Tiefe Beinvenenthrombose

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Tiefe Beinvenenthrombose
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Tiefe Beinvenenthrombose
Definition: „Tiefe Beinvenenthrombose“(TVT)
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Syn.: „Phlebothrombose“
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Akuter kompletter oder inkompletter Verschluss einer tiefen Vene durch einen
Thrombus.
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Tritt in über 90% der Fälle im Bereich der Becken- und Beinvenen auf.
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Da links die A. iliaca die V. iliaca überkreuzt und so zu einer Abflussbehinderung führt, ist das linke Bein doppelt so häufig betroffen wie das rechte Bein.
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Stellen eine potentiell lebensgefährliche Komplikation (-> Lungenembolie) bei
bettlägrigen Patienten dar, vor allem nach einer Operation im Bein- und Bekkenbereich
Ursachen:
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Genetisch bedingte Thrombophilie:
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Faktor-V-Leiden-Mutation
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Prothrombin-20210-Gen-Mutation
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Protein-S-Mangel
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Protein-C-Mangel
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AT-III-Mangel
Erworbene Störungen:
= „Risikofaktoren“
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Immobilisation: post-OP, lange Flugreisen, Frakturen
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Schwangerschaft, Wochenbett
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Pille, Östrogene, Alter
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Rauchen, Adipositas
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Vorhofflimmern
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Herzinsuffizienz
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Schlaganfall
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Antiphospolipidsyndrom
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Malignome
Symptome:
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Dumpfe ziehende Schmerzen in der betroffenen Extremität
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Spannungsgefühl (hauptsächlich in der Wade)
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Akut aufgetretene Schwellung einer Extremität -> Beinumfang erhöht
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Überwärmung -> „heißes Bein“
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Rötlich-bläuliche Verfärbung = Sichtbarwerden der oberflächlichen Hautvenen
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Pulse sind tastbar
=> Im Frühstadium sind 50% der Fälle symptomlos!
Komplikationen:
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Akut: akute Lungenembolie

Chronisch: postthrombotisches Syndrom -> venöser Block -> antegrade
Strömungsinsuffizienz
Klinischer Fall:
Eine 25-jährige Patientin stellt sich gegen 18.00 Uhr in der Notfallaufnahme bei Ihnen
vor. Sie berichtet, dass sie vor zwei Tagen nach einer mehrstündigen Flugreise aus
dem Urlaub (-> Dominikanische Republik) nach Deutschland zurückgekehrt sei. Seit
2 Tagen bestünde nun ein Schwellungsgefühl im rechten Oberschenkel, des
Weiteren würden unter Belastung Schmerzen im Bereich der Oberschenkelinnenseite und der Wadenmuskulatur auftreten. Im Rahmen der klinischen Untersuchung
fällt eine diskrete Umfangsvermehrung des rechten Unterschenkels (32 cm, im
Vergleich links 29 cm) auf. Bis auf die „Pille“ nimmt die Patientin keine Medikamente
ein. Sie raucht 1 Schachtel Zigaretten pro Tag.
Diagnostik:

Klinische Tests: „6x klinische Zeichen einer TVT“
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Schwellung, Umfangdifferenz (-> Seitendifferenz > 1cm ist pathologisch),
Zyanose

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Pratt-Warnvenen: Kollateralvenen an der Schienbeinkante.
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Meyer-Zeichen: manueller Kompressionsschmerz der Waden-muskulatur.
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Homans-Zeichen: Wadenschmerz bei Dorsalflexion des Fus-ses.
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Payr-Zeichen: Fußsohlenschmerz bei Druck auf die mediale Fusssohle
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Druckempfindlichkeit im Verlauf der tiefen Venen
Bestimmung der klinischen Wahrscheinlichkeit nach Wells:
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
D-Dimer-Test:
-
D-Dimer: sind Abbauprodukte des Fibringerinnsels.
-
2 Testverfahren:
o ELISA-Test: Plasmakonzentration [500 µg/L]
o „Bedside“-Test: D-Dimer positiv/negativ
-
Ein
positiver
D-Dimer-Test
zeigt,
dass
„irgendwo
im
Kör-
per“ Fibringerinnsel vorliegen, die der Körper gerade abzubauen versucht;
da nach OP‘s, Blutungen, Verletzungen, Prellungen, Blutergüssen, Tumorleiden, Schwangerschaft und Wochenbett und Entzündungen erhöhte
D-Dimerspiegel vorliegen, ist der Test leider oft erhöht => bedarf der
weiteren diagnostischen Abklärung
-
Ein negativer D-Dimer-Test schließt mit großer Sicherheit eine Thrombose aus
FAZIT: ein positiver D-Dimer-Test ist verdächtig auf eine Thrombose, beweist sie
aber nicht! Ein negativer D-Dimer-Test ([D-Dimer] < 500µg/l) schließt eine tiefe Venenthrombose oder eine akute Lungenembolie jedoch mit 90%iger Sicherheit aus.

Ultraschalldiagnostik der TBVT: „Verfahren der Wahl“
-
Die Farbduplexsonographie der tiefen Beinvenen wird als sogenannte
„Kompressionssonographie“ angewandt:
o Gesunde Venen lassen sich durch Druck mit dem Schallkopf
vollständig zusammendrücken.
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o Thrombosierte Vene sind nicht komprimierbar.
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Aussagekräftig von proximal bis auf die Höhe der V. poplitea; Unterschenkelabschnitt nur durch erfahrene Untersucher beurteilbar.
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Die Doppler-Flussinformation ergänzt die Untersuchung und ist vor allem
für den Beckenbereich hilfreich.
-
Bei nicht eindeutigen Befunden der Kompressionssonographie sollte der
Ultraschall nach 4-7 Tagen wiederholt werden, ggf. kann auch eine
Phlebographie durchgeführt werden.

Phlebographie:
-
bei sonographisch unklaren Fällen
-
Vorteil: ermöglicht Nachweis auch kleinster Gerinnsel, auch am Unterschenkel

Nachteil: Invasivität, Strahlenexposition allergische Reaktionen
Magnetresonanz-Tomographie (MRT) und Computertomographie (CT):
-
werden als zusätzliche Methoden eingesetzt, v.a. für die Diagnostik von
intraabdominellen und –thorakalen Thrombosen und Organvenenthrombosen
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Vorteil: hohe Treffsicherheit
-
Nachteil: -> CT: Strahlenbelastung
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MERKE: Bei unklarer Ätiologie sollte ein Tumorscreening erfolgen, da Thrombosen
bei Malignomen häufig aufgrund parallel bestehender Hyperkoagulabilität auftreten
können!
Therapie:
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Lagerung: liegend, betroffene Extremität hochlagern.
•
Sofort Antikoagulation:
-
Unfraktioniertes Heparin (initial 5000 IE als Bolus i.v., dann 1000 IE/h
über Perfusor, Ziel-PTT 60-80 sec; Ziel-INR 2-3, Gerinnungskontrolle in
6 h)
-
Alternativ: niedermolekulare Heparine; Monitoring anhand der Wirkung
auf Faktor X (-> Antifaktor-X-Wirkung)
•
Dauer der antithrombotischen Therapie:
•
Kompressionstherapie:
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-
Das postthrombotische Syndrom kann durch konsequente Kompression signifikant verringert werden.
-
Beschwerden und Schwellung werden durch die Kom-pression effektiv
reduziert.
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Nach initialer Kompression mit Kurzzugbinden werden alle Patienten
vor Entlassung mit Kompressionsstrümpfen der Klasse II versorgt ->
Kompression bis zur Leiste!
•
Mobilisierung:
-
die früher praktizierte Immobilisierung (Bettruhe) wird nicht mehr empfohlen; Patienten mit tiefer Beinvenenthrombose werden zunehmend
ambulant behandelt.
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Begründung: die Immobilisierung begünstigt vermutlich das Thrombuswachstum, das Umhergehen führt dagegen beim antikoagulierten
Patienten nicht zu einer vermehrten Lungenembolierate [3].
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Daher: frühe Mobilisierung auch bei proximalen tiefen Beinvenenthrombosen ist vorteilhaft gegenüber Immobilisierung und strenger
Bettruhe.
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Frühere Schmerzlinderung
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Schnelle Abnahme des Beinumfanges
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Kein vermehrtes Vorkommen von Lungenembolien
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Ausnahme: bei Beckenvenen- oder V. cava-inferior-Beteiligung =>
Bettruhe!
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Thrombus-beseitigende Massnahmen:
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Systemische Fibrinolyse:
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Indikation: Jüngerer Patient; Thrombose oberhalb des Adduktorenkanals; Fehlen üblicher Kontraindikation
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Durchführung: 100.000 IE Urokinase/h über mehrere Tage;
simultane Gabe von UFH i.v. (Ziel-PTT: 2-3 sec)
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OP: venöse Thrombektomie:
-> darf nicht älter als 72 h sein
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Indikation:
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Phlegmasia coerulea dolens
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Beckenvenenthrombose in der Gravidität
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Beckenvenenthrombose nach der Entbindung
Thrombophilie-Diagnostik:
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Indikation: sollte insbesondere bei jüngeren Patienten durchgeführt
werden
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Durchführung: sollte erst 3 Monate nach Abklingen der TVT und ohne
Macumar durchgeführt werden
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Prüfung: Protein-C-, Protein-S-Mangel. AT-III-Mangel, APC-Resistenz?
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Ergebnis: bei Vorliegen eines AT-III-Mangels muss eine lebenslange
Antikoagulation durchgeführt werden
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