auf die Kerze?

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auf die Kerze?
REPORTAGE » Kerzenfabrik
Wie kommt die Kirche auf die Kerze?
von Uschi Hellmich
Wie kommt
die Kirche
auf die Kerze?
S
O LANGSAM startet die Kerzenzeit. Wie
gemütlich es ist, wenn Kerzen leuchten! Auch in den Kirchen spielt das Kerzenlicht eine große Rolle: von den großen
Altarkerzen über die schön verzierten Osterkerzen bis zu den kleinen Lichtern, die
man kaufen kann. Da ist manchmal sogar
ein schönes Bild drauf. Wie das wohl dahin
gekommen ist?
Wie kommt das Bild auf die Kerze?, haben wir uns gefragt. In der Wachswarenfabrik CERION haben wir gleich mehrere
Antworten gefunden.
HANDARBEIT: TOTAL INDIVIDUELL
Sicher kennt ihr die großen, reich verzierten Osterkerzen, habt schon einmal ganz
besondere Taufkerzen gesehen oder Kerzen, die zu einem speziellen Anlass hergestellt wurden. Die gibt es natürlich nicht in
Serie. Sie werden extra angefertigt. Bei CERION Kerzen in Dormagen macht das zum
Beispiel Silvia Späth-Weber. Sie entwirft eigene Motive oder arbeitet die Ideen ihrer
Kunden nach. Zuerst entsteht ein Bild auf
Papier. Das wird dann auf bunte Wachs­
platten übertragen, ausgeschnitten und
auf die Kerze geklebt. Im Juli fängt sie übrigens mit der Weihnachtsproduktion an,
und nach Weihnachten geht es gleich mit
den Osterkerzen weiter. Die größte Osterkerze, die sie je verziert hat, misst übrigens
1,40 Meter.
DURCHS SIEB AUF DIE KERZE
Neben den Kerzen, die in Handarbeit verziert werden, bedruckt die Firma CERION auch Kerzen. Ein Verfahren nennt man
Handarbeit: Zuerst
entsteht ein Bild auf
Papier. Das wird dann
auf bunte Wachsplatten übertragen, ausgeschnitten und auf
die Kerze geklebt.
Siebdruck. Stellt euch ein feines Sieb mit einem
Rahmen vor. Darauf ist das Motiv, zum Beispiel
eine Kirche. Da kommt Farbe drauf und ein
Schieber drückt diese Farbe durch das Sieb. Die
Farbe kann nur durch die kleinen Löcher durch
und überträgt so das Motiv auf die Kerze. Nach
fünf Kerzen muss das Sieb geputzt werden,
sonst verstopfen die feinen Löcher. Leider stinkt
das Putzmittel ziemlich. Dann kommt neue Farbe drauf und die nächsten fünf Kerzen werden
Siebdruck:
Ein Schieber drückt
Farbe
durch ein
Sieb – und
schon ist
die Kirche
auf der
Kerze.
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Wie kommt die Kirche auf die Kerze?
bedruckt. Das geht schneller als die Verzierung
mit der Hand. Dafür sieht aber auch jede Kerze gleich aus. Und wenn nicht, wird die Farbe
abgeputzt und die Kerze bekommt ein neues
Motiv. Mit einem dieser Spezialsiebe können
bis 15.000 Kerzen bedruckt werden. Die Farbe,
die benutzt wird, ist eine dicke Paste, die verdünnt werden muss. Es ist eine extra Kerzenfarbe. Es gibt acht Grundtöne, aber man kann
alle Farben durch Mischen herstellen. Das
kennt ihr aus eurem Wasserfarbkasten.
Das Motiv, das die Kerze
zieren soll, wird spiegelverkehrt auf ein spezielles
Wachspapier gedruckt.
Dann kommt ein Tuch
darüber und eine Presse
drückt bei 160 Grad ein
paar Sekunden lang fest
auf die Kerze.
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Dabei verbindet sic
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Bild mit der Ke
EIN FOTO AUF DER KERZE
Der Fotodruck funktioniert ein bisschen wie die
Abziehbilder, die man sich auf die Haut kleben
kann. Das Motiv, das die Kerze zieren soll, wird
spiegelverkehrt auf ein spezielles Wachspapier
gedruckt. Warum verkehrt herum? Na logisch,
damit es im nächsten Schritt richtig herum auf
der Kerze sitzt. Das Wachspapier wird auf die
Kerze gelegt. Dann kommt ein Tuch darüber
und eine Presse drückt bei 160 Grad ein paar
Sekunden lang fest auf die Kerze. Dabei verbindet sich das Bild mit der Kerze. Überschüssiges Wachs wird abgeschnitten. Zuletzt wird
jede einzelne Kerze kurz in ein Wachsbad getaucht. Dann ist alles schön und glatt.
EXTRA FÜR KIRCHENKERZEN hat die
Firma CERION einen Spezialanzünder erfunden, der auch Kerzen löschen kann. Gut für
kleine Minis, denn mit dem Anzünder kommen sie hoch hinaus – ganz ohne Leiter. Damit können sie ganz einfach bis zu 4,50 Meter
hoch stehende Kerzen zum Leuchten bringen
und wieder löschen. Ein weiterer Vorteil: Der
Kerzendocht wird nicht beschädigt. Außerdem
verbrennt man sich nicht mehr die Finger am
Feuerzeug.
GUT FÜR DIE KIRCHEN:
KERZEN MIT WENIG RUSS
Beim Besuch bei CERION haben wir auch Kerzen entdeckt,
die zwar so aussehen, aber gar
keine sind: Flüssigwachskerzen. Normale Kerzen haben
leider einen Nachteil. Sie rußen. Das ist nicht gut für die
Innenräume von Kirchen, besonders wenn diese frisch renoviert sind. Ruß schadet genauso wie Heizungsluft alten und wertvollen Gemälden
und Wandbildern. Auch Orgeln mögen Ruß nicht besonders. Aber auf Kerzen in den
Kirchen verzichten? Das wäre
doch schade! Es gibt nämlich
eine Lösung, zum Beispiel für
die beliebten Opferkerzen. Das
sind die Flüssigwachskerzen.
Sie brennen in zwei oder vier
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EIN KERZENANZÜNDER,
DER AUCH LÖSCHEN KANN
PRIMA
FÜR
MINIS
Stunden leer und können in
der Kerzenfabrik neu befüllt
werden. Funktioniert wie bei
den Pfandflaschen. Diese Flüssigwachskerzen machen wenig Ruß und tropfen nicht. Das
freut auch diejenigen, die den
Boden unter dem Opferkerzentisch putzen müssen und sich
über heruntergetropfte Wachsreste ärgern.
KERZEN WIE
PFANDFLASCHEN
Die Kerzenfabrik CERION bietet einen besonderen Nachfüllservice für Opferkerzen mit
Flüssigwachs an. Ist die weiße
Aluhülse leer gebrannt, wird
sie mit vielen anderen in die
Kerzenfabrik geschickt. Dort
sitzen fleißige Damen und befüllen die Hülsen wieder. Zuerst müssen die Baumwolldochte von Hand in die Hül-
sen gefädelt werden – und zwar immer doppelt, denn ein doppelter Docht saugt besser.
Das Flüssigwachs presst dann eine Maschine
ins Röhrchen. Damit es den Arbeiterinnen nicht
langweilig wird, wechseln sie sich bei den einzelnen Handgriffen ab. In zwei Stunden Handarbeit können 500 Kerzen befüllt werden, die
jede wieder in zwei Sunden leer brennen. Natürlich könnten Maschinen das komplett erledigen, aber die Chefs von CERION meinen, dass
es besser ist, wenn sie einigen Frauen einen Arbeitsplatz anbieten können. Sie sagen: Menschen
kaufen unsere Kerzen, nicht Maschinen!
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