europa
133
erhöht. Ein Einfluss der Höhe der Gesamtausgaben (in US$ je Einwohner) ist dagegen in den multivariaten Analysen weder in Bezug auf die Extensität noch auf die
Zufriedenheit zu erkennen. Es zeigt sich allerdings, dass ein hoher Anteil an Selbstund Zuzahlungen durch die Patientinnen und Patienten die Befürwortung einer hohen staatlichen Verantwortung für die Gesundheitsversorgung erhöht und die Zufriedenheit signifikant senkt. Ein hoher Anteil an privaten Zuzahlungen ist insbesondere in Südeuropa zu verzeichnen. In diesen Ländern wurde Ende der 1970er und
Anfang der 1980er Jahre die für NHS-Systeme wegweisende Idee eines universellen
Zugangs zu notwendigen Gesundheitsleistungen nicht vollständig verankert (Davaki/Mossialos 2005; Oliveira/Pinto 2005). Gleichzeitig handelt es sich um Länder, in
denen die Nachfrage nach einer umfassenden staatlichen Verantwortung überdurchschnittlich hoch ist.
5.
Diskussion und Ausblick
In diesem Beitrag wurden Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger in 14 EULändern in Bezug auf ihre Befürwortung staatlicher Zuständigkeit sowie hinsichtlich
ihrer Zufriedenheit mit Gesundheitssystemen überprüft. Dabei wurden im Ländervergleich sowohl unterschiedliche sozio-ökonomische Gruppen in den Blick genommen als auch Einstellungsunterschiede zwischen Gesundheitssystemen, die sich in
ihrer Institutionalisierungsform unterscheiden. Dabei zeigt sich, dass in allen Gesellschaften nach wie vor die Vorstellung tief verankert ist, dass es Aufgabe des Staates
sei, eine umfassende Gesundheitsversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger zu
garantieren. Dies kann als ein weiterhin bestehendes Vertrauen in die Fähigkeit des
Staates interpretiert werden, den Zugang zu notwendigen Gesundheitsleistungen
sicherzustellen.
Anders als von Gelissen (2002) auf Grundlage von Daten von 1996 festgestellt
wurde, zeigt die Analyse sozialer Klassen für das Jahr 2002 eine leicht geringere Präferenz staatlicher Extensität der Dienstklassen (ESeC 1) sowie der Selbstständigen
(ESeC 3) im Vergleich zu den beiden unteren sozialen Klassen (ESeC 4 und 5). Dieses Muster ist vor allem in GKV-Systemen ausgeprägt, während in den NHSSystemen Großbritanniens und der skandinavischen Staaten kaum Differenzen zwischen sozialen Klassen vorzufinden sind. Dieser Zusammenhang bestätigt die höhere
Integrationskraft etablierter NHS-Systeme (das gilt nicht für die später entwickelten
NHS-Systeme Südeuropas) gegenüber GKV-Systemen. Gleichzeitig bieten diese
Ergebnisse Anhaltspunkte für eine geringere Unterstützungsbereitschaft von Teilen
der Mittelschicht in GKV-Systemen. Vor allem höhere Einkommensgruppen weisen
eine niedrigere Solidaritätsbereitschaft und gleichzeitig eine höhere Zufriedenheit mit
dem Gesundheitssystem auf. Erneut besteht dieser Zusammenhang nicht in den
etablierten NHS-Systemen. In den übrigen Gesundheitssystemen könnte die je nach
Einkommen unterschiedlich hohe Zufriedenheit darauf zurückzuführen sein, dass
Personen mit höheren Einkommen durch steigende private Zuzahlungen weniger
stark belastet werden als untere Einkommensgruppen.
Bei Personengruppen, von denen angenommen werden kann, dass sie stärker als
andere auf ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem angewiesen sind, zeigen
134
Claus Wendt
sich in Bezug auf die Extensität und die Zufriedenheit folgende Muster: Entgegen der
Annahme, dass aufgrund der höheren Leistungsinanspruchnahme vor allem ältere
Menschen eine staatlich garantierte Gesundheitsversorgung befürworten, ist es die –
häufig im Erwerbsleben stehende – mittlere Altersgruppe, die diesem Ziel stärker
zustimmt als jüngere oder ältere Menschen. Bei einer Differenzierung nach Ländern
zeigt sich dieses Muster ausschließlich in etablierten NHS-Systemen, was darauf hinweist, dass in diesen Ländern speziell bei den im Erwerbsleben stehenden Bevölkerungsgruppen eine staatliche Absicherung im Krankheitsfall befürwortet wird. Es
geht, so kann man dieses Ergebnis verallgemeinern, um die Absicherung des mit
einer Krankheit verbundenen Risikos und weniger um eine tatsächliche höhere Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Diejenigen mit einem schlechten Gesundheitszustand, und das gilt auch für die weiteren Länder, fordern ebenfalls kein höheres Ausmaß an staatlicher Absicherung. Es geht somit bei der Extensität weniger um
den aktuellen Gesundheitszustand als vielmehr um die Frage, wie das Risiko einer
Erkrankung und die damit verbundenen Kosten effektiv minimiert werden können.
Die vergleichende Institutionenanalyse belegt außerdem einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Allgemeinärzte und der Zufriedenheit. Darüber hinaus weisen Personen, die mit der Dauer der ärztlichen Behandlung zufrieden
sind, eine deutlich höhere Zufriedenheit mit dem Gesamtsystem der Gesundheitsversorgung auf. Die Zahl der Allgemeinärzte ist ein wichtiger Indikator für die Leistungsfähigkeit der Gesundheitsversorgung, da sie häufig die erste Anlaufstelle zum
Gesundheitssystem darstellen und einen Großteil der weiteren Gesundheitsleistungen
veranlassen. Bei Strukturreformen in Gesundheitssystemen ist somit darauf zu achten, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis dadurch nicht beeinträchtigt wird (Calnan/Sanford 2004). Für Länder mit sehr niedrigen Zufriedenheitswerten besteht
vielmehr die Möglichkeit, über die Erhöhung der Allgemeinarztdichte und eine Stärkung der Beziehung zwischen Arzt und Patient die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem zu erhöhen.
Von Gelissen (2002) und Svallfors (2004) wurde festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen den Esping-Andersen’schen Wohlfahrtsstaats-Typen und Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat besteht. Das gilt auch für Replikationen (Scruggs/Allen
2006) oder Erweiterungen (Arts/Gelissen 2002) dieser Typologie. Anders als noch
von Gelissen (2002) oder Kohl/Wendt (2004) auf Basis von 1996er Daten vermutet,
zeigen neuere Zahlen ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen dem Wohlfahrtsstaats-Typus und Einstellungen zum Gesundheitssystem. Auch bei einer Differenzierung nach Gesundheitssystem-Typen sind keine eindeutigen Muster zu erkennen. Bei
einer etwas feineren Untergliederung zeichnet sich allerdings ab, dass hinsichtlich der
Zufriedenheit GKV-Systeme an der Spitze liegen, gefolgt von früh institutionalisierten NHS-Systemen, während die später eingeführten NHS-Systeme Südeuropas am
unteren Ende der Länderskala platziert sind. Auch daran, dass soziale Klassen in
NHS-Systemen (in denen die gesamte Bevölkerung auf Grundlage der Staatsbürgerschaft integriert ist) hinsichtlich ihrer Bewertung der Gesundheitsversorgung homogener sind als in GKV-Systemen (die teilweise nach Einkommenshöhe oder beruflichem
Status differenzieren), ist der Einfluss des institutionellen Designs auf Orientierungsprozesse zu erkennen. Hieraus ergeben sich erste Anhaltspunkte für die Gültigkeit
Einstellungen zu wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Europa
135
institutionentheoretischer Annahmen, gemäß derer sich Individuen an spezifischen
institutionellen Arrangements orientieren (Hall/Taylor 1996).
Bisher konnten nur einige ausgewählte Indikatoren zu institutionellen Arrangements in die Analyse einbezogen werden, mit denen Gesundheitssysteme voneinander abgegrenzt werden können. Vor allem die Bedeutung der Allgemeinärzte für die
Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem zeigt, dass zusätzliche Informationen über
die Organisation des Zugangs von Patienten zum Gesundheitssystem zu berücksichtigen sind. Hierzu gehören unter anderem die Fragen, ob eine freie Arztwahl besteht
oder ob sich Patienten für längere Zeit für einen bestimmten (Haus-)Arzt entscheiden müssen, ob nur Allgemeinärzte oder auch Fachärzte ein Niederlassungsrecht
haben, oder wie niedergelassene Ärzte in den einzelnen Ländern honoriert werden.
Diese und weitere Informationen sind erforderlich, um zusätzliche Erklärungen für
unterschiedliche Wahrnehmungsmuster in Gesundheitssystemen liefern zu können.
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Korrespondenz:
Dr. Claus Wendt
Mannheimer Zentrum für Europäische
Sozialforschung
Universität Mannheim
A5, 6
68159 Mannheim
Tel.: 0621 181 2819
Fax: 0621 181 2803
E-Mail:
[email protected]
Einstellungen zu wohlfahrtsstaatlichen Institutionen in Europa
139
Anhang
Tabelle A1: Extensität staatlicher Verantwortung für die Gesundheitsversorgung
Total
AUT
BEL
DNK
D west
D ost
ESP
FIN
Gesund
Jung
-0.021*
-0.027
0.007
-0.016
-0.076*
0.011
-0.015
-0.010
-0.032
0.020
-0.115**
-0.058
0.043
-0.068
0.078*
0.013
Mittl. Alter
0.028
0.017
-0.069
0.118**
0.009
0.053
Hoh. Einkom.
-0.068
-0.101
Esec 1
-0.036*
-0.034
***
**
-0.159
***
-0.054
-0.005
0.050
0.005
*
-0.072
0.001
-0.130
0.005
0.033
-0.101**
-0.056
0.009
-0.058
-0.065
***
Esec 2
0.024
-0.020
0.030
0.016
0.010
-0.036
0.003
Esec 3
-0.028
-0.018
-0.082*
-0.034
-0.108**
-0.002
0.009
0.013
Zeit Ärzte
N
0.062***
13669
0.083*
900
0.140***
818
0.049
927
0.055
862
0.086*
866
0.085*
866
-0.041
936
0.014
0.010
0.058
0.014
0.020
0.016
0.024
0.007
FRA
GBR
GRC
ITA
IRL
NLD
POR
SWE
Gesund
Jung
-0.009
-0.000
-0.039
-0.075
0.060
0.042
-0.027
-0.067
-0.064
-0.062
-0.059
-0.082
-0.003
-0.034
0.023
0.037
Mittl. Alter
-0.030
0.073
0.000
0.077
-0.055
0.014
0.001
0.132**
adj. R2
Hoh. Einkom.
-0.083*
-0.032
-0.093**
-0.032
-0.112**
0.011
-0.093*
-0.003
Esec 1
-0.021
0.005
-0.009
0.002
-0.071
-0.088*
0.047
-0.034
Esec 2
0.072
-0.005
-0.031
0.014
-0.061
0.088*
0.118**
0.019
Esec 3
-0.050
-0.074
0.030
-0.040
-0.063
0.001
0.078
0.013
Zeit Ärzte
N
0.038
898
0.035
844
0.091**
931
0.115**
841
0.085*
733
0.031
920
-0.025
884
-0.001
885
adj. R2
0.012
0.013
0.014
0.019
0.044
0.021
0.013
0.008
*
Standardized beta coefficients
* p < 0.05, ** p < 0.01, *** p < 0.001
Quelle: Eurobarometer 57.2/2002; eigene Berechnung
140
Claus Wendt
Tabelle A2: Zufriedenheit mit den Ergebnissen von Gesundheitssystemen
Total
AUT
BEL
DNK
D west
D ost
ESP
FIN
**
0.107
-0.002
-0.075**
0.108**
0.103
-0.012
-0.010
0.105**
0.176
-0.001
-0.033
0.143***
0.036
-0.091*
-0.219***
-0.002
0.016
0.040
-0.008
0.122**
0.173
0.030
-0.053
0.079*
0.107
0.028
-0.089*
0.153***
0.066
0.029
-0.021
0.031
Esec 1
-0.006
-0.026
-0.024
-0.023
-0.082*
0.003
0.050
0.106**
Esec 2
-0.033*
0.009
-0.051
-0.104**
-0.052
0.012
-0.008
0.001
Esec 3
-0.036
0.088
Zeit Ärzte
N
0.115***
13318
adj. R2
0.046
FRA
GBR
GRC
Gesund
Jung
Mittl. Alter
Hoh. Einkom.
0.098*
-0.042
-0.045
0.059
0.115**
-0.026
-0.193***
0.020
0.047
-0.042
-0.134**
0.168***
Esec 1
-0.018
0.012
-0.075*
Esec 2
-0.051
-0.016
-0.036
Esec 3
-0.040
-0.053
0.012
Zeit Ärzte
N
0.052
898
0.065
844
adj. R2
0.014
0.046
Gesund
Jung
Mittl. Alter
Hoh. Einkom.
*
**
***
***
**
*
-0.089
0.056
-0.026
0.033
-0.007
-0.041
0.170***
900
0.098**
818
0.045
927
0.094**
862
0.101**
866
0.173***
866
0.157***
936
0.056
0.075
0.052
0.025
0.073
0.069
0.051
IRL
ITA
NLD
POR
SWE
0.099*
-0.036
-0.058
0.098*
0.139***
0.004
-0.085*
0.113**
0.015
0.020
-0.058
0.085*
0.095*
0.112*
-0.049
0.098**
-0.038
0.014
-0.075
0.143***
0.070
0.023
0.017
-0.030
0.028
0.122**
-0.001
0.056
-0.034
-0.020
0.107*
0.060
-0.019
0.072
-0.005
0.073*
931
0.036
733
0.172***
841
0.097*
920
0.080*
884
0.226***
885
0.042
0.044
0.065
0.024
0.037
0.080
*
Standardized beta coefficients
* p < 0.05, ** p < 0.01, *** p < 0.001
Quelle: Eurobarometer 57.2/2002; eigene Berechnung
Länderkürzel: AUT: Österreich; BEL: Belgien; DNK: Dänemark; D west: Westdeutschland;
D ost: Ostdeutschland; ESP: Spanien; FIN: Finnland; FRA: Frankreich; GBR: Großbritannien; GRC: Griechenland; ITA: Italien; IRL: Irland; NLD: Niederlande; POR: Portugal;
SWE: Schweden

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