Zukunftsfähigkeit Kuba 6-2010 GÖLL Linz
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Zukunftsfähigkeit Kuba 6-2010 GÖLL Linz
ÖKG OÖ & Renner Institut OÖ Linz, Oberösterreich Die Zukunftsfähigkeit Cubas Dr. Edgar Göll (FG Berlin-Kuba & Netzwerk Cuba Deutschland) 22. Juni 2010 Biografisches Werkzeugmacher, Zweiter Bildungsweg > Abitur Studium Soziologie (Dipl.), Verwaltungswissenschaften (M.P.A.) und Sozialwissenschaften (Dr.disc.soc.) Erwachsenenbildung, Lehraufträge, Werkaufträge Seit 1995 am IZT: Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin (www.izt.de) 2 Jahre Center for Future Studies in Kairo/Ägypten „Kuba“ seit 1993 // „NE“ seit 1995 1. Zur Einstimmung: Impressionen einiger Reisen 2. Zum Überblick: Hat Cuba Zukunftsfähigkeit? 3. Zum Ausblick: Welche Zukunft hat Cuba? 3 1. Zur Einstimmung: Impressionen einiger Reisen 2. Zum Überblick: Hat Cuba Zukunftsfähigkeit? 3. Zum Ausblick: Welche Zukunft hat Cuba? 4 „Wilma“ (2005) am Malecon 5 „Wilma“-Folgen in West-Havanna 6 Fundación Antonio Núñez Jimenez 7 Antonio Núñez Jimenez 8 Jardin Botanico in Pinar del Rio Zukunftsfähigkeit 9 Jardin Botanico - Ochsengespann 10 Jardin Botanico – Arbeit in den Beeten 11 Maria la Gorda Ökotourismus 12 Vinales-Tal 13 Grüne Medikamentenfabrik 14 1. Zur Einstimmung: Impressionen einiger Reisen 2. Zum Überblick: Hat Cuba Zukunftsfähigkeit? 3. Zum Ausblick: Welche Zukunft hat Cuba? 15 Diese Wirtschaftsordnung und diese Verbrauchsmuster sind unvereinbar mit den wesentlichen begrenzten und nicht erneuerbaren Ressourcen unseres Planeten und mit den Gesetzen der Natur und des Lebens. Auch verletzen sie die elementarsten ethischen Prinzipien, die Kultur und die vom Menschen geschaffenen moralischen Werte. Setzen wir unseren Kampf fort, ohne uns entmutigen zu lassen und ohne zu zögern, zutiefst davon überzeugt, dass, wenn auch die menschliche Gesellschaft kolossale Fehler begangen hat und noch begeht, so ist doch der Mensch als solcher zu den glänzendsten Ideen und den edelsten Gefühlen fähig; und überwindet er die ihm von der Natur gegebenen starken Instinkte, ist er fähig, für das, was er fühlt und denkt, sein Leben hinzugeben. Er hat dies im Verlaufe der Geschichte oftmals bewiesen. Pflegen wir diese außergewöhnlichen Qualitäten, und es wird keine Hürde geben, die nicht genommen werden kann und nichts, das nicht verändert werden kann! Vielen Dank (Ovation!) Fidel Castro, Rede zur UN-Konvention Wüstenbildung 2003 16 17 Resultat vergleichender Studien (GfN / WWF) • US-Amerikaner verbrauchen etwa das 6-, und EU-BürgerInnen das 3- / 4-fache der natürlichen Ressourcen, die ihnen zustehen: Der American Way of Life ist nachweislich nicht nachhaltig, destruktiv und beutet Menschen, Natur und unser aller Zukunft aus! • Alternative: Cuba ist das einzige Land, das im Feld „Nachhaltige Entwicklung“ (HDI 0,81 und EcoFootPrint 1,4) zugeordnet ist! 18 Beispiel: Soft-Drink Dosen USA im Jahr 2002 32.000.000.000 (Mrd.) Dosen wurden konsumiert = 435.000 t Aluminium. Dieses Aluminium ist „enough to build the whole fleet of airplanes of the world one and a half times.“ (World Watch Institute 2004) Definition Nachhaltige Entwicklung Die Menschen sollen ihr Handeln so organisieren, dass sie nicht auf Kosten der Natur, nicht auf Kosten anderer Menschen, nicht auf Kosten anderer Regionen, nicht auf Kosten anderer Generationen leben. Prinzipielle Herausforderungen • • • • Modernisierung („Leap-frogging“) niedrige Effizienz und Effektivität selektive Weltmarktintegration Anreizstrukturen (z.B. zur Verhinderung von Devisen, Korruption; andererseits zur Qualitätsverbesserung) • Überleben trotz USA usw. 21 Ausgewählte Probleme Cubas • Bandbreite zwischen hochmoderner Biotechnologie bis hin zu veralteter Zuckerindustrie und Rohstoffabbau • Versorgungsengpässe (Stromanschaltungen, Sortiment Nahrungsmittel, Versorgungs- und Konsumgüter, Ausstattung im Gesundheitswesen) • Bodendegradation, Wasser- und Luftqualität • Wasser und Elektrizität sind durch Subventionierung sehr billig (oft geringe Wertschätzung) • Abgase (z.B. alter Fuhrpark, kein bleifreies Benzin) • Druck durch Tourismus (positiv und negativ) 22 Beispiel Wasserversorgung Dürreperioden z.B. in den östlichen Provinzen seit 2003 „größte Trockenheit der letzten einhundert Jahre“. Fast ein Viertel der cub. Gesamtbevölkerung wurde mit Wassertankwagen versorgt Maßnahmen: • Trockengebiete werden mit besser gestellten Regionen vernetzt, • neue Brunnen gebohrt, • Aufforstung vorangetrieben • vor allem Wasser gespart, z.B. Reparatur/ Erneuerung des z.T. über 100 Jahre alten Kanalisationssystems (fast die Hälfte des Trinkwassers versickert „Leckage-Rate“ in D 8%, GB 29%, I 27%, F 25%). 23 Beispiel Lebensmittelversorgung • Grundversorgung auf niedrigem Standard durch „libretas“: monatlich verteiltes Bezugsscheinheft für Güter des täglichen Bedarfs (Brot und Brötchen, Eier, Milch, Sojajoghurt, Reis, Bohnen, Speiseöl, Hähnchen und andere Grundnahrungsmittel, sowie Basis-konsumgüter wie Seife etc., zeitweise Sonderzuteilungen) • Häufige Versorgungsengpässe – für CUC hingegen sind fast alle Produkte (fast) jederzeit erhältlich 24 Gesetzliche Grundlagen in Cuba • 1993 Ratifizierung der „Agenda 21“ • 1993 Programm zur Nutzung nationaler Energiequellen • 1997 Umfangreiches Umweltgesetz (Ley 81) • 1997f. Technische Umweltnormen • 1998f. Sektorstrategien der Ministerien • Küstenschutz, Wälder, Schutzgebiete, Biodiversität u.v.a.m. • Umweltmanagementsysteme auf allen Ebenen • Nationale Nachhaltigkeitsstrategie – wird aktualisiert und überarbeitet (durch CITMA) 25 Wesentliche Akteure in Cuba Neben den staatlichen Institutionen und den Massenorganisationen z.B. im Bereich der Stadt- und Regionalplanung neue beteiligungsorientierte Institutionen: • DPPF (Dirección Provincial de Planificatión Fisica) • GDIC (Grupo para el Desarrollo Integral de la Capital) • TTIB (Talleres de Transformación Integral del Barrio) • Havanna - Büro des Stadthistorikers (Eusebio Leal Spengler) 26 „Allen Institutionen gemein ist deren Bemühen um die Reduzierung der Größe von Planungseinheiten sowie die Integration von kommunalen Partizipationselementen (... TTIB), um dadurch die betroffene Bevölkerung an den Lösungsprozessen zu beteiligen (...). Die TTIB als Stadtteilgruppen von Anwohnern und lokalen Experten haben verschiedene thematische Schwerpunkte (Wohnumfeld, Wohnungszustand, Umwelterziehung, Stadtteilidentität, soziale Probleme, lokale Ökonomie etc.), mit dem umfassenden Ziel einer nachhaltigen Verbesserung der strukturellen und ökologischen Defizite der Stadtteile.“ (Doktorarbeit von Dr. Ammerl 2005, S.199) Nachhaltigkeitspolitik in Kuba (Bsp.) • Biosphärenreservate (Guanacahibes, Sonora etc.), Botanische Gärten (Netzwerk, Katalogisierung, Internationalisierung) • Ökotourismus soll weiter ausgebaut werden • Wiederaufforstung (erste Erfolge) • Abbau der energieintensiven Zuckerproduktion; Modernisierung Basisindustrien (Nickelabbau, etc.) • Ausbau und Verbreitung regenerativer Energienutzung (Solar, Wind, Biogas, Biomasse etc.) • „Grüne“ Medizin (Medikamentenfabriken in allen 15 Provinzen) • Biotechnologie 28 • emissionsarme Motorensysteme bei Zweirädern, Umstellung auf Diesel • Lokale Agenda 21 (in Bayamo, außerdem in Santa Clara, Cienfuegos, Holguin) • Ernährung: Soja, vegetarische Ernährungsweise, Nichtrauchen, Gesundheitsbewusstsein, Sport • Umweltbildung: beispielhafte bildungsstrukturelle Basis / starke Orientierung des Bildungswesens an der Gesinnung des Nationalhelden José Martí / Lehrplanreformen • „Lebensstil der Bevölkerung ist – im Gegensatz zur umweltverschmutzenden u. umweltschutztechnisch defizitär ausgestatteten Industrie – aus der Not heraus tendenziell ‚ökologisch’.“ Aber kaum Umweltbewusstsein. Geringe Übernahme von Eigenverantwortung (Diplomarbeit Pröpsting 2000:116) 29 • Sparkampagnen: Naturschutz, Stromeinsparung (Glühbirnen, Kühlschränke, Dampfkochtöpfe, Reiskochtöpfe etc.) • Ölfunde vor der Küste (Straße von Florida) • Abbau von Zuckerrohranbau seit 2002 (Umsetzungsund Umschulungsmaßnahmen, ökologischere Anbaumöglichkeiten) - aber Bodendegenerierung • Ökolandbau (1999 erhielt „Grupo de Agricultura Orgánica“ den alternativen Nobelpreis für ihr beispielhaftes Engagement für ökologischen Landbau) und z.B. Milcherzeugung (CubaSí) • Öffentlichkeit/Medien: Bezugnahme auf José Martí, ANJ, Reden Fidel Castro, TV-/Radio-Programme u.a. • seit 15 Jahren Bahia de La Habana (Runder Tisch), Wasserkläranlage, Wasserqualität verbessert 30 • Stromabschaltungen (Rede F. Castro: minimieren durch Modernisierung, Universität Havanna 2006) • Tarife: deutliche Preiserhöhung für Strom (je höher der Verbrauch, desto höher die Gebühr)! ABER: Defizite in der Umsetzung! 31 Internationale Solidarität: Cuba hilft Haiti Cubanische Mediziner Brigade seit 11 Jahren Arbeit vor dem Erdbeben in 127 der 137 haitianischen Kommunen helfend, retteten 223.442 Leben, behandelten 14 Millionen Menschen, führten 225.000 Operationen durch und halfen bei der Geburt von 109.000 Babies. Durch die “Operation Miracle” wurde die Sehfähigkeit von 46.000 Haitianern gerettet bzw. verbessert. Diese medizinischen Dienstleistungen und das Training von medizinischem Personal in Cuba sind 400 Millionen US$ wert. Programm zu Wiederaufbau und Stärkung des Gesundheitssystems von Haiti (Regierungen von Haiti und Cuba in Kooperation mit Venezuela etc.): 101 Gesundheitsstationen und 30 Hospitälern plus Personal etc. 32 Auszeichnungen für Cuba (1) Für seine vorbildlichen Leistungen erhielten Akteure in Cuba im Laufe der Jahre zahlreiche Auszeichnungen internationaler Organisationen wie z.B. • • • • • • UNESCO-Greece Melina Mercouri International Prize for the Safeguarding and Management of Cultural Landscapes 1999 an das Viñales-Tal in Westcuba, Global 500 award des UN Environment Program (UNEP) sowohl an Cubasolar als auch die José Martí Pioneers Organization am Weltumwelttag im Jahre 2001, UNDP - Equator Prize 2002 an die Empresa Forestal Integral de Bayamo, iniciativa "Fincas forestales ecologicas", International Simón Bolívar Prize der UNESCO von 2004 an die cubanische Kulturorganisation Casa de las Américas, UNESCO King Sejong Literacy Prize 2005 an den Youth and Adult Literacy and Education Chair of the Latin American and Caribbean Pedagogical Institute (IPLAC), UNEP-Preis von 2006 “Champions of the Earth” an die frühere Umweltministerin Cubas, Dr. Rosa Elena Simeon Negrin 33 Auszeichnungen für Cuba (2) Am 1. Oktober 2009 hat der World Future Council zum ersten Mal den Future Policy Award verliehen, der nicht Menschen, sondern Gesetze auszeichnet. Ein zweiter Preis wurde für ein cubanisches Gesetz zur Förderung städtischer Landwirtschaft vergeben: The Cuban policy supports urban agriculture by permitting the use of all fallow areas (Brachland) within cities for the production of food and encouraging the development of organic cultivation methods. “This policy has made the access to food a lot easier for many urban citizens and has simultaneously improved the quality of the food they eat”, said von Sponeck. 1. Zur Einstimmung: Impressionen einiger Reisen 2. Zum Überblick: Hat Cuba Zukunftsfähigkeit? 3. Zum Ausblick: Welche Zukunft hat Cuba? 35 Zum Ausblick: Welche Zukünfte hat Cuba? 1. 2. 3. 4. Szenarien (Auswahl) Zusammenbruch (Modell “Ukraine”), ggf. durch “Überflutung” aus den USA “Carots & sticks” (Bush/USA) “Wandel durch Annäherung” (EU) Wiedererlangung der früheren Kontaktmöglichkeiten, Wirkung von Marktmacht und Dominanz (Obama/USA) 36 Parameter der künftigen Entwicklung Extern (1): • US-Blockade (Isolierung) • US-Druck (Destabilisierung, Subversion, “Revolutions GmbH”, “Plan Bush” etc.) z.B. über NGO und Zivilgesellschaft, Interventionsgefahr • EU: Distanzierung und Druck • “push & pull” (Angst vor und Attraktion des “Westens”) 37 Parameter der künftigen Entwicklung Extern (2): • Steigende Integration mit Lateinamerika (Venezuela, Brasilien etc.) • Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen zu China, Südafrika, Indien u.a. • Synergien mit Globalisierungskritikern (insb. Weltsozialforum, attac) • USA neu: Wandel mit Barack Obama? 38 Parameter der künftigen Entwicklung Intern (1): • Integrationsvermögen und Sensibilität von PCC, Gremien, Massenorganisationen etc. (insb. gegenüber Teilen der Mittelschichten und Jugend) • Weiterentwicklung der öffentlichen Sphäre für Debatten (Transparenz, “cybernetic of the Party” - Heinz Dieterich) • Weiterentwicklung der Zivilgesellschaft (Potenziale) • Überwindung des Ressourcenmangels 39 Parameter der künftigen Entwicklung Intern (2): Ex-Außenminister Perez Roque: • Moralische Autorität der Führung, basierend auf Beispielhaftigkeit ohne Privilegien • Sicherung der Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung nicht durch Konsum sondern durch Ideen und Überzeugungen • Verhinderung der Entstehung einer neuen Bourgeoisie (US-freundlich, Tourismus) 40 Ideen für Weiterentwicklung der Nachhaltigkeitspolitik 1. Optimierung des Monitoring der Programme und Projekte (Abgleich der administrativen Vorgaben mit den realen Ergebnissen und Prozessen; Reformulierung der Ziele und Instrumentarien; Einbeziehung der betroffenen organisatorischen Einheiten; Gestaltung als kontinuierlicher „Lernprozess“) 2. Weiterentwicklung der kubanischen Nachhaltigkeitsstrategie (z.B. stärkere und genauere Abstimmung zwischen verschiedenen Ministerien und Politikbereichen; stärkere ressortübergreifende Integration und Koordination; deutlichere Langfristorientierung) 3. Ausbau der Nachhaltigkeitsdimensionen in den einzelnen Ressorts (Stärkung der verantwortlichen Teams; Formulierung von Meilensteinen und Definition von Indikatoren; Konzeption und Umsetzung von Programmen und Leitprojekten) 4. Intensivierung internationaler Kooperation (Stärkung der bilateralen regionalen Kooperation im karibischen und lateinamerika-nischen Raum; explizite Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsdimensionen z.B. in der regionalen Wirtschaftsintegrationsstrategie ALBA mit Venezuela, Bolivien etc.; Verbesserung der Institutionalisierung und Ausstattung) 5. Optimierung von Entscheidungsmechanismen (Entbürokratisierung; Überprüfung der Gesetzgebung auf ökonomische Effizienz, Verwaltungskosten; spürbare Verbesserung zivilgesellschaftlicher Partizipation) 6. Zuverlässigkeit und politische Akzeptanz (Operationalisierung der Nachhaltigkeitsprinzipien für unterschiedliche Handlungszusammenhänge und Politikbereiche und entsprechende Integration – Mainstreaming) 7. Verstärkte Kontrollen und Sanktionierung (Konsequente Umsetzung von Sonderabgaben auf Umweltvergehen; Konkretisierung von Verantwortlichkeiten; stärkere Einbeziehung der Massenorganisationen und von zivilgesellschaftlichen Akteuren) 41 Zusätzliche Politikelemente Cuba könnte seine (Nachhaltigkeits-) Politiken ergänzen mit weiteren intelligenten Instrumenten wie beispielsweise • Ordnungspolitik (Regulierungen), • Preismechanismen (z.B. Internalisierung externalisierter Kosten), • Steuerpolitik etc., um Effizienz zu steigern, • Anreizstrukturen (incentive structures) für Stärkung der Nachhaltigen Entwicklung 42 Ausführliche Studie über Nachhaltigkeitspolitik in Cuba • In Deutsch: http://www.izt.de/fileadmin/downloads/pdf/IZT_WB83_Cuba.pdf • In Englisch: http://www.fg-berlin-kuba.de/content/pdf/SDCuba-Study_GOELL.pdf 43 Muchas Gracias! 44