Entwicklung und IST Zustand der Frauenfussballberichterstattung im
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Entwicklung und IST Zustand der Frauenfussballberichterstattung im
Gunda-Werner Institut der Heinrich Böll Stiftung Vortrag 01.07.2011 1. Ist-Zustand der Frauenfußballberichterstattung vor und während der WM Derzeit jagt der Frauenfußball in Deutschland von Rekord zu Rekord. Das Eröffnungsspiel sahen knapp 74.000 Zuschauer im Berliner Olympiastadion und im Schnitt 14 Millionen im Fernsehen. Das zweite Spiel der Fußballerinnen sahen im Schnitt gar knapp 16,5 Millionen Zuschauer im TV, wieder Rekord. Rechte: Die FIFA Frauenfußball WM 2011 ist das sportliche Ereignis in diesem Sommer und beherrscht die Medien, das ist klar. Aber wer darf überhaupt was senden? Die Rechte an der Frauenfußballnationalmannschaft liegen bei den öffentlichrechtlichen Sendern ARD und ZDF. Und das wird auch in Zukunft so bleiben. Im April hat der DFB die Übertragungsrechte der Männer und Frauennationalmannschaft, sowie die der 3. Liga Männer und der Frauenbundesliga für die Jahre 2012-2016 ausgeschrieben. Bereits Mitte Mai vergab der DFB erneut das Rechtepaket an die öffentlich-rechtlichen Sender. Die Zufriedenheit über die Zusammenarbeit und gerade die regionalen Strukturen der ARD, mit den dritten Programmen, haben den Ausschlag hierfür gegeben. Die Privatsender dürfen also keine Spielbilder der Frauen zeigen, das ist auch jetzt so. Die Reporter dieser Sender vor dem deutschen Mannschaftsquartier helfen sich mit Bildern der Spielerinnen beim Shoppen, auf dem Hotelbalkon o.ä. und sind dankbar für jedes kurze Bild der Spielerinnen, um die Reporteraussagen zu unterstützen. Ganz klar wird in den Boulevardsendern eher die Themen „wer trägt was“, „hat welches Make-up“ etc. behandelt, um der jeweiligen Zielgruppe gerecht zu werden. Die sportliche Berichterstattung obliegt damit logischer Weise den Rechteinhabern. Auch der Pay-TV Sender Sky, als Fußballsender bekannt, hat im Vorfeld das Thema Frauen WM gestreift. Hier eignete sich die Talksendung „Sky90“, in der Franz Beckenbauer (OK Präsident WM 2006 der Männer) mit Steffi Jones (OK Präsidentin der WM 2011) zusammen eingeladen war. Um die Person Steffi Jones vorzustellen durften keine Spielbilder aus ihrer Karriere gezeigt werden, man musste sich mit Fotos und Werbespots zur Fifa Frauen-WM 2011 behelfen. In welcher Art und Weise also über die Fußballerinnen berichtet wird hängt von den Übertragungsrechten und der Senderzielgruppe ab. Gerade an den oben genannten Rekorden ist deutlich, Frauenfußball ist inzwischen eine Fernsehsportart zur Primetime in Deutschland. Das war nicht immer so. 2. Rückblick 1999 – wo der Frauenfußball herkommt Als ich 1999 beim Ostdeutschen Rundfunk Brandburg am Anfang meiner Karriere stand, war Frauenfußball eine ganz klare Randsportart und in einem Topf mit Ringen, Judo oder Gewichtheben. Da es mein Ziel war, über Fußball zu berichten und, auf Grund der normalen Hierarchien in einer Redaktion, die Bundesligavereine „besetzt“ waren, sah ich im Frauenfußballbundesligisten Turbine Potsdam meine Chance. Turbine hatte mit Ariane Hingst und Conny Pohlers zwei Nationalspielerinnen. So konnte ich bei Heimspielen zumindest einen ganz kurzen Bericht (30 Sekunden) in den Nachrichtensendungen unterbekommen. Bei längeren Beiträgen wurden Storyansätze gesucht. Das bedeutet, dass Frauenfußball damals noch keine Ergebnissportart war und man dem Zuschauer das Ereignis personalisiert näherbringen musste. Beispiele: Tochter Pohlers und Mutter Pohlers, vor, während und nach dem Spiel. Die Brasilianerin Cristiane sieht das erste Mal Schnee, Ariane Hingst zwischen Prüfungsstress und Bundesligaspiel etc. Neben dem Kampf um Sendefläche hatte man als Redakteur auch mit erheblichen technischen Problemen zu kämpfen. Mit einer Kamera musste die Story und das Spielgeschehen gedreht werden. In der Männerbundesliga wird jedes Spiel in hochglanz produziert, d.h. mit mindestens 9 – 12 Kameras die natürlich Emotionen und Spiel deutlich besser wiedergeben können. Da entgeht dem Zuschauer kaum eine schöne oder auch entscheidende Szene. Dagegen fiel natürlich das Drehmaterial von der Frauenbundesliga ab. Aber Schritt für Schritt entwickelte sich die Aufmerksamkeit für die Frauen und auch Auswärtsspiele wurden wahrgenommen. Durch eine sehr persönliche Atmosphäre war der Umgang familiär. Zur Entwicklung der TV medialen Wahrnehmung haben vor allem die WM Erfolge der Nationalmannschaft 2003 und 2007 beigetragen. Auch die internationalen Erfolge der Vereine FFC Frankfurt und Turbine Potsdam in der UEFA Women Champions League trugen erheblich dazu bei. So wurde bereits das Halbfinale 2005, in dem Turbine Potsdam stand, in Stockholm live im RBB übertragen. Seit dem vergangenen Jahren überträgt das ZDF das Champions League Finale der Frauen live. Diesen Stellenwert haben sich die Topvereine erarbeitet und dennoch klafft eine große Lücke zwischen dem Vereinssport, also der Frauenfußballbundesliga, und dem Nationalteam. 3. Nationalteam vs. Bundesliga In keiner anderen Sportart ist die Diskrepanz, und auch Akzeptanz, zwischen der medialen Wahrnehmung von Ligabetrieb und Nationalmannschaft so extrem. Das Nationalmannschaftsteam spielt in der TV Berichterstattung eine Rolle, die Bundesliga nicht oder nur sehr selten. Das spiegelt sich auch in den Zuschauerzahlen wieder. Knapp 74.000 Zuschauer gehen zum Eröffnungsspiel der Frauen WM und nur 110.408 Fans haben die 12 Vereine in der gesamten vergangenen Saison in der Bundesliga im Stadion verfolgt. Das sind weniger Zuschauern als in zwei Heimspielen von Bayern München in der Männer Bundesliga. # Mannschaft Summe SpieleSchnitt 1 1. FFC Frankfurt 20.951 11 1.905 2 Turbine Potsdam 20.127 11 1.830 3 FCR 2001 Duisburg 12.611 11 1.146 4 VfL Wolfsburg 11.149 11 1.014 5 SG Essen-Schönebeck8.356 11 760 6 Herforder SV 7.499 11 682 7 SC 07 Bad Neuenahr 5.969 11 543 8 Bayern München 5.208 11 473 9 Bayer Leverkusen 5.109 11 464 10 FF USV Jena 4.691 11 426 11 Hamburger SV 4.492 11 408 12 1. FC Saarbrücken 4.246 11 386 insgesamt 110.408132 836 (Quelle www.weltfussball.de) Deutlich zu sehen ist aber auch die Entwicklung, die die Topvereine in der Frauenfußballbundesliga haben. Um die Bundesliga im TV zu stärken produziert der DFB ein Spiel an jedem Spieltag mit immerhin 5 Kameras und bietet es den Rechteinhabern (also den öffentlich-rechtlichen) kostenlos an. Um die Bundesliga noch interessanter für das Fernsehen zu machen, müsste sie sportlich spannender sein. Derzeit ist die sportliche Qualität einfach zu unterschiedlich, wenn nur 4-5 Vereine professionelle Bedingungen haben, sind diese den anderen überlegen. Der Frauenfußball, gerade im Verein, wächst langsam. Das sollte man sehen und schätzen. Turbine Trainer Bernd Schröder sagt gar: „ Die Bundesliga ist derzeit nicht mehr steigerbar“: 4. Auswüchse des WM-Hypes Im Zuge der Professionalisierung des Frauenfußballs ist es wie bei den Männern üblich, dass die Spielerinnen einen Manager haben. Bei einigen ist die Beeinflussung dieser Herren allerdings für die journalistische Tätigkeit hinderlich. Ein Beispiel: Das ZDF Morgenmagazin plante im Vorfeld der Fifa Frauen WM eine wöchentliche Serie mit den Spielerinnen Anja Mittag und Lira Bajramaj. Auf Grund langjähriger persönlicher Kontakte wurden über Wochen die Termine (auch mit dem Trainer) abgesprochen und Drehorte angefragt. Am ersten Drehtag schließlich wartete das ZDF-Kamerateam samt Redakteur vor dem eigens, für den Dreh geöffnete, Olympiastadion in Berlin. Die Fußballerinnen kamen nicht und auf Nachfrage war dann zu erfahren, dass der Manager den Dreh aufgrund ungeklärter Honorierungen abgesagt hatte. In diesem Fall kann man nur darauf schließen, dass der Manager auf das „schnelle“ Geld von Fotoshootings und Werbekampagnen aus ist und nicht auf journalistische Berichterstattung. Die Gefahr besteht, dass nach der WM, wenn der Frauenfußball nicht mehr im Fokus der Öffentlichkeit steht, Journalisten aus persönlichen Gründen, weil sie abgeschreckt wurden von Managern, sich nicht mehr für die Fußballerinnen in ihren Redaktionen einsetzen. Dann heißt es wieder „Willkommen im Alltag“. 5. Ausblick Die Spielerinnen der WM werden nach dem Finale ihren Bekanntheitsgrad deutlich erhöht haben. Durch diese neue Berühmtheit können TV Beiträge redaktionell besser und einfacher in eine Sendung eingebaut werden. In der Bundesliga wird aber nach dem ersten Spieltag wieder der „normale“ Alltag eintreten. Ohne großen Medienauflauf und mit bestenfalls gut 1300 Zuschauern. Insgesamt kann die WM eine Chance sein, den Frauenfußball in der Breite sowie in der Basis zu stärken und mehr Selbstverständlichkeit in die Sportart zu bringen. Vorbehalte von Eltern gegen Frauenfußball werden durch die mediale positive Präsenz der Spielerinnen vermutlich abgebaut. Wenn mehr Mädchen in Vereinen Fußball spielen und dort in Mädchenmannschaften trainiert werden können, würde das langfristig auch dem Spitzensport zu gute kommen. Um dieses Thema wird sich die Nachhaltigkeitskommission des DFB kümmern. Die Entwicklung des Frauenfußballs hat einen tollen Verlauf genommen. Langfristig sollte man diese Richtung weiter gehen und nicht mit in einer „Hau-Ruck-Aktion“ einen „Steilpass“ spielen, den die Frauenfußballerinnen nicht erreichen können. Birgit Klasen