OAG NOTIZEN November 2003 - OAG : Deutsche Gesellschaft für
Transcription
OAG NOTIZEN November 2003 - OAG : Deutsche Gesellschaft für
Feature Erwin von Baelz und sein Einfluss auf die Leibeserziehung und die traditionellen Kampfkünste im Japan der Meiji-Zeit Heiko Bittmann 1) Einführung Einer der eindrucksvollsten und einflussreichsten Deutschen, die während der Meiji-Zeit (1868-1912) in Japan weilten, ist wohl der Arzt Erwin von Baelz. Bis heute findet er sich in der Literatur oft als „Vater der modernen westlichen Medizin in Japan“ bezeichnet. Sein Betätigungsfeld blieb aber nicht nur auf den medizinischen Bereich beschränkt, sondern er machte sich auch als Anthropologe, Ethnologe, früher Japanologe oder Kunstsammler einen Namen. Seine Forschungen zu „heißen Quellen“ (onsen) und das Gedenken an ihn führten im Jahre 1962 zur Städtepartnerschaft zwischen seinem Geburtsort Bietigheim und dem in den japanischen Alpen gelegenen Kurort Kusatsu (Präfektur Gunma). Darüber hinaus wird Baelz auch mit der Leibeserziehung bzw. dem Sport und den traditionellen Kampfkünsten Japans in Zusammenhang gebracht. Allerdings ist sein Wirken diesbezüglich heute weniger bekannt und zumindest in der westlichen Forschung bislang auch nur unzureichend behandelt.1 Daher soll in dieser Darstellung anhand des Studiums heute zugänglicher vor allem primärer Quellen und unter Berücksichtigung des historischen Kontextes aufgezeigt werden, welchen Einfluss Baelz auf die Leibeserziehung und insbesondere auf die traditionellen Kampfkünste Japans ausübte. Unter den dazu verwendeten Quellen finden sich deutsch- und englischsprachige Manuskripte oder Typoskripte von Baelz sowie Auszüge aus seinen Tagebüchern nach 1905, die bislang im deutschsprachigen Raum nicht veröffentlicht wurden. Weiterhin sind japanischsprachige Abhandlungen von oder Artikel zu Baelz enthalten, die zum größten Teil erstmals in deutscher Übersetzung vorliegen. 1 Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten liegt bislang eine Einführung in dieses Thema von MÖLLER (1990) vor. Auch CLARK (2003) beschäftigt sich in einem Kapitel damit, berücksichtigt aber keine japanischen Quellen. In der japanischen Forschung sind die in der Bibliographie angeführten Beiträge von KIMURA, YORIZUMI, ŌMICHI (auch zusammen mit YORIZUMI) und MURATA hervorzuheben. Biographischer Abriss zu Erwin von Baelz Erwin Otto Eduard von Baelz wurde am 13. Januar 1849 in Bietigheim, Württemberg geboren. Nach einem Studium der Medizin in Tübingen und Leipzig wurde er 1872 zuerst Assistent am Pathologischen Institut und dann ein Jahr später an der Medizinischen Klinik der Universität Leipzig. Hier sammelte er auch erste Erfahrungen als Lehrkraft. 1875 behandelte er einen japanischen Patienten, bei dem es sich um den Medizinstudenten Sagara Gentei gehandelt haben soll. Wohl über dessen Empfehlung erhielt Baelz einen Ruf nach Japan, den er 1876 annahm. Frisch habilitiert, trat er am 2. April seine zweimonatige Schiffsreise nach Japan an. Das Land, in das er sich begab, befand sich nach einer mehr als zwei Jahrhunderte andauernden Abschließungspolitik gegenüber westlichen Nationen in der feudalen Edo-Zeit (1600-1868) inmitten eines tiefgreifenden Umwandlungs- bzw. Modernisierungsprozesses nach westlichem Vorbild. Um diesen zu unterstützen und zu beschleunigen, wurden vor allem in der frühen bis zur mittleren Meiji-Zeit o-yatoi gaikokujin genannte „ausländische Fachkräfte“ in den verschiedensten Bereichen befristet angestellt. Da zu jener Zeit von der japanischen Regierung die deutsche Medizin als führend in der Welt angesehen wurde, verpflichtete sie deutsche Ärzte zum Aufbau eines medizinischen Systems, das sich an der westlichen Medizin orientieren sollte. Einer dieser Ärzte war Baelz, den man als Lehrer für Innere Medizin und Physiologie rief. Sein Vertrag wurde mehrmals erneuert, was unter den ausländischen Fachleuten eher selten vorkam. Wenige Tage nach seiner Ankunft am 6. Juni 1876 nahm er seine Arbeit an der „Medizinschule zu Tokyo“ (Tokyo Igakkō) auf, die dann der am 12. April 1877 gegründeten „Universität Tokyo“ (Tokyo Daigaku) als Medizinische Fakultät eingegliedert wurde. Dort hielt er über Innere Medizin hinaus auch Vorlesungen über Gynäkologie, Geburtshilfe, Psychiatrie und Medizingeschichte. Weiterhin leitete er die Poliklinik. An dieser Universität wirkte er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1902. Neben seinen Aufgaben an der Universität unterhielt er auch eine private Praxis, und mit der Zeit wurde er immer häufiger sowohl von ausländischen Gesandtschaften als auch von hohen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens konsultiert.2 Im Jahre 1890 wurde Baelz offiziell zum Leibarzt (jii) der kaiserlichen Familie ernannt. Insbesondere war er beauftragt, sich dem labilen Gesundheitszustand des Kronprinzens Yoshihito (1879-1926), dem späteren Taishō Tennō (1912-1926), anzunehmen. Diese Verbindung stellte auch einen der Gründe dar, dass er nach seinem Ausscheiden aus der Universität nochmals drei weitere Jahre bis zum Juni 1905 in Japan weilte. Trotz der medizinischen 2 Dazu gehörten nach KREBS (in Deutsches Institut für Japanstudien 1993, S. 13) vor allem wichtige Staatsmänner wie INOUE Kaoru, ŌKUMA Shigenobu, ITAGAKI Taisuke, IWAKURA Tomomi, YAMAGATA Aritomo oder ITŌ Hirobumi. Betreuung des Kaiserhauses sowie zahlreicher Adeliger und hoher Regierungsmitglieder soll er sich aber auch mittelloser Patienten angenommen haben. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland kam er nur noch einmal im März 1908 für dreieinhalb Monate nach Japan, um den Kronprinzen zu untersuchen. Am 31. August 1913 verstarb Baelz in Stuttgart.3 2) Erwin von Baelz und die Leibeserziehung Mit „körperlichen Übungen“, wie Baelz selbst die Leibesübungen nannte, kam er schon in seiner Kindheit in Berührung. Im Alter von acht Jahren wechselte er von der Volkschule auf die Lateinschule in Bietigheim, in der ein „Präceptor“ gewirkt hatte, der seinen Garten in eine „private Turnanstalt“ für Schüler verwandelte, bis der Schule ein Platz zugewiesen wurde, auf dem Barren und Reck aufgestellt werden konnten. Im Herbst 1862 begann für Baelz die Gymnasialzeit in Stuttgart, in der er ebenfalls Turnunterricht gehabt haben soll. Weiterhin schreibt seine Nichte Martha Bälz, „im Schwimmen, Marschieren und Schlittschuhlaufen tat er es den besten gleich“.4 An der Eberhard-KarlsUniversität Tübingen, wo er im November 1866 sein Medizinstudium aufnahm, trat er der Burschenschaft Germania bei, in der er sich im Fechten übte und auch das Reiten erlernte.5 Baelz betrieb demnach eine Vielzahl von Leibesübungen. Dadurch gelangte er wohl schon in jungen Jahren – einer Zeit der „wehrhaften“ Gedanken der Turnbewegung sowie der Ausführung von Leibesübungen als einem Bestandteil der männlichen Erziehung6 – aufgrund seiner eigenen Erfahrung und später auch aus der Sicht des angehenden Arztes zu der Auffassung, dass die Übung des Körpers der Gesundheit des Menschen dienlich sei. Nach seiner Ankunft in Tokyo 1876 beklagte Baelz immer wieder die schlechte körperliche Verfassung seiner Studenten. Als er jedoch bei den Behörden forderte, körperliche Übungen wie „Turnen“ oder japanisches „Schwertfechten“ aufzunehmen, wurde er abgewiesen. Zum einen fand bei der Gründung seiner Wirkungsstätte, der Universität Tokyo (1877), ein Fach wie „Gymnastik“ (taisō) keine Berücksichtigung.7 Zum anderen war die rasche, allumfassende Modernisierung nach Vorbild des Westens in dieser frühen Phase der Meiji-Zeit – wie er als ein Zeitzeuge beschreibt – gekennzeichnet von der völligen Hingabe 3 4 5 6 7 SCHOTTLAENDER 1928, S. 7-56; VESCOVI 2001, S. 14-79 und GERMANN 2006, S. 18-49. Zu seinem Leben siehe z. B. auch: BÄLZ 1930 u. 1931; KLEINSCHMIDT 1992 oder VIANDEN 1992. Japanisch z. B.: ISHIBASHI und OGAWA 1969; OGAWA 1969-70 oder YASUI 1995. In GERMANN 2006, S. 29. Ebd. S. 27-29 u. 35. NEUMANN 1980, S. 259 u. 265. IMAMURA 1970, S. 326. an die „europäische Wissenschaft“, ohne sich „körperliche Ruhe oder Übung zu gönnen“, und der „Verachtung alles bisherigen Japanischen“.8 Aber nicht nur die Studenten bereiteten ihm Sorge, wie er im zweiten Teil einer seiner bekanntesten Abhandlungen „Die körperlichen Eigenschaften der Japaner“, verlauten lässt, sondern vor allem auch die „Beamten“ und „Adelsfamilien“. Im Gegensatz zu der „betrübenden Schwäche“ der höheren Stände bescheinigt er jedoch den niederen Ständen „wohlgebaute Männer, wie den sehnigen Schiffer, den kräftigen Lastenträger, den gelenkigen Wagenzieher oder den robusten Bauern“.9 Obwohl die Meiji-Regierung mit einem ersten Erlass zum Schulwesen (Gakusei) von 1872 auch die Leibeserziehung im Schulsystem vorsah, spricht die Forschung davon, dass nur an wenigen Schulen im ganzen Land das Fach Gymnastik tatsächlich durchgeführt wurde. Abgesehen davon waren bis zum Jahre 1877 von den im Erlass landesweit geplanten Grundschulen weniger als die Hälfte entstanden, wobei es in den einzelnen Präfekturen zudem große Unterschiede gab. Die Anzahl der Kinder, die in jenem Jahr eine Schule besuchten, betrug dann auch weniger als vierzig Prozent, wobei insbesondere die Zahl der Mädchen sehr gering ausfiel.10 Außerdem blieb es den Eltern überlassen, ob sie ihre Kinder zur Schule schickten oder nicht, denn erst 1886 wurde der Besuch der Grundschule per Verordnung zur Pflicht. Fand um das Jahr 1877 das Fach taisō an Grundschulen überhaupt statt, wurde es oft losgelöst vom übrigen Unterricht durchgeführt, wie zum Beispiel in Tokyo während der Mittagspause.11 Im Oktober 1878 erfolgte dann die als „Meilenstein“ in der schulischen Leibeserziehung Japans angesehene Gründung des „Institutes zum Erlernen von Gymnastik“ (Taisō Denshūjo), das dem Erziehungsministerium unterstand, und dessen Aufgabe es war, Leibeserziehung zu erforschen und Leibeserzieher auszubilden. Zu ihrem Aufbau wurde der Amerikaner Georg Adam Leland (1850-1924) für drei Jahre verpflichtet.12 Doch die Beobachtungen von Baelz, aber auch anderer Zeitgenossen,13 und die in der Forschung auffindbaren Hinweise auf eine nur allmähliche Einrichtung des Faches taisō in den Schulen lassen darauf schließen, dass der Mangel an Leibeserziehung auch Jahre nach ihrer offiziellen Einführung ins Schulwesen keineswegs als beseitigt gelten konnte. Sollte im Erlass zum Schulwesen „Erziehung“ noch dem individuellen Erfolg im Leben dienen, verlagerte Mori Arinori (1847-1889), der im Dezember 1885 8 9 10 11 12 13 BAELZ in HANCOCK und HIGASHI 1906, S. XII. BAELZ 1883, S. 21. NOSE 1995, S. 20, 27 u. 47. IMAMURA 1970, S. 318-319. Er war unter anderem Absolvent des Amherst College, an dem 1860 der erste Kurs für Leibeserziehung in Amerika eingerichtet wurde (NIEHAUS 2003, S. 37). Siehe z. B. DIXON 1882, S. 364-365. erster Erziehungsminister (Monbudaijin) im neu geschaffenen Kabinettsystem wurde, ihre Zielsetzung auf das Erstarken der japanischen Nation und somit auf das Wohl des Staates. Dafür sah er auch in der Leibeserziehung ein Mittel von großem Wert – vor allem im Sinne einer moralischen Erziehung –, welche aber seiner Meinung nach eine militärische Ausrichtung benötige.14 Trotzdem im Jahre 1886 per Verordnung des Erziehungsministeriums das Fach taisō als „obligatorisches Fach“ (seika) den anderen Fächern im Schulunterricht gleichgestellt und auch Gymnastik nach militärischem Muster eingeführt wurde,15 sieht Baelz bezüglich der allgemeinen Situation der Leibeserziehung gegen Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts, wie aus einem seiner Tagebucheinträge hervorgeht, noch keine entscheidende Verbesserung: Tokyo, 15. Dezember 1888 Neulich beim Diner bei Okuma, Minister des Äußern. Unterhielt mich lange mit Kuroda, dem Premier. Dieser hieß früher wegen seiner unbändigen Wildheit und Heftigkeit der 'tolle Kuroda', ist jetzt von einer geradezu herzgewinnenden Freundlichkeit und Anspruchslosigkeit. Er ist enorm kräftig, liebt alle Kraftspiele. Ginge es nach ihm, so wären allerdings die jungen Japaner weit kräftiger. Leider aber geschieht in dieser Beziehung herzlich wenig.16 Selbst etwa eine Dekade später macht Baelz in einem Resümee für die Sammlung „Die Meinungen großer in- und ausländischer Persönlichkeiten in Bezug auf die Leibeserziehung“ (Taiiku ni kan suru naigai shotaika no iken), wohl 1897 von der „Japanischen Gesellschaft für Leibeserziehung“ (Nihon Taiikukai) herausgegeben, noch immer auf den Mangel an Bewegung, vor allem unter den höheren Bevölkerungsschichten, aufmerksam und bringt seine Vorschläge zur Abhilfe zum Ausdruck: Resümee der Meinung von Professor Dr. Baelz, Ehrendozent an der Kaiserlichen Universität Die Mitglieder der japanischen höheren Stände haben, wenn man sie mit denen der mittleren Stände und darunter vergleicht, in der Regel einen schwächlichen Körperbau. [Im Vergleich] zu den Menschen in westlichen Ländern [besteht hier ein großer Unterschied], der in den anderen Lebensgewohnheiten begründet liegt. In den Ländern Europas kommen die Mitglieder höherer Stände aufgrund ihrer erblichen Veranlagung her bereits gesund und kräftig auf die Welt 14 15 16 Vgl. Monbushō 1972, S. 272. IMAMURA 1967, S. 944. BÄLZ 1931, S. 96. bzw. sie erhalten eine angemessene Erziehung sowie körperliche Erziehung. Überdies lieben sie es, sich ständig lebhaft zu bewegen, und da sie auch die Ernährung nicht vernachlässigen, kommen sie in den Besitz eines vorzüglichen kerngesunden Körpers. In Japan aber verhält es sich in dieser Hinsicht genau umgekehrt. Die Mitglieder der höheren Stände sind bereits von Geburt aus schwächlich, und da sie außerdem denken, dass es gut ist, sich im Alltagsleben kaum zu bewegen und sich ruhig zu verhalten, versuchen sie sich überhaupt nicht in lebhaften Bewegungen. Folglich machen sie nicht nur ihren eigenen Körper äußerst gebrechlich, sondern auch alle ihre Nachkommen können dieser Schwäche nicht entrinnen. Das sind wohl die Gründe dafür, dass die Mitglieder der japanischen höheren Stände im Vergleich zu denen der mittleren Stände und darunter einen schlechteren Körperbau haben. Da dies bereits bei den Männern vorzufinden ist, gilt dies umso mehr für Frauen. Das sollte man für das japanische Kaiserreich als wirklich Besorgnis erregend halten. Die zuständigen Behörden müssen ernsthaft über die notwendigen Schritte nachdenken. Untersucht man die Gründe für den erheblichen Anstieg der Körpergröße und des Körpergewichtes der englischen Frauen in den letzten dreißig Jahren, kommt man zu dem Ergebnis, dass die körperliche Erziehung gefördert wird und eine Vorliebe für Gymnastik und Spiel besteht. Dies wäre als Vorbild für die körperliche Erziehung in Japan bestens geeignet.17 Ist unklar, wann dieser Beitrag letztlich entstand, stellt Baelz in einem Tagebucheintrag von 1900 dann doch eine verstärkte Beschäftigung mit der körperlichen Übung zumindest unter jungen Japanern fest. Aber er hält es auch für notwendig, gerade Medizinstudenten in Bezug auf den Körper über die „bloße Übung“ hinaus zu ermahnen: Tokyo, 19. April 1900 Heute nachmittag war im großen Teehaus 'Nakamura Ro' am Fluß eine große Versammlung der Studenten der medizinischen Fakultät, um ihren Sieg in der Fakultätsregatta zu feiern. Ich hielt u.a. eine kleine Rede, in der ich meiner Freude Ausdruck gab, daß im Gegensatz zu früheren Generationen die Jugend heute mit Recht mehr Zeit für den Körper verwende, der noch vor einer Generation allzu sehr vernachlässigt wurde. Ich forderte sie aber auf, nicht bloß den Körper zu üben und zu stählen, sondern auch sich Rechenschaft über 17 BAELZ in Nihon Taiikukai o. D., S. 7-8. ihn zu geben und den Sinn für seine Formen zu kultivieren, der sehr im Argen liege oder eigentlich in Japan bisher kaum existiere.18 In einer Rede als Ehrenpräsident des ersten großen medizinischen Kongresses in Japan, der am 2. April 1902 in Tokyo eröffnet wurde, nimmt er folgendermaßen Stellung: [...] wie den meisten unter Ihnen bekannt ist, daß nämlich bei Behandlung der Tuberkulose die Hauptsache ist: 1. Abhaltung aller Schädlichkeit und 2. Kräftigung des Körpers. Damit soll und kann dieser mit den Bazillen selbst fertig werden. Das eben ist die Hauptsache, die bis jetzt auch hier trotz meiner eifrigsten Bemühungen immer noch zu sehr vernachlässigt wurde: nämlich den Körper von Jugend auf kräftigen. [...] Aber wie kann der Arzt den gesunden Körper stärken, wenn er diesen nicht studiert hat, sondern nur den kranken? Wenn er selber kein Verständnis für das hat, was den Körper kräftigt, nämlich Übung! Hier liegt ein Fehler des medizinischen Unterrichts in den meisten Ländern, daß nämlich der normale Mensch nicht zuerst gezeigt und erklärt wird.19 Trotz seiner in dieser Rede auch an seinem Berufszweig geäußerten Kritik sieht Baelz um die Jahrhundertwende nicht nur eine Verbesserung der Situation der Leibeserziehung in Bezug auf das männliche Geschlecht, sondern vor allem auch für das weibliche Geschlecht. Noch ein Vierteljahrhundert zuvor, etwa um die Zeit, als er nach Japan kam, wurde zum Beispiel in dem vom japanischen Erziehungsministerium für das Schulwesen 1874 herausgegebenen „Buch der Gymnastik“ (Taisōsho)20 die Leibeserziehung für Mädchen noch völlig ignoriert.21 In einem seiner Tagebucheinträge hierzu schreibt er: Tokyo, 24. Dezember 1903 Abends als Ehrengast bei einem großen Fest, das die hundert heurigen Graduisten der medizinischen Fakultät im Teehause Kamese veranstalteten. Es ist ganz auffallend, wieviel stattlicher, kräftiger und hübscher diese Generation ist im Vergleich zu ihren Vorgängern vor zwanzig Jahren. Dies ist die Folge der besseren körperlichen Erziehung und der Freude am Sport. Da jetzt auch die Mädchen 18 19 20 21 BÄLZ 1931, S. 144. BÄLZ 1931, S. 182-183. Dieses Buch ist eine Übersetzung des französischen „Manuel de gymnastique“ (1872) von C. VERGNES. IMAMURA 1970, S. 318. vernünftiger erzogen werden, viel turnen, so ist anzunehmen, daß das nächste Geschlecht in jeder Hinsicht körperlich noch kräftiger heranwächst.22 Resümierend äußert er sich zur weiblichen Leibeserziehung in einem englischen Vortragsmanuskript über die „Frauenerziehung in Japan“, das wohl ebenfalls um diese Zeit entstand, folgendermaßen: [...] let me say a few words on Physical Education. In that line undoubtely much has been done during the last decade, and as a rule the Japanese schoolgirl looks at least as healthy and looks much happier than most of her sisters of the same age in other countries.23 Welche Leibesübungen Baelz wiederum als geeignet für sein Gastland ansah, erfahren wir aus einem Vortrag „Über körperliche Erziehung“ (Taiiku), den er anlässlich der Feierlichkeiten zum Antritt der Präsidentschaft in der „Japanischen Gesellschaft für Leibeserziehung“ durch den kaiserlichen Prinzen Kan'in-no-miya Kotohito am 26. März 1898 hielt: Wie ich höre, bestehen schon 3 Turnhallen in Tokyo; aber das ist natürlich zu wenig, und ihre Einrichtung muss noch verbessert werden. Ausser den bisher von der Gesellschaft gelehrten Übungen, Turnen, Schwimmen, Schiessen, möchte ich noch eine Anzahl weiterer Übungen vorschlagen. Rudern. Das Rudern ist in Tokyo und anderen Städten am Wasser unter den Studenten Mode geworden, hauptsächlich in der Form des europäischen Ruderns, mit der Absicht, im Wettrudern zu gewinnen. Diese Wettspiele, die gewiss sehr rühmlich sind, haben aber vom allgemeinen Standpunkt her den Nachteil, dass nur die Kräftigen daran teilnehmen, also die, welche es für ihre Gesundheit am wenigsten nötig haben. Ausserdem geht sehr viel Zeit mit dem Weg zu und von den Booten verloren, und die jungen Leute sind ausserdem in Gefahr, im Ehrgeiz für den Wettkampf ihre andere Arbeit zu vernachlässigen und sich übermässig anzustrengen. Ich habe drei Fälle von Herzkrankheit auf diese Weise plötzlich entstehen sehen, die aber bei Ruhe und richtiger Pflege alle heilten. Natürlich will ich aber das nützliche europäische Rudern nicht abschaffen, sondern will nur auf die Vorteile des japanischen Ruderns aufmerksam machen. 22 23 BÄLZ 1931, S. 266. BAELZ in GKM, Bd. 7 (123), o. D., S. 4 1) Japanische Boote findet man überall am Kanal, am Fluss oder Meer, man braucht also z.B. in Tokyo nicht bis Mukojima oder Tsukiji zu gehen, um eines zu finden. 2) Das japanische Boot kann man allein, oder zu zweit oder mehr rudern, es ist also nicht nötig, dass sich eine bestimmte Zahl Ruderer zusammenfindet. 3) Japanische Boote findet man überall im Land, wo es Wasser gibt, europäische Boote nicht. 4) Das stehende Rudern nach japanischer Weise ist eine der vollkommensten Körperübungen die es überhaupt gibt. Es ist hygienisch dem sitzenden Rudern vorzuziehen. Ich weiss das, denn ich habe selbst japanisches Rudern gelernt. Also die Tai iku kai sollte sich bemühen, das jap. Rudern populär zu machen. Daikyū[24] ist eine bessere Übung als Gewehrschiessen. Djūjitsu und Kenjitsu sollten geübt werden. Wenn man bei Kenjitsu anstatt der schweren, den Kopf wenig schützenden Maske (men) die Drahtmaske der deutschen Studenten einführte, so wäre das ein grosser Fortschritt. Djitensha[25] fahren ist ebenfalls zu ermutigen. Gemeinsame Spaziergänge und Bergbesteigungen. Eine der nützlichsten Einrichtungen der deutschen Turnvereine sind die gemeinsamen grossen Spaziergänge am Sonntag, für solche, die dann Zeit dazu haben. Ferner bietet Japan mit seinen vielen Bergen eine vortreffliche Gelegenheit zum Bergsteigen, was eine höchst gesunde Übung ist. Wenn wir aber im Sommer ins Gebirge oder in die Badeorte gehen, so sehen wir, dass die Japaner den grössten Teil des Tages mit Baden und Go-Spiel und Herumliegen auf den Tatami verbringen, während für die Europäer das Hauptvergnügen im Herumwandern in den Bergen beruht. Während der ersten 3 Jahre meines Aufenthaltes in Japan habe ich fast sämmtliche Berge mit schöner Aussicht bestiegen. Fast jeder Europäer besteigt den Fujiyama, aber wie viele von Ihnen, meine Herren, haben das getan? In einem anderen Lande würde es der Ehrgeiz jedes Jünglings sein, einen so berühmten Berg des Vaterlands möglichst früh zu besteigen. 24 25 Gemeint ist das Schießen mit dem großen japanischen Bogen, der normalerweise eine Länge von 7 shaku 5 sun - ca. 227 cm - besitzt. Bekannter als kyūjutsu oder Kyūdō. Fahrrad (jitensha). Zimmergymnsatik. Für diejenigen, welche keine Zeit oder keine Gelegenheit haben, Turnhallen aufzusuchen, ist die Zimmergymnastik dringend zu empfehlen. Ich mache sie jeden Morgen und fühle mich sehr wol dabei. Die Zeit ist zu kurz, um genauer darauf einzugehen, aber ich empfehle der Tai iku kai dringend für die Verbreitung derselben zu sorgen.26 Dass ein Mitglied des Kaiserhauses die Präsidentschaft annahm, ist neben der Gründung dieser Gesellschaft im Jahre 1891 ein weiteres Indiz dafür, dass die Notwendigkeit der Leibeserziehung gegen Ende des 19. Jahrhunderts verstärkt ins Bewusstsein, zumindest führender Kreise, gerückt war. Bemerkenswert ist, dass Baelz anlässlich der Feierlichkeiten als einer der Redner sprach. Dieser Vortrag kann daher neben seinem Beitrag in der ebenfalls von dieser Gesellschaft herausgegebenen Sammlung „Die Meinungen großer in- und ausländischer Persönlichkeiten in Bezug auf die Leibeserziehung“ auch als Zeugnis der Wertschätzung seiner Person im Hinblick auf die japanische Leibeserziehung angesehen werden. Gegen Ende seines Japan-Aufenthaltes stellt Baelz schießlich in einem englischen Manuskript mit dem Titel „Physical Characteristics of the Japanese“ fest: Now a wholesome reaction has set in amongst the higher classes too; sports in every form have become popular, military drill is taught in the schools, and the present writer may safely assert, from a continuous observation of nearly thirty years, that the physical form of the educated Japanese has improved in a really astonishing degree.27 Aber es war ihm nicht nur ein Anliegen, seinem Gastland körperliche Übungen zu empfehlen oder dessen Leibeserziehung zu analysieren. Nach seiner Rückkehr beschäftigt ihn dieses Thema auch in Deutschland, wie zum Beispiel aus einem im deutschsprachigen Raum bislang unveröffentlichten Tagebuch-eintrag von 1907 ersichtlich wird28: Dresden, Mittwoch 18. Sept. 07. Nachmittags interessante Sitzung der hygienischen Abteilung 26 27 28 BAELZ in SBB, Nr. 25, 1898, S. 7-9. BAELZ in GKM, Bd. 9 (134), o. D. S. 4-5. Neben den von seinem Sohn Erwin Toku herausgegebenen BAELZ'schen Tagebüchern bis 1905 finden sich die Tagebücher von September 1905 bis Mai 1913, mit Ausnahme des in GERMANN (2006) enthaltenen JapanAufenthaltes aus dem Jahre 1908, nur in japanischer Übersetzung (WAKABAYASHI 2000) veröffentlicht. Dr. Wagner-Hohenlolbese spricht sehr gut zu Gunsten der schwedischen Gymnastik im Vergleich zum deutschen Turnen. Er brachte zahllose gute Bilder aus dänischen und schwedischen Schulen und Turnvereinen. Besonders lehrreich aber waren die Ausführungen und Bilder des Vorstands der belgischen Militärturnschulen, der an seinem Material schlagend die Überlegenheit der schwedischen Methode nachwies. Er teilte die Regimenter in zwei Gruppen, die eine wurde nach der bisherigen (deutschen) Methode unterrichtet, die andere nach der schwedischen; sie wurden beim Beginn und nach neun Monaten photographiert. Der Vorteil zu Gunsten des schwedischen Turnens übertrifft alle Vorstellung. Der Belgier legt mit vollem Recht Wert auf die Besserung des Gesamtbaus und der bewußten guten Haltung und nicht auf gewisse Muskelleistungen, die mit häßlicher Körperhaltung verbunden sein können, wie der Gang vieler unserer Turner zeigt. Verschiedene turnende Ärzte und Turnlehrer griffen den Vortragenden an; ich kam ihm zu Hilfe, betonend, daß die bewußte Innervation und die dauernde Herrschaft über alle Gebiete der Muskulatur bei der schwedischen Gymnastik und beim Turnen und beim Sport auch psychisch sehr erziehend wirkt. Um ½ 8 Uhr gehe ich auf eine Stunde in Wagners 'Rheingold', das trefflich gespielt wird, und dann begebe ich mich mit den Herren, die heute Nachmittag an der Turndiskussion teilgenommen hatten, zu dem 'Nackt-Turnverein' der Mädchen, der in der Turnhalle des Vitztumschen Gymnasiums übt. Nackt sind sie natürlich nicht, sondern sie tragen einen Schwimmanzug mit bloßen Waden und Armen. Das ist immerhin ein Vorzug gegen sonst. Aber wie betrübend unschön und plump ist der Wuchs dieser Sächsinnen neben dem vornehmen, schlanken, eleganten Bau und der edlen Haltung der schwedischen Turnerinnen, deren Bilder wir bei dem Vortrag gesehen hatten! Dieses schwedische System hat viel Ähnlichkeiten mit dem del Sartes, welchem so viele Amerikanerinnen ihre bewunderte Haltung und Ebenmaß verdanken.29 Auch der folgende kurze Tagebuchauszug macht – trotz seines turnerischen Hintergrundes – deutlich, dass er bemüht war, sich den jeweiligen Vor- und Nachteilen einzelner Leibesübungssysteme nicht zu verschließen: Stuttgart, 30. April. 09 29 BAELZ in GKM, Bd. 14 (170), 1907, S. 37-38. Weibl. Körperkultur. Die Dr. med. Mensendiek hielt einen Vortrag über weibliche Körperkultur, der in jeder Hinsicht vortrefflich war. Sie vertritt ein modifiziertes Delsarte-System mit großem Geschick. Die Turnlehrer sind ihr bös, aber sie hat recht.30 Sein Interesse an einzelnen körperlichen Übungen bzw. der Leibeserziehung im Allgemeinen war aber nicht nur von sozialem Engagement geleitet, auch die eigene körperliche Übung schien ihm stets wichtig gewesen zu sein. So betrieb er Leibesübungen, die er schon als Kind in der Schule erlernte oder als Student aktiv ausübte, auch während seines Aufenthaltes in Japan, wie aus einem Brief vom 30. April 1879 an seinen Freund, den Chirurgen Hermann Burckhardt hervorgeht: Was mich und meine Lehren hier betrifft, so kann ich im Allgemeinen nur Gutes berichten. Ich bin körperlich so kräftig und wol, wie niemals zuvor; leider zeigt trotz nicht unbeträchtlicher körperlicher Bewegung durch Reiten, Marschieren, Turnen die Waage 152 Pfund.31 Weiterhin deutet Baelz an, dass er der persönlichen, auch fortgesetzten körperlichen Übung bis ins Alter treu geblieben ist. Zum Beispiel sind in seinen Tagebüchern ab September 1905 eine Vielzahl von Einträgen zu finden, in denen er immer wieder von Spaziergängen, vom Wandern und vom Marschieren berichtet.32 Am 12. Februar 1907 ist darin zu lesen, dass er sich zusammen mit einem seiner Brüder im Schwarzwald dem Skifahren widmete: [...] ich [war] mit Robert [...] auf dem Feldberg, wo wir beide Schneeschuhfahren lernten [...].33 In einem Eintrag vom 26. August 1909, einige Wochen nach einer Operation, bei der ihm im Alter von sechzig Jahren ein lebensgefährlicher Abszess aus der Brust entfernt wurde, heißt es: Sonderbar ist, daß ich, der ich den ganzen Winter über jeden Morgen im ungeheizten Zimmer nackt turnte und bei 10 Grad unter Null zum Entsetzten der Familie ohne Überrock ausging – daß ich durch die Krankheit so sehr empfindlich gegen Kälte geworden bin.34 Wie aus den hier vorgestellten Aussagen von Baelz hervorgeht, kann seine analytische Sichtweise auf Leibesübungen bzw. auf die Leibeserziehung nicht 30 31 32 33 34 BAELZ in GKM, Bd. 16 (172), 1909, S. 21. SBB, unverzeichneter Brief, 1879, S. 2. Vgl. BAELZ in GKM, Bd. 14-17 (168-176), 1905-1913. BAELZ in GKM, Bd. 14 (170), 1907, S. 1. BAELZ in GKM, Bd. 16 (172), 1909, S. 28. nur als objektiv, sondern auch als ihrer Zeit voraus bezeichnet werden. Die Empfehlungen wiederum, die er seinem Gastland gab, waren aber nicht nur auf westliche Leibesübungen fixiert, sondern unter Berücksichtigung japanischer Gewohnheiten und Gegebenheiten fanden auch einheimische Bewegungsformen, wie das Rudern mit japanischen Booten oder traditionelle Kampfkünste seine Fürsprache. 3) Erwin von Baelz und die traditionellen japanischen Kampfkünste Ein erster möglicher Anhaltspunkt für sein Interesse an japanischen Kampfkünsten findet sich in einem bislang in Deutschland unveröffentlichten Tagebucheintrag mit dem Datum vom 3. April 1879. Nach nahezu dreijährigem Aufenthalt in Japan ist darin zu lesen, dass er zu diesem Zeitpunkt „etwa 25 japanische Schwerter“ besaß.35 Da er als Student selbst dem Fechten nachging, verwundert es nicht, dass er sich für japanische Schwerter interessierte, sei es nun unter dem Gesichtpunkt der Kampfkünste oder als Kunstgegenstände. Die große Anzahl mag den Leser aber überraschen, denn japanische Schwerter gehören heute nicht unbedingt zu den preiswertesten Erwerbsgegenständen. Doch dürfte es zu dieser Zeit, in der bereits das „Verbot des Tragens von Schwertern“ (Haitō rei) von 1876 in Kraft war und der zuvor angesprochenen allgemeinen Geringschätzung japanischer Kulturgüter, nicht schwer gewesen sein, Schwerter für wenig Geld zu kaufen oder sogar geschenkt zu bekommen. Davon abgesehen war auch das Gehalt von Baelz als ausländischer Fachkraft mehr als ausreichend, um sich Derartiges leisten zu können. Ebenfalls aus dem Jahr 1879 finden sich in den von seinem Sohn herausgegebenen Tagebüchern dann folgende Einträge zur japanischen Schwertkunst (kenjutsu) und zum Bogenschießen (kyūjutsu): Tokyo, Sonntag, 3. August 1879 Heute war in Ueno großes Schwertfechten. Schon oft und viel hatte ich davon gehört. Hier sah ich es zum erstenmal, und zwar in einer Vollständigkeit, wie angeblich nicht seit zehn Jahren. Es waren dies jene Fechter, die sich eigentlich bei dem großen Fest in Ueno produzieren sollten. Dieses Fest wurde ganz plötzlich abgesagt. Und all die ungeheueren Vorbereitungen sind nun umsonst.36 Tokyo, Sonntag, 14. Dezember 1879 35 36 BAELZ in GKM, Bd. 7 (121), 1879, S. 6. BÄLZ 1931, S. 62-63. Ich übe mich jetzt fleißig im japanischen Bogenschießen. Die Bogen sind sehr stark, daß sie nur mit Mühe gespannt werden. Übungssache.37 Aus diesen Aufzeichnungen erfahren wir nicht nur, dass er an japanischen Kampfkünsten Interesse hatte, sondern dass er bereits eine dieser aktiv betrieb. Unklar ist allerdings, unter wem er das Bogenschießen erlernte und wie lange er es ausübte. Außerdem kann der Eintrag zum Schwertfechten, wie er die Schwertkunst selbst nannte, auch als ein Hinweis dafür angesehen werden, wie wenig die traditionellen Kampfkünste in der frühen Meiji-Zeit beachtet wurden. Bei dem von Baelz angesprochenen „großen Schwertfechten“ könnte es sich um ein sogenanntes „Schwertkunst-Turnier“ – gekikenkai – gehandelt haben, bei dem gegen Entrichtung einer Eintrittsgebühr Schau- bzw. Wettkämpfe abgehalten wurden. Sakakibara Kenkichi (1830-1894), einer der bekanntesten Lehrer für Schwertkunst in der Meiji-Zeit und 14. Oberhaupt der Schwertschule Jiki Shin Kageryū, soll bereits im April 1873 ein solches organisiert haben. Diesem Turnier folgten bald weitere, auch solche der „Kunst der Sanftheit“ (jūjutsu), yawarakai genannt, oder „Turniere der Reitkunst“ – bajutsukai. Allerdings wurden drei Monate später von der Regierung aus Angst vor Aufruhr derartige Veranstaltungen, bei denen sich vor allem „Kampfkunstexperten“ aus den Reihen der ehemaligen Samurai versammelten, wieder verboten.38 Zur Begründung der Ablehnung von Schwertkunst-Turnieren äußerte sich zum Beispiel der Gouverneur der Stadtpräfektur Kyoto im April 1880 wie folgt: Heutzutage ist in einer zivilisierten Welt das Ausführen der Kunst des Schwertes (gekiken) nicht hilfreich. Da durch diese Kunst das menschliche Gemüt radikal und hochmütig gemacht wird, ist es vielmehr nicht selten, dass man andere verletzt und sich selbst ruiniert. Wie das Sprichwort besagt: Noch nicht ausgereifte Methoden des Gefechts sind der Grund für schwere Verletzungen. Um wie viel mehr schädigt man die Gesundheit durch Schläge zur Mitte des Kopfes, der den für den Menschen sehr wichtigen Geist beherbergt, bzw. durch Stöße auf die Brust, von wo aus die Atmung erfolgt, oder auf den Hals und das Gesicht oder ebenso durch das unnütze Bewegen des Körpers oder durch das sich Quälen, weil man außer Atem kommt und dieser gehemmt wird oder durch das starke Ausstoßen von Lauten. Verbringt man tagtäglich seine wertvolle Zeit 37 38 Ebd. S. 69. INOUE 2004, S. 4-7. mit etwas derartig Schädlichem und peinigt sein Herz damit bzw. erschöpft seinen Körper dadurch, sollte man sich besser für seinen Beruf die Knochen brechen. Doch dies wiederum sollte nicht nur für sich selbst oder die Familie geschehen, sondern zum Wohle des Landes.39 In der Stadtpräfektur Tokyo hingegen wurde das Verbot bereits 1878 wieder aufgehoben. So heißt es dann in einem Zeitungsartikel der Yomiuri Shinbun vom 20. Juni 1878, dass „Sakakibara am 25. Juni ein Schwertkunst-Turnier im Asakusa-Park organisiert, bei dem Schwertkämpfer aus dem ganzen Land teilnehmen werden“.40 Zu dem im Tagebuch von Baelz angegebenen Datum vom 3. August 1879 ist in der Fachliteratur allerdings kein solches verifizierbar. Im gleichen Monat jedoch, am 25. August, fanden unter der Leitung von Sakakibara im Zuge „einer kaiserlichen Visite im Ueno-Park die Wettkämpfe vor Seiner Majestät dem Kaiser Meiji“ (Ueno kōen de Meiji tennō rinkō no tenran shiai) statt.41 Dieser Aufführung verschiedener Kampfkünste wohnte nach einer Audienz beim Kaiser zusammen mit diesem auch der ehemalige amerikanische Präsident Ulysses S. Grant (1822-1885) bei,42 der von Ende Juni 1879 an für zweieinhalb Monate Japan besuchte und für den an diesem Tag im Ueno-Park ein Fest gegeben wurde. Im Reisebericht „Around the World with General Grant“ aus dem Jahre 1879 heißt es zu diesem Fest: The announcement that the cholera would interfere with the festival gave great uneasiness, and the papers showed the disappointment of the people. So, after many debates, and in the hope that the cholera would abate, it was resolved to postpone the popular fête until during the last days of the Generals's visit. The date was fixed for the 25th of August.43 Dies könnte eine Erklärung dafür sein, warum Baelz im Tagebuch davon spricht, dass „dieses Fest ganz plötzlich abgesagt“ bzw. auf den 25. August verlegt wurde. Vielleicht handelte es sich bei dem von ihm beschriebenen „großen Schwertfechten“ auch um eine Art Generalprobe, denn er berichtet von „jenen Fechtern, die sich bei dem großen Fest in Ueno produzieren sollten“. Da weiterhin der Kaiser wohl erstmals seit dem Aufkommen der von Sakaibara organisierten „Turnieren“ – wenn auch diese „Wettkämpfe vor Seiner Majestät“ einen etwas anderen Charakter gehabt haben dürften – einem solchen beiwohnte, könnte dies ein Grund für die von Baelz angesprochene „lange nicht 39 40 41 42 43 NOSE 1968, S. 399. Vgl. Yomiuri Shinbun 20.6.1878, S. 3 Morgenausgabe. ISHIGAKI 2000, S. 15. Vgl. Yomiuri Shinbun 27.8.1879, S. 2 Morgenausgabe. YOUNG 1879, S. 572. gesehene Vollständigkeit dieses Schwertfechtens“ gewesen sein und somit ebenfalls für die Vermutung einer Generalprobe sprechen. Zudem kann, wie zuvor bereits erwähnt, für den 3. August kein gewöhnliches SchwertkunstTurnier, das behördliche Genehmigung erfordert hätte, nachgewiesen werden. Wie dem auch sei, zieht man die Stellung von Baelz an der zu dieser Zeit einzigen Universität des Landes in Betracht, ist es denkbar, dass ihm bei einer derartigen Veranstaltung erstmals Sakakibara vorgestellt wurde. Es könnte aber auch sein, dass Baelz ihn über seinen Freund Heinrich von Siebold (18521908)44 kennenlernte, der ab 1875 Sakakibara in westlichem Fechten unterrichtet haben soll und von diesem wiederum in das japanische Pendant eingewiesen wurde.45 Unter Sakakibara begann Baelz, wie wir aus einem Zeitungsartikel noch erfahren werden, im Jahre 1883 nicht nur mit dem Erlernen der japanischen Schwertkunst, sondern Sakakibara unterrichtete diese auch an der Universität Tokyo. Beide trafen sich laut Aufzeichnungen von Hana (18641937), der Frau von Baelz, auch privat im Hause Baelz.46 Wurde den „alten“ Kampfkünsten in den ersten Jahren der Meiji-Zeit keine große Bedeutung mehr zugemessen, kam es im Verlauf der Niederschlagung des Satsuma-Aufstandes im Jahre 1877, der von mit der neuen Staatsordnung unzufriedenen ehemaligen Samurai ausging, zu einem erfolgreichen Einsatz einer „Schwerteinheit“ (battōtai) der Polizei, so dass zunächst Militär- und Sicherheitskräfte wieder auf die traditionelle Schwertkunst aufmerksam wurden. Daraufhin begann das Polizeipräsidium in Tokyo, als eines der ersten öffentlichen Organe, ab 1879 und ab 1883 auch jūjutsu zu fördern. Zu Beginn der 1880er Jahre soll es dann aus verschiedenen Präfekturen Anfragen an das Erziehungsministerium in Bezug auf die Einführung von Kampfkünsten in den Schulunterricht gegeben haben.47 Auch entbrannten Diskussionen zwischen deren Befürwortern innerhalb des Faches Gymnastik und deren Gegnern bis in höchste politische Ebenen, in denen sich das Erziehungsministerium einer Einbeziehung dieser gegenüber ablehnend zeigte. So äußerte Erziehungsminister Kōno Togama (1844-1895) in einer Debatte im „Rat der Älteren Staatsmänner“ (Genrōin) am 23. Dezember 1880: Erstens, einer der Abgeordneten sprach davon, dass durch das Unterrichten von Kampftechniken, das Herz geschult werden kann. Auch wenn dem vielleicht so ist, nur durch das Erlernen von 44 45 46 47 Heinrich war der zweite Sohn des während der Edo-Zeit in holländischen Diensten stehenden deutschen Arztes Philipp Franz VON SIEBOLD (1796-1866). Er kam 1869 nach Japan und war u. a. für die österreichischungarische Gesandtschaft in Tôkyô tätig sowie Sammler asiatischer Kunst. Seinen Lebensabend verbrachte er bei Bozen. YAMASHITA 1980, S. 244-245. BAELZ 1933, S. 285-286. YORIZUMI 1995, S. 167. Kampftechniken kann dies nicht erreicht werden. Ohne ein Herz, das dem Kaiser gegenüber loyal eingestellt ist, und ohne ein Gefühl der Liebe für das Vaterland sowie ohne ein sich Zurückhalten vor privater Fehde, ist ein muterfüllter Kampf für die Gesellschaft nicht zu erhoffen. Außerdem wurden Kampfkünste auch früher in der Feudalzeit meistens erst ab einem Alter von vierzehn oder fünfzehn Jahren unterrichtet. Doch wenn man jetzt jungen Grundschülern diese unterrichten sollte, werden sich sicherlich viele von ihnen verletzen. In der heutigen Zeit sehen wir uns mit der Lage konfrontiert, dass das Volk seine Kinder nicht gerne zur Schule schickt. Wenn es dann beim Unterrichten von Kampftechniken auch noch zu Verletzungen kommt, wird das bestimmt dazu führen, dass die Eltern noch mehr Abneigung gegen die Schule hegen. [...] Zweitens, sprach ein Abgeordneter davon, dass das Erlernen von Kampftechniken für die Gesundheit des Körpers sorgt – da [jemand], der Kampftechniken [erlernt], ihre Handlungen und Bewegungen [auch in den Alltag übernimmt]. Doch dem ist nicht so. Um für die Gesundheit des Körpers zu sorgen, haben wir als Mittel die Gymnastik. Im Gegensatz zu dieser führen Kampftechniken in manchen Fällen zur Schädigung der Gesundheit. Wenn der Redner denkt, dass die Gymnastik gegenwärtig noch immer nicht ausreichend ist, kann man doch einfach ihre Übungszeiten verlängern. Dafür Kampftechniken zu unterrichten würde bedeuten, dieses Ziel zu verfehlen. Drittens, vertrat heute der Abgeordnete mit der Nr. 25 die Meinung derer, die der Ansicht sind, dass man durch Kampftechniken die eigene Person verteidigen kann! Wenn dem so sein sollte, warum haben wir dann erst vor kurzem das Verbot des Tragens von Schwertern erlassen? Denken Sie doch einmal an die Zeit, als Schwerter getragen wurden, und an die jetzige; wann wurden mehr und wann wurden weniger Personen verletzt oder ihnen Schaden zugefügt? Diese Erklärung ist doch nichts weiter als die [frühere] Gewalt durch eine [neue] Gewalt zu ersetzen. [...] Unter den Meinungen, die sich gegen die [Regierung] aussprechen, gibt es aber auch eine, über die es sich vielleicht lohnt nachzudenken. Das ist die, welche einen Nutzen [im Erlernen von Kampftechniken] für das militärische System unseres Landes sieht.48 48 Genrōin Kaigi Hikki Kankōkai, Bd. 9, 1965, S. 790-791. Dieser Antrag auf Einbringung von Kampfkünsten in das Fach Gymnastik fand letztlich keine Mehrheit und wurde abgelehnt. Am 5. Mai 1883 beauftragte das Erziehungsministerium dann das „Institut zum Erlernen von Gymnastik“ mit einer „Untersuchung zu Vor- und Nachteilen bzw. zur Tauglichkeit der 'Kunst des Schwertes' und der 'Kunst der Sanftheit' und ähnlichen im Hinblick auf die Erziehung“ (Kenjutsu jūjutsu tō kyōiku jō rigai tekihi chōsa).49 Aus dem „Anhang des elften Jahresberichts des Erziehungsministeriums von 1883“ (Monbushō daijūichi nenpō furoku. Meiji jūrokunen) geht hervor, dass am 30. Mai 1883 an diesem Institut beschlossen wurde, ein Untersuchungsgremium für die Künste einzurichten.50 In dem in diesem Anhang ebenfalls enthaltenen „Fünften Jahresbericht des Institutes zum Erlernen von Gymnastik“ (Taisō Denshūjo daigo nenpō) ist unter der Rubrik „Personalangelegenheiten“ mit dem Datum vom 7. Juni verzeichnet, dass man Shibukawa Hangorō einstellte und ihn zum Zuständigen für jūjutsu berief. Bei ihm könnte es sich um Shibukawa Hangorō Tamakichi (1866-1924), das achte Oberhaupt der Shibukawaryū handeln,51 einer jūjutsu-Schule, die in der Edo-Zeit von Shibukawa Hangorō Yoshikata (1652-1704) gegründet wurde. Ebenfalls als Zuständige für jūjutsu beauftragte man am 28. Juni weiterhin Tomita Masanao vom Heeresministerium und Hisatomi Tetsutarō vom Polizeipräsidium.52 Unter der Rubrik „Untersuchung zum kenjutsu und jūjutsu“ heißt es dann, dass im Juni 1883 die Shibukawaryū untersucht wurde. Daran anschließend ist zu lesen, dass, „um eine sorgfältige wissenschaftliche Untersuchung der Auswirkungen auf den Körper vom physiologischen Standpunkt her hinzuzufügen“, der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Tokyo, Miyake Hiizu (1848-1938), und die ausländischen Lehrer dieser Fakultät, der Internist Baelz und sein Kollege, der Chirurg Julius Scriba (1848-1905), gebeten wurden, sich zu Vor- und Nachteilen von „Formen“ (kata) und Wettkämpfen des jūjutsu zu äußern. Da man die Untersuchung einer einzelnen jūjutsu-Schule als unzureichend ansah und kenjutsu überhaupt noch nicht Gegenstand einer Begutachtung war, sollen ab November dieses Jahres dann in mehr als zehn Sitzungen vier Schulen des jūjutsu und vier Schulen des kenjutsu, einschließlich einer Schule des iaijutsu, untersucht worden sein.53 Auch das „Amtliche Regierungsblatt“ (Kanpō) enthält Einträge im Zusammenhang mit dieser Untersuchung. So fordert während des Untersuchungszeitraumes in der neunten Ausgabe vom 21. Juli 1883 der Direktor des „Institutes zum Erlernen von Gymnastik“, Nishimura Tei, in seiner Ansprache zur Verleihung der Abschlusszertifikate vom 10. Juli, die Absolventen zu einer 49 50 51 52 53 Monbushō 1885, S. 17 und 917. Ebd. S. 17. Vgl. OSANO 1993, S. 12-13. Monbushō 1885, S. 917. Ebd. S. 920-921. bedachtsamen Haltung gegenüber der Einführung von Kampfkünsten als Unterrichtsfach in den Präfekturen auf: Sie alle sind auf Geheiß des Gouverneurs Ihrer jeweiligen Präfektur bzw. Stadtpräfektur [an dieses Institut entsandt worden] und haben jetzt ihre Pflicht erfüllt. Von heute an werden die Gouverneure dem Ansehen Ihrer Person noch mehr Gewicht beimessen. Weil dem so ist, werden Sie sich alle nicht Ihrer Meinungsäußerung bezüglich einer Aufnahme von kenjutsu und jûjutsu usw. [als Fach für die Leibeserziehung] entziehen können. Deshalb möchte ich Sie bitten, bei Ihrer Entscheidung darüber, die jeweilige Kunst auf deren Erziehungstheorie und Durchführbarkeit sowie auf die verschiedenen gegebenen [gesellschaftlichen] Umstände hin zu bedenken und darauf aufbauend ein Urteil zu fällen. Auf keinen Fall dürfen Sie die jeweiligen Kampfkunstschulen nur oberflächlich betrachten. Wenn Sie diese nicht sorgfältig auf ihre Zielsetzung und Beschaffenheit, ihre Formen und Wettkämpfe usw. hin untersuchen und unüberlegt alle möglichen als Fach für die Leibeserziehung verwendbar einstufen, befürchte ich, dass Sie Ihre Entscheidung zu leichtfertig treffen.54 Am 18. Oktober 1883 ist verzeichnet, dass der Erziehungsminister Fukuoka (1835-1919) zusammen mit Miyake, Baelz, Scriba und anderen am 15. (Oktober) einer Vorführung des jūjutsu im „Institut zum Erlernen von Gymnastik“ beiwohnte.55 Gemäß eines Eintrages vom 15. November wurden am 2. (November) Meister des jūjutsu der Tenjin Shin'yōryū und am 12. (November) der Todaryū und Kitōryū sowie der kenjutsu-Schule Tenshinden Mutekiryū in das Institut eingeladen.56 Am 24. Dezember 1883 heißt es dann, dass ab dem 12. November die jūjutsu-Schule Sekiguchiryū und die kenjutsuSchulen Jiki Shin Kageryū, Ittōryū, Hokushin Ittōryū und die iaijutsu-Schule Tamiyaryū ebenfalls Gegenstand der Untersuchung waren. In diesem letzten Eintrag finden sich jeweils eine jūjutsu- und eine kenjutsu-Schule mehr verzeichnet als im zuvor erwähnten „Fünften Jahresbericht des Institutes“; es sind dies die Schulen Sekiguchiryū und Ittōryū.57 Aus einem Eintrag in der „Übersicht des Institutes zum Erlernen von Gymnastik – 1884 und 1885“ (Taisō Denshjo ichiran – Meiji jūshichinen, jūhachinen) geht hervor, dass Baelz und Scriba im September 1883 eingeladen wurden und sie vom medizinischen Standpunkt her ihre Meinung zu Formen und Wettkämpfen des jūjutsu äußerten. Miyake ist in diesem Eintrag nicht erwähnt. Da diese 54 55 56 57 Kanpō 1883, Nr. 9, S. 4. Ebd. Nr. 93, S. 4. Ebd. Nr. 116, S. 9. Ebd. Nr. 148, S. 8. „Übersicht“ außerdem nur vermerkt, dass im Mai 1883 aufgrund der vom Erziehungsministerium angewiesenen Untersuchung der oder die zuständigen Personen eingesetzt wurden, um die Vorgehensweise zu bestimmen,58 bleibt unklar, ob Baelz und Scriba bereits im Juni an der Untersuchung teilnahmen oder ob man sie erstmals im September gerufen hatte. Dieser Eintrag und die im „Fünften Jahresbericht des Institutes“ festgehaltene Aussage, „um eine sorgfältige wissenschaftliche Untersuchung hinzuzufügen“, die im Anschluss an den Satz, dass „im Juni 1883 die Shibukawaryū untersucht wurde“, angeführt ist, machen es wahrscheinlich, dass die Mediziner erst später eine gesonderte Begutachtung des jūjutsu durchführten. Weiterhin lässt sich aus allen angeführten Quellen nicht klären, wie oft Baelz und Scriba, aber auch Miyake an der gesamten Untersuchung teilnahmen. Auch die zweite Ausgabe der „Zeitschrift der Großjapanischen Gesellschaft für Erziehung“ (Dai Nihon Kyōikukai Zasshi) vom Dezember 1883,59 die in einem Artikel die Untersuchung ebenfalls vorstellt, liefert dazu keinen weiterführenden Aufschluss. Im „Zwölften Jahresbericht des Erziehungsministeriums von 1884“ (Monbushō daijūni nenpō. Meiji jūshichinen bun) ist dann mit dem Datum vom 13. Oktober 1884 verzeichnet, dass der Untersuchungsbericht vom „Institut zum Erlernen von Gymnastik“ eingereicht wurde.60 Allerdings ist in diesem Eintrag weder das Ergebnis angeführt, noch finden sich irgendwelche Erläuterungen dazu. Im Juli 1890 gibt das Erziehungsministerium den „Abriss zum geschichtlichen Werdegang der Einrichtung des Schulfaches Gymnastik in unserem Land“ (Honpō gakkō taisō-ka shisetsu enkakuryaku) heraus. In diesem sind unter der Überschrift „Die Situation der Kampftechniken als [Schul]fach“ (Bugi-ka no keikyō) neben einer Einleitung, welche die bislang genannten Erkenntnisse zusammenfasst, die nachstehenden fünf Vorteile und neun Nachteile der untersuchten Kampfkünste sowie das Ergebnis der Untersuchung aufgeführt: Vorteile der beiden Kampfkünste: 58 59 60 1. Sie unterstützen die Entwicklung des Körpers. 2. Sie bilden die Fähigkeit aus, mit der es möglich ist, über lange Zeit hinweg körperlicher Bewegung nachzugehen. 3. Sie beleben den Geist und fördern die Lebenslust. 4. Sie wirken einer schwachen und trägen Erscheinung entgegen und kultivieren einen starken und kräftigen Körperbau. Taisō Denshūjo o. D., S. 5. In WATANABE 1971, S. 771. Monbushô 1886, S. 5. 5. Sie bilden die Grundlagen der Selbstverteidung aus, für den Fall von unerwarteter Gefahr. Nachteile oder Schwierigkeiten: 1. Nicht selten verläuft die Entwicklung des Körpers ungleichmäßig. 2. Die praktische Ausübung kann bis zu einem gewissen Grade gefährlich sein. 3. Es ist schwierig, den angemessenen Grad an körperlicher Bewegung zu finden, und es kann leicht passieren, dass sowohl die Starken als auch die Schwachen zu weit gehen. 4. Leicht wird der Geist erregt, und es kann vorkommen, dass eine wilde und rohe Gesinnung ausgeprägt wird. 5. Der kämpferische Wille wird erhöht, und es passiert leicht, dass man nur versucht, zu gewinnen. 6. Da sie Wettkämpfen ähneln, kommt es leicht vor, dass man erst recht einen Willen ausbildet, der nach einem unlauteren Sieg strebt. 7. Bei der Übung muss jeder Einzelne beaufsichtigt werden, und es ist schwer, alle Schüler einer Klasse auf einmal zu unterrichten. 8. Der Unterrichtsort muss von der Fläche her sehr groß ausfallen. 9. Bei der Ausübung des jûjutsu wird zwar nur die Trainingskleidung benötigt, aber beim kenjutsu werden darüber hinaus auch noch Trainingsgegenstände verwendet, und es ist für Schüler keine einfache Aufgabe, diese Kleidung und Gegenstände sauber zu halten. Die oben dargestellten Fakten wurden vom 'Institut zum Erlernen von Gymnastik' mit den Theorien zur Erziehung verglichen, und man gelangte zu nachfolgendem Urteil: 1. Sie sind als obligatorische Fächer für die schulische Leibeserziehung nicht geeignet. 2. Falls [im Schulunterricht] Gymnastik als obligatorisches Fach vernachlässigt wird und nur eine einseitige Vermittlung von Wissen stattfindet, kann ihnen, da sie unter dem Aspekt der Gewohnheitsmäßigkeit leicht auszuführen sind, eine gewisse Wirkung zugesprochen werden.61 Es fällt nicht schwer nachzuvollziehen, dass die Zielsetzung bzw. Denkweise am „Institut zum Erlernen von Gymnastik“ die Untersuchung über die Tauglichkeit von „alten“, traditionellen Kampfkünsten als obligatorische Unterrichtsfächer beeinflusste, denn wie ihre Bezeichnung schon andeutet, hatte dieses Institut als Zielsetzung, „durch Gymnastik ohne oder mit leichten Geräten den Leib zu schulen und die Gesundheit zu erhalten, dabei aber eine Überanstrengung durch Bewegung auszuschließen“62. In einer Phase der Modernisierung war dieses Institut auf die Förderung und Verbreitung von „modernen“ Leibesübungen ausgerichtet und kam somit wohl zwangsläufig zu einem negativen Ergebnis bezüglich der Aufnahme von Kampfkünsten in den Schulunterricht. Dieses Ergebnis wiederum bestärkte die bereits erwähnte ablehnende Haltung des Erziehungsministeriums. Hier liegt sicherlich einer der Gründe dafür, dass kenjutsu und jūjutsu als solche bis 1911 nicht zugelassen wurden63, auch wenn das Erziehungsministerium ihrer Durchführung außerhalb des Unterrichtsplans (kagai), also im Rahmen extracurriculärer Aktivitäten, im Jahre 1898 offiziell zustimmte.64 Doch passt dieses Untersuchungsergebnis nicht so recht in das Bild von Baelz mit seinem Interesse an Kampfkünsten und der Ausübung solcher. Lag es einfach an den zuvor genannten Umständen, dass man ihm trotz seiner Berufung zu dieser Untersuchung nicht genügend Gehör schenkte oder waren es eventuell persönliche Gründe, die ihn seine Meinung zurückhalten ließen? Im Hinblick auf Letzteres weist Yorizumi darauf hin, dass die Regierung zu jener Zeit, aufgrund von Fehlverhalten oder Verstößen seitens ausländischer Fachkräfte, sich zunehmend kühler gegenüber diesen verhielt. Außerdem kehrten nach und nach japanische Fachkräfte, die im Ausland studierten, zurück und das hohe Gehalt der ausländischen Fachkräfte förderte überdies den Neid unter den japanischen Kollegen. Dies alles gestaltete Vertragserneuerungen für die ausländischen Fachkräfte immer schwieriger und erforderte von ihnen, sich mit der Verwaltung und mit den zuständigen Beamten gut zu stellen. Yorizumi hält es daher für möglich, dass in dieser Hinsicht auch Baelz, „der Japan zu seinem Forschungsgegenstand machte und durch sein hohes Gehalt seiner Familie in Deutschland Unterstützung zukommen lassen wollte, keine Ausnahme 61 62 63 64 In WATANABE 1971, S. 772. KAMINUMA 1974, S. 35. Neben der Untersuchung von 1883/84 wurden noch zwei weitere Untersuchungen im Jahre 1896 und 1904/05 durchgeführt, die an der „Fortsetzung der bestehenden Grundsätze“ der Untersuchung von 1883-84 festhielten (KINOSHITA 1971, S. 174-175). KINOSHITA in ŌMICHI und YORIZUMI 2003, S. 4. bildete“65. Demzufolge könnte es sein, dass er seine Auffassung nicht in Opposition setzte, um eine Vertragserneuerung und somit auch seinen weiteren Aufenthalt in Japan nicht zu gefährden. Doch widerspricht Baelz selbst eigentlich derartigen Überlegungen, denn er scheint zumindest im Jahr 1882 keinen längeren Aufenthalt in Japan geplant zu haben, wie aus einem seiner Gesuche an die Universität Leipzig, seine Beurlaubung als dortiger Privatdozent zu verlängern, hervorgeht: Tokio 1. October 1882. An die hohe medicinische Fakultät der K. Universität Leipzig Einer hohen Fakultät gestatte ich ergebenst Unterzeichneter mir folgendes Gesuch zu unterbreiten. Als mein Contract mit der K. Japanischen Regierung im Juli dieses Jahres zu Ende ging, bot mir diese Regierung einen weiteren Contract auf 4 Jahre an, eventuell mit einem einjährigen Urlaub. Ich war von Anfang an entschlossen, nicht mehr so lange zu bleiben, sah aber doch ein dass es für die Vollendung meiner begonnenen wissenschaftlichen Arbeiten nützlich sein würde, mindestens noch ein Jahr länger in meiner jetzigen Stellung auszuharren. Ich schlug dies dem Herrn Rektor der Universität Tokio an, und er ging bereitwillig darauf ein [...]. Nun erlaube ich mir die ganz ergebenste Anfrage, ob eine hohe Fakultät geneigt wäre, mir meinen Urlaub um abermalige 2 Jahre zu verlängern.66 Auch in einem Tagebucheintrag aus späterer Zeit macht er deutlich, dass es ihm nicht, ohne die Stellung seiner Person an der Universität Tokyo kritisch zu hinterfragen, an einer fortwährenden Erneuerung seines Vertrages gelegen war: Tokyo, 18. April 1900 [...] Schon seit langem wußte ich, daß in der medizinischen Fakultät eine Strömung für Selbstständigkeit war. Eine solche Ansicht ist mir durchaus verständlich und berechtigt. Ja, ich halte sie für notwendig und habe sie immer selber gefördert. Ich schlug daher der Fakultät schon mehrmals beim Angebot einer Kontrakterneuerung von mir aus 65 66 YORIZUMI in ŌMICHI und YORIZUMI 2003, S. 23-24 u. 111-112. KÄSTNER und SCHWENDLER 1991/92, S. 271. vor, sie sollten es doch einmal allein probieren. Man drängte mich aber immer wieder zu bleiben.67 Betrachten wir im Folgenden, was sich für Aussagen hinsichtlich der Kampfkünste von und über Baelz finden lassen. So ist zum Beispiel in der „Zeitung für Aufklärung“ (Kaika Shinbun) vom 14. Juni 1883 über ihn zu lesen: Die Schwertkunst unseres Landes ist nicht nur als Schutzmaßnahme für den Notfall geeignet, sie ist auch vom Standpunkt der Hygiene her gesehen wirkungsvoll. Deshalb ist Doktor Baelz, die Lehrkraft der medizinischen Fakultät der Universität, vergangenen April in die Schule von Herrn Sakakibara Kenkichi eingetreten. Da er sich unablässig schult, zeigen sich Erfolge, und in jüngster Zeit hat er große Fortschritte gemacht. Außerdem richtet Herr Baelz seine Aufmerksamkeit auf die tatsächliche Anwendbarkeit der Schwertkunst und stellt Bambusschwerter (shinai) gemäß althergebrachter Längenmaße für Schwerter unseres Landes her. Dadurch, dass er tagtäglich Herrn Sakakibara nach den Kniffen und Geheimnissen dieser Kunst befragt, widmen sich nach und nach auch die Studenten der Universität der Schwertkunst.68 In einem anderen Artikel der „Zeitung für Medizin“ (Iji Shinbun), Nr. 89 vom 25. Juni 1883 heißt es: In der medizinischen Fakultät der Universität Tokyo wurde aufgrund einer Absprache von etwa dreißig Studenten der vierten Klasse A und B des Vorbereitungskurses eine 'Abteilung für KampfkunstWettkampf', wohl zum Zwecke der Bewegung, eingerichtet. Dazu wurde Herr Sakakibara Kenkichi eingeladen, um die Schwertkunst (kenjutsu) zu unterrichten. Auch Herr Doktor Baelz, die Lehrkraft für innere Medizin, versuchte sich darin, und da er es sehr befürwortet hat, nimmt seither täglich die Zahl der Personen zu, die in diese Abteilung eintreten. Gestern, am 24., wurde bereits ein großes praktisches Seminar veranstaltet.69 Ob Baelz zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Artikel schon an der Untersuchung teilgenommen hatte oder ob er zumindest wusste, dass er eine Berufung dazu erhalten wird, ist unklar. Aus ihnen geht jedoch hervor, dass Baelz nicht nur selbst im April 1883 – also noch vor Anordnung der Untersuchung – unter Sakakibara mit dem Erlernen der Schwertkunst begann, 67 68 69 BÄLZ 1931, S. 143. Kaika Shinbun 14.06.1883, Nr. 81, S. 3. Iji Shinbun 25.6.1883, Nr. 89, S. 9. sondern auch, dass er durch sein Beispiel und seine Befürwortung der Schwertkunst die Studenten der medizinischen Fakultät – nachdem die Untersuchung bereits angeordnet war – anregte, diese zu betreiben. Wurde der Untersuchungsbericht am 13. Oktober 1884 dem Erziehungsministerium eingereicht, erschien bereits am 31. Oktober in der „Zeitschrift der Großjapanischen Gesellschaft für Erziehung“ (Dai Nihon Kyōikukai Zasshi) der zweite Teil eines von Baelz verfassten japanischen Leitartikels mit dem Titel „Wie sollte die Leibeserziehung der Kinder von der Geburt bis ins Schulalter aussehen?“ (Jidō seinen yori gakurei ni itaru made no taiiku ikan), in dem er zum Ausdruck bringt, dass er in den traditionellen japanischen Kampfkünsten eine gute Möglichkeit zur Leibeserziehung sieht: Im Allgemeinen besitzen die verschiedenen Bewegungsorgane im Körper (hiermit sind die Muskeln und die Knochen, an denen die Muskeln sitzen, gemeint) die Eigenschaft, dass, wenn man sie bewegt, dies nach und nach zur Stärkung und zur Gesunderhaltung des Körpers beiträgt. Zum Beispiel durch das Aufeinandertreffen im Kampf (uchiai) (wie in der Schwertkunst oder dem Sumô) wird die Armkraft stärker; durch das Laufen wird die Beinkraft stärker. Einige Seiten weiter heißt es dann: Blickt man auf die vormaligen Samurai zurück, dann waren diese im Vergleich zu heutigen Japanern sowohl stärker und größer als auch kraftvoller. Dass sie offensichtlich überlegener waren, lag sicherlich an der damaligen Erziehung, die nicht nur das Lesen und Schreiben vorsah, sondern verschiedene körperliche Übungen mit dem Pferd und dem Bogen, dem Schwert und der Lanze usw. beinhaltete. [...] Da niemand da ist, der darüber ernsthaft nachdenkt, wird der Körper der Japaner immer schwächer und man kann keinerlei Anzeichen eines Stärker-werdens erkennen. Folglich ist es unvermeidbar, dass auch die Kinder, die nun geboren werden, schwächlich sind und leicht erkranken. Das ist wirklich bedauerlich!70 Da Baelz am 17. August 1884, verbunden mit einer Dienstreise nach Nordamerika, zu seinem ersten Heimaturlaub aufbrach,71 ist es sehr wahrscheinlich, dass er diesen längeren Leitartikel in zwei Teilen – der erste erschien am 31. Juli 1884 – bis zum Antritt der Reise abgeschlossen hatte. Zudem nahm sicherlich auch die Übersetzung ins Japanische und die Drucklegung eine 70 71 BAELZ in Dai Nihon Kyōikukai 1884/10, S. 20 bzw. 26. GERMANN 2006, S. 67. gewisse Zeit in Anspruch. Somit dürfte er die hier geäußerte Meinung schon während des Untersuchungszeitraumes vertreten haben. In seiner „Abhandlung zur Verbesserung der japanischen Rasse“ (Nihon jinrui kairyō ron), die am 18. Dezember 1886 in der „Zeitschrift der Großjapanischen Privaten Gesellschaft für Hygiene“ (Dai Nihon Shiritsu Eiseikai Zasshi) erschien, empfiehlt er dann jūjutsu sogar für den Schulunterricht: Selbst wenn der Körper der Japaner klein ist und die einmalige Arbeitsleistung einen nicht in besonderes Erstaunen versetzt, sind die Japaner von ihren natürlichen Begabungen her doch in vielen Bereichen sehr geschickt. Man sollte sich daher darum bemühen, diese Fähigkeiten zu üben und zur Entwicklung zu bringen. Welchen Grad an Nutzen die Bemühungen von Übung haben, kann man am jûjutsu sehen. Ich wünsche mir, dass diese Methode der körperlichen Erziehung in allen Schulen durchgeführt wird.72 Weiterhin sieht Baelz die Kampfkünste auch im Hinblick auf die Leibeserziehung der Frauen als geeignetes Mittel an. Dies geht aus einem Vortrag über die „Missstände in der Mädchenerziehung“ (Joshi kyōiku jō no heigai), der in den „Medizinischen Nachrichten aus dem In- und Ausland“ (Chūgai Iji Shinpō) aus dem Jahre 1890 enthalten ist, hervor: Ich wünsche mir dringlichst, dass sie sich täglich unbedingt zwei bis drei Stunden bewegen. Doch ob dieser Wunsch bei der derzeitigen Situation in Japan in der Erziehung überhaupt verwirklicht werden kann oder nicht, das liegt nicht in meiner Macht. Wenn wir von der Körperübung der Mädchen sprechen, dann ist, wie ich bereits zuvor sagte, ihre erste Zielsetzung, die Blutstauung zu verhindern. Dafür ist es gut, Spaziergänge zu machen, zu tanzen, die Schwertkunst zu erlernen oder die Hellebarde zu benutzen.73 Schließlich ist in seinen Tagebüchern noch ein Eintrag enthalten, in dem Baelz dem jûjutsu größte Wertschätzung für die körperliche Erziehung entgegenbringt: Nara, 18. April 1904 Ich muß mich über die erstaunliche Rüstigkeit des 73jährigen Kitabatake wundern, der den ganzen Tag mit mir in den Tempeln umherwanderte, ohne irgendwie zu ermüden. Er trieb früher viel Jiujitsu. Dies ist die beste körperliche Übung, die es überhaupt gibt.74 72 73 74 BAELZ in Dai Nihon Shiritsu Eiseikai 1886, S. 19-20. BAELZ in CIS 1890, Nr. 238, S. 37. BÄLZ 1931, S. 298. Aus sämtlichen hier vorgestellten Zeitungsartikeln, seinen Aufsätzen und Tagebucheinträgen offenbart sich eine offensichtliche Diskrepanz zwischen der persönlichen Meinung von Baelz und dem Ergebnis der Untersuchung, was darauf hindeutet, dass er sich im Entscheidungsgremium nicht genügend Gehör verschaffen konnte. Er empfiehlt Kampfkünste nicht nur zur körperlichen Erziehung, sondern auch unmittelbar für den Schulunterricht. Somit ist davon auszugehen, dass er wohl nicht nur mit dem Verlauf der Untersuchung nicht einverstanden war, sondern durch Vorträge und Aufsätze auch versuchte, dem Ergebnis im engeren Sinne und der vorherrschenden, die Kampfkünste ablehnenden, öffentlichen Haltung im weiteren Sinne entgegenzuwirken. Wenden wir uns als nächstes der ausführlichsten Darstellung zu den japanischen Kampfkünsten von Baelz zu. Wahrscheinlich im Jahre 1906 erschien beim Stuttgarter Verlag Julius Hoffmann „Das Kano Jiu-Jitsu (Jiudo)“, eine deutsche Übersetzung des englischen „The Complete Kano Jiu-Jitsu (Jiudo)“ von 1905, zu der Baelz vom Verleger gebeten wurde, eine „Einführung zur deutschen Ausgabe“ zu verfassen. Darin heißt es: Am Anfang der modernen Ära, in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, machte Japan eine sonderbare Periode der Verachtung alles Einheimischen und Eigenen durch. Alles Fremde wurde blind bewundert und nachgeahmt, alles bisherige Japanische als Plunder betrachtet. […] Alle körperlichen Übungen, Schwertfechten, Jiu-Jitsu wurden in den Bann getan. Die damals junge Generation und auch ihre Lehrer hatten für nichts Sinn, als für Lernen, Lernen, Lernen der europäischen Wissenschaft. Die Studenten an der kaiserlichen Universität waren dürftige, schlecht genährte, überanstrengte Jungen, die in ihrer Wißbegier oft buchstäblich ganze Nächte durch arbeiteten, und sich keinerlei körperliche Ruhe oder Übung gönnten. Meine Bemühungen bei den Behörden um Errichtung eines Turnplatzes und einer Turnhalle waren vergeblich. Das nationale Schwertfechten, das ich empfahl, wurde als roh, und weil man gelegentlich einen schmerzhaften Hieb auf den Kopf bekam, als gefährlich zurückgewiesen. Erst als ich, um diese Vorurteile zu entwaffnen, selbst beim berühmtesten Fechtlehrer Unterricht nahm, und als dies in den Zeitungen bekannt wurde, erwachte das Interesse für das alte Fechten wieder. Denn wenn ein Fremder und noch dazu der Professor der Medizin an der damals einzigen Universität des Landes ein Jünger dieser Kunst wurde, so konnte sie weder in den Augen des Westens barbarisch noch gesundheitsgefährlich sein. Um diese Zeit war es auch, daß ich zuerst die Bekanntschaft mit JiuJitsu machte. Es war bei einem Besuch in der Provinzhauptstadt Tshiba. Als beim Governeur die Rede auf die moderne Erziehung kam, klagte ich über den Mangel an Interesse für jeden Sport unter der schwächlichen Jugend der höheren Stände. Der Gouverneur war ganz meiner Ansicht, und er bedauerte namentlich, daß eine vortreffliche, früher in Japan vielgeübte Kunst, nämlich Jiu-Jitsu, so ganz außer Gebrauch gekommen sei. Es werde eigentlich nur noch in seiner Stadt gepflegt, wo ein alter Lehrer, Totsuka, seine Polizisten darin unterrichtet, die ganz Erstaunliches leisteten, und bei Verhaftung von Verbrechern den größten Vorteil davon hätten. Er veranstaltete am nächsten Tag eine große Vorstellung, wobei der über 70jährige Totsuka zuerst die Prinzipien von Jiu-Jitsu auseinander-setzte, und die einzelnen Griffe vormachte. Ich sah Dutzende von Wettkämpfen, und die Leistungen waren so erstaunlich, und es wurden scheinbar so halsbrecherische Griffe und Bewegungen und Würfe ohne den geringsten Schaden für die Kämpfenden ausgeführt, daß ich mir sagte, hier sei eine ideale Form der Gymnastik für meine Studenten. Aber wieder hatte ich in Tokio kein Glück. Der Direktor der Medizinschule, der die Sache nur vom Hörensagen kannte, und die anderen Herren an der Universtät und im Unterrichtsministerium wollten von meinem Vorschlag, die Jiu-Jitsu-Leute von Tshiba zu einer Vorstellung nach Tokio zu rufen, nichts wissen. Die Studenten, meinten sie, seien zur geistigen Arbeit da. Eine Kunst, die in früherer Zeit, wo man sich gegen Bewaffnete zu schützen hatte, berechtigt war, habe jetzt keinen Zweck mehr. Auch meine Bemerkung, daß es sich ja nur um die gymnastische Seite der Sache handle, fruchtete nichts.75 Baelz beschreibt in dieser Einführung nicht nur prägnant, wie es zu jener Zeit um die traditionellen Kampfkünste bestellt war, er berichtet auch von seinen Bemühungen um diese. Zum Beispiel, dass er gegen die Ansicht ankämpfte, die Schwertkunst sei wegen der Schläge zum Kopf gefährlich, die zu jener Zeit vor allem vom medizinischen Standpunkt her vertreten worden sein soll.76 Selbst Mediziner, veranlasste dies Baelz vielleicht um so mehr, diesem „Vorurteil“ entgegenzuwirken oder ließ ihn gerade deshalb wohl auch an die Einführung der „Drahtmaske der deutschen Studenten“ denken, wie aus dem Vortrag „Über körperliche Erziehung“ zu erfahren war. 75 76 BAELZ in HANCOCK und HIGASHI 1906, S. XI-XIII. NAKAMURA 1994, S. 174-175. Diese Ansicht findet sich nicht nur in der zuvor erwähnten Äußerung des Gouverneurs der Stadtpräfektur Kyoto wieder, sondern beispielsweise auch in der 70. Ausgabe der „Neuen Zeitschrift zur Erziehung“ (Kyōiku Shinshi) von 1880. Teilt Baelz hier nicht mit, dass er unter Sakakibara Kenkichi kenjutsu erlernte, berichtet er in Bezug auf das jūjutsu, dass er in diese Kampfkunst durch Totsuka eingeführt wurde. Hierbei dürfte es sich um Totsuka Hikosuke Hidetoshi (18121886) gehandelt haben, der Ende der Edo-Zeit mit der Totsuka-ha Yōshinryū eine eigene Schullinie gründete. Hidetoshi soll ein bekannter und technisch sehr versierter Meister gewesen sein, der noch in der Edo-Zeit bereits als „Lehrmeister“ (shihan) in der shogunalen Militärakademie Kōbusho unterrichtete. 1885 wurde er dann von der Präfektur Chiba zum shihan berufen.77 Berücksichtigt man das Alter von Totsuka, der über siebzig Jahre gewesen sein soll, und zieht den bereits zuvor angeführten Zeitungsartikel der Kaika Shinbun in Betracht, aus dem zu erfahren ist, dass Baelz im April 1883 begann, die Schwertkunst zu erlernen, wäre daraus zu folgern, dass er somit „um diese Zeit auch zuerst die Bekanntschaft mit dem jûjutsu machte“. Jedoch schreibt Baelz in der Einführung ein paar Seiten weiter: Als ich mit 30 Jahren Unterricht in Jiu-Jitsu nehmen wollte, fand ich keinen Lehrer, man fürchtete, daß ich mich ernstlich verletzen könne.78 Erfahren wir aus dieser Aussage, dass er versuchte, auch diese Kampfkunst zu erlernen, sein Vorhaben aber im Gegensatz zum Bogenschießen und der Schwertkunst nicht verwirklichen konnte, deutet die von ihm gemachte Altersangabe auf einen früheren als den oben angenommenen Zeitpunkt hin – nämlich auf das Jahr 1880, in dem er 30 Jahre alt wurde. Auch folgende Veranstaltung, die Baelz im Anschluss an das Treffen in Chiba mit Totsuka in der Einführung beschreibt, spricht eher für einen früheren Zeitpunkt, denn bei Yokoyama findet sich diese ins Jahr 1880 datiert79: Aber inzwischen hatten doch auch einige aktive und frührere Studenten der Universität Jiu-Jitsu aufgenommen, und namentlich der junge Gelehrte Kano wurde sein eifriger Apostel. Als auch er und seine Genossen baten, daß die Universtät die Jiu-Jitsu-Männer aus Tshiba kommen lassen möge, wurde endlich willfahren, und es fand ein großes Wettringen in der Aula der Universität statt. Dabei zeigte sich freilich auch, wie viele Übung die Erlernung der Kunst forderte. Denn von allen den jungen Männern in Tokio war keiner, auch Kano nicht, ein 'match' für irgendeinen der Polizeioffiziere.80 Nachdem Baelz laut seines Tagebuches bereits 1879 von der Schwertkunst gehört und diese gesehen hatte und das Bogenschießen aktiv betrieb, scheint es 77 78 79 80 Kōdansha, Bd. 4, 1983, S. 202 u. Bd. 15, S. 158. BAELZ in HANCOCK und HIGASHI 1906, S. XV. YOKOYAMA 1941, S. 43. BAELZ in HANCOCK und HIGASHI 1906, S. XIII. eher unwahrscheinlich, dass er von jūjutsu erst Jahre danach erfahren hat. Naheliegend ist daher, dass er wohl bis spätestens zum Jahr 1880 mit jūjutsu in Berührung kam. Betrachten wir als nächstes die Beziehung von Baelz zu dem oben erwähnten Begründer des modernen Jūdō, Kanōs Jigorō (1860-1938). Niehaus bemerkt zu der oben erwähnten Textpassage, dass Baelz, im Wissen um die „spätere Größe“ Kanōs, aus großer zeitlicher Distanz zu dieser Veranstaltung schreibt: „da Kanōs erst drei Jahre jūjutsu betrieben hatte, konnte er kaum zu einem herausragenden Kämpfer gereift sein“81. Wie dem auch sei, zunächst einmal steht außer Frage, dass sich beide gekannt haben, denn Baelz erwähnt Kanō nicht nur in dem Auszug oben, sondern lässt im ersten Abschnitt der Einführung zudem verlauten: Mit Vergnügen komme ich der Aufforderung des Verlegers, Herrn J. Hoffmann, nach, eine kurze Einleitung zur deutschen Ausgabe von Hancocks und Higashis 'Kano Jiu-Jitsu' zu schreiben. Die Berechtigung dazu finde ich erstens darin, daß ich selbst bei der Wiederpopularisierung von Jiu-Jitsu in Japan mitwirkte, und zweitens in meiner langjährigen Bekanntschaft mit Professor Djigoro Kano, dessen Namen das Buch trägt, und in der Vertrautheit mit seiner Methode.82 In einem Tagebucheintrag würdigt er Kanō und das von ihm ausgearbeitete Kampfkunstsystem dann folgendermaßen: Tokyo, 12. Dezember 1903 Mittags bei Hohler, von der engl. Gesandtschaft mit den JiujitsuLehrern Kano und Tomita. Kano hat sich mit seiner reformierten Methode des Jiujitsu ein großes Verdienst um sein Volk erworben. Es gibt wohl kein vollkommeneres Mittel, um den Körper zu kräftigen und systematisch durchzubilden.83 Dieser Eintrag bildet insofern eine Besonderheit, als sich diese Aussage zu Kanō in den japanischsprachigen Tagebuchübersetzungen von Suganuma findet,84 nicht aber in den beiden von seinem Sohn Toku veröffentlichten deutschen Ausgaben. Die deutsche Fassung dieser Aussage liegt nur in einem Typoskript im Baelz-Nachlass des Stadtarchivs Bietigheim-Bissingen vor. Vielleicht hielt der Sohn von Baelz diese Passage für die deutsche Leserschaft für eher 81 82 83 84 NIEHAUS 2003, S. 91, Anm. 248. BAELZ in HANCOCK und HIGASHI 1906, S. IX. BAELZ in SBB, Nr. 29a, 1903-1905, S. 22. SUGANUMA 1952, S. 140 bzw. 1979a, S. 345. uninteressant oder ließ sie weg, da sich eine ähnlich lautende Aussage in das Kapitel „Aus dem Vorwort zu Kano 'Jiu Jitsu'“ eingearbeitet findet, welches Auszüge der „Einführung“ in den Tagebuchausgaben vorstellt. Die zuvor bereits erwähnte Stelle lautet in diesen: [...] und namentlich der junge Gelehrte Kano, der das Jiu-Jitsu weiterentwickelt hat und dem vor allem seine Popularisierung zu verdanken ist, wurde sein eifrigster Apostel.85 Demhingegen findet sich Baelz, gemäß Niehaus, wiederum bei Kanō nur einmal erwähnt und zwar im Zusammenhang mit dem Buch „Das Kano Jiu-Jitsu (Jiudo)“.86 Kanō kritisiert dieses Buch in seinen Erinnerungen zu einem Aufenthalt in Deutschland im Jahre 1928 an der Berliner Polizeischule, wo er einen Vortrag zum Jūdō hielt, folgendermaßen: Als ich diese Schule besuchte, holte der Schulleiter unverhofft ein ziemlich dickes und mit Illustrationen versehenes Buch mit dem Titel 'Kanô Jūjutsu' heraus, zeigte es mir und sagte, dass man an seiner Schule mit diesem Buch als Grundlage das jūjutsu erforschen würde. Schlägt man das Buch auf, enthält es auf der Titelseite eine Abbildung von mir und die Einleitung stammt gar von Dr. Baelz. Doch sein Inhalt besteht aus lauter Dingen, die mir unbekannt sind, und ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass es sich dabei nicht um meine wahre Lehre handelt und es daher unzulässig ist. Deshalb sprach ich dann, beginnend mit dem geschichtlichen Werdegang des Jūdō, im Großen und Ganzen über die Theorie der Techniken und der Prinzipien und dann über die Anwendung von Jūdō-Prinzipien auf die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft. Mir kam es so vor, als hätten sie, [die Lehrer und Schüler der Polizeischule], zum ersten Mal verstanden, was das Kōdōkan Jūdō eigentlich ist. Ich bin der Meinung, dass es völlig unmöglich ist, durch dieses Buch den Sinn des Jūdō richtig zu verstehen. Mit ziemlicher Sicherheit hat dieses Buch jemand geschrieben, der das Kōdōkan Jūdō nie erlernte.87 Auch wenn Baelz von Kanōs „reformierter Methode“ wusste, scheint es trotzdem so, dass er wohl nicht bis ins Detail mit dessen aus mehreren jūjutsuSchulen entwickelten Kōdōkan Jūdō „vertraut“ war, ansonsten wären ihm wohl Unterschiede aufgefallen. Hinzu kommt, dass er seinen eigenen Angaben zufolge zwar versuchte, jūjutsu zu erlernen, aber keinen Lehrer fand, und somit seine Kenntnisse als eher begrenzt anzusehen sind. Allerdings entwickelte sich 85 86 87 BÄLZ 1931, S. 91. NIEHAUS 2003, S. 82, Anm. 224. KANŌ in Kōdōkan, Bd. 10, 1988, S. 190-191. das Kōdōkan Jūdō, welches von Kanō im Jahr 1882 gegründet wurde, auch weiter,88 so dass ein zeitlicher Faktor, wann Baelz damit in Kontakt kam oder es sah, ebenfalls eine gewisse Rolle gespielt haben könnte. Die Verbindung zwischen Kanō und Baelz schien aber nicht nur auf das jūjutsu begrenzt geblieben zu sein; so ist bei Yorizumi zu lesen, dass Kanō bei Baelz Informationen zu westlichem Sport einholte oder durch dessen Vermittlung sogar ein Landhaus in Kusatsu erwarb.89 Da sich Kanō während seiner Studienzeit neben jūjutsu auch mit westlichen Leibesübungen beschäftigte, „er betrieb etwas Geräteturnen, machte Ausflüge, bestritt Wettläufe oder versuchte sich im Rudern und spielte vor allem Baseball“90, erscheint es durchaus plausibel, dass er Baelz – als einen Befürworter von körperlichen Übungen – zu westlicher Leibeserziehung bzw. Sport befragte. Durch wen bzw. wann sich Baelz und Kanō allerdings kennenlernten, ist nicht bekannt. Eine Möglichkeit für ein vielleicht sogar zufälliges Zusammentreffen beider bietet die Universität Tokyo, jedoch studierte Kanō nicht Medizin, sondern er war an der Fakultät für Literatur eingeschrieben. Sein Studium, bei dem er die Fächer Politik und Ökonomie belegte, begann er im Juli 1877 und schloss es im Juli 1881 ab, besuchte danach aber noch ein Jahr lang an der gleichen Fakultät Vorlesungen im Fach Philosophie. Zu seinen Dozenten gehörte neben anderen auch der Amerikaner Ernest Francisco Fenollosa (1853-1908), der ihn in Politik und Ökonomie unterrichtete,91 und der wiederum ein Bekannter von Baelz war.92 Vielleicht war es eine Lehrkraft, die Kanō bei seiner Suche nach Rat zu westlichen Leibesübungen Baelz vorstellte? Yorizumi hingegen sieht in Miura Kinnosuke (1864-1950), einem der Medizinstudenten von Baelz und späteren Professor an der Universität Tokyo, der auch als sein Dolmetscher fungierte, einen sehr wahrscheinlichen Mittler zwischen beiden; denn Miura, der sich im jūjutsu der Schule Tenjin Shin'yōryū übte, kannte Kanō nicht nur, sondern beide trainierten zeitweise auch zusammen unter Miuras Lehrer, Inoue Keitarō. Während Miura selbst angibt, dass Kanō, nachdem er sein Studium abgeschlossen hatte, bei seinem Lehrer trainierte93, sieht Yorizumi den Zeitraum zwischen August 1879 bis Juni 1881 als Möglichkeit an, dass sich beide kennenlernten; d.h. den Zeitraum nach dem Tod von Kanōs Lehrer Fukuda Hachinosuke (1828-1879) bis zum Tod von Fukudas Lehrer Iso Matauemon Masatomo (um 1820-1881) – dem dritten Oberhaupt der Tenjin Shin'yōryū – unter dem Kanō sein Training fortsetzte, denn Inoue, wie Fukuda ein hoher 88 89 90 91 92 93 NIEHAUS 2003, S. 217ff.. YORIZUMI 2002, S. 7 u. 10. HASEGAWA 1981, S. 9. Ebd. S. 8-10. Vgl. BÄLZ 1931, S. 76 u. 103. MIURA 1955, S. 235. Schüler von Masatomo, soll in dessen dōjō vertretungsweise unterrichtet haben94. Ebenso unklar ist darüber hinaus aber auch, wann Miura und Baelz sich kennenlernten. Miura gibt an, dass dies in die Zeit seiner Vorbereitungskurse an der Universität fiel, die er 1878 begann und 1883 abschloss95. Zeitlich gesehen dürfte Baelz wohl bis zum Jahre 1880, in dem die zuvor erwähnte jūjutsu Veranstaltung an der Universität stattfand, zumindest von Kanō gehört haben, denn er berichtet von dessen Teilnahme. Selbstverständlich besteht auch die Möglichkeit, dass sich beide im Rahmen dieser Veranstaltung kennenlernten. Durch wen Baelz letztlich zuerst mit jūjutsu in Berührung kam, wie er selbst etwa ein Vierteljahrhundert später schreibt, durch Totsuka, oder vielleicht eher durch Miura, der als sein Dolmetscher auch oft privat mit ihm verkehrte und ihm auch Erklärungen zum jūjutsu gegeben und seine Kampfkunstschule vorgeführt haben soll96, oder eventuell durch einen anderen Studenten, wie zum Beispiel Kanō, kann heute nicht mehr nachgewiesen werden. Aus den hier angeführten Angaben und Überlegungen geht aber hervor, dass Baelz wohl bis spätestens 1880 das jūjutsu nicht nur kannte, sondern auch versuchte, diese Kampfkunst zu erlernen und sie bereits zu diesem frühen Zeitpunkt als perfektes Mittel der körperlichen Ertüchtigung schätzte. Doch Baelz erkannte in den traditionellen japanischen Kampfkünsten nicht nur die Möglichkeit der körperlichen Übung allein, sondern er wies auch auf die geistige, innere Komponente dieser hin. So schreibt er in dem Artikel „Über den kriegerischen Geist und die Todesverachtung der Japaner“, der 1904 in Fortsetzung zuerst in der „Kölnischen Zeitung“ erschien: Als ich Unterricht im japanischen Fechten nahm, prägte mir mein Lehrmeister als obersten Grundsatz ein: 'Von dem Augenblick an, wo Sie zu kämpfen anfangen, existiert für Sie nichts, absolut gar nichts auf der Welt, als der Mann, der Ihnen gegenübersteht, und den Sie töten wollen und sollen'. [...] Aber es war nicht blindes Draufgehen, sondern bei aller Erregung scharfes, kühles Beobachten und Berechnen; denn der Verstand bleibt ja klar und kühl, während alle aufs eigene Ich bezüglichen Empfindungen schweigen.97 In diesem Zusammenhang machte er den Leser bereits auch auf die Verbindung der Kampfkünste mit dem Zen aufmerksam: 94 95 96 97 YORIZUMI 2002, S. 7. MIURA 1936, 52. YORIZUMI 2002, S. 5. BAELZ 1904, S. 25. Daher das Wort eines berühmten Fechtmeisters an seinen besten Schüler: 'Was die Waffenkunst dich lehren kann, das weisst du; nun musst du die Zen-Lehre studieren'.98 Schließlich äußerte er sich in der Einführung des „Kano Jiu-Jitsu“ zur inneren Haltung eines Schülers der Kampfkünste folgendermaßen: [...] jemand, dessen Urteil durch 'keinerlei Sachkenntnis' getrübt war, [nannte] Jiu-Jitsu eine wüste Prügelei [...], während es doch auf Gottes Erden kein Athletensystem gibt, auf welches das Wort Prügelei weniger paßt. Denn Selbstbeherrschung und gentlemanhaftes Benehmen, Zeigen derselben Ruhe und Würde - ob man Sieger oder Besiegter ist - das sind Dinge, die dem Jiu-Jitsu-Schüler vom ersten Tag an als Grundbegriffe beigebracht werden.99 Baelz gehört somit, neben seinen Empfehlungen der Ausübung von traditionellen japanischen Kampfkünsten zur körperlicher Übung und seinem „Mitwirken bei ihrer Wiederpopularisierung“ in der Meiji-Zeit sowie auch dem Vorstellen solcher über die Grenzen Japans hinaus, insbesondere hinsichtlich des Aufzeigens einer inneren Komponente zu den ersten Autoren, die zumindest dem deutschsprachigen Publikum kurz nach dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts derartige Informationen überhaupt zugänglich machten. 4) Zusammenfassung und Betrachtung Haben wir bislang gesehen, dass Baelz immer wieder auf die Notwendigkeit der körperlichen Übungen bzw. der Leibeserziehung als Mittel zur Stärkung und Gesunderhaltung des Körpers und somit des Menschen im Ganzen hinweist, soll abschließend der Frage nachgegangenen werden, inwieweit Baelz aufgrund seines Wirkens bzw. seiner Empfehlungen zur Entwicklung der Leibeserziehung beitragen und die traditionellen Kampfkünste im Japan der Meiji-Zeit fördern konnte. Ziehen wir dazu zunächst seine gesellschaftliche Stellung in Betracht, über die wir zum Beispiel einiges aus Tagebucheinträgen gegen Ende seines Aufenthaltes erfahren können. Am 5. Januar 1905 schreibt er zum Anlass der „kaiserlichen Neujahrstafel“: Ich wusste wirklich nicht, daß ich einen höheren Rang habe als selbst viele Admirale.100 98 99 100 Ebd. S. 24. BAELZ in HANCOCK und HIGASHI 1906, S. X. BÄLZ 1931, S. 369-370. Am 3. Juni 1905 heißt es: Gegen Abend kam Oka, der Leibarzt des Kaisers, und brachte mir im Namen des kaiserlichen Hausministeriums das 'Großkreuz des Ordens der aufgehenden Sonne'. Wenn ich mir auch im allgemeinen aus Orden und dergleichen Ehrungen nicht viel mache, so gestehe ich offen, daß ich mich dieses Mal ehrlich gefreut habe, doppelt, da es überraschend kam. Wenn ich annahm, daß man von seiten des Kaiserlichen Hauses mir gegenüber sich erkenntlich zeigen würde, so hatte ich dennoch nicht erwartet, daß es mir meine Verdienste derart hoch anrechnet. Ist es doch derselbe Orden, den ein Togo und Nogi für ihre gewonnenen Schlachten erhielten, und die höchste Auszeichnung überhaupt, die ein nichtgefürsteter Fremder in Japan erhalten kann. Ich ersehe daraus vor allem mit Genugtuung die offizielle Würdigung für meine Tätigkeit in Japan, dessen Land und Volk ich ein Menschenalter lang meine besten Kräfte zur Verfügung gestellt habe. Und da ich als Arzt – als tätiger Helfer seiner Mitwelt – nun einmal in die Kategorie derer gehöre, denen die Nachwelt keine Kränze flicht, so darf es mich wie jeden arbeitenden Menschen mit Freude erfüllen, meine Tätigkeit anerkannt zu sehen.101 Für die aus diesen Tagebucheinträgen ablesbare hohe gesellschaftliche Wertschätzung seiner Person war neben seinem gehobenen Beruf, als ins Land gerufener Fachkraft und Professor für Medizin an der für zwanzig Jahre lang einzigen Universität im Lande, wohl vor allem das ihm entgegengebrachte Vertrauen als von führenden Persönlichkeiten der Politik bzw. des öffentlichen Lebens konsultierter Arzt und als Leibarzt des Kaiserhauses förderlich. Aufgrund dessen sollte es ihm möglich gewesen sein, insbesondere auch in höchsten und Entscheidungen fällenden Gesellschaftskreisen – so zählte er zum Beispiel den mehrmaligen Premierminister Itō Hirobumi zu seinen besten Freunden102 – körperliche Übungen zur Sprache zu bringen. Sicherlich auch auf sein Anraten hin ritt und turnte der Thronfolger103, um seine Körperkonstitution und Gesundheit zu verbessern. Über ihn, der 1912 als Taishō Tennō die Nachfolge von Kaiser Meiji antrat, schreibt Baelz in seinem letzten erhalten gebliebenen Tagebucheintrag vom 23. Mai 1913: Ich war immer zweifelhaft, ob er trotz seiner Athletenmuskulatur, die wir ihm angeturnt hatten, den Aufregungen der Regierung gewachsen sei, zumal es nach innen und außen immer Verwicklungen gibt.104 101 102 103 104 Ebd. S. 412-413. BÄLZ, 1931, S. 159 u. 430. Vgl. BAELZ in GKM, Bd. 15 (171), 1908, S. 10 u. GERMANN, 2006, S. 112. BAELZ in GKM, Bd. 16 (176), 1913, S. 16. Dass der Rat von Baelz in Bezug auf die Leibeserziehung gefragt gewesen sein muss, davon zeugen seine Vorträge vor verschiedenen Gesellschaften und seine in verschiedenen Organen veröffentlichten Aufsätze. In diesen äußerte er sich stets frei, auch wenn eine gegenteilige öffentliche Meinung vorherrschend war. Trat der deutsche Arzt, aus dem Land kommend, welches damals als führend im Bereich der westlichen Medizin angesehen wurde, als Befürworter von Leibesübungen auf, dürfte dies in der Öffentlichkeit nicht nur zur Erkenntnis beigetragen haben, dass die Übung des Körpers ein wichtiges Element der Erziehung des Menschen sei, sondern regte wohl auch die Diskussion darüber in verschiedenster Weise an. Aber es ist trotzdem nicht so, dass nicht auch von japanischer Seite, noch bevor Baelz ins Land kam, die Notwendigkeit der Leibeserziehung erkannt worden wäre. So empfahl Fukuzawa Yukichi (1835-1901), einer der wichtigsten Reformer der Meiji-Zeit, bereits 1868 seinen Schülern der von ihm begründeten privaten Schule Keiō Gijuku Leibesübungen zu betreiben105, oder solche waren im Erlass zum Schulwesen von 1872 vorgesehen. Dennoch verlief die Einführung von Leibesübungen ins Schulwesen nur schleppend. Wohl erst in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre, nachdem taisō 1886 als obligatorisches Fach den anderen Fächern im Schulunterricht gleichgestellt wurde, also zehn Jahre nachdem Baelz seine Arbeit an der Universität Tokyo aufgenommen hatte, und man von Regierungsseite her zur „Stärkung der Nation“ nun auch größeren Wert auf die Leibeserziehung legte, trat eine langsame Verbesserung der Situation ein. Hieraus wird die Kritik von Baelz zu einem frühen Zeitpunkt seines Aufenthaltes verständlich, wenn er beklagt, dass die Behörden, allen voran das Erziehungsministerium bzw. die Universität, aber auch die Kollegen, nichts von seinen Vorschlägen zur Durchführung körperlicher Übungen wissen wollten. Dafür mag es verschiedene Gründe gegeben haben. Einerseits war Japan nach der Meiji-Restauration in keiner Weise dafür vorbereitet, Leibeserziehung nach westlichem Muster durchzuführen106. Anderseits erforderte der rasche Übergang von feudalen Gesellschaftsstrukturen in eine moderne Gesellschaft mit dem Bestreben, dem Westen gegenüber in allen Bereichen aufzuholen, in den ersten Jahren große Anstrengungen, bei der die Leibeserziehung bzw. Leibesübungen sicherlich nicht oberste Priorität hatten. Als dann zum Beispiel im Jahre 1884 in die Vorbereitungskurse der Universität Tokyo taisō als Fach eingeführt wurde107, kann zwar bislang anhand behördlicher Quellen nicht nachgewiesen werden, dass Baelz diese Entscheidung des Erziehungsministeriums mitbeeinflusste, aufgrund seiner Forderungen bei den Behörden nach körperlichen Übungen der Studenten ist dies zumindest aber denkbar. 105 106 107 KINOSHITA, 1971, S. 27-28. Vgl. ebd., S. 28. Vgl. Tokyo Teikoku Daigaku 1932, Bd. 1, S. 910ff.. Im Hinblick auf das von ihm immer wieder empfohlene Ausüben von traditionellen Kampfkünsten als Leibesübungen hielt sich aber vor allem in Bezug auf ihre Einführung in den Schulunterricht über Jahre hinweg starker Widerstand, wie die Untersuchung zum kenjutsu und jūjutsu von 1883/84 verdeutlichte. Zu stark waren in jener Zeit die Kräfte, die diese Kampfkünste aus den verschiedensten Gründen ablehnten. Sei es aufgrund einer in den ersten Jahren der Meiji-Zeit allgemeinen „Verachtung alles Japanischen“, die dazu beitrug, dass das Werkzeug der Samurai nicht nur in Regierungskreisen, sondern auch unter dem von der Herrschaft des Kriegerstandes befreiten Volk auf kein großes Interesse stieß oder sei es aufgrund der Ausrichtung einer neu geschaffenen Armee nach westlichem Muster, welche die Unterlegenheit traditioneller japanischer Kampfkünste gegenüber der westlichen Militärtechnik unterstrich. Insbesondere die 1873 eingeführte, die einstigen feudalen Standesgrenzen endgültig überwindende Wehrpflicht aber dürfte dem einfachen Mann vor Augen geführt haben, dass er dem ehemaligen Samurai, der für Jahrhunderte das „Militär“ verkörperte, nicht mehr nachstand. Es war für den sozialen Aufstieg also nicht mehr nötig, sich mit den „alten“ Kampfkünsten zu beschäftigen. Dass es Baelz dennoch gelang, erfolgreich Einfluss auszuüben, kann vielleicht aus einem Zeitungsartikel der Yomiuri Shinbun vom 19. Mai 1888 herausgelesen werden: Künste des Schwertes und der Sanftheit. Die Kunst des Schwertes und die Kunst der Sanftheit werden künftig den Lehrfächern (kyōka108) an der Kaiserlichen Universität hinzugefügt. Dafür wurde eine Übungsstätte neu errichtet. Zum Lehrer der Kunst des Schwertes ernannte man Herrn Sakakibara Kenkichi und am vergangenen 16. fand eine Einweihungsfeier statt. Ihr wohnten als die [dieses Projekt] unterstützenden Offiziellen (sewagakari) der Universitätspräsident Watanabe, der Polizeileiter des Stadtteils Hongō, eine deutsche Fachkraft sowie Lehrer der Schwertkunst bei. Für die Kunst der Sanftheit berief man Herrn Kanō Jigorō zum Lehrer und am 18. wurde um 14:00 Uhr eine Eröffnungsfeier durchgeführt. Von nun an sollen die Schüler jeden Montag, Mittwoch und Freitag Unterricht erhalten.109 Ziehen wir dazu ergänzend folgendes in Betracht: Baelz erlernte unter Sakakibara nicht nur die Schwertkunst, sondern gemäß den Aufzeichnungen zur 108 109 Hier ist unklar, was mit Lehrfach gemeint ist. Vielleicht handelte es sich um eine Aktivität außerhalb des Unterrichtsplans (kagai katsudō; vgl. dazu YORIZUMI in ŌMICHI und YORIZUMI 2003, S. 129, Anm. 25). Yomiuri Shinbun 19.5.1888, S. 2 Morgenausgabe. „110jährigen Geschichte des Kendō-Clubs der Universität Tokyo“ (Tōdai kendōbu hyakujūnen no ayumi) wurde Baelz, als man Sakakibara im Mai 1882 an die Universität einlud, im Vorfeld wegen der Einführung der Schwertkunst als einen Teil der studentischen Erziehung von dem Französischlehrer Koga Gotarō, der auch in der Verwaltung arbeitete, zu Rate gezogen und er soll dieses Vorhaben sehr befürwortet haben110. Weiterhin wissen wir aus Zeitungsartikeln aus dem Jahre 1883 von seinen Bemühungen bezüglich der Schwertkunst an der Universität. All dies deutet darauf hin, dass es sich bei der im Text erwähnten, geladenen „deutschen Fachkraft“ mit sehr großer Wahrscheinlichkeit um ihn handelt. Gehen wir also davon aus, dass Baelz hier für seinen aktiven Einsatz um die Aufnahme der Schwertkunst an seiner Wirkungsstätte, wohl als außercurriculärer Aktivität111, zu Ehren kam, ist dies gleichzeitig auch ein Beweis dafür, dass er in diesen Prozess direkt involviert war. Trotzdem sollte sein Einfluss aber nicht einfach pauschalisiert werden. Sicher ist es richtig, dass Baelz, wie er auch selbst sagt, während der Meiji-Zeit an der „Wiederpopularisierung von traditionellen Kampfkünsten in Japan mitwirkte“. Eine Aussage jedoch, wie sie bei Sakai in der Einleitung zur japanischen Übersetzung des Baelz-Tagebuches oder ähnlich auch im Internet zu finden ist, die Baelz das „Großziehen des jūjutsu zu einem nationalen Sport“ zuschreibt112, ist als Überbewertung seines Einflusses einzustufen. Baelz konnte dies unmöglich alleine vollbringen. Für das Wiederbeleben bzw. für das Überleben der traditionellen Kampfkünste überhaupt sowie für ihre an die Zeitumstände angepasste Weiterentwicklung während der Meiji-Zeit spielte eine Reihe von Faktoren eine Rolle. Trotz des Einsatzes von Baelz wäre dies nicht zu verwirklichen gewesen ohne eine allgemeine „nationale Besinnung“, wie Möller es ausdrückt113, die etwa in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre einsetzte, oder die verschiedenen Aktivitäten und Bemühungen ihrer Meister: zum Beispiel von Sakakibara Kenkichi durch die „Schwertkunst-Turniere“ – auch wenn bei diesen Veranstaltungen die Linderung der Erwerbslosigkeit von Kampfkunstlehrern eine noch größere Rolle gespielt haben dürfte – oder eben von Kanō Jigorō durch seine Ausarbeitung des modernen Jūdō. Im Zusammenhang mit der von Kanō geschaffenen, „reformierten Methode des jūjutsu“ spricht auch Baelz davon, dass sich dieser dadurch „großes Verdienst erworben hätte“. Kanō beeinflusste mit seinem Kōdōkan Jūdō bzw. mit der Anpassung dieses Systems an die Erfordernisse der gegebenen Zeitumstände die Entwicklung aller modernen traditionellen Kampfkünste wohl am nachhaltigsten: beispielsweise 110 111 112 113 Akamon Kenyûkai 1997, S. 12-13. An der Universität Tokyo kam es bereits im Jahre 1886 zur Gründung eines 'Clubs für Schwertkunst' (gekikenbu), der als Vorläufer des heutigen kendôbu angesehen wird. Allerdings exisitierte bis Mai 1888 kein dôjô (ebd., S. 16-18). SAKAI in SUGANUMA, 1979a, S. 16. MÖLLER 1990, S. 136. durch seine Festlegung der Zielsetzung der Kampfkunst auf „Kultivierung des Herzens“ (shūshin), „Leibeserziehung“ (taiiku) und „Wettkampf“ (shōbu). In dieser Zielsetzung spiegelt sich auch die damalige Diskussion um die Einführung von Kampfkünsten in den Schulunterricht wider, die als ein erster Grund für ihre Ausformulierung gilt114. Darüber hinaus kann sie aber, wie einige der Baelz'schen Aussagen auch, als eine Gegenmaßnahme auf das Ergebnis der Kampfkunstuntersuchung von 1883/84 gedeutet werden. Außerdem wollte Kanō seine Kampfkunst nicht als althergebrachtes jūjutsu verstanden wissen, sondern sie sollte, auf dieser Tradition aufbauend und mit einer vertieften Bedeutung und breiteren Zielsetzung versehen, die Bezeichnung „jūdō“ erhalten.115 Diesem Beispiel folgend, kam es im Laufe der Zeit dann auch in anderen traditionellen japanischen Kampfkünsten zur Übernahme und Verbreitung der Bezeichnung „Weg“ – dō, wodurch neben den technisch-körperlichen Inhalten eine verstärkte Betonung ihrer inneren Komponente, d.h. von inneren Werten bzw. erzieherischen und moralischen Aspekten, angestrebt wurde. Baelz wiederum spricht die innere Komponente der traditionellen Kampfkünste bereits in seinen späten Schriften an und gehört somit zu den ersten, die außerhalb Japans auf diese hinweisen. Letztlich dürfte der Einfluss von Baelz auf die Leibeserziehung Japans vornehmlich in einem Aufmerksammachen auf den Wert von körperlichen Übungen im Rahmen der Stärkung des Körpers und Gesunderhaltung des Menschen, verbunden mit der Betonung ihrer Notwendigkeit für beide Geschlechter sowie in einem Bestärken ihrer Ausübung zu sehen sein. Am meisten jedoch profitierten zweifellos die traditionellen Kampfkünste Japans von seinen Empfehlungen und vor allem seiner Vorbildfunktion. Dadurch konnte Baelz ihren Meistern und Ausübenden Rückhalt von zu jener Zeit wohl hohem gesellschaftlichem Wert zukommen lassen. Er unterstützte damit nicht nur die Bemühungen zur Wiederbelebung der traditionellen Kampfkünste bzw. war selbst daran aktiv beteiligt, sondern dies kann auch zur Motivation derjenigen beigetragen haben, die an einer den Zeitumständen angepassten Weiterentwicklung der traditionellen Kampfkünste arbeiteten und versuchten, diese voranzutreiben. Selbst wenn er letztlich nicht in der Lage war, die Einführung traditioneller Kampfkünste als obligatorische Fächer in den Schulunterricht durchzusetzen oder zu beschleunigen, trugen vielleicht auch seine Bemühungen auf lange Sicht dazu bei, dass kenjutsu und jūjutsu im Jahre 1911 schließlich Eingang fanden. Sein Einfluss auf die Aufnahme der Schwertkunst an der Universität Tokyo, zumindest als Aktivität außerhalb des Lehrplanes, ist aufgrund seines Wirkens für diese wohl nachweisbar und kann für andere Kampfkünste, wie auch im Hinblick auf die Einführung des Faches 114 115 TŌDŌ 2007, S. 139. KANŌ 1983, Bd. 3, S. 27-28. taisō im Vorbereitungskurs der Universität Tokyo angenommen werden. Leistete Baelz über die vielen Jahre hinweg einen fördernden Beitrag für den Aufbau und die Entwicklung der Leibeserziehung bzw. des Sports in Japan, kann er aber insbesondere hinsichtlich der traditionellen Kampfkünste als ihr wohl wichtigster nicht-japanischer Mentor der Meiji-Zeit bezeichnet werden. Auswahl-Bibliographie Akamon Kenyūkai (Hg.): Tōdai kendōbu hyakujūnen no ayumi (110jährige Geschichte des Kendō-Clubs der Universität Tokyo). Tokyo: Akamon Kenyūkai (Kōdansha), 1997. Baelz, Erwin: Ella. Tagebuch-Typoskripte in GKM = Archiv der Präfektur Gunma (Gunma Kenritsu Monjokan) Bd. 7 (121), 1878-1881. Baelz, Erwin: Unverzeichneter Brief in SBB = Stadtarchiv BietigheimBissingen an Hermann Burckardt vom 30.04.1879. Baelz, Erwin: Die körperlichen Eigenschaften der Japaner. Eine anthropologische Studie. II. Teil. Separatabdruck aus dem 32. Heft der „Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Voelkerkunde Ostasiens“. Yokohama: Buchdruckerei des „Echo du Japan“, 1883. Baelz, Erwin (Berutsu, E.): Jidō seinen yori gakurei ni itaru made no taiiku ikan. Daikyūgō no tsuzuki (Wie sollte die Leibeserziehung der Kinder von der Geburt bis ins Schulalter aussehen? Fortsetzung von Ausgabe 9), in: Dai Nihon Shiritsu Eiseikai Zasshi (Zeitschrift der Großjapanischen Privaten Gesellschaft für Hygiene) 43 (1886), S. 2-26. Baelz, Erwin (Berutsu, E.): Joshi kyōiku jō no heigai (Missstände in der Mädchenerziehung). Chūgai Iji Shinpōsha (Hg.), in: Chūgai Iji Shinpō (Medizinische Nachrichten aus dem In- und Ausland) 236 und 238 (1890), S. 40-41 und S. 36-40. Baelz, Erwin: Teikoku Daigaku meiyo kyōshi Purofessoru Dokutoru Berutsu kun iken no taiyō (Resümee der Meinung von Professor Dr. Baelz, Ehrendozent an der Kaiserlichen Universität), in: Nihon Taiikukai (Hg.). Taiiku ni kan suru naigai shotaika no iken (Die Meinungen großer in- und ausländischer Persönlichkeiten in Bezug auf die Leibeserziehung). o. O.: Nihon Taiikukai, o. D. (1897), S. 7-8. Baelz, Erwin: Über körperliche Erziehung. Handschrift im Stadtarchiv Bietigheim-Bissingen (Nr. 25), 1898. Baelz, Erwin: Ueber den kriegerischen Geist und die Todesverachtung der Japaner. Yokohama: Deutsche Japan Post, 1904. Baelz, Erwin: Tagebücher 1903-1905. Typoskripte im Stadtarchiv BietigheimBissingen (Nr. 29a und b), 1903-1905. Baelz, Erwin: Tagebücher 1905-1913. Typoskripte im Archiv der Präfektur Gunma in Bd. 14-17 (168-176), 1905-1913. Baelz, Erwin: Frauenerziehung in Japan. Handschrift (englisch) im Archiv der Präfektur Gunma in Bd. 7 (123), o.D. Baelz, Erwin: Physical Characteristics of the Japanese. Handschrift im Archiv der Präfektur Gunma in Bd. 9 (134), o.D. Baelz, Hanako (Berutsu, Hanako): Ōshū taisen tōji no Doitsu (Deutschland zur Zeit des Europäischen Krieges). Tokyo: Shinbi Shoin, 1933. Bälz, Erwin Toku (Hg.): Erwin Bälz – Das Leben eines deutschen Arztes im erwachenden Japan. Tagebücher, Briefe, Berichte. Stuttgart: Engelhorns Nachf. Adolf Spemann, 1930 (284 Seiten) bzw. 1931 (erweiterte Ausgabe, 455 Seiten). Bälz, Erwin Toku (Hg.): Über die Todesverachtung der Japaner – von Erwin Bälz. Stuttgart: J. Engelhorns Nachf., 1936. Bittmann, Heiko: Die Lehre des Karatedō. Ludwigsburg und Kanazawa: Verlag Heiko Bittmann, 2000. Bittmann, Heiko und Niehaus, Andreas: Schwert und Samurai. Traktate zur japanischen Schwertkunst. Ludwigsburg und Kanazawa: Verlag Heiko Bittmann, 2006. Clark, Rick: Erwin von Baelz and the Revivial of the Japanese Martial Arts, in: 75 Down Blocks. Refining Karate Technique. Boston, Rutland, Tokyo: Tuttle, 2003. S. 173-182. Dajōkan Monjokyoku (Hg). Kanpō (Amtliches Regierungsblatt). Tokyo: Dajôkan Monjokyoku, ab Juli 1883. Deutsches Institut für Japanstudien (Hg.): Japanische Malerei aus der Sammlung Erwin von Baelz im Lindenmuseum Stuttgart (Berutsu Korekushon. Kaettekita Bakumatsu – Meiji no kaiga. Doitsu Rinden hakubutsukan shozô). Tokyo: Asahi Shinbun, 1993. Dixon, William Gray: The Land of the Morning: An Account of Japan and Its People, based on a four years' residence in that country. Edinburgh: Gemmell, 1882. Genrōin Kaigi Hikki Kankōkai (Hg.): Genrōin kaigi hikki. Zenki (Aufzeichnungen der Debatten im Senat. Erste Hälfte). 15 Bde. Tokyo: Genrôin Kaigi Hikki Kankôkai, 1965. Germann, Susanne: Ein Leben in Ostasien. Die unveröffentlichten Reisetagebücher des Arztes, Anthropologen und Ethnologen Erwin Baelz (1849-1913). Bietigheim-Bissingen: o.V., 2006 (Schriftenreihe des Archivs der Stadt Bietigheim-Bissingen, Band 6). Hancock, Harrie Irving und Higashi, Katsukuma: Das Kano Jiu-Jitsu (Jiudo). Stuttgart: Julius Hoffmann, 1906. Hasegawa, Junzō: Kanō Jigorō no kyōiku to shisō (Zur Erziehung und Philosphie Kanō Jigorōs). Tokyo: Meiji Shoin, 1981. Iji Shinbun (25.6.1883), Nr. 89, S. 9. Imamura, Yoshio: Jūkyū seiki ni okeru Nihon taiiku no kenkyū (Forschungen zur japanischen Leibeserziehung im 19. Jahrhundert). Tokyo: Fumaidō, 1967. Imamura, Yoshio (Hg.): Nihon taiikushi (Geschichte der japanischen Leibeserziehung). Tokyo: Fumaidō, 1970. Inoue, Shun: Budō no tanjō (Die Geburt des Budō). Tokyo: Yoshikawa Kôbunkan, 2004 (Rekishi Bunka Raibararî 179). Ishibashi, Chōei; Ogawa, Teizō: O-yatoi gaikokujin. 9 Igaku (Ausländische Fachkräfte. 9 – Medizin). Tokyo: Kajima Kenkyūjo Shuppankai, 1969. Ishigaki, Yasuzō: Gekkenkai shimatsu (Anfang und Ende der SchwertkunstTurniere). Tokyo: Shimazu Shobō, 2000. Kaika Shinbun (14.06.1883), Nr. 81, S. 3. Kaminuma, Hachirō: Taiiku, Supōtsu no isseiki. (Ein Jahrhundert Leibeserziehung und Sport). Tokyo: Taiiku Fukyū Shinkōkai 1974. Kanō Jigorō: Kanō Jigorō chosakushū (Sammlung der Schriften Kanō Jigorōs). 3 Bde. Tokyo: Gogatsu Shobō, 1983. Kästner, Ingrid und Schwendler, Gerhild: Die Berichte des Internisten Erwin Baelz (1849-1913) aus Japan an die Medizinische Fakultät der Universität Leipzig, in: NTM-Schriftenr. Gesch. Naturwiss., Techn., Med., Leipzig 28 (1991/92) 2, S. 265-279. Kimura, Kichiji: Eruwin Berutsu – Kindai Nihon no taiiku shisō – 9 (Erwin Baelz – Gedanken zur modernen japanischen Leibeserziehung – 9), in: Taiiku no kagaku (Journal of Health, Physical Education and Recreation) Vol. 14, No. 12 (1964), S. 700-705. Kimura, Kichiji: Taiiku ni okeru dentō to kindaika. Eruwin Berutsu no hihyō (Tradition und Modernisierung in der Leibeserziehung. Kommentare von Erwin Baelz), in: Nihon kindai taiiku shisō no keisei (Die Ausformung der Gedanken der modernen japanischen Leibeserziehung). Tokyo: Kyōrin Shoin, 1975, S. 73-90. Kinoshita, Hideaki: Nihon taiikushi kenkyū josetsu. (Einführung in die Forschung zur japanischen Geschichte der Leibeserziehung). Tokyo: Fumaidō, 1971. Kleinschmidt, Harald: Japan, Baelz und Württemberg. Stuttgart: Verlag in der Villa Volkshochschule Stuttgart, 1992 (Schriften der Volkshochschule Stuttgart. Neue Folge Band 10). Kōdansha; Pekku (Hg.): Nihon no budō (Japanische Wege der Kampfkünste). 16 Bde. Tokyo: Kōdansha, 1983. Kōdōkan (Hg.): Kanō Jigorō taikei (Umriss Kanō Jigorōs). 14 Bde. Tokyo: Hon no Tomosha, 1988. Miura, Kinnosuke: Berutsu sensei tsuioku no yūbe (Ein Abend der Erinnerung an Lehrer Baelz), in: Nihon Iji Shinpō (Nachrichten zur japanischen Medizin) 709 (1936) S. 52-53. Miura, Toshihiko (Hg.): Ichi igakusha no seikatsu wo meguru kaisō. Meiyo kyōju Miura Kinnosuke no shōgai (Rückblick auf das Leben eines Mediziners. Das Leben von Professor emeritus Miura Kinnosuke). Tokyo: Ishiyaku Shuppan, 1955. Möller, Jörg: Der deutsche Arzt Erwin von Bälz und die Entwicklung von Körperkultur und Sport in Japan, in: Stadion XVI, 1 (1990), S. 129-141. Monbushō (Hg.): Monbushō daijūichi nenpō furoku. Meiji jūrokunen (Anhang des elften Jahresberichts des Erziehungsministeriums von 1883). Tokyo: Monbushō, 1885. Monbushō (Hg.): Monbushō daijūni nenpō. Meiji jūshichinen bun (Zwölfter Jahresbericht des Erziehungsministeriums von 1884). Tokyo: Monbushō, 1886. Monbushō (Hg.): Gakusei hyakunen shi. (Geschichte des Schulwesens – 100 Jahre seit [dem Erlass zum Schulwesen]). Tokyo: Monbushō, 1972. Murata, Naoki: Kanō Jigorō shihan ni manabu. Dai jūnana kai – Berutsu to jūdō (Lernen von Meister Kanō Jigorō. Teil 17 – Baelz und Jūdō), in: Gekkan Budō (Monthly Magazin the 'Budo') 401 (2000/4) S. 50-58. Nakamura, Tamio: Kendō jiten. Gijutsu to bunka no rekishi (Lexikon zum Weg des Schwertes – Die Geschichte der Technik und der Kultur). Tokyo: Shimazu Shobō, 1994. Neumann, Hannes: Leibesübungen im Dienste nationaler Bestrebungen: Jahn und die deutsche Turnbewegeung, in Ueberhorst, Horst (Hg.). Geschichte der Leibesübungen. Bd 3/1. Berlin, München, Frankfurt: Bartels und Wernitz, 1980, S. 257-277. Niehaus, Andreas: Leben und Werk Kanō Jigorōs (1860-1938). Würzburg: Ergon, 2003 (Sport, Kultur und Gesellschaft Bd. 4). Nihon Taiikukai (Hg.): Gakkō hōjin Nihon Taiikukai – Nihon Taiiku Daigaku – Hachijûnenshi. (80jährige Geschichte der schulischen Körperschaft der Japanischen Gesellschaft für Leibeserziehung und der Japanischen Universität für Leibeserziehung) Tokyo: Nihon Taiikukai, 1973. Nose Shūichi: Taisō Denshūjo wo chūshin toshita – Meiji taiikushi no kenkyū (Forschungen zur Geschichte der Leibeserziehung in der Meiji-Zeit – mit dem „Institut zum Erlernen von Gymnastik“ im Mittelpunkt). Eigenverlag, 1968. Nose Shūichi: Meijiki gakkō taiiku no kenkyū. Gakkō taisō no kakuritsu katei (Forschungen zur schulischen Leibeserziehung in der Meiji-Zeit. Der Entwicklungsprozess der schulischen Gymnastik). Tokyo: Fumaidō, 1995. Ogawa, Teizō: Berutsu den (Baelz-Biographie). Osaka: Berutsu-shō jimukyoku Nippon C. H. Bēringāzōn, 1969-70. Ōmichi, Hitoshi: Undō gaidoku ron. Budō wa karada ni warui? ([Über] die Ansicht der Schädlichkeit von Bewegung. Sind Kampfkünste für den Körper schädlich?), in: Ōmichi, Hitoshi und Yorizumi, Kazuaki (Hg.). Kindai budō no keifu (Die Genealogie der modernen Wege der Kampfkünste). Tokyo: Kyōrin Shoin, 2003, S. 27-33. Ōmichi, Hitoshi und Yorizumi, Kazuaki: Budō ikagaku keifu. Meijiki no jisshō shugi wo tou (Critical view of medical sciences on Japanese Budo in the Meiji era), in: Budō – supōtsu kagaku kenkyûjo nenpō (Jahresbericht des Forschungsinstitutes für Sportwissenschaft und Wege der Kampfkünste) 3 (1998), S. 57-83. Ōmichi, Hitoshi und Yorizumi, Kazuaki (Hg.): Kindai budō no keifu (Die Genealogie der modernen Wege der Kampfkünste). Tokyo: Kyōrin Shoin, 2003. Osano, Jun: Shibukawaryū jūjutsu (Die Kunst der Sanftheit der Shibukawa Schule). Tokyo: Airyūdō, 1993. Schottlaender, Felix: Erwin von Baelz 1849-1913. Leben und Wirken eines deutschen Arztes in Japan. Stuttgart: Ausland und Heimat Verlag, 1928 (Schriften des Deutschen Ausland-Instituts, Stuttgart. Reihe D: Biographien und Denkwürdigkeiten. Band 1). Suganuma, Ryūtarō: Iwanami bunko. Berutsu no nikki (Baelz Tagebücher). 4 Bde. Tokyo: Iwanami Shoten, 1951, 1952, 1953 und 1955. Suganuma, Ryūtarō: Iwanami bunko. Berutsu no nikki (Baelz Tagebücher). 2 Bde. Tokyo: Iwanami Shoten, 1979a und 1979b. Taisō Denshūjo (Hg.): Taisō Denshūjo ichiran – Meiji jūshichinen, jūhachinen (Übersicht des Institutes zum Erlernen von Gymnastik– 1884 und 1885). Tokyo: Taisō Denshūjo, o. D.. Tōdō Yoshiaki: Jūdō no rekishi to bunka (Die Geschichte und Kultur des Jūdō). Tokyo: Fumaido, 2007. Tokyo Teikoku Daigaku (Hg.): Tokyo Teikoku Daigaku gojūnenshi (Die 50jährige Geschichte der kaiserlichen Universität Tokyo). 2 Bde. Tokyo: Tokyo Daigaku Shuppankai, 1932. Vescovi, Gerhard (Vesukovi, Geruharuto); Übers.: Kumasaka Takahiro: Eruwin Berutsu. Nihon igaku no kaikakusha. (Erwin Baelz. Wegbereiter der japanischen Medizin). Tokyo: Bungeisha, 2001. Vianden, Hermann Heinrich: Die Einführung der deutschen Medizin im Japan der Meiji-Zeit. Düsseldorf: Triltsch Verlag, 1992 (Düsseldorfer Arbeiten zur Geschichte der Medizin). Wakabayashi, Misako und Ikegami, Hiroko. Berutsu Nihon saihō. Kusatsu Bîtihihaimu ikō – nikkihen. (Deutscher Titel: Noch einmal in Japan. Das Tagebuch von Erwin Bälz aus dem Nachlass Kusatsu-Bietigheim). Tokyo: Tōkai Daigaku Shuppankai, 2000. Watanabe, Ichirō (Hg.): Shiryō. Meiji budōshi (Historische Quellen. Geschichte der Wege der Kampfkünste in der Meiji-Zeit). Tokyo: Shinjinbutsu Ōraisha, 1971. Yamashita, Motoji: Meiji no kenjutsu. Tesshū, Keishichō, Sakakibara (Die Schwertkunst der Meiji-Zeit. Tesshū, Polizeipräsidium, Sakakibara). Tokyo: Shinjinbutsu Ōraisha, 1980. Yasui, Hiroshi: Berutsu no shôgai. Kindai igaku dōnyū no chichi (Das Leben von [Erwin] Baelz. Vater der Einführung der modernen Medizin). Kyoto: Shibunkaku Shuppan, 1995. Yokoyama, Kendō: Kanō Jigorō den (Die Biographie von Kanō Jigorō). Tokyo: Kôdôkan, 1941. Yomiuri Shinbun (20.6.1878), S. 3, Morgenausgabe. Yomiuri Shinbun (27.8.1879), S. 2, Morgenausgabe. Yomiuri Shinbun (19.5.1888), S. 2, Morgenausgabe. Yorizumi, Kazuaki: Meiji 16 nen no 'kenjutsu jūjutsu chōsa' ni kansuru ichi kōsatsu (Eine Betrachtung der 'Untersuchung zur Kunst des Schwertes und zur Kunst der Sanftheit' aus dem Jahre 16 der Ära Meiji), in: Nihon Taiiku Gakkai (Proceedings of the Congress of the Japanese Society of Physical Education) 46 (1995), S. 167. Yorizumi, Kazuaki: Tokyo Daigaku igakubu Berutsu kyōshi no budōkan (Die Ansichten zu den Wegen der Kampfkünste von Lehrer Baelz der Medizinischen Fakultät der Universität Tokyo), in: Taiiku no kagaku. Tokushû: bu to kyōiku (Journal of Health, Physical Education and Recreation. Sonderausgabe: Kampfkünste und Erziehung) Vol. 48, No. 4 (1998), S. 295-301. Yorizumi, Kazuaki: E. Berutsu no kenjutsu, jūjutsu rikai ni kansuru ichi kōsatsu. Sakakibara Kenkichi oyobi Miura Kinnosuke to no deai wo chūshin toshite (Eine Betrachtung zum Verständnis des E. Baelz über die Kunst des Schwertes und die Kunst der Sanftheit. Im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei seine Bekanntschaft mit Sakakibara Kenkichi und Miura Kinnosuke), in: Supōtsushi kenkyū (Japanese Journal of Sport History) 15 (2002), S. 1-10. Young, John Russell: Around the World with General Grant: A Narrative of the Visit of General U. S. Grant, Ex-President of the United States, to Various Countries in Europe, Asia, and Africa, in 1877, 1878, 1879. To which are added Certain Conversations with General Grant on Questions connected with American Politics and History. Volume II. New York: Subscription Book Department, American News Co., 1879.