Urlaub extrem!
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Urlaub extrem!
LIFESTYLE & LUXURY 42 Fotos: migflug.com Certain Images/Mike Wiegele SUCCEED / Ausgabe 4 „Unter Haien. Wieso begeben sich Menschen dahin, mag sich der Laie fragen, während dem Kenner die Lust auf Wiederholung auf der Seele brennt.“ Hai-Forscher Erich Ritter “Among sharks. A lay person may ask why people pursue this while an expert is consumed by a desire to repeat the experience.” Shark researcher Erich Ritter Urlaub extrem! W Extreme holiday! > Lust auf Urlaub der anderen Art? Wir zeigen Ihnen, wie Sie mit einer gehörigen Portion Nervenkitzel entspannen können. > Fancy a holiday with a difference? We will show you how you can relax with a dose of adrenaline! enn es demnächst so weit ist und Lady Gaga ihre Pläne nicht ändert, wird sie der erste weibliche Popstar sein, der im Weltall ein Konzert gibt. Für Anfang 2015 ist Richard Bransons ZeroG-Colony-Festival weit weg vom Planeten Erde geplant. Mit seinem Raumfahrt-Unternehmen Virgin Galactic will er Touristenflüge realisieren; wer bei den ersten dabei ist, könnte auf Justin Biber und Ashton Kutcher treffen. Es gibt aber auch weniger fitnessabhängige Abenteuer, die das Blut in Wallung bringen. Denn Extremurlaub hat Tradition. So hatte Reiseanbieter Thomas Cook bereits um 1900 Einbaumfahrten auf dem Amazonas im Portfolio. Heute kann man sich mit Bungee-Seil in den chilenischen Vulkan Villarica vertiefen, mit dem Hundeschlitten durch Alaska brausen, per Panzer Landschaften erkunden und Autos verschrotten oder mit Haien auf den Azoren oder Bahamas abtauchen. Erwachte Abenteuerlust Für den Berliner Herausgeber von „Voyage – Jahrbuch für Reise- & Tourismusforschung“ Hasso Spode kristallisieren sich als Motiv für extreme Urlaubserlebnisse je nach Alter und Einkommen spätpubertäre Identitätssuche oder schlicht Langeweile heraus. Menschen, die sich weniger über den Job als über die Freizeit definieren, wollen sich zusätzlich abheben von der Masse der Pauschal- und Luxustouristen. Warum vermehrt Männer dem Reiz erliegen, könnte im Wandel der Gesellschaft verhaftet sein. Frauen leisten sich mittlerweile ebenfalls Edelkarossen, machen Karriere, feiern sportliche Erfolge, kennen sich bei Spirituosen aus. Maskuline Überlegenheit und Herrenclubs sind nicht länger kritiklos geduldete, unumstößliche Gegebenheiten. Wer annimmt, klischeehaftes Denken sei überwunden, der irrt. So wandern Erlebnispakete mit Bagger-, Panzer- und Ferrari-Fahren auf der Beliebtheitsskala weit nach oben. Der österreichische Anbieter Windrose hat etwa beste Erfahrungen mit Wolfgang Fiereks Freedom-Touren auf der Harley Davidson durch die USA oder Flugsafaris der Extraklasse auf der Insel Sansibar, wo man dem Paradies schon recht nahe kommt. Das Element Luft scheint generell Auftrieb zu geben. So beschreibt auch Philipp Schaer von MiGFlug die Motivation hinter den angebotenen Arrangements: „Es gibt nichts Eindrücklicheres als in einem Kampfjet mit zweifacher Schallgeschwindigkeit auf eine Höhe von bis zu 24 km aufzusteigen und dort die Erdkrümmung, den blauen Schleier der Atmosphäre sowie den pechschwarzen Himmel mit unzähligen Sternen zu sehen. Und den Jet kann man sogar selbst steuern!“ Aktiv statt passiv Individualität, Professionalität und Sicherheit sind drei Säulen, an denen sich das Niveau von Extremurlauben misst. Erlebnis statt Konsumation lautet die bevorzugte Devise, der es gerecht zu werden gilt. Wenn diese wissenschaftlich untermauert ist oder Expeditionen von Experten begleitet sind, umso besser. Denn während die einen sich fragen „Warum tut ein Mensch sich das an?“, sind die anderen schon 43 LIFESTYLE & LUXURY SUCCEED / Ausgabe 4 wieder drauf und dran, eine Wiederholung oder neue Ausnahme-Erfahrung zu organisieren, um sich den Kick zu holen. Der bekannte HaiForscher Erich Ritter, der über www.wirodive. de Trips mit seiner Sharkschool anbietet, hat einen Begriff dafür geschaffen: Angstzination. „Wir empfinden Angst vor dem Apex-Prädator, der keinen tierischen Feind fürchten muss. Zum einen, weil er uns in seinem Element überlegen ist, und zum anderen, weil uns die Angst vor ihm dank Medien-Hatz anerzogen ist. Gleichzeitig fasziniert uns seine Perfektion als Raubtier und seine machtvolle Position als der König der Meere. Seine Evolutionsgeschichte startete vor 400 Millionen Jahren, die unsrige ‚erst‘ vor 2,5 Millionen. Ihm zu begegnen lässt das Adrenalin vor Aufregung sprudeln und das Blut stocken vor Ehrfurcht und Faszination. Das Meer ist kein Zoo. Der Mensch, der sich hineintraut, um Haie zu beobachten oder sogar mit ihnen zu interagieren, genießt einen Endorphinrausch, wie er wohl nur Extremsportlern aus ihren Disziplinen bekannt ist. Anders als beim Extremsport braucht es zum Hai-Tauchen kaum Können oder körperliche Fitness. Kannst du schwimmen, kannst du Haien sicher begegnen. Wichtige Voraussetzung: Du wendest das passende Grundwissen an und bist mental fit.“ Generationen von Sharkschool-Teilnehmern haben ebendies im Urlaub beim spannenden Edutainment mit „Haiflüsterer“ Ritter in Theorie und Praxis selbst erlebt. Der Sieg über die eigene Angst und das Privileg, Außergewöhnliches erleben zu dürfen, sind nicht nur im Kontakt mit Haien ein treibendes Element. Endorphinträchtige Inspirationen Während sich Survivaltrainings und U-BootAusflüge beinahe schon als harmlose Veranstaltungen etabliert haben, nimmt man bei anderen durchaus in Kauf, in brenzlige Situationen zu geraten. Es gibt noch genügend Routen, die nichts für Menschen mit schwachen Nerven sind. Mehr oder weniger einladend klingt Abgrund-Wandern im chinesischen HuashanGebirge, wo 30 cm breite, wenig vertrauenerweckende, weil verwitterte Holzbalken dazu dienen, eine Felswand abzuschreiten. Wer sich in 1.000 Meter Höhe ein Geländer wünscht: Fehlanzeige. Neben dem eingangs erwähnten Vulkan-Bungeejumping in Chile widmet man sich in Nicaragua lieber dem Vulkan-Boarding. Mit adaptierten Schlitten und Skateboards rast man mit rund 30 km/h den Hang hinab. Passionierte Skifahrer erwartet auch in Österreich Nervenkitzel. Die Harakiri-Piste im Zillertal hat sich mit 78 Prozent Gefälle diesen Namen durchaus verdient. Wer auf absolut unverspurte Pisten Wert legt, ist bei HelikopterSkiing richtig. Gründer Mike Wiegele begann sein persönliches Abenteuer mit dem Auswandern nach Kanada. Mittlerweile ist er in seiner Disziplin weltweit bekannt. Feinster, pulvriger Tiefschnee, erfahrene Piloten und Guides sorgen für unvergessliche Erlebnisse. Einen ganz anderen Reise-Ansatz verfolgt seit jeher Tony Wheeler, der Erfinder der „Lonely Planet“Reiseführer. Der Mann, der mit den abseits des Mainstreams gesammelten Tipps in Buchform berühmt wurde, hat sich vor einigen Jahren einer neuen Herausforderung gestellt. Nachdem der mittlerweile 67-Jährige noch vor seinem 60. Geburtstag bereits 132 Länder besucht hatte, begab er sich für sein Buch „Bad Lands. A Tourist on the Axis of Evil“ auf sehr individuelle Wege. Ziel seiner Reise waren die von George W. Bush in einer Rede zusammengewürfelten Schurkenstaaten und einige mehr. So erfuhr er in Albanien, dass es 700.000 Bunker im Land gibt. Dank ihm wissen wir, dass es sich in Afghanistan immer lohnt, einen Bombencheck unter dem Auto zu machen. Im Iran beobachtete er, dass das Bier von religiösen Milizen geschmuggelt wurde. Selbst vor Nord- Helikopter-Skiing in Kanada mit Mike Wiegeles Profiteam ist ein Erlebnis mit Adrenalin-Garantie Helicopter skiing in Canada with Mike Wiegele’s pro team is an experience with an adrenaline guarantee. korea macht er nicht Halt. Die Reflexionen, die daraus entstanden, sind durchaus lesenswert. Ebenso wie die Erfahrungen mit der jeweiligen Bevölkerung. Auf Tony Wheelers Spuren sollte man aber auf dessen Empfehlung eher nicht ohne zuvor absolvierte Sicherheitstrainings wandeln. Skurrile Auswüchse Einen ähnlich wagemutigen Zugang haben Menschen, die sich in unkalkulierbare Gefahren begeben. Sei es aus Risikobereitschaft oder der Suche nach Authentizität. Nicht selten steckt auch Voyeurismus oder der Wille, Verständnis für Konflikte zu entwickeln, dahinter. Beispiele gefällig? Unter dem Schlagwort Katastrophen-Tourismus finden sich Ziele wie die Stadt Prypjat in Tschernobyl, die 2011 für Touristen freigegeben wurde. Eine Dosis Radioaktivität ist garantiert inkludiert. „Slumming“ ist ein weiterer Trend, bei dem Armenviertel – lobend zu erwähnen ist, dass zumindest teilweise karitative Motive dahinterstehen – bereist werden. Wer also das Bedürfnis hat, durch mexikanische Müllkippen zu waten und mit den Arbeitern eine Jause zu verzehren oder brasilianische Favelas zu besuchen, Reiseanbieter dafür gibt es in steigender Zahl. Dubios auch die relativ junge Disziplin des Piraten-Tourismus. Während die meisten Kreuzfahrt- und Handelsschiffe die somalische Küste meiden, peilen hauptsächlich reiche russische Urlauber diese Gegend an. Überfälle sind garantiert. Man setzt sich mit Granatwerfern und Maschinenpistolen zur Wehr. Zur Seite stehen ehemalige Mitarbeiter russischer Sondereinsatzkommandos. Wie weit solche Entwicklungen gutzuheißen sind, muss jeder Tourist für sich selbst entscheiden. I f it really does happen and Lady Gaga does not change her plans, she will become the first female pop star to perform a concert in space. Richard Branson’s ZeroG-Colony-Festival is planned for the start of 2015 and will take place far away from Planet Earth. He also wants to offer tourist flights through his astronautics company, Virgin Galactic. The first passengers could find themselves travelling with the likes of Justin Bieber and Ashton Kutcher. But there are also some less fitness-based adventures to get the blood racing. Extreme holidays have a tradition. Travel agency Thomas Cook was offering dug-out canoe rides on the Amazon as long ago as 1900. Today holidaymakers can dive into Chile’s Villarica volcano on a bungee wire, race through Alaska on a dog sled, explore the landscape in a tank, write off a car or go diving with sharks in the Azores or Bahamas. Awakening a spirit of adventure For the Berlin-based editor of ‘Voyage – Jahrbuch für Reise- & Tourismusforschung’, Hasso Spode, extreme holidays are motivated by everything from searching for identity in late puberty to simple boredom, depending on the person’s age and income. People who define themselves by their free time rather than their job want to stand out from the crowd of package and luxury holidaymakers. Men LIFESTYLE & LUXURY 44 Fotos: Robert Wilpernig/Wirodive SUCCEED / Ausgabe 4 in particular have succumbed to this trend, which may have something to do with changes in society. Women can now afford luxury cars, pursue their own careers, celebrate sporting successes and drink spirits. Masculine superiority and men’s clubs are no longer tolerated without criticism. But anyone who assumes that clichéd thinking is a thing of the past is incorrect. Experience packages featuring digger, tank and Ferrari driving are gaining in popularity. The Austrian supplier Windrose offers some quality experiences with Wolfgang Fierek’s freedom tours through the USA on a Harley-Davidson or exquisite flight safaris on the island of Zanzibar where visitors can get up close and personal with this paradise. The element of air in particular seems to be gaining momentum. Philipp Schaer from MiGFlug describes the motivation behind these packages: “There is nothing more impressive than climbing up to 24 km off the ground in a fighter jet at twice the speed of sound and admiring the curvature of the earth, the blue haze of the atmosphere and the pitch-black sky with endless stars. You can even drive the jet yourself!” Active not passive Individuality, professionalism and security are the three pillars which determine the level of any extreme holiday. There is a need to live up to the preference for experience over consumption. And all the better if this is underpinned by scientific knowledge or expeditions accompanied by experts. While some people ask “Why would anyone want to do that?”, others are already busy looking to repeat the experience or organise another exceptional experience for that next adrenaline boost. The renowned shark researcher, Erich Ritter, offers trips with his shark school via www.wirodive.de and has coined his own term for this: Angstzination. “We feel a sense of angst when faced with this apex predator which has no predators of its own. First because it is superior to us in its element and second because a fear of sharks is instilled in us by the media. At the same time, we are fascinated by the perfection of sharks as predators and their powerful position as the king of the seas. Their evolutionary history started 400 million years ago. Ours only started 2.5 million years ago. Encountering them brings an adrenaline rush and fills us with awe and fascination. The sea is not a zoo. People who venture in to see sharks or even interact with them experience an endorphin rush like that known only to extreme sports athletes. Unlike an extreme sport, however, diving with sharks does not require any particular skill or physical fitness. If you can swim, you can interact safely with sharks. An important pre-requisite: apply the appropriate basic knowledge and you will be mentally ready.” Generations of shark school participants have experienced this in theory and practice during an exciting edutainment holiday with ‘shark whisperer’ Ritter. The chance to conquer one’s own fears and the privilege of experiencing something exceptional are motivating forces in this shark-based encounter. Endorphin-fuelled inspiration While survival training and submarine trips are now well-established as harmless events, other activities present the opportunity to put yourself in a more risky position. There are plenty of options available which are not for the faint-hearted! Walking along the precipices of China’s Mount Hua, where 30 cm wide weathered wooden beams lead rather unreassuringly along a cliff wall, is certainly exciting! Anyone hoping for a railing here at 1,000 m altitude will be disappointed! In addition to the volcano bungee jumping in Chile mentioned above, volcano boarding is now available in Nicaragua. This involves racing down the slopes of the volcano at speeds of around 30 km/h using an adapted sledge or skateboard. Passionate skiers can enjoy an adrenaline rush in Austria. The Hara-kiri piste in the Zillertal valley has certainly earned its name with its 78% gradient. Or how about helicopter skiing for those who value completely untouched pistes. Founder Mike Wiegele began his personal adventure by emigrating to Canada. He is now world-renowned in his discipline. The finest deep powder snow, experienced pilots and guides guarantee an unforgettable experience. Another approach to travel is pursued by Tony Wheeler, the inventor of the ‘Lonely Planet’ guide. The man who became famous for his book of non-mainstream tips set himself Einen Kampfjet mit zweifacher Schallgeschwindigkeit fliegen: MiGFlug macht’s möglich Fly a fighter jet capable of twice the speed of sound. MiGFlug makes it possible. a new challenge a few years ago. After visiting 132 countries before his 60th birthday, the now 67 year old has now set off on his own individual path for his book ‘Bad Lands. A Tourist on the Axis of Evil’. The aim of his trip was to visit the countries referred to by George W. Bush as rogue states and a few others. In Albania, he learnt that the country has 700,000 bunkers. Thanks to him, we know that it is always worth checking for bombs under your car in Afghanistan. In Iran, he noticed that beer was being smuggled by the religious militia. And he doesn’t even shy away from North Korea. His thoughts on this are certainly worth a read as are his experiences of the local population. However, he recommends that nobody follows in his footsteps without completing safety training first. Bizarre practices A similarly daring approach is adopted by people who place themselves in danger, whether out of a desire to take a risk or during a search for authenticity. Voyeurism or the desire to develop an understanding of conflict often underlies this. Want some examples? The keyword catastrophe tourism flags up destinations such as the city of Prypyat in Chernobyl which was opened up to tourists in 2011. A dose of radioactivity is included. ‘Slumming’ is another trend involving visits to poor areas (although it should be mentioned that some involve a charitable motive). An increasing number of tour operators are offering the chance to wade through rubbish tips in Mexico, eat a snack with local workers or visit a Brazilian favela. The relatively recent discipline of pirate tourism is also somewhat dubious. While most cruise and trade ships avoid the Somalian coast, some rich Russian holidaymakers specifically target this area. Attacks are guaranteed. They equip themselves with grenade launchers and machine guns to defend themselves with former members of Russia’s special commando unit on standby. Tourists have to decide for themselves how far they want these developments to go. Michaela Hocek ■