Memo Einige Gedanken, wie man unabhängiger

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Memo Einige Gedanken, wie man unabhängiger
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Einige Gedanken, wie man unabhängiger Fondsmanager wird
Robert Vinall, Kilchberg, 3. Februar 2014
Mein Fonds, Business Owner, bestand im September vergangenen Jahres fünf Jahre. Die
historisch Interessierten unter Ihnen werden sich erinnern, dass sich in jenem Monat
auch die Lehman-Krise zum fünften Mal gejährt hatte. Und wenn man bedenkt, dass mir
niemand glaubte, als ich sagte, dass ich eines Tages größer als Lehman sein würde…
Dieser Jahrestag gab mir den Anlass, mir Gedanken über die Entwicklung meiner Firma
RV Capital zu machen. Tatsächlich habe ich Einiges richtig gemacht. Das kann ich ohne
Unbescheidenheit sagen, da es meist auf Glück und Handeln aus der Not heraus und
nicht auf der Verfolgung einer Gesamtstrategie beruhte. Wenn ich nun das, was ich
daraus gelernt habe, schriftlich festhalte, so tue ich das in der Hoffnung, dass einige von
Ihnen durch Planung das erreichen können, was ich durch Zufall erreicht habe.
Es mag ein wenig seltsam anmuten, das ein Manager in einem vergleichsweise frühen
Stadium möglichen Wettbewerbern (hoffentlich!) wertvolle Ratschläge erteilt. Was
bewegt mich dazu? Wenn ich mir den Fondsmanagementsektor anschaue, bin ich in der
Mehrzahl der Fälle empört über das, was ich sehe. Die Gebühren sind überzogen, die
Performance ist mittelmäßig, eine Minderheit von Leuten, die es nicht verdienen, wird
sehr reich und eine Mehrheit von Leuten, die es verdienen, stellt fest, dass Ihre
Ersparnisse nicht ausreichen, um ihre finanziellen Ziele zu erreichen.
Ich möchte gerne etwas bewegen, aber das von mir direkt gemanagte Kapital wird nie
mehr sein als ein Tropfen auf dem heißen Stein (mein Fonds wird bei rund 300 Mio. €
schließen). Wenn ich eine neue Generation von Managern ermutige und ihnen helfe, sich
ihren Traum von der Unabhängigkeit zu erfüllen und Dinge richtig zu tun, so hoffe ich,
dass mein Einfluss über das von mir direkt gemanagte Kapital hinaus wächst.
Die folgenden 10 Punkte richten sich an Fondsmanager, die gerne unabhängig wären,
umfangreiche Erfahrungen mit dem erfolgreichen Management ihres eigenen Kapitals
haben, ihr eigenes Unternehmen gründen wollen und Anlegern, die ihr Kapital nicht
selbst managen können oder wollen, ihre Fähigkeiten zur Kapitalallokation anbieten. Das
Folgende richtet sich nicht an Promoter, denen das Management von Kapital gleichgültig
ist und die die Auflage eines Fonds als bequeme Möglichkeit ansehen, Reichtümer zu
erwerben. Ich bezweifle jedenfalls, dass Folgendes für sie von praktischem Nutzen sein
wird.
1. Sorgen Sie für die richtige Ausgangsstruktur. Mit der richtigen Struktur
werden Sie fast zwangsläufig eine optimale Kapitalallokation erreichen, während
dies mit der falschen Struktur unmöglich ist - mögen Sie noch so talentiert sein.
Diesen Punkt möchte ich besonders hervorheben, da die meisten jungen Manager
am Anfang wahrscheinlich nur darauf bedacht sind, Kapital aufzubringen. Die
Fondstruktur ergibt sich vielleicht von selbst aus dem, was als der
vielversprechendste Weg zu Kapital erscheint. Die Struktur ist allerdings von
Anfang an mehr oder weniger endgültig festgelegt und lässt sich später nur sehr
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schwer ändern. Fast alle folgenden Punkte beziehen sich entweder direkt oder
indirekt auf die Struktur.
2. Folgen Sie nicht dem Lockruf der Promoter, die als Gegenleistung für eine
Beteiligung an der Ökonomie eine Menge Geld anbieten. David Swensen schreibt
in “Pioneering Portfolio Management” überzeugend, warum Fonds, die dies tun,
von Anfang an mehr oder weniger zum Scheitern verurteilt sind. Ein Grund ist der
Interessenskonflikt zwischen dem Promoter (der auf das Aufbringen von Kapital
fokussiert ist) und dem Manager (der auf Performance fokussiert ist).
3. Halten Sie die Kosten extrem niedrig. Als ich anfing, arbeitete ich von
meinem Schlafzimmer aus, hatte kein Bloomberg und übernachtete auf den Sofas
von Freunden, wenn ich Firmen im Ausland besuchte. Das tat ich aus der Not
heraus (ich habe Sie gewarnt, erwarten Sie keine Gesamtstrategie), weil ich mein
Projekt nicht nach ein paar Jahren aufgeben wollte, weil die dicken Schecks
ausblieben und mein Girokonto schrumpfte. Ich habe mich jetzt entschieden, von
Zuhause zu arbeiten, weil ich festgestellt habe, dass mir eine stabile Umgebung
hilft, die Ruhe zu bewahren, wenn die Märkte verrückt spielen. Einen Bloomberg
würde ich auch dann nicht auf meinen Schreibtisch stellen, wenn ich dafür bezahlt
werden würde, da dies eine enorme Ablenkung wäre; und ich besuche noch
immer gerne Freunde, wenn es möglich ist. Die Kosten niedrig zu halten ist
letztlich ein Kinderspiel für jedes - und besonders ein junges - Unternehmen, und
dennoch sehe ich, wie jeder Start-up-Fonds genau den umgekehrten Weg
einschlägt. Die meisten jungen Fonds mieten protzige Büros im West End oder an
der 5th Avenue, haben ein Team von Händlern und Analysten und als Zugabe
eine attraktive Empfangsdame. Wie dies eine Kapitalallokation verbessern kann,
ist mir ein Rätsel. Damit mag man sich bei einer bestimmten Klasse von Anlegern
Glaubwürdigkeit verschaffen, doch das sind wahrscheinlich nicht die, die Sie
wirklich wollen (siehe Punkt 6).
4. Halten Sie sich nicht mit Marketing auf. Ich könnte darauf hinweisen, dass
Sie bezahlt werden, großartige Investitionen finden, damit Ihre Anleger reich
werden und nicht Sie, indem Sie Kapital an Land ziehen, aber statt dessen werde
ich mich direkter zum Eigennutz äußern. Erstens ist Marketing völlige
Zeitverschwendung. Außer den loyalsten Freunden Geschäftspartnern, und der
Familie wird in den ersten Jahren niemand in einen jungen Manager investieren,
der keine Erfolgsbilanz aufweist und kaum Fondsvermögen betreut. Zweitens wird
Erfolg langfristig allein durch die Performance bestimmt. Die Zeit lässt sich viel
besser darin investieren, hervorragende Unternehmen zu finden und eine
erstklassige Erfolgsbilanz aufzubauen als sinnlose Marketingphrasen zu dreschen.
Und drittens schließlich fehlt es nicht an Kapital, das auf Fondsmanager mit
glaubwürdiger Methodik wartet, die 50-Cent-Münzen in Dollarscheine verwandeln
können. Den Engpass bildet in der Tat immer die Kapazität des Managers, Kapital
aufzunehmen und nicht die Verfügbarkeit von Kapital. Es ist bei weitem besser,
seine Kapazität klug einzusetzen und geduldig eine Anlegerbasis aufzubauen als
wirklich jeden zu akzeptieren.
5. Kommunizieren Sie offen und transparent. Ich denke, es ist ungeheuer
wichtig, offen darüber zu informieren, wie Sie investieren und dann das
Grundprinzip für die hauptsächlichen Anlageentscheidungen im Laufe der Zeit
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darzulegen. Wenn Sie das nicht tun, kann ich mir nicht vorstellen, wie ein Anleger
prüfen kann, ob Ihre Erfolgsbilanz auf einer streng eingehaltenen plausiblen
Methodik beruht statt auf einer Glückssträhne beim Werfen von Münzen. Man
kann sicher argumentieren, dass Geheimhaltung angebracht ist, um gute
Anlageideen zu schützen, doch ich befürchte, dass die wahre Motivation für
Geheimhaltung meistens daraus besteht, einen geheimnisvollen Nimbus zu
schaffen, um Mittelmäßigkeit zu kaschieren. Für Offenheit spricht auch ein
zweites Argument. Ein Unternehmen soll dem Kunden Nutzen verschaffen. Der
Hauptnutzen beim Fondsmanagement ist eine erstklassige Finanzrendite; es gibt
aber auch noch einen zweiten Nutzen: den inneren Frieden. Für die meisten ist es
nervenaufreibend, ihre hart verdienten Ersparnisse einem Dritten anzuvertrauen
(besonders für jene, die in der Vergangenheit einer Privatbank ins Netz gegangen
sind). Wenn man mit einfachen Worten erklärt, wo das Geld ist und warum es
dort ist, erhalten sie eine positive emotionale Rendite, die ebenso wichtig sein
kann wie die finanzielle.
6. Bringen Sie Ihre abgestrebten Investoren dazu, selbst zu wählen. Als ich
den Fonds auflegte, versuchte ich zunächst, ihn zu vermarkten, gab dies aber
schnell auf, als ich merkte, dass das Zeitverschwendung war. Ein paar Jahre
passierte nicht viel, doch dann geschah plötzlich etwas Rätselhaftes. Hin und
wieder schaute ein potenzieller Anleger vorbei, in der Regel auf Empfehlung.
Nicht nur, dass die Anleger fast immer investierten, sondern sie waren beinahe
euphorisch, dass sie mich gefunden hatten. Darüber war ich nicht unzufrieden,
denn dies war genau der Typ von Partnern, den ich suchte. Zuerst hielt ich das
für einen wunderbaren Zufall. Dann wurde mir klar, dass aufgrund meines
offenen Umgangs mit meiner Art zu investieren und meines geduldiges Wartens,
bis die Anleger mich gefunden hatten, meine Anleger in der Tat selbst eine Wahl
getroffen hatten. Zu mir kamen nur Anleger, denen mein Ansatz gefiel und die
den Vorteil meiner Unabhängigkeit sahen. Die nach protzigen Büros und einer
Armee von Analysten suchten, kamen nicht, aber die hatte ich ja auch nicht
gesucht.
7. Sagen Sie nein zum falschen Anlegertyp. Ein Anleger, der sein Geld abzieht,
wenn die Märkte wackeln, ist eine erhebliche Bürde für die Zeit des Managers, ein
Anleger, der versucht, den Prozess der Kapitalallokation zu beeinflussen usw.
wird wahrscheinlich mehr schaden als nutzen. Lehnen Sie das Geschäft höflich ab.
Ich war von dem Buch “Different” von Youngme Moon begeistert. Sie
argumentiert, dass großartige Unternehmen anders („different“) sind und dass
sich das nur erreichen lässt, wenn man es ablehnt, es allen recht zu machen.
Dem kann ich nur voll zustimmen. Ein Manager erreicht eine gute
Kapitalallokation nur mit Anlegern, die seine Strategie verstanden haben. Die
anderen haben im Fonds nichts zu suchen.
8. Übernehmen Sie Verantwortung. Es gefällt mir, wenn mir ein Freund oder
eine Empfehlung eines Freundes einen großen Teil seines oder ihres
Nettovermögens anvertraut, weil ich weiß, dass ich für das Leben dieser Person
etwas bewirken kann. Das macht mich demütig. Ich kann mir vorstellen, dass
sich eine Ärztin ähnlich fühlt, wenn ein Freund mit seinem Kind kommt, um sich
von ihr untersuchen zu lassen (womit ich auf keinen Fall die Bedeutung des
ärztlichen Berufs mit dem eines Fondsmanagers gleichsetzen will). Ich sehe
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einige Leute vor mir, für die die Vorstellung einer so unmittelbaren und fassbaren
Verantwortung eine Horrorvorstellung ist. Sie versuchen, sich durch Teams von
Co-Managern, Analysten und Compliancebeauftragten von dieser Verantwortung
zu befreien. Wenn das auf Sie zutrifft, sind Sie vielleicht ein talentierter Analyst,
aber kein Fondsmanager. Überlassen Sie die Kapitalallokation den Erwachsenen.
9. Ziehen Sie einen Festungsgraben um Ihr Unternehmen. Alle langfristigen
Anleger suchen Unternehmen, die einen Wettbewerbsvorteil oder
“Festungsgraben” haben. Verlangen Sie das von Ihrem eigenen Unternehmen.
Michael Porter argumentiert, dass es zwei Hauptgründe für einen
Wettbewerbsvorteil gibt: geringe Kosten und Differenzierung. Er argumentiert
auch, dass beide unvereinbar sind. Das trifft auf viele Unternehmen zu – es ist
schwer vorstellbar, dass eine Discounter Erfolg hätte, wenn er versuchte, mit den
Marketingausgaben von Procter & Gamble zu konkurrieren – nicht aber auf unser
Unternehmen. Eine Fondsmanagementgesellschaft kann extrem niedrige Kosten
und treue Kunden haben. Meine einzigen größeren Betriebsausgaben sind meine
Reisen und meine größte Kapitalinvestition war meine Jura Kaffeemaschine. Es
gibt keine Analysten, keine Händler und keine Miete. Ich kann mir nicht
vorstellen, wie die Kosten noch niedriger sein könnten und trotzdem, oder ich
würde sagen, gerade deshalb habe ich außergewöhnlich treue Anleger. Zwischen
ihnen und mir steht kein Personal. In der Tat gab es bei mir in den letzten fünf
Jahren, obwohl ich keine Kapitalbindung habe, nur eine Kapitalrücknahme, und
die war von einem Freund, der ein Haus kaufen wollte (ich halte nicht viel von
Rücknahmen, mache aber gelegentlich eine Ausnahme, wenn das Kapital für
Lebensunterhalt oder ein Dach über dem Kopf benötigt wird). Jedes Unternehmen
sollte geringstmögliche Kosten und größtmögliche Kundenbindung anstreben.
10. Suchen Sie nach großartigen Partnern. Es war ein großes Glück, dass ich
großartige Partner hatte. Besonders herausstellen möchte ich Norman Rentrop,
der mir ohne anderen finanziellen Gewinn für sich als die Hoffnung auf gute
Renditen aus meiner Kapitalallokation Startkapital zur Verfügung stellte, Jens
Grosse-Allermann, der abgesehen davon, dass er selbst ein großartiger Investor
ist, sich zusammen mit seinen Kollegen bei Fiducia auch um alle operationellen
und regulatorischen Belange kümmert, Georg Stolberg, der mich von unserem
ersten Zusammentreffen an ermutigte, meinen eigenen Weg zu gehen, und
verschiedene andere, die es vorziehen würden, nicht genannt zu werden. Wie Sie
bemerkt haben, schreibe ich gerne in der ersten Person Singular (der “Ich-Form”)
und nicht in der ersten Person Plural (der “Wir-Form”), die im
Finanzdienstleistungssektor sehr viel häufiger anzutreffen ist. Der Grund dafür ist,
dass meiner Meinung nach “Wir” verwendet wird, um Verantwortung zu
verschleiern und letztendlich zu verstecken. Das “Ich” ist Ausdruck meines
Wunsches, Verantwortung zu übernehmen, wenn eine Entscheidung zur
Kapitalallokation nicht die richtige war; wenn jedoch alles gut geht, ist “Wir”
definitiv die angebrachtere Form.
So, das war‘s. Das ist keine Roadmap, die den Hedgefonds-Impresario mit Dollarzeichen
in den Augen reich macht. Es ist aber ein für den talentierten Fondsmanager fast
garantierter Weg in die Unabhängigkeit. Auf jeden Fall ist das der Einzige, der den Weg
in diese Branche einschlagen sollte.
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