Museumsdorf
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84 TRAVEL & TOURS Museumsdorf Museumsdorf Bayerischer Wald Bilder: Museumsdorf/Blockhome Blockhausdorf am Dreiburgensee Bayerns Holzbautradition ist in einem der größten Freilichtmuseen Europas präsent. V Der Gebäudebestand des Museumsdorfes wuchs Jahr um Jahr stetig an. Basierend auf der damals aufsehenerregenden Rettungsaktion für die alte Mühle ereilten das Ehepaar Höltl zahlreiche Anfragen: Aus der gesamten Region meldeten sich Besitzer von beachtenswerten historischen Holzbauten, die sie zum Erhalt dem Museum übergeben wollten. Das Museum war als ‘echtes’ Dorf konzipiert und nahm über die Jahre kontinuierlich Gestalt an. Heute kann der geneigte Besucher auf einer Fläche von 20 Hektar stattliche 150 historische Bauobjekte besichtigen, allesamt im Originalzustand aus der Zeit von 1580 bis 1850. 60.000 Einzelstücke Zu den Gebäuden gesellen sich rund 60.000 Objekte, bestehend aus bäuerlichem Hausrat, Mobiliar, Handwerksgeräten, Werkzeugen, religiösen Artefakten und Regelmäßig ist die Backstube in Betrieb ▲ or 37 Jahren errichtete der heimatverbundene Reiseunternehmer Georg Höltl am malerischen Dreiburgensee im Landkreis Passau ein Ausflugshotel. Vor Ort erspähte er die zum Abriss freigegebene, 500 Jahre alte Rothaumühle und beschloss, dieses architektonische Kunstwerk vor der Zerstörung zu retten. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Centa erwarb er das massive Holzgebäude und veranlasste seine originalgetreue Restaurierung. Zwei Jahre später präsentierte man die Mühle der Öffentlichkeit als neues Heimatmuseum – dies war der Startschuss zum ‘Museumsdorf Bayerischer Wald’. Denn fortan machten es sich Höltls zur Lebensaufgabe, von Verfall und Abriss bedrohte, historisch wie bautechnisch wertvolle Gebäude nebst Gerätschaften und Hausrat für die Nachwelt zu erhalten. 150 Blockhäuser aus vier Jahrhunderten 86 TRAVEL & TOURS Museumsdorf Tradition erfahren Krankenwagen Leichenwagen Beil und Kreuz als Zimmererzeichen einem Pfettendach und Schindeleindeckung giebelseitig erschlossene Holzhaus hat in seiner über dreihundert Jahre dauernden Nutzung recht unterschiedlichen Zwecken gedient. Die ursprüngliche Gemeinde- und Pfarrschule wurde auch als Rathaus, Gefängnis und später als Wohnhaus genutzt. Vielfalt der Handwerksberufe Die vielen Utensilien machen die Räume lebendig lands, die einst als Schul- und Marktschreiberhaus der Gemeinde Simbach bei Landau gedient hatte und 1977 ins Museum übertragen wurde. Das in Blockbauweise im Jahre 1670 fertiggestellte und mit Der begehbare Schornstein mit Räucherkammer Älteste Volksschule Deutschlands Die Gebäude im Museumsdorf stammen aus dem gesamten Bayerischen Wald. Dieses waldreiche Mittelgebirge erstreckt sich von der Donauebene Niederbayerns bis zum Böhmerwald, vom Wegscheider Land über das angrenzende österreichische Mühlviertel bis zum Oberen Bayerischen Wald bei Cham. Besondere Erwähnung verdient die älteste Volksschule Deutsch- Über dreieinhalb Jahrzehnte leistete die Familie Höltl akribische und beharrliche Arbeit, um über Jahrhunderte tradiertes Fachwissen der Handwerksgilden und einzigartige Artefakte einer bäuerlichen Subsistenzwirtschaft zusammenzutragen. Die Holzgebäude, die aus dem gesamten Bayerischen Wald stammen, mussten Stück für Stück, Balken für Balken ab- und im Museum wieder aufgebaut werden. Hierbei wurde mit größter Sorgfalt und mit viel Liebe zum Detail vorgegangen. Sämtliche Einzelteile der Blockhäuser – Balken, Bretter, Türen, Fenster, markante Steine – wurden vor dem Abbau genau erfasst und fotografisch festgehalten. Freudige Begegnung von Jung und Alt Beton für die Eichenschwellen Über jedes Gebäude wurde im Zuge seines Abtransports vom Originalstandort bis zum Wiederaufbau im Museumsdorf ein Film erstellt. Erfahrene Meister ihres Faches leiteten die komplexen Bautätigkeiten und wendeten hierbei traditionelle Bau- und Handwerkstechniken der alten Zeit an. Besondere Aufmerksamkeit schenkte man den uralten ersten Balkenlagen aus Ei- Warmwasserbecken an der Ofenrückwand chenholz, die wegen ihres direkten Kontakts zum Erdreich immens wichtig waren. Die Schweller mit über 50 Zentimeter Stärke sind fast unverwüstlich. Kachelofen mit Kochplatte und Backfächern ▲ Kleidungsstücken. Diese Gegenstände sind nach Funktionalität geordnet und in den entsprechenden Gebäuden ihrer vormaligen Nutzung zur Ansicht aufbereitet worden. In insgesamt 18 Dauerausstellungen, von den ‘Fuhrwerken aus alter Zeit’ über die ‘Utensilien zum Brotbacken’ bis zu den ‘Zeugnissen der Volksfrömmigkeit’, lebt hier die vorindustrielle bayerische Siedlungs-, Wirtschafts- und Holzbaugeschichte weiter fort. Am Beispiel der alten Schule und ihrer abwechslungsreichen Geschichte zeigt sich auch die Vielfalt dieser ländlichen Lebensgemeinschaften. Über 40 verschiedene Handwerksberufe wurden in den Dörfern ausgeübt. Tagelöhner lebten neben Groß- und Kleinbauern, an den Höfen dienten Mägde, Knechte und Dienstboten und nirgends fehlten Pfarrer, Lehrer, Richter und Dorfmedici. Imposante einteilige Eichenschwelle 88 TRAVEL & TOURS Museumsdorf in der Wintersonne Museumsdorf mitmachen … Die älteste Volksschule Deutschlands von 1670 Unterbau einer Putzdecke Hartholzsplinte halten den Putz Herrgottswinkel Schulraum Töpferausstellung tung und Steinaufschüttungen befestigt. Zudem wurden die Gebäude nicht nur in den Kontext ihrer vormaligen Bewirtschaftung gesetzt, sondern auch in exakt der alten Himmelsrichtung wieder aufgebaut. Hammerschmieden und Mühlen bekamen gemäß ihrer ursprünglichen Nutzung folglich einen Platz am Bach oder in der Nähe des Dreiburgensees zugewiesen. Einmaliges Häuser-Ensemble Speckstein-Druck Reise auf historischen Pfaden Orientierung am Dorfcharakter Grundidee, Plan und Leitbild des Museumsdorfes folgen der Überzeugung, ein möglichst authentisches Bild des alten bäuerlich-handwerklichen Daseins in einer historischen Dorfgemeinschaft darzustellen. Da die einzelnen Gebäude überwiegend alten Ortschaften, Weilern und kleineren Siedlungsverbänden entstammen, orientierte man sich bei der Anordnung im Museum an den Dörfern des bayerischen Waldes des 16. bis 19. Jahrhunderts. Zudem zog man wissenschaftlich belegte Überlieferungen und Schriften zu Rate, studierte alte Kupferstiche und Fotografien und erfasste die mündlich weitergegebenen Berichte einstiger Zeitzeugen. Die Besucher des Museumsdorfes erleben eine spannende Zeitreise. Schon der Weg durch die Anlage lässt sie auf wahrhaft historischen Pfaden schreiten – denn diese wurden gemäß den recherchierten Wegebautechniken einzig durch BodenverdichHistorische Wohnstube Die Art und Weise, in der im Museumsdorf Bayerischer Wald die vorindustrielle ländliche Kultur lebendig gehalten wird, schafft ein wohl weltweit einmaliges Ensemble: Massive Block- und Holzständerbauten unterschiedlichster Form und Nutzung bilden mehr als ein vollständiges Dorf und lassen in der gebotenen Vielfalt kaum Wünsche offen. Hier warten ganze Bauernhöfe, Scheunen und Sägewerke, Mühlen, Dorf- und Wegekapellen, Backstüberl, Flurdenkmäler, Wohnhäuser, Getreidekästen und Saatgutbatterien auf die interessierten Besucher. In Tittling kann sich der Gast auf eine Reise in die Vergangenheit aufmachen und mag sich über die enge Verbindung des damaligen Lebens mit dem Blockhaus wundern. … und lernen Erstaunliche Geschichten Spannend ist die Geschichte des heimgekehrten Soldaten aus dem NapoleonFeldzug, der geschworen hatte, eine Kapelle zu bauen, so er gesund heimkehren würde. Gut erhalten und farbenfroh ist dieses Mahnmal im Museum ein Kleinod. Hier und da sieht man, dass man schon früher weiße Wände in einem Blockhaus kannte. Stellenweise sind die Wandputze geöffnet, um den Aufbau zu dokumentieren. Strohmatten unter der Decke oder Hartholzsplinte, die in die Wand getrieben wurden, fixieren den Kalkputz auf dem Holz. Vorzugsweise wurde die gute Stube gekalkt. Denn in einer schlichten Zimmerecke befand sich der Herrgottswinkel mit Christkreuz. Mahnmal des Napoleonkrieges Märkte, Theater und Handwerkskurse Komplettiert wird die Zeitreise durch historische Bauernmärkte, Theater- und Konzertaufführungen, Lesungen, Kunstausstellungen und Kurse für traditionelles Handwerken wie Filzen und Töpfern, die die ganze Saison stattfinden. Das Museum und seine zahlreichen Ausstellungen wie auch das eindrucksvolle Gasthaus ‘Mühlhiasl’ von 1760 ist von Palmsonntag bis Oktober geöffnet. Im Winter machen sich die Museumsfachleute ans Werk, die Objekte zu pflegen, neue Veranstaltungen zu planen und weitere AusBH stellungen ins Leben zu rufen. Napoleonkapelle von innen Ausstellung zum 30-jährigen Jubiläum Weitere Informationen Museumsdorf Bayerischer Wald Herrenstraße 11 D-94104 Tittling Telefon 0049-(0)8504-8482 Internet www.museumsdorf.com