Platon, Apologie des Sokrates [Sokrates ist in Athen nach allg
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Platon, Apologie des Sokrates [Sokrates ist in Athen nach allg
Platon, Apologie des Sokrates [Sokrates ist in Athen nach allg. Auffassung ca. 399 v. Chr angeklagt worden. Seine von Platon nachgeformte Verteidigung, die sog. "Apologie des Sokrates" besteht, dem Prozeßablauf gemäß, aus drei Reden: einer langen Rede vor dem Urteil, einer Rede zum Strafmaß und einem Schlußwort] A) Die Rede vor dem Urteil I) Einleitung: Sokrates räumt ein: Die Ankläger haben beeindruckend geredet. Aber er meint: nichts von ihrer Anklage ist wahr. Er bittet um Verständnis dafür, daß er schlicht und in dem Stil reden möchte, den man von ihm vom Marktplatz kennt. Mit über 70 Jahren zum ersten Mal angeklagt könne er sich nicht mehr umstellen. (17a-18a) II) Diffuse Verleumdungen 1. Behauptung: S. beschäftige sich mit Naturwissenschaft, z.B. Astronomie (und mache Recht zu Unrecht (1)). (18b/c) Antwort: Die Behauptung, er betreibe Naturwissenschaft, solle ihn des Atheismus verdächtig machen. Das sei eine schon lange kursierende, entweder anonym oder von Komödienautoren (2) verbreitete Verleumdung. In Wirklichkeit sei er kein Naturwissenschaftler, habe auch nie wie Sophisten für Geld gelehrt. (18c-20c) Allerdings habe er eine gewisse menschliche Weisheit (anqrqpinhn sofia 20d). Das delphische Orakel habe ihm sogar bestätigt, niemand sei weiser als er (21a). Er habe daran gezweifelt, da er sich nicht für überdurchschnittlich weise oder vielwissend halte. Allerdings halte er sich für weiser als die Leute (z.B. Politiker), die auf Nachfragen hin ebensowenig wußten wie er: Sie hielten sich für weise; er dagegen glaube weigstens nicht, zu wissen, was er nicht wisse (oti a mh oida oude oiomai eidenai) (3) (21d). Die zeitraubenden Nachfragen haben ihn nicht eben beliebt gemacht und obendrein arm, aber er habe es als göttlichen Auftrag des Orakels angesehen, der Sache nachzugehen. Dabei hätten oft die einfachsten Leute am vernünftigsten gewirkt und die berühmtesten am armseligsten. Dichter hätten offenbar weniger Weisheit als eher Begeisterung. Die (Kunst-)Handwerker hätten ihm zwar Fachwissen voraus, dies würde aber durch ihre Selbstüberschätzung wieder zunichte gemacht. (20d-23c) 2. Behauptung: Sokrates verdirbt die Jugend (diafqeirei touj neouj), 23d Antwort: Reiche junge Männer mit viel Freizeit seien ihm freiwillig bei seinen Nachforschungen gefolgt und hätten ihn z.T. nachgeahmt. Um nicht dumm zu erscheinen, hätten sie die genannten Gerüchte verbreitet. (23c-24b) III) Die offizielle Anklage [rhetorischer Dialog mit dem sich sträubenden Ankläger Meletos] 1. "S. verdirbt die Jugend" S. treibt Meletos mit seinem Frageverfahren zu der Aussage, alle Athener außer S. machten die Jugend besser, nur er verderbe sie. Das sei unplausibel. (24d-25c) Außerdem ist es, so S., unplausibel, daß jemand vorsätzlich (ekwn) seine eigenen Mitbewohner verdirbt, mit denen er gut auskommen will. (25c-26a) TEXTAUSSCHNITT 2 IV) ["Je ne regrette rien"] S. führt aus, die Gefahr, in die ihn seine Tätigkeit gebracht habe, macht nichts für deren Beurteilung, sondern allein, ob sie gut oder schlecht (diakaia,adika) sei. Das gelte für die trojanischen Helden ebenso wie für ihn selbst im Krieg und natürlich auch für den göttlichen Auftrag des Orakels. (28a-29a) TEXTAUSSCHNITT 3 Falls er unter der Auflage freigesprochen werde, keine Fragen mehr zu stellen, so müsse er gegen diese Auflage verstoßen, da sie dem Auftrag des [unbenannten] Gottes widerspreche. (30b/c) Durch eine Hinrichtung würden die Athener nicht Sokrates Schaden zufügen, sondern sich selbst. Er sei der Stadt von Gott zum Ansporn zur Tugend geschickt, damit sie nicht einfach wie ein großes träges Pferd vor sich hindöse. (30c-31c) Eine gewisse Stimme (fwnh tij), etwas Göttliches und Daimonisches (qeion kai daimonion) habe ihm allerdings befohlen, sich aus der Politik herauszuhalten. Das sei in Athen auch nötig, denn wer Unrecht zu verhindern versuche, lebe dort gefährlich. Allerdings habe er einmal auf gesetzmäßige Bestattung von Gefallenen bestanden und sich unter Lebensgefahr einem Befehl der 30 Tyrannen widersetzt. (31c-33a) S. betont nochmals, er habe nie eigentlich gelehrt, allerdings auch keine Zuhörer bei seinen Nachfragen abgewehrt. Daß er sie nicht verdorben habe, könnte diese selbst bezeugen. (33a-34b) S. weist darauf hin, daß er die Richter vom Recht überzeugen (didaskein, peiqein) wolle und nicht zu Gnade überreden. Deshalb habe er, obwohl Vater von drei Söhnen, auf den an dieser Stelle üblichen Auftritt von weinender Verwandschaft verzichtet. (34b-35d) Was die Götter angeht: Er glaube wie keiner seiner Ankläger [!] und überlasse es dem Gericht und "dem Gott" zu entscheiden. (35d) B) Rede zum Strafmaß Es wird deutlich: S. ist mit 30 Stimmen Mehrheit [bei mehreren 100 Richtern] schuldig gesprochen worden. S. meint: Für seine Wohltaten verdiene er nicht den Tod, sondern etwas Gutes, z.B. freies Essen im Stadthaus (normalerweise eine Ehre für die Olympiasieger). Lebenslänglich ins Gefängnis wolle er nicht, denn, anders als vom Tod, wisse er vom Gefängnis, daß es übel ist. Eine Geldstrafe [ohne Hilfe] käme dem "lebenslänglich" gleich, da er kein Geld habe. Eine Verbannung komme auch nicht in Frage: er würde ja überall so weiterleben und deshalb immer wieder verbannt werden. Aufhören mit dem Nachforschen könne er nicht: Das wäre Ungehorsam gegenüber dem Gott. Außerdem sei es eben das größte Gut (megiston agaqon), sich über die Tugend (areth) zu unterhalten und ein Leben ohne Selbsterforschung nicht lebenswert (o anexetastoj bioj ou biwtoj anqtropoj) 38a4. Da Platon und einige andere bürgen [und er auf irgend etwas plädieren muß], plädiert S. auf 30 Minen Geldstrafe. (35e38b) C) Rede nach der Verurteilung S. weist darauf hin, daß Athen ohne Not die Stadt genannt werden wird, die ihn getötet hat; denn er hätte ohnehin nicht mehr lange gelebt. S. bereut seine Art der Verteidigung nicht, jede andere wäre feige gewesen. Entscheidender als sein Schuldspruch sei: Die Wahrheit habe die Ankläger der Ungerechtigkeit schuldig gesprochen. Vielleicht sei das ja ganz angemessen (auta metriwj ecein). Athen werde durch die Hinrichtung die vorwurfsvollen Fragen nach dem rechten Leben nicht los. Die nächste Generation an Fragenden stehe bereit. (38c-39d) TEXTAUSSCHNITT 4 (1) Dieser Anklagepunkt wird nie näher erläutert. (2) U.a. hat Aristophanes Sokrates zu Lebzeiten u.a. in seiner Komödie "Die Wolken" karikiert ( nach Vlastos' "Philosophie grecque", S.124, etwa 423 v.Chr.). (3) Aus dieser, viel vorsichtigeren und logisch einwandfreien Aussage hat die Tradition den Selbstwiderspruch "Ich weiß nur, daß ich nichts weiß" gemacht. (4) Er stützt dies damit, S. habe behauptet, daß entgegen der offiziellen Meinung Sonne und Mond Steine und keine Götter seien. S hält diese Theorie für ungereimt. V.a. aber könne ihm niemand etwas als neue Irrlehre vorwerfen, was man bereits in den Billig-Ausgaben von Anaxagoras' Werken lesen könne. (5) Nur b) spielt i.f. eine Rolle. Es bleibt also ungeklärt, ob a) zutrifft. S.' durchgehend monotheistische Redeweise legt dies nahe.