Zum Referendariat nach England

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Zum Referendariat nach England
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n AUSBILDUNG
Zum Referendariat
nach England
Für Lehramtsstudenten, aber auch Magister, gibt es in England interessante Alternativen zum deutschen Referendariat
– und Auslandserfahrung kostenlos dazu. | Alena Friedrich
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mmer mehr deutsche Lehramtsstudenten tragen sich mit dem Gedanken, ihren Vorbereitungsdienst in
England zu absolvieren. Dafür gibt es
viele Gründe, wie etwa den Wunsch, ein
anderes Schulsystem kennen zu lernen,
die Hoffnung auf eine verkürzte Referendariatszeit oder den Erwerb von Soft
Skills und von Auslandserfahrungen, die
den Lebenslauf attraktiver machen. Aber
auch Quereinsteigern stehen die Türen
in englische Schulen offen. Je nachdem,
für welchen der Ausbildungswege man
sich entscheidet, kann der Erwerb der
englischen Lehrbefähigung den Schritt in
eine neue Richtung darstellen. Auch ich
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entschied mich vor vier Jahren für einen
solchen Richtungswechsel.
Der Gründe gibt es viele ...
Als ich 2004 mein Magisterstudium der
Anglistik beendete, sah ich mich einem
für Geisteswissenschaftler wenig Erfolg
versprechenden deutschen Arbeitsmarkt
gegenüber. Die Entscheidung, in England
einen PGCE-Kurs (Postgraduate Certificate in Education) an der University of the
West of England (UWE) zu beginnen, fiel
mir daher nicht schwer. Ich hoffte, mir
damit das noch fehlende „feste Standbein“ schaffen zu können und meine
Jobchancen auf dem weltweiten Arbeitsmarkt zu verbessern. Genauso Jana Grune (32) aus der Nähe von Wittenberg
(Sachsen-Anhalt). Sie hatte ihr Studium
der Germanistik 2003 abgeschlossen
und dann „nach mehr als einem Jahr
Frust auf dem deutschen Arbeitsmarkt
ohne Hoffnung auf einen Start ins Berufsleben“ eine Lehrerausbildung an der
Bristol University begonnen.
Neben Quereinsteigern bewerben
sich auch immer mehr deutsche Lehramtsstudenten für eine pädagogische
Ausbildung in England. Viele von ihnen
erhoffen sich, ihre Referendariatszeit
von den in den meisten Bundesländern
üblichen 24 Monaten auf zehn Monate
verkürzen zu können. Andere nutzen
den Lehrerkurs in England als „Überbrückungsvariante“, um die langen Wartezeiten zwischen Erstem Staatsexamen
und Vorbereitungsdienst in Deutschland
sinnvoll zu umgehen.
Zahlreiche Bewerber gehen auch
bewusst wegen des anderen Schulsystems nach England. Sie möchten das
im Vergleich zu Deutschland stärker
etablierte pastoral system, das eine individuelle Förderung der Schülerinnen
und Schüler ermöglicht, kennen lernen.
Oder sie suchen nach einer Möglichkeit,
alternative Fächer wie Psychologie oder
Theaterwissenschaften zu unterrichten
und in diesen pädagogisch ausgebildet zu werden. Einen weiteren Grund
nennt Julia Puppe (32) aus Offenburg
(Baden-Württemberg). Sie ging 2005
nach England, nachdem sie das Erste
Staatsexamen in Deutsch und Englisch
erhalten hatte: „In Deutschland hätte
ich das Referendariat gemacht. Da ich
nach dem Abschluss aber nach England
zurückkehren wollte, wo ich während des
Studiums als Foreign Language Assistant
gearbeitet hatte, habe ich mich für den
PGCE-Kurs entschieden“.
... Möglichkeiten ebenso
Wer sich für eine Lehrerausbildung in England entscheidet, sieht sich zahlreichen
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Wahlmöglichkeiten gegenüber. Neben
dem regulären Lehramtsstudium mit Abschluss als BEd (Bachelor of Education)
kann man seine Lehrbefähigung auch
parallel zum Schuldienst erwerben. Beim
Registered Teacher Programme (RTP)
und Graduate Teacher Programme (GTP)
ist man von Beginn an in einer Schule
angestellt und bezieht ein Lehrergehalt.
Am Ende der Ausbildungszeit erhält man
den Qualified Teacher Status (QTS), der
zur weiteren Beschäftigung an englischen
und walisischen Schulen berechtigt.
Die am häufigsten gewählten Kurse
sind jedoch postgraduale Studiengänge,
die an zahlreichen Universitäten und
Schulen angeboten werden. Dazu gehört
etwa der PGCE-Kurs, der zum Erwerb des
Postgraduate Certificate in Education und
des QTS führt. Hier werden den Studierenden neben der praktischen Ausbildung
wichtige theoretische Grundlagen der
Pädagogik und Didaktik vermittelt. Aus
diesem Grund eignet sich ein PGCE-Kurs
sehr gut für Quereinsteiger, die ohne pädagogische Vorerfahrungen nach England
kommen. Beim ähnlich gelagerten
School-centred Initial Teacher Training
(SCITT) wird man nicht an der Uni, sondern direkt in einer am Programm beteiligten Schule ausgebildet. Man erhält am
Ende des Kurses den Qualified Teacher
Status und bei manchen Anbietern auch
das PGCE. Aufgrund seines stärkeren
Praxisbezugs ist dieser Kurs eine sehr
gute Option für Lehramtsstudenten mit
Erstem Staatsexamen. Sie sollten jedoch
bedenken, dass die Zahl der Kursanbieter
verhältnismäßig gering ist und der Bedarf
nach Auszubildenden stark schwankt.
An eine besondere Zielgruppe richtet
sich Teach First, das 2003 von einer unabhängigen Wohltätigkeitsorganisation
gegründet wurde. Ziel des Programms ist
es, Führungskräfte der Zukunft auszubilden und sie für den Managementalltag in
Schule oder Wirtschaft abzuhärten. Dazu
absolvieren Studierende eine zweijährige
Lehrphase an einer „Problemschule“ und
erhalten parallel dazu Führungstraining.
Zum Abschluss erhalten sie den Qualified
Teacher Status und die Möglichkeit, entweder weiter im Schuldienst zu arbeiten
oder in die Wirtschaft zu wechseln.
Prinzipiell kann man als EU-Bürger an
all den angebotenen Kursen teilnehmen.
Jedoch sollte man sich im Vorfeld genauestens über die Studieninhalte, Anforderungen und finanziellen Aspekte informiert haben, um eine für sich passende
Ausbildung zu finden.
Die Wahl des Unterrichtsfachs
Vor allem Interessenten eines PGCEoder SCITT-Kurses müssen bei der Wahl
des Fachs, das sie später unterrichten
wollen, einige Dinge beachten. Zum Beispiel sollten sie wissen, dass man in England im Gegensatz zu Deutschland seine
Lehrbefähigung nur für ein Schulfach erhält.
schieden wird, die Sprachkombination
bei späteren Bewerbungen jedoch Auswahlkriterium ist.
Neben Modern Foreign Languages
können sich deutsche Studierende auch
für ein anderes Fach, wie etwa Geography, Science oder Psychology, bewerben.
Allerdings müssen sie dafür hervorragende englische Sprachkenntnisse mitbringen, da nur in dieser Sprache unterrichtet
wird. Ein PGCE- oder SCITT-Kurs für das
Fach Englisch ist für deutsche Bewerber
zwar möglich, laut Alison Taylor aber nicht
ratsam, da die Konkurrenz dafür schon
unter den heimischen Studenten sehr
stark ist. Bei Teach First wird die Auswahl
des zu unterrichtenden Fachs von der
Organisation selbst getroffen. Entscheidungskriterien sind dabei vor allem der
Universitätsabschluss und die Abiturfächer der Bewerber und der Bedarf in den
am Programm beteiligten Schulen.
Bewerbungsvoraussetzungen
Der PGCE - ein Abschluss, der nicht nur in
England etwas wert ist
Die Mehrheit der deutschen Studierenden entscheidet sich dabei für einen
Kurs in Modern Foreign Languages
(MFL). Laut Alison Taylor, der MFL-Kursleiterin an der University of the West of
England, haben Deutsch-Muttersprachler
an den meisten englischen Unis gute
Chancen, auch ohne vorhergehendes
Germanistikstudium einen Platz im MFLProgramm zu bekommen.
Aus diesem Grund bewarb auch ich
mich vor vier Jahren für einen Kurs in
Modern Foreign Languages mit Spezialisierung auf Deutsch und Französisch.
Diese Schwerpunktlegung ist wichtig, da
bei der Lehrerausbildung nicht zwischen
den einzelnen Fremdsprachen unter-
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In allen PGCE- und SCITT-Kursen ist fundiertes Wissen in dem angestrebten Fach
grundsätzlich Voraussetzung. Bewerber
brauchen dafür mindestens einen Bachelor-Abschluss (oder das Erste Staatsexamen) in einer fachverwandten Wissenschaft. Darüber hinaus müssen sie auf
dem Abiturzeugnis mindestens ein C
(entspricht der deutschen Note 3) in
Mathematik und Englisch und als angehende Primary-School-Lehrer zusätzlich
in einem naturwissenschaftlichen Fach
vorweisen können. Wer sich nicht sicher
ist, welchen englischen Zensuren und
Abschlüssen die eigenen Leistungen entsprechen, kann sich diese beim National
Recognition Information Centre (UK NARIC --> siehe Infokasten) anerkennen
lassen.
Wer sich für Teach First bewerben
möchte, muss neben persönlichen Stärken wie Durchhaltevermögen, Energie
und Kreativität auch sehr gute Universitätsabschlüsse und Schulnoten mitbringen. Die Organisation orientiert sich dabei stark am englischen System, weshalb
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eine Anerkennung der eigenen Zeugnisse durch UK NARIC empfehlenswert ist.
Zum einen wird ein Universitätsabschluss
mit der Mindestnote 2.1 (two-one) vorausgesetzt. Zum anderen muss im Abiturzeugnis mindestens ein C in Mathematik und Englisch stehen.
Bewerben für PGCE oder SCITT
Bewerbungen für einen PGCE- oder SCITT-Kurs sind unkompliziert, da sich die
General Teacher Training Registry (GTTR)
zentral um alles kümmert. Bevor man
sich bewirbt, sollte man sich jedoch bei
der Training and Development Agency
(TDA) (--> siehe Infokasten) ausführlich
über die verschiedenen Kurse und Anbieter informieren. Auch sollte man sich
darüber im Klaren sein, welche persönliche Motivation hinter der Bewerbung
steckt.
Das Bewerbungsverfahren findet bei
der GTTR online auf ihrer Internetseite
(--> siehe Infokasten) statt. Bewerber
können bei der Anmeldung vier (bei
Grundschullehrern zwei) Wunschunis
oder -schulen angeben, die von der
GTTR nacheinander angeschrieben werden, bis die Bewerbung erfolgreich ist.
Die Bewerbungsfrist für einen PGCEoder SCITT-Kurs endet in der Regel im
Juni des gleichen Jahres. Jedoch kommt
es immer wieder vor, dass selbst kurz vor
Beginn des Kurses im September noch
freie Plätze vorhanden sind. So gibt es
laut Alison Taylor auch an der UWE noch
zehn Vakanzen im MFL-PGCE-Programm,
für die man sich noch bis August 2009
über die GTTR bewerben kann.
Nach einer erfolgreichen Bewerbung
erhält man vom Kursanbieter eine Einladung zum Bewerbungsgespräch. Mein
eigenes Interview bei UWE umfasste ein
kurzes Gespräch auf Englisch zu meinen
Gründen, als Lehrerin arbeiten zu wollen
und zu bereits vorhandenen Erfahrungen
in der Pädagogik. Um meine Kenntnisse
in einer anderen Fremdsprache zu testen, folgte eine kurze Unterhaltung auf
Französisch. Jana Grune, die sich an der
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Bristol University beworben hatte, schildert ihr Bewerbungsverfahren hingegen
so: „Ich musste einen zehnminütigen
Vortrag in einer der beiden Sprachen halten, die ich unterrichten wollte, also
Deutsch oder Französisch, wurde dann
etwa 20 Minuten in Englisch und Französisch befragt, musste dann noch eine Art
Essay schreiben - und hatte dann zwei
Tage später die Zusage“.
Bewerbungen für Teach First
Im Gegensatz zum PGCE- und SCITTKurs bewirbt man sich für Teach First direkt bei der dafür zuständigen Organisation (--> siehe Infokasten). Die Bewerbungsfrist für einen Teach-First-Kurs läuft
von Juni für das darauffolgende Ausbildungsjahr bis etwa Ende April. Das heißt,
man kann sich demnächst für einen Kurs
im Jahr 2010 bewerben.
Erfolgreiche Bewerber werden von
Teach First in ein Assessment Centre eingeladen. Hier werden einerseits persönliche Stärken wie Respekt, Empathie und
die Fähigkeit zur Problemlösung und Organisation getestet, andererseits auch
fachliches Wissen. Außerdem haben Interessenten die Möglichkeit, ihre Präferenzen bezüglich des schulischen Einsatzortes anzugeben. Diese werden zwar
in die Entscheidung mit einbezogen, örtliche Flexibilität bei den Bewerbern ist
trotzdem vonnöten. Denn letzten Endes
entscheidet der Bedarf an Teach FirstLehrern, in welcher Schule genau die
Bewerber eingesetzt werden.
Studienablauf bei PGCE und
SCITT
Ein PGCE- oder SCITT-Kurs dauert in der
Regel ein Studienjahr (meist von September bis Juni) und umfasst einen theoretischen wie auch praktischen Ausbildungsteil. Ihr genaues Verhältnis zueinander ist zwar vorgeschrieben, allerdings
gibt es zwischen den Anbietern Unterschiede in der genauen zeitlichen Verteilung und inhaltlichen Auslegung. Prinzipi-
ell geht man als Studierender aber nach
einer kurzen Einführungsphase ziemlich
schnell in die Praxis über. Dabei wird man
während der gesamten Praxiszeit von einem Mentor betreut, der bei der Unterrichtsvorbereitung hilft und Feedback
gibt.
Bei der genauen Auswahl der placement-Schulen hat man wenig Mitsprament
cherecht. Sie richtet sich vor allem nach
dem Angebot und reicht von Privatschulen im Grünen über getrenntgeschlechtliche Schulen bis hin zu großen Gesamtschulen im innerstädtischen Bereich.
Mein erstes placement fand an einer
Jungenschule in Bath, 20 Kilometer von
Bristol entfernt, statt und begann im Oktober. Während in den ersten beiden
Wochen nur Hospitationen auf der Tagesordnung standen, folgten bald darauf
erste Unterrichtseinheiten von 15 bis 30
Minuten. Zum Ende des Praktikums im
Dezember war mein Lehrumfang auf
acht Stunden pro Woche angestiegen.
Das zweite Praktikum verbrachte ich
dann von Januar bis Juni an einer Privatschule, ebenfalls in Bath. Im Verlauf dieser Zeit übertrug mir mein Mentor zunehmend mehr Verantwortung und einen
größeren Stundenumfang. Am Ende war
ich für den Unterricht, die Benotung und
Beurteilung von sechs Klassen verantwortlich und mein Stundenplan umfasste
knapp 15 Zeitstunden.
Auch wenn für manch Unerfahrenen
der Übergang in die Praxis recht schnell
geschieht, ist dieser praktische Teil innerhalb der Ausbildung immens wichtig. Er
hilft, nicht nur den Schulalltag, sondern
auch die Stärken und Schwächen seiner
Schüler besser kennen zu lernen und das
Gelernte praktisch umzusetzen. Jana
Grune, die ihre placements an einer Gesamtschule in Bristol und einem Gymnasium in 70 Kilometer Entfernung absolvierte, meint dazu: „Man lernt, wie man
eine Unterrichtsstunde strukturiert, wie
man als Tutor einer Klasse arbeitet, wie
man Schülerleistungen beurteilt, wie ein
Elternabend funktioniert und dass Theorie und Praxis oftmals zwei unterschiedli-
arbeitsmarkt UMWELTSCHUTZ | NATURWISSENSCHAFTEN_27|2009
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che Schuhe sind“. Und auch Julia Puppe,
die an Gesamtschulen 20 beziehungsweise 60 Kilometer von Bristol entfernt
arbeitete, ist der Meinung, dass „ohne
die praktische Erfahrung die Ausbildung
zum Lehrer nicht komplett gewesen
wäre“.
Studienablauf bei Teach First
Im Gegensatz zu PGCE oder SCITT dauert ein Teach-First-Kurs insgesamt zwei
Jahre. Er startet im Juni mit einem sechswöchigen Einführungskurs im Summer
Training Institute in Canterbury, in dem
den Studierenden die wichtigsten pädagogischen und didaktischen Fertigkeiten
vermittelt werden. Danach beginnt die
eigentliche praktische Schulausbildung in
einem der sozialen Brennpunkte im
Raum London, Birmingham, Nottingham,
Manchester, Liverpool oder Yorkshire.
Während des ersten Jahres unterrichtet man nach einem reduzierten Stundenplan von etwa 19 Zeitstunden. Man
wird die gesamte Zeit über von einem
Mentor unterstützt und erhält am Ende
des Jahres den Qualified Teacher Status.
Auch im zweiten Jahr arbeitet man an
derselben Schule weiter, um seine Fähigkeiten weiterzuentwickeln und ein stärkeres Verhältnis zu den Schülern aufzubauen. Während der gesamten zwei Jahre erhält man intensives leadership training und hat die Gelegenheit, erfolgreiche Führungskräfte aus verschiedenen
Bereichen kennen zu lernen.
Eine entbehrungsreiche Zeit
Wer eine Lehrerausbildung in England absolviert hat, kann stolz auf sich sein. Denn
ohne Zweifel handelt es sich hier um eine
arbeitsintensive Zeit, die nicht ohne Entbehrungen auskommt. So ist man als
PGCE- oder SCITT-Student während der
Praktika die meiste Zeit mit Unterrichtvorbereitungen beschäftigt und verbringt die
Schulferien an der Universität, um sein
theoretisches Wissen aufzubessern und
Studienarbeiten zu schreiben.
Und auch Teach First verlangt von
seinen Studierenden ein hohes Potential
an Energie und Durchhaltevermögen.
Der Stundenplan ist von Anfang an gut
gefüllt und als Lehrer verhaltensauffälliger Schüler stößt man oft an seine physischen und psychischen Grenzen. Doch
gerade da zeigt sich, wer am Ende genügend Kraft und Durchsetzungsvermögen
besitzt, um auch im harten Managementalltag zu bestehen.
Laut Julia Puppe, die einen PGCE-Kurs
absolviert hatte, hängt es jedoch ganz
von der eigenen Konstitution ab, wie
man mit dem Arbeitsaufwand klarkommt:
„Ich fand den Kurs sehr machbar, auch
wenn ich von Kommilitonen weiß, dass
sie ihn teilweise sehr arbeitsintensiv fanden. Bis auf die Unterrichtsvorbereitung,
die sich teilweise tatsächlich bis spät in
die Nacht hingezogen hat, fand ich die
assignments und andere Nachweise
vom Arbeitsaufwand her dem akademischen Niveau angemessen“.
Die Finanzierung
Studierende, die sich in einer postgradualen Lehrerausbildung befinden, müssen
in England grundsätzlich Studiengebühren bezahlen. Ihre Höhe ist abhängig
vom Kurs und von der Bildungseinrichtung und beträgt maximal £ 3.225 (etwa
3.700 €) für das Studienjahr.
Prinzipiell kann jedoch jeder EU-Student während seiner Ausbildung in England mit finanzieller Unterstützung rechnen. So gibt es verschiedene Darlehen,
die bei der Zahlung von Studiengebühren
aber auch Lebenshaltungskosten Unterstützung leisten.
Besonders interessant für PGCE- oder
SCITT-Studierende ist das Stipendium
der Training and Development Agency.
Jeder, der Darlehensanspruch hat, kann
darauf zurückgreifen. Demnach erhalten
angehende Secondary-School-Lehrer je
nach Unterrichtsfach steuerfrei £ 6.000
bis £ 9.000 und zukünftige Grundschullehrer £ 4.000. Darüber hinaus erhalten
Studierende in manchen Fällen ein Sti-
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pendium von ihrer Bildungseinrichtung.
Bewerber sollten sich in jedem Fall vorher genau informieren, ob bei ihnen Anspruch auf finanzielle Unterstützung besteht (--> siehe Infokasten).
Wer nach seiner Ausbildung weiter an
einer englischen Schule unterrichtet,
kann sich über einen zusätzlichen finanziellen Anreiz freuen. Denn für alle Lehrerinnen und Lehrer eines shortage subjects gibt es nach zwei Jahren in Festanstellung zusätzlich zum Gehalt ein Golden Hello: für Mathematik und Naturwissenschaften £ 5.000, für Informatik, Design & Technology, Fremdsprachen, Religion und Musik immerhin noch £ 2.500
- einfach so, geschenkt.
Im Gegensatz zu einem PGCE- oder
SCITT-Kurs erhebt Teach First keine Studiengebühren, da hier jegliche Kosten
durch Sponsoren und staatliche Institutionen getragen werden. Trotzdem hat man
die Möglichkeit, ein Darlehen zu beantragen, das beispielsweise bei den hohen
Lebenshaltungskosten in London hilft. Als
Auszubildender bei Teach First erhält man
von Anfang an ein reguläres Lehrergehalt,
das im ersten Jahr £ 19.000 bis £ 27.000
(21.500 € - 30.000 €) beträgt.
Und danach?
Für die meisten Bewerber steht schon
vorher fest, welchen Weg sie nach ihrer
Lehrerausbildung in England gehen
möchten. Während vor allem Absolventen von Teach First in Leitungspositionen
tätig werden, entscheiden sich andere für
eine Weiterbeschäftigung an einer englischen Schule oder die Wiedereingliederung ins deutsche Schulsystem.
Unterrichten in England
Wer an einer englischen Schule unterrichten möchte, hat es verhältnismäßig
leicht, da der Lehrerbedarf in ganz Großbritannien unverändert hoch ist. Jedoch
fällt die Nachfrage regional sehr unterschiedlich aus und ist in naturwissenschaftlichen Fächern oder Mathematik
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bedeutend größer als etwa in Kunst oder
in Fremdsprachen.
Da Französisch seit Jahrzehnten die
ungeschlagene Nummer Eins an Englands Schulen ist und Spanisch immer
beliebter wird, sollten sich Studierende
eines MFL-Lehrerkurses bereits während
der Ausbildung auf zwei Fremdsprachen
spezialisieren. Laut Alison Taylor ist die
Nachfrage nach Deutschlehrern mit zu-
Es müssen nicht immer Schlösser sein –
ein ganz normaler englischer Schulflur
sätzlichen Französischkenntnissen immer
noch recht groß und die Erfahrung hat ihr
gezeigt, dass „Studierende, die Französisch in der Schule gelernt haben, eine
gute Grundlage für das Unterrichten in
der 7. bis 9. Klasse und oft sogar noch bis
in höhere Klassen besitzen“.
Auf einen Lehrerjob bewirbt man sich
in England wie für jeden anderen Beruf,
also mit Hilfe eines Bewerbungsschreibens als Antwort auf eine Stellenanzeige.
Wird man zu einem Vorstellungsgespräch
eingeladen, sollte man am besten einen
ganzen Tag einplanen. Denn neben dem
Probeunterricht werden mehrere Interviews mit der Schulleitung, dem Head of
Department und oft auch mit der für das
pastoral system zuständigen Person
durchgeführt.
Als Absolvent eines PGCE- oder SCITTKurses arbeitet man im ersten Jahr als
Newly Qualified Teacher (NQT). Man hat
einen um 10% verringerten Stundenplan
(also etwa 19 Zeitstunden), erhält weiterhin Unterstützung durch einen Mentor
und nimmt an verschiedenen Weiterbildungsmaßnahmen teil. Ansonsten hat
man die gleichen Verpflichtungen wie ein
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„normaler“ Lehrer. Man ist für den Unterricht und die Benotung von bis zu zehn
Klassen zuständig, fertigt im Verlauf des
Schuljahres mehrere reports an, nimmt
an Elternabenden teil und ist in den meisten Fällen auch Tutor einer Klasse.
Zurück nach Deutschland
Für Absolventen, die sich für den deutschen Schuldienst entscheiden, sieht der
Weg weniger geradlinig aus. Da Studierende in England in nur einem Schulfach
ausgebildet werden, fällt die Anerkennung für die in Deutschland benötigte
zweite Spezialisierung schwer.
Um solchen Fällen Abhilfe zu leisten,
bieten viele Bundesländer so genannte
Anpassungslehrgänge (APL) an. Diese
dienen der fachlichen Weiterbildung im
zweiten Unterrichtsfach und der Anerkennung der ausländischen Abschlüsse
und Gleichstellung mit dem Zweiten
Staatsexamen.
Trotzdem ist die Frage der Anerkennung ausländischer Lehrerbefähigungen
noch nicht vollständig beantwortet und
einheitliche Regelungen fehlen. In den
meisten Fällen werden immer noch Einzelfallentscheidungen getroffen. Daher
lohnt es sich, bei der örtlichen Schulbehörde einen Antrag auf Anerkennung des
PGCEs zu stellen und diesen hartnäckig
zu verteidigen. In lehrerarmen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Baden-Württemberg sind APLs
und die Anerkennung des englischen
Abschlusses in vielen Fällen möglich.
Unproblematischer als der Übergang
in den staatlichen Schuldienst in
Deutschland ist eine Tätigkeit an einer
privaten oder internationalen Schule. Vor
allem letztere arbeiten oft nach dem englischen Schulsystem, weshalb Bewerber,
die damit bereits Erfahrung haben, gern
gesehen sind.
Fazit
Für welchen Weg man sich auch entscheidet, eine Lehrerausbildung in Eng-
land stellt definitiv eine Bereicherung
des Lebenslaufs und der eigenen Fähigkeiten dar. Blauäugig sollte man sich
trotzdem nicht in dieses Abenteuer begeben. Bei ungenügender vorhergehender Recherche kann Frust über unerreichte Wünsche oder eine dem Traum
nicht entsprechende Realität aufkommen. Der Lehrerberuf erfordert - egal ob
in Deutschland oder in England - volle
Motivation, viel Energie und auch eine
Portion Idealismus. Kann man diese von
vornherein nicht aufbringen, sollte man
nach Alternativen suchen. Wer den nötigen Enthusiasmus jedoch mitbringt,
wird es schaffen, nicht nur sich, sondern
auch seine Schüler zu motivieren und zu
begeistern und wird letzten Endes auch
für seine Mühen entschädigt werden.
INTERNETADRESSEN
• www.tda.gov.uk — Informationen
zu den verschiedenen Kursen und
Anbietern
• www.gttr.ac.uk - Onlinebewerbung
für einen PGCE- oder SCITT-Kurs
• www.direct.gov.uk — Informationen
zur finanziellen Unterstützung
• www.teachfirst.org.uk — Informationen zum Teach-First-Programm und
Bewerbungsportal
• w w w.artbitter.de/akueppers2/
download/publikationen/PGCE-%
20Bunte%20Berufsbiografien.pdf
— Artikel über das PGCE und dessen Anerkennung in Deutschland
• www.ksdev.de/eu-lehrer.htm — Informationen zu Anpassungslehrgängen in den einzelnen Bundesländern
• www.teachertrainingwales.org,
www.teachinscotland.com
und
www.deni.gov.uk/index/teacherspg/teachers-teachinginnorthernireland_pg.htm — Hier kann man
sich zu Lehrerkursen in Wales,
Schottland und Nordirland informieren.
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