Erste Stunde Zweite Stunde

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Erste Stunde Zweite Stunde
Erste Stunde
Freundlich, so sind sie, einfach freundlich. Vom Wiener Schmäh muss man nichts mitbekommen in
Wien. Das zum Thema Klischeezertrümmerung. Mit dem CAT, dem Central Airport Train Anreise von
Schwechat in die Innenstadt. Schicker Zug, beste Sitze, teuer. Endstation ist in der U-Bahn Station
"Landstraße (Wien Mitte)" am Neuen Justizpalast. Weit und breit keine Stephansdom-Spitze zur
Orientierung zu sehen. Könnte genauso gut in Prag oder London sein - sieht man mal vom
Rechtsverkehr ab. Wie der Name der Haltestelle schon sagt ist das für eine Metropole
vielversprechend zweideutig. Fragt man Passanten, "wo geht's hier zum Dom?", eine klare Antwort:
"Gehns' wieder in die U-Bahn rein, Richtung Ottakring, die U2, zwei Stationen".
Das beruhigt. Vorsichtshalber in den Serviceschalter der "Wiener Linien": "Haben Sie einen
kostenlosen Innenstadtplan und eine Übersichtsplan des U- und S-Bahnnetzes?". Wieder Treffer. Auf
der Vorderseite des A5 großen Blattes das Streckennetz, hinter drauf die Innenstadt,
praktischerweise mit touristenfreundlichen Grafiken der wichtigsten Anlaufpunkte.
Bei der nächsten Frage aber zeigt sich, was ein Wiener ist: "Können Sie mir sagen, wo hier die
berühmtesten Kaffeehäuser sind, wie das ‚Landtmann?'" Da nehmen sich zwei freundliche
Servicemitarbeiter die Zeit, helfen das "Landtmann" und das "Central" auf dem Plan zu markieren.
Obwohl, meint der eine, das "Central" gefalle ihm noch besser als das "Landtmann", man müsse
beides sehen. Als ich einwerfe, beginnen wolle ich ohnehin im "Hawelka" in der Dorotheergasse, ein
Lachen: "Na, da sind sie in Wien ja für einen Tag bestens versorgt!"
Wo das "Hawelka" nun ist, das habe ich völlig vergessen zu fragen.
Am Stephansplatz fühlt man sich gleich wie zum Beispiel in Freiburg. Die gotische Kathedrale mitten
in der Stadt, so eng umbaut, dass eine Gesamtansicht wie in Köln - wo in entsprechender Entfernung
ein "Foto-Point" auf dem Pflaster markiert ist, unmöglich ist. Nachdem ich eine Kerze in der
Stadtkirche entzündet habe - man weiß ja nie, wofür das einmal gut sein wird - steuere ich einen
Kiosk am Platzrand an: "Wissen Sie, wo das Kaffeehaus Hawelka ist?"
Zweite Stunde
"Vor, Zweite rechts, dann die Dritte links". So findet man von der Nordwestseite des
Stephansplatzes das "Cafe Hawelka". Von außen ist das älteste Kaffeehaus Österreichs eher
unscheinbar. Drinnen ist es dunkel und voller Patina. Das Lokal wirkt, wie eine einstmals bekannte
Studenten- und Künstlerkneipe eben wirken muss. Die dunkelbraun lackierte Decke, die Bestuhlung,
die gepolsterten Bänke an den Fenstern, die Holzverkleidung - alles würdevoll verblichen. Man kann
sich gut vorstellen welche wilden Abende hier stattgefunden haben. Direkt am Eingang stolpert man
fast über den sprichwörtlichen Zeitungstisch. Und der Herr Ober erläutert - freundlich - und
kennerhaft die Blätter. Oben auf liegen die österreichischen. Von der "Kronen Zeitung" rät er mit
sicherem Blick auf seine Klientel ab, aber den "Kurier", "den können's schon nehmen, der ist ernst".
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch der "Standard" im Angebot ist.
Ich bestelle mir eine "Wiener Melange" und ein Biskuit-Törtchen nebst dem obligatorischen
Wasserglas dazu. Was denn nun das Besondere an den Kaffeespezialitäten sei, will ich wissen. Der
Kaffee klärt mich der Herr Ober auf, komme aus Äthiopien und kontrolliertem fairen Anbau. Ob das
vor 20 Jahren wohl auch schon so war? Weiters betont er, dass man hier aber nicht so viel Aufhebens
um die Variationen mache wie zum Beispiel im "Landtmann". Merke: über die Konkurrenz reden
schadet nicht.
Im Kurier lese ich in der Kolumne von Daniela Kittner eine kleine Sottise: Von Ali, dem
Rosenverkäufer und der "1000-Rosen-Wette" mit dem neuen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer. Der
habe dem Rosenmann im "Grünauer" im 7. Bezirk an einem Vorwahlabend versprochen, dass, wenn
er, Gusenbauer, Kanzler werde, dem Ali 1000 Rosen abkaufen werde. Dann wurde Gusenbauer es und meinte, sich an das Versprechen nicht mehr gebunden zu fühlen. Das hat dann für ihn Kumpel
Schauspieler Harald Krassnitzer übernommen und dem Ali die 1000 Rosen abgekauft. Was
Gusenbauer vermutlich beim Wiener und der Wienerin einige Sympathiepunkte gekostet hat.
Ich bin dann doch zu schnell. Ins Kaffeehaus geht man um länger zu bleiben und abzuschalten. Mich
treibt's aber wieder heraus. Macht zuvor noch 7 €uro. Was nicht billig ist.
Zurück zum Graben entlang der wunderbaren Fassaden, zunächst beim Weg zum Hawelka schon am
"Haas-Haus" und dem Palais Equitable am Stock-Im-Eisen Platz vorbei. Glasarchitektur trifft
Historismus. Und dann mit Blick auf die berühmte Pestsäule links und rechts die schönsten Bauten.
So eine schicke Fußgängerzone täten wir in unserem kleinen Eifelstädtchen aber gar nicht haben
wollen. Der Leerstand ist doch schon groß genug.
Ich biege heiter beschwingt angesichts der Architekturperlenreihen in den Kohlmarkt ein und
erreiche den Michaelerkirchplatz mit der gleichnamigen Kirche. Die romanisch-gotische erste
Hofkirche der Habsburger ist schlicht und würdevoll. Vor der Kirche hat man 1990/91 bei
Ausgrabungen römische und mittelalterliche Fundamente gefunden und sie in einem
überdimensionalen Betonsarg offen liegen lassen. Angesichts der neobarocken Pracht der Alten
Hofburg vis a vis wirken sie seltsam deplatziert. Wie Reste eines seltsamen Dinosaurier-Skeletts.
Adolf Loos allerdings behauptete sich gegenüber den feudalen Prachtbauten indem er mit seinem
berühmten Art-Deco-Bau am Platze in den unteren beiden Stockwerken auf Ornamentik verzichtete
und nur kostbaren, geäderten Cipollino-Marmor verbaute. Also wieder so ein spektakuläres Wiener
Platzensemble. Ich greife zum kleinen bewährten Stadtplan-Blatt und suche mir mein nächstes Ziel:
Das Gebäude des Wiener Musikvereins an der Bösendorfer Straße.
Dritte Stunde
Karlsplatz 6 lautet die Adresse des berühmten Konzerthauses der "Gesellschaft der Musikfreunde in
Wien". Theophil Hansen erbaute das Gebäude im historistischen Neorenaissance-Stil zwischen 18661869, 1911 wurde der "Brahmssaal" für die Kammermusik geschaffen, und im "Großen Saal"
Umbauten getätigt. 2004 kamen vier weitere unterirdische Konzertsäle dazu. Das Gebäude ist
freistehend, ein strahlendes Kleinod - und eine Art Mekka.
An diesem Tag warten neben einem guten Dutzend Japanern noch rund 15 weitere Musikfreunde um
14.30 Uhr auf die "Führung - Deutsch" im Kassa-Raum wo, da ist es wieder das schöne Wienerisch,
die "Karten behoben werden". Schon auf dem Eintrittsbillet schimmert es golden, wie es auch im
Brahmssaal und vor allem im legendären "Goldenen Saal" dann der Fall ist. Nebenbei: Anders als bei
den Berliner Symphonikern werden die Abonnements bei den Wiener Philharmonikern nicht vererbt,
sondern müssen alljährlich erneuert werden. Nur 4,5 Kilogramm Blattgold habe man da verarbeitet,
beteuert der eicht ironische Guide den staunenden Musikfreunden, die, egal woher sie kommen, alle
zum einen Einspielungen der Wiener Philharmoniker aus "ihrem Saal" und/oder die diversen LiveErlebnisse am Platze als Erfahrungsschatz zur Führung mitbringen.
Dass der "Goldene Saal" die legendäre Akustik hat, die ihn - so wieder der leicht ironische Guide - auf
eine Stufe stellt mit dem Concertgebouw in Amsterdam, verdankt er einigen architektonischen
Besonderheiten.
So liegt die Decke auf dem Rechteckbau auf, darüber ist ein Hohlraum, ebenso ist das Parkett
untertunnelt - um die Bestuhlung im Falle eines Festes dort unterzubringen. Und natürlich die
Kyriatiden. Die weiblichen Herkulesfiguren tragen heute zwar nicht mehr die Galerien an den
Längsseiten, das wurde 1911 durch Zurücksetzung der Figuren aus statischen Gründen geändert,
aber sie sind aus Blech und hohl - natürlich Blattgold überzogen. Alles zusammen leitet den Hall von
der noch von 1869 stammenden Holzbühne wunderbar zumindest bis in die Mitte des Saales und
ergibt den klaren warmen von der rundum Holzverkleidung gedämpften Klang, den man auf den
Aufnahmen hören kann. Drittes Nebenbei: Die Orgel des Saales ist nicht mehr Original, zumindest die
Pfeifen, denn die traf im Zweiten Weltkrieg eine Fliegerbombe. Mehr passierte dem Hansen-Bau zum
Glück nicht.
Was man so nicht wusste: Die Wiener Philharmoniker mieten sich zu Konzerten und Aufnahmen
lediglich wie alle anderen Gäste in den "Musikverein" ein, das möglicherweise weltbeste
symphonische Orchester hat kein eigenes Konzergebäude. Diese dritte Stunde endet, zurück aus
Wien, um 68,39 Minuten verlängert mit einem wunderbaren Kopfhörer-Erlebnis der vierten Sinfonie
von Anton Bruckner ("Romantische"), eingespielt dort selbst 1991, mit den Wiener Philharmonikern
unter Claudio Abbado.
Vorbei an dem kleinen "Walk of Fame" mit Hollywood-Sternen und der Einprägung berühmter im
Musikverein uraufführender Komponisten wie Bruckner oder Brahms oben auf geht es zurück zum
Opernplatz. Vis a vis das Cafe und Hotel Sacher, eine Begehung der Ringsraße mit Ziel "Cafe
Landtmann" steht auf der Tagesordnung.
Vierte Stunde
Kaiser Franz Joseph ist letztlich der Abriss der alten militärischen Befestigungsanlagen zwischen der
historischen Wiener Altstadt und den umgebenden Wohn-"Bezirken" zu verdanken. Stattdessen
entstand die 4,4 Kilometer lange Ringstraße mit einer Breite von 57 Metern, Mittel- und
Nebenfahrbahnen und mehrreihigen Alleen. Das war 1857. Klares Ziel des Habsburgerkaisers: Die
unter anderem von Gottfried Semper geplante Anlage von Repräsentationsbauten. Heraus kam ein
einmaliges Ensemble großdimensionierter Machtarchitektur in den verschiedensten historisierenden
Spielarten. Das wirkt noch heute und vermittelt immer noch eine Ahnung vom ehemals
habsburgischen "Weltreich". Zur Finanzierung wurde damals ein eigener Fonds aufgelegt, lediglich
Parlament und Universität bezahlte die Staatskasse, das Rathaus die Gemeinde Wien.
So mache ich mich also auf den Weg vom Opernplatz mit der Staatsoper in Richtung "Cafe
Landtmann", das hinter dem Burgtheater zu finden sein soll (sagt die Markierung auf dem bewährten
DIN A5-Stadtplan). Die Staatsoper, vormals k.k. Hofoper kennt man ja auch bei uns in der Eifel aus
der Übertragung des Wiener Opernballs an Weiberfastnacht. Sieht genauso aus wie im Fernsehen.
Wirklich gut nachgemacht. Unweit davon entfernt fällt der Blick schon auf die Neue Hofburg, davor
der Burggarten mit dem Mozart-Denkmal. Die von Victor Tilgner 1896 geschaffene Memorabilie zeigt
am Sockel Szenen aus "Don Giovanni". Spätestens hier - und am Wien-Besuchstag war es bisher
neblig - ist Wien wie Wien: walzerisch unter blauem Himmel.
Vorbei an Sempers Neuer Hofburg, vis a vis die Zwillingsbauten des Kunsthistorischen und
Naturhistorischen Museums, dazwischen mittig Kaiserin Maria Theresia al la 1888. Die Landesmutter
blickt streng in Richtung der Residenz - ich sollte ihr noch ein zweites Mal begegnen. Daran
anschließend auf der stadtabgewandten Seite das von Hansen (siehe Musikverein) erbaute
Parlament von 1883 mit monumentalen Sitzfiguren. Der größte im hellenistischen Stil erbaute
Prachtblock an der Prachtallee. Genau: Wenn es was demokratisches in spätfeudalen Strukturen zu
bauen galt, haben sich die Mächtigen seit den Römern eben immer an der griechischen Antike Akropolis - orientiert.
Das Burgtheater im Anschluss auf der Innenseite des Rings wiederum kommt einem aus einem
anderen Grund bekannt vor. Nicht von ungefähr, denn Architekt Semper, der die legendäre Bühne
1874-1888 nach seine Plänen errichten ließ, hatte kurz zuvor in Dresden die Oper erbaut. In der
Umgebung kann man sich Claus Peymanns Leid & Freud in seiner Wiener Intendantenzeit sehr gut
vorstellen. Wie er das Wiener Establishment mit Jelinek- und Bernhard-Stücken zur Raserei brachte und sein Ensemble zu Weltruhm führte.
So weit so gut, jetzt aber, direkt neben dem Theater, das "Landtmann". Es wird zur Zeit mit der
Schauseite zur "Burg" ausgebaut. Ein Wintergarten, der wie eine überdimensionierte ICE-Kanzel
wirkt, wird vor die historische Fassade gesetzt, damit die Touristen auch bei Schlechtwetter gut und
teuer gucken können. Eben deshalb ist der Eingang auch eine Baustelle. Was nicht weiter stört, direkt
hinter der Eingangstür bricht eine Garderobiere allerdings den zu forschen Gang ins Ambiente mit
der Bitte um Überlassung der Garderobe ab.
Ich genehmige mir einen "Franziskaner" und bin überrascht. Sehr elegant und gediegen ist das Lokal.
Wiener sind offenbar auch hier, dazwischen die übliche - für alte "Landtmann Gänger" wohl
unerträgliche - Touristenmischung. Unerträglich wohl schon wegen der Kleidung, die irgendwie
immer unpassend ist, dem Foto-Geknipse, den neugierigen Blicken. Alles andere als
selbstverständlich. In diesen großbürgerlich-k.u.k. Räumen hat der Plebs nur Gast- aber kein
Hausrecht.
Ich gehöre auch dazu. Studiere das umfangreiche Werbematerial des guten Hauses, die völlig
überteuerte Preisliste, die einem suggeriert: "Selber schuld", mit den zugegeben guten
Kaffeespezialitäten. Und habe leider wieder zu wenig Zeit. Die Garderobe wieder in Empfang
genommen, den Ring überquert. Zurück mit der Trambahn zum Karlsplatz, kurz die Kärntnergasse
entlang, links abbiegend. Die Ringstraße wurde im Biedermeier-Zeitalter angelegt. Zum Thema läuft
eine Ausstellung in der "Albertina". Das muss jetzt sein.
Fünfte Stunde
In der "Albertina", benannt nach Herzog Albert von Sachsen-Teschen, ist zur Zeit eine BiedermeierAusstellung zu sehen. Das Gebäude selbst ist zugleich größtes Exponat des Biedermeiers, der
historisch zwischen dem Ende der napoleonischen Befreiungskriege - Wiener Kongress 1825 - und
der Revolution von 1848 eingeordnet wird. Folgte Jugendstil, Symbolismus, Art Deco - alles natürlich,
wo schon anders, in Wien zu sehen.
Zurück in die "Albertina" - man ist überrascht. Hätte man nicht geglaubt, dass man museumswürdige
Einzelmöbel besitzt, die entweder, wie man nun weiß, der höfischen Form des Zeitstils zuzuordnen
sind- dem Empire - oder eben der bürgerlichen Variante, dem Biedermeier. Oma sei Dank!
"Die Erfindung der Einfachheit" ist die Schau und der Forschungsansatz der Kuratoren bei der
Leihgeberanfrage und der Recherche für die Beiträge im Katalog betitelt. Was bedeutet, dass um
diese Zeit vor allem bei Möbeln, Glas-, Silber wie Gebrauchstextilien-Design (Tapeten, Dessins) auf
zum einen antikisierende vor allem aber klare geometrische Grundformen zurückgegriffen wird.
Dritter Bezugspunkt sind Grundformen der Natur wie Blätter und Pflanzen. Auch der
Naturwissenschaftler und Geologe Alexander von Humboldt lieferte dazu mit den Zeichnungen von
seien Expeditionen die passenden Vorlagen.
Bei den Möbeln wird die Maserung des Holzes, die ungebrochen verarbeitet wird, betont. Die
Designer, wie in den Wiener Dannhauser'schen Werkstätten entwickeln dabei eine Ästhetik, die klar
vormodern ist. So klar und reduziert wird erst wieder das Bauhaus denken.
Die Malerei der Zeit ist in den ausgestellten Landschaftsdarstellungen naturwissenschaftlich
nüchterner als die vorangegangene Romantik, dadurch leicht seelenlos, was auch für die Porträts gilt.
Da wäre Spitzwegs "Armer Poet" eine Wohltat gewesen - hätte allerdings vieleicht wegen der
untergründigen Ironie und Sozialkritik doch den festlichen Rahmen der Schau gestört. Aus dem
gleichen Grunde fehlen vielleicht auch die "Nazarener" weitgehend, die man heute einfach nur
kitschig findet. Mut zur Lücke heißt offensichtlich das Ausstellungskonzept - das alles in allem
überzeugt.
Vermutlich war das Biedermeier, wie so oft in der Kunstgeschichte, die sachliche Gegenbewegung
zum überladenen Rokokostil der Vorjahre, zugleich aber auch ein erstes Signal einer eher
unspektakulären, vor-märzhaften Schlichtheit und Einfachheit.
Sehenswert ist das allemal. Es rehabilitiert einen Stil, mit dem oft miefige spießige bürgerliche Enge
verbunden wird. Biedermeier steht für ein Sich-Besinnen auf das Private und die gesicherten Werte was als Reaktion auf die europaweiten Erschütterungen durch die napoleonischen Kriege
verständlich ist. Übrigens: In Weimar ist eines der gelungensten Beispiele erhaltener BiedermeierInnenarchitektur zu sehen: Das Goethe-Haus am Frauenplan.
Diese Stunde war etwas länger. Die Andy-Warhol-Sonderschau (eher irrelevant) und die BaselitzAusstellung (sieht man doch überall) werden ignoriert. denn jetzt heißt es langsam clever den
Rückweg zum CAT nach Schwechat zu finden.
Sechste Stunde
Jetzt muss es etwas zügig gehen, also die Tegethoffstraße hoch Richtung Neuer Markt, schließlich
über den Stock-im-Eisen-Platz in die U-Bahn am Stephansplatz, in die CAT am Halt Landstraße/Wien
Mitte und ab von Schwechat mit zweistündiger Verspätung in Richtung Norden.
Doch zuvor bleibt. mein Blick am Kapuzinerkloster hängen, genauer dem Hinweisschild: "Eingang
Kaisergruft". So viel Zeit muss denn doch noch sein und Respekt nach all den schönen habsburgerBauten. Der Schädel unter der Krone des Kaisers des Heiligen Römischen Reiches auf dem Plakat am
Kassa-Häuschen ist schon einladend. Ja, hinab, hinab! Unten ist's geräumig. Schließfachanlagen für
Gruppenreisende im Vorraum. Alles kommod bei Kaisers letzter Ruhestätte allhier. 138 Mitglieder
des Hauses Habsburg sind in wuchtigen Metallsärgen in Raumfluchten ja wohl doch eher ausgestellt.
Vorne am Absperrgitter immer fein säuberlich die Schildchen derer von und zu Habsburg. Kennt man
so von den Preußensärgen im Berliner Dom. Eine kleine europäische Hochadelsgenealogie mit Linien
nach Spanien, Russland, Preußen und so munter fort tut sich im Wiener Kapuzinerkeller auf.
Die letztbestattete ist Kaiserinwitwe Zita (1.4.1989). Auf manchen Särgen liegen Blumengebinde oder
Fahnen, man zeigt Teilnahme und erinnert sich unter Alt-Monarchisten eben immer noch gerne an
die großen Zeiten. Das aufwändigste Grabmal ist das von Kaiserin Maria Theresia und Gatte Kaiser
Franz I. Stephan, geschaffen von Balthasar Moll. Eine regelrechte Grabstättenburg mit dem
Ehepartnern auf Augenhöhe - schließlich überlebte Maria Theresia ihren Mann um 15 Jahre.
Schaurige Gruftatmosphäre kommt bei so viel gut ausgeleuchteter pompöser post mortem
Feierlichkeit eher nicht auf, alleine die Kindersärge machen nachdenklich.
Man will frei nach Beethovens Gefangenenchor dann doch sagen, ans Licht, in freie Luft, und denkt
beim Stieg hinauf: Lauter schöne Leichen. Ich befürchte, wienerischer kann der letzte Eindruck nicht
sein - von Wien.
Ende
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