Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 14/97
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Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 14/97
Landtag Plenarprotokoll Nordrhein-Westfalen 14/97 14. Wahlperiode 27.08.2008 97. Sitzung Düsseldorf, Mittwoch, 27. August 2008 Mitteilungen der Präsidentin .....................11465 Drucksache 14/7001 1 Sowie: Aktuelle Stunde Menschen beim Energiesparen unterstützen und Stromspartarife schnell einführen! Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7388...............................11465 Uwe Leuchtenberg (SPD) ................11465 Christian Weisbrich (CDU) ...............11466 11482 Reiner Priggen (GRÜNE) .................11468 11477 Dietmar Brockes (FDP) ....................11470 Ministerin Christa Thoben ................11472 Thomas Eiskirch (SPD) ....................11473 Peter Kaiser (CDU) ..........................11475 Holger Ellerbrock (FDP) ...................11476 Rüdiger Sagel (fraktionslos) .............11479 Minister Eckhard Uhlenberg .............11480 André Stinka (SPD) ..........................11481 11483 2 Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2009 (Haushaltsgesetz 2009) Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7000 In Verbindung mit: Finanzplanung 2008 bis 2012 mit Finanzbericht 2009 des Landes Nordrhein-Westfalen Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2009 Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7002 erste Lesung .......................................... 11484 Einbringung: Minister Dr. Helmut Linssen ............ 11484 Minister Dr. Ingo Wolf ...................... 11490 Aussprache Haushaltsgesetz: Hannelore Kraft (SPD)..................... 11491 Helmut Stahl (CDU) ......................... 11503 Dr. Gerhard Papke (FDP)................ 11510 Sylvia Löhrmann (GRÜNE) ............. 11519 Ministerpräsident Dr. J. Rüttgers ..... 11526 Rüdiger Sagel (fraktionslos) ............ 11533 Angela Freimuth (FDP).................... 11534 Aussprache GFG: Ralf Jäger (SPD).............................. 11535 Rainer Lux (CDU) ............................ 11537 Horst Engel (FDP) ........................... 11539 Horst Becker (GRÜNE) ................... 11540 11546 Rüdiger Sagel (fraktionslos) ............ 11542 Hans-Willi Körfges (SPD) ................ 11543 Minister Dr. Ingo Wolf ...................... 11544 11547 Ergebnis................................................. 11548 Landtag Nordrhein-Westfalen 3 Fragestunde 11458 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Schriftliche Beantwortung Siehe Anlage ................................... 11607 Drucksache 14/7360...............................11548 Stipendien aus Studiengebühren Mündliche Anfrage 220 der Abgeordneten Dr. Anna Boos (SPD) .............................11548 Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart .11548 „Personalrat wirft Rüttgers Outsourcing vor“ lautet die Überschrift eines Artikels im Kölner Stadtanzeiger am 19. August 2008. Mündliche Anfrage 223 der Abgeordneten Barbara Steffens (GRÜNE) ....................11553 Minister Andreas Krautscheid ..........11553 Warum hat Minister Pinkwart Frau Höhler nicht abberufen? Mündliche Anfrage 224 der Abgeordneten Heike Gebhard (SPD).............................11558 Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart .11559 Privatuniversität Witten-Herdecke Mündliche Anfrage 225 des Abgeordneten Karl Schultheis (SPD).............................11562 Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart .11563 Nachgehakt: Goldene Fallschirme für Mitarbeiter der Landesregierung Mündliche Anfrage 226 des Abgeordneten Markus Töns (SPD) Die Mündliche Anfrage wird in der nächsten Fragestunde beantwortet. Haftbefehl gegen den Hauptverdächtigen des sechsfachen Mafia-Mordes in Duisburg Mündliche Anfrage 227 des Abgeordneten Dr. Karsten Rudolph (SPD) ....................11607 Kommunalaufsichtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Wiehltalbahn Mündliche Anfrage 228 des Abgeordneten Horst Becker (GRÜNE).......................... 11607 Schriftliche Beantwortung Siehe Anlage ................................... 11608 FDP-Vorstoß für eine Zusammenlegung von Bundestags- und Europawahl Mündliche Anfrage 229 des Abgeordneten Horst Becker (GRÜNE).......................... 11608 Schriftliche Beantwortung Siehe Anlage ................................... 11609 Erschreckende Aufnahmerituale bei der Freiwilligen Feuerwehr in Oer-Erkenschwick: Was hat der Bürgermeister inzwischen veranlasst? Mündliche Anfrage 230 der Abgeordneten Monika Düker (GRÜNE) ........................ 11609 Schriftliche Beantwortung Siehe Anlage ................................... 11610 Kopfnoten-Wirrwarr beenden Mündliche Anfrage 231 der Abgeordneten Marlies Stotz (SPD) ............................... 11610 Schriftliche Beantwortung Siehe Anlage ................................... 11611 Aktuelle Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und Carl Bertelsmann Preis 2008: Signal für ein integratives Schulsystem Mündliche Anfrage 232 der Abgeordneten Sigrid Beer (GRÜNE)............................. 11611 Schriftliche Beantwortung Siehe Anlage ................................... 11612 Landtag Nordrhein-Westfalen 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11459 Gesetzentwurf der Landesregierung und Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag gemäß Art. 66 Satz 2 der Landesverfassung Drucksache 14/7318 Ministerin Sommer zu Light- und NormalVersionen im Abitur Mündliche Anfrage 233 der Abgeordneten Sigrid Beer (GRÜNE) .............................11613 Schriftliche Beantwortung Siehe Anlage ....................................11613 erste Lesung .......................................... 11570 Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart 11571 11575 Dr. Anna Boos (SPD) ...................... 11572 Manfred Kuhmichel (CDU) .............. 11573 Christian Lindner (FDP)................... 11573 Dr. Ruth Seidl (GRÜNE).................. 11574 Wie ist in Nordrhein-Westfalen die Erprobung von Richtern geregelt und wie wird sie praktiziert? Mündliche Anfrage 234 des Abgeordneten Frank Sichau (SPD) Die Mündliche Anfrage wird in der nächsten Fragestunde beantwortet. 4 Ergebnis................................................. 11575 6 Von Siegen lernen – Hochschulautonomie braucht Hochschuldemokratie Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7343.............................. 11575 Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/7350 Sylvia Löhrmann (GRÜNE) ............. 11575 Klaus Kaiser (CDU) ......................... 11576 Petra Schneppe (SPD) .................... 11579 Ingrid Pieper-von Heiden (FDP) ...... 11580 11587 Ministerin Barbara Sommer............. 11582 Ute Schäfer (SPD) ........................... 11584 Sigrid Beer (GRÜNE)....................... 11586 In Verbindung mit: Demokratie an den Hochschulen wieder herstellen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7341...............................11564 Marc Jan Eumann (SPD) .................11565 Dr. Ruth Seidl (GRÜNE)...................11566 Dr. Michael Brinkmeier (CDU)..........11567 Christian Lindner (FDP)....................11568 Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart .11569 Ergebnis..................................................11570 5 Gesetz zur Ratifizierung des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 5. Juni 2008, zur Errichtung einer Stiftung „Stiftung für Hochschulzulassung“ und über die Zulassung zum Hochschulstudium in Nordrhein-Westfalen sowie zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften (Hochschulzulassungsreformgesetz) Für bessere Bildung und mehr Chancengleichheit an unseren Schulen – 5-PunkteSofortprogramm auf den Weg bringen Ergebnis................................................. 11587 7 Land NRW darf Entwicklung des Flughafens Köln/Bonn nicht torpedieren Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7349.............................. 11587 Achim Tüttenberg (SPD) ................. 11587 Horst Becker (GRÜNE) ................... 11589 11596 Hannelore Brüning (CDU) ............... 11589 Christof Rasche (FDP) .................... 11591 Minister Oliver Wittke....................... 11592 Martin Börschel (SPD) ..................... 11594 Minister Dr. Helmut Linssen ............ 11597 Ergebnis................................................. 11597 Landtag Nordrhein-Westfalen 8 Elfter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Elfter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag gemäß Artikel 66 Satz 2 der Landesverfassung Drucksache 14/7305 erste Lesung...........................................11598 11460 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11 Zukunftschance Wasser nutzen – NRW zum Wasserland Nr. 1 machen! Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/7357.............................. 11601 Ergebnis................................................. 11601 12 Die Besten für die Jüngsten – Qualität der Elementarbildung durch weitere Professionalisierung der Fachkräfte verbessern Ergebnis..................................................11598 9 Gesetz zur Verankerung der getrennten Abwassergebühr (Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes) Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/6155 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 14/7332 Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7342.............................. 11601 Ergebnis................................................. 11601 13 Vergleichbare Kommunen in Ost und West gleich behandeln: Sonderzuweisungen und Altschuldenhilfe für strukturschwache NRW-Kommunen ermöglichen, kommunale Belastung für Einheitslasten zurückführen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7348.............................. 11601 zweite Lesung.........................................11598 Ergebnis................................................. 11601 Clemens Pick (CDU) ........................11598 Margret Gottschlich (SPD) ...............11599 Holger Ellerbrock (FDP) ...................11599 Johannes Remmel (GRÜNE) ...........11599 Minister Dr. Ingo Wolf.......................11600 14 Vereinbarung zwischen den Ländern Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Land Rheinland-Pfalz zur Auflösung des Staatlichen Heilquellenamtes Bad Ems Ergebnis..................................................11600 10 Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7075 Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag gemäß Artikel 66 Satz 2 der Landesverfassung Drucksache 14/7306 erste Lesung .......................................... 11602 erste Lesung...........................................11600 Ergebnis................................................. 11602 Dr. Helmut Linssen...........................11600 15 Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Landes Nordrhein-Westfalen (Landesschuldenwesengesetz – LSchuWG) Ergebnis..................................................11601 Landtag Nordrhein-Westfalen Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7307 erste Lesung...........................................11602 Ergebnis..................................................11602 16 Gesetz zur Änderung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7308 erste Lesung...........................................11602 Ergebnis..................................................11602 17 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Gebührenbefreiung, Stundung und Erlass von Kosten im Bereich der Rechtspflege (Gerichtsgebührenbefreiungsgesetz – GerGebBefrG) Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7055 erste Lesung...........................................11602 Ergebnis..................................................11602 18 Erstes Gesetz zur Änderung des Forstdienstausbildungsgesetzes NRW Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/6795 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 14/7333 zweite Lesung.........................................11602 Ergebnis..................................................11602 19 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11461 Verfassungsbeschwerde gegen Art. 34 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG), eingeführt durch das Gesetz zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 24. Dezember 2005 (BayGVBL Nr. 26/2005, S. 641) 1 BvR 661/06 Vorlage 14/1881 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7358.............................. 11603 20 Verfahren vor dem Bundesverfassungs gericht Verfahren über den Antrag des Bodo Ramelow MdB und der Bundestagsfraktion DIE LINKE festzustellen: 1. Die Bundesregierung und ihre Mitglieder sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages ihr Abgeordnetenmandat frei und unbeeinträchtigt durch Maßnahmen der Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz ausüben können. 2. Das Bundesministerium des Innern und die Bundesregierung haben, indem sie es unterlassen haben, das Bundesamt für Verfassungsschutz anzuweisen, die Beobachtung des Bodo Ramelow MdB einzustellen, gegen Art. 46 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue verstoßen und dadurch den Bodo Ramelow MdB in seinen verfassungsmäßigen Rechten aus Art. 46 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. 3. Das Bundesministerium des Innern und die Bundesregierung haben, indem sie es unterlassen haben, das Bundesamt für Verfassungsschutz anzuweisen, die Beobachtung des Bodo Ramelow MdB und weiterer der Bundestagsfraktion DIE LINKE angehörender Bundestagsabgeordneter einzustellen, gegen den Grundsatz der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 2 GG und dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue sowie gegen die Grundsätze der Finanzverfassung gemäß Art. 104a ff. verstoßen und dadurch Landtag Nordrhein-Westfalen den Deutschen Bundestag in seinen verfassungsgemäßen Rechten aus diesen Vorschriften verletzt. 4. Das Bundesministerium des Innern und die Bundesregierung haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. 2 BvE 4/07 Vorlage 14/1888 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7359...............................11603 21 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht I Verfahren über den Antrag des Dr. Peter Gauweiler MdB im Organstreitverfahren festzustellen, dass das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 und die Begleitgesetze gegen das Grundgesetz verstoßen und deswegen nichtig sind, und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Antrag auf andere Abhilfe 2 BvE 2/08 II Verfassungsbeschwerde des Dr. Peter Gauweiler MdB gegen a) das Zustimmungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007, b) das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (BT-Drs. 16/8488), c) das Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (BT-Drs. 16/8489) und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Antrag auf andere Abhilfe 2 BvR 1010/08 III Verfassungsbeschwerde des Prof. Dr. Dr. Peter Buchner gegen das Zustimmungsgesetz zum EU-Reformvertrag vom 13. Dezember 2007 und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung 2 BvR 1022/08 Vorlage 14/1896 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7361...............................11603 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11462 22 Verfahren vor dem Bundesverfassungs gericht I Verfahren über den Antrag im Organstreitverfahren festzustellen, dass das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon (BT-Drs. 16/8300) den Deutschen Bundestag in seinen Rechten als legislatives Organ verletzt und deshalb unvereinbar mit dem Grundgesetz ist, und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung 2 BvE 5/08 II Verfassungsbeschwerde des Herrn Dr. Diether Dehm und weiterer Abgeordneter des Deutschen Bundestages gegen das Gesetz zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (BT-Drs. 16/8300), Zustimmungsgesetz zum Lissaboner Vertrag, und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung 2 BvR 1259/08 Vorlage 14/1937 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7362.............................. 11604 23 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde des Herrn S. gegen § 32 Abs. 5 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 25. November 2007 (GVBL S. 651) 1 BvR 1443/08 Vorlage 14/1914 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7363.............................. 11604 24 Verfahren vor dem Bundesverfassungs gericht Verfahren über den Antrag festzustellen, dass die Bundesregierung durch die Nichteinholung der Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Veräußerung Landtag Nordrhein-Westfalen der Anteile an der Aurelis Real Estate GmbH & Co. KG und der Aurelis Management GmbH die Rechte des Deutschen Bundestages aus Artikel 110 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 87e des Grundgesetzes verletzt hat 2 BvE 3/08 Vorlage 14/1932 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7364...............................11604 25 Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung der Stadt Aachen und neun weiterer Gemeinden und Kreise, das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land NordrheinWestfalen vom 19.06.2007, GVBl. 2007, S. 207, sowie GVBl. 2007 S. 237 (Berichtigung), verletzte die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung VerfGH 17/08 Vorlage 14/1925 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7365...............................11604 26 Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung der Stadt Ochtrup, § 24a Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes zur Landesentwicklung (Landesentwicklungsprogramm – LEPro), eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Landesentwicklungsplanung (Landesentwicklungsprogramm – LEPro) vom 19. Juni 2007 (GV. NRW S. 225), verletzte die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11463 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7366.............................. 11605 Ergebnis................................................. 11605 27 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 1. Quartal des Haushaltsjahres 2008 Antrag des Finanzministers gemäß Artikel 85 Abs. 2 der Landesverfassung Vorlage 14/1885 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 14/7367.............................. 11605 Ergebnis................................................. 11605 28 In den Ausschüssen erledigte Anträge Übersicht 14/39 Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse zu Drucksachen 14/2578 14/3643 14/4866 14/6008 14/6154 14/6340 14/6676 14/6696 14/6761 ÄA 14/6847 – – – – – – – – – – HFA AUNLV AGS AIWFT AUNLV AUNLV AGFI AGS AGS RA Drucksache 14/7368.............................. 11605 Ergebnis................................................. 11605 29 Beschlüsse zu Petitionen Übersicht 14/44...................................... 11605 Ergebnis................................................. 11605 VerfGH 18/08 Vorlage 14/1936 ***** Landtag Nordrhein-Westfalen Entschuldigt waren: Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers (ab 17:30 Uhr) Minister Armin Laschet (ab15:00 Uhr) Bodo Löttgen (CDU) (ab 17:30 Uhr) Ursula Monheim (CDU) Horst Westkämper (CDU) Ulrike Apel-Haefs (SPD) Dr. Fritz Behrens (SPD) (ab 18:00 Uhr) Anke Brunn (SPD) (ab 18:00 Uhr) Ingrid Hack (SPD) (ab 18:00 Uhr) Ralf Jäger (SPD) (ab 17:30 Uhr) Ursula Meurer (SPD) (ab 18:30 Uhr) Claudia Nell-Paul (SPD) (ab 18:00 Uhr) Norbert Römer (SPD) Dr. Karsten Rudolph (SPD) (ab 14:00 Uhr) Marlies Stotz (SPD) (ab 17:00 Uhr) Angela Tillmann (SPD) (ab 16:00 Uhr) Dr. Stefan Romberg (FDP) Ewald Groth (GRÜNE) 11464 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Landtag Nordrhein-Westfalen Beginn: 10:04 Uhr Präsidentin Regina van Dinther: Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 97. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien. Für die heutige Sitzung haben sich 17 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen. Wir haben ein Geburtstagskind. Frau Ulla Meurer von der SPD-Fraktion feiert heute ihren 53. Geburtstag. Herzliche Glückwünsche und alles Gute im Namen der Kolleginnen und Kollegen! (Allgemeiner Beifall) Wir treten in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein. Ich rufe auf: 1 Aktuelle Stunde Menschen beim Energiesparen unterstützen und Stromspartarife schnell einführen! Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7388 Die Fraktionen der SPD und der Grünen haben mit Schreiben vom 25. August 2008 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der aufgeführten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Leuchtenberg für die SPD-Fraktion das Wort. (Zuruf eines Mannes von der Tribüne: Kann es sein, dass die Regierung dieses Landes meine Familie tötet?) Präsidentin Regina van Dinther: Würden Sie bitte den Saal verlassen. (Fortgesetzter Zuruf von der Tribüne) Meine Damen und Herren, (Zuruf von der Tribüne: Wie kann das sein?) hier gilt eine Hausordnung, und Sie haben nicht das Wort. (Fortgesetzter Zuruf von der Tribüne) 11465 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Würden Sie bitte den Saal verlassen! Hier gilt eine Hausordnung, und hier berät das Parlament. – Herr Leuchtenberg, Sie haben das Wort. Uwe Leuchtenberg (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass die Energiepolitik auch an den Plenartagen heute und morgen breit diskutiert wird. Die Fraktion der Grünen hatte vorgeschlagen, in einer Aktuellen Stunde Sozialtarife zu diskutieren und im Landtag zu beraten, wie den Menschen in Nordrhein-Westfalen bei stark steigenden Energiepreisen geholfen werden kann. Ich bin den Kollegen von den Grünen dankbar, dass sie auf uns zugekommen sind, um diese Aktuelle Stunde gemeinsam zu beantragen. Das zeigt, dass in der Diskussion um Energiepreise, um eine langfristig sichere Energieversorgung und um die unabweisbaren Notwendigkeiten einer aktiven Klimaschutzpolitik ein gemeinsames Grundverständnis beider Fraktionen vorhanden ist. (Beifall von den GRÜNEN) Eine Diskussion um Sozialtarife werden wir jedoch nur sinnvoll führen können, wenn wir uns die Lage auf den Weltenergiemärkten noch einmal klarmachen. Die weltweiten Ölvorräte gehen zur Neige, auch wenn einige von Ihnen das trotz besseren Wissens leugnen. Die Zeiten des billigen Öls sind vorbei. Schon deshalb müssen wir uns auf langfristig hohe Preise einstellen. Schon deshalb ist es aus Vorsorgegründen klug, sich auf die heimischen Energiequellen zu konzentrieren. Unsere heimischen Energiequellen sind nicht Öl, Gas und Importkohle. Ich füge bewusst hinzu: Es ist auch nicht Uran, das zu 100 % importiert werden muss, um damit Atomkraftwerke in anderen Bundesländern zu betreiben. Unsere heimischen Energien sind Kohle und die erneuerbaren Energien. Bei der Entwicklung der Energiepreise stellen wir Folgendes fest: Wir werden uns auf langfristig hohe Energiepreise einstellen müssen. Der Markt allein ist nicht in der Lage, angemessene Preise für die Verbraucher zu garantieren. Der Wettbewerb funktioniert nicht ausreichend. Das zeigen uns die explodierenden Gewinne besonders der vier großen Energieunternehmen. Im Ergebnis bedeutet das: „Privat vor Staat“ ist keine Lösung für die drängenden Fragen des Klimaschutzes, der zur Neige gehenden Ressourcen und der steigenden Energiepreise. Sehr geehrte Damen und Herren, in der Enquetekommission, die sich in den vergangenen zwei Jahren um stark steigende Öl- und Gaspreise ge- Landtag Nordrhein-Westfalen kümmert hat, haben wir klar festgestellt, dass steigende Energiepreise besonders Familien und Rentnerhaushalte treffen. Zunehmend sind das jedoch nicht nur Haushalte mit geringem Einkommen, sondern auch Haushalte, die in ganz normalen Einkommensverhältnissen leben. Die Debatte um die Einführung von Sozialtarifen ist vielfältig. Es werden die verschiedensten Tarifmodelle diskutiert. Diese Debatte werden wir führen müssen, um die erforderliche Entlastung für diejenigen zu erreichen, die Strom und Heizung nicht mehr bezahlen können, und um auch zu einer Entlastung für diejenigen zu kommen, die durch die steigenden Preise nicht mehr in der Lage sind, andere, dringend notwendige Dinge zu finanzieren, zum Beispiel Bildung für ihre Kinder. Es ist gut, dass inzwischen zumindest einige in der Union anerkennen, dass hier Handlungsbedarf besteht und der Markt es nicht alleine regelt. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Eines sollte bei allen Überlegungen meines Erachtens klar sein: Wir werden nicht langfristig erfolgreich sein, wenn wir versuchen, einen unverändert hohen Energieverbrauch durch Transferleistungen tragbar zu machen. Es kommt vielmehr im ersten Schritt entscheidend darauf an, den Energieverbrauch selbst zu senken. Hier liegen die Potenziale, hier kann viel Geld gespart werden. Ein energieeffizienter Kühlschrank, eine sparsame Waschmaschine oder der Austausch einer energiefressenden Stromheizung können zwei Drittel des Stromverbrauchs einsparen. Durch Investitionen in Gebäudesanierungen können die Heizkosten halbiert werden. Dies ist gerade im Mietwohnungsbau und hier im Altbestand eine mehr als dringende Notwendigkeit. Hiermit erreichen wir ganz andere Größenordnungen als mit Zuschüssen, die einen hohen Energieverbrauch für die Menschen vorübergehend erträglicher machen. Auch das Geschwätz von Steuersenkungen führt nicht zum Ziel. Die zusätzlichen Gewinne kommen nämlich nicht beim Bürger an, sondern landen bei den Konzernen, wie ich es Ihnen in der letzten Plenarsitzung am Beispiel des Diesels bereits erklärt habe. Dass der Ersatz von stromfressenden Haushaltsgeräten durch Gewährung von Zuschüssen funktionieren kann, haben uns vor wenigen Jahren noch Städte und Stadtwerke gezeigt. Seitens vieler Stadtwerke wurden Programme mit dem Ziel aufgelegt, die Kundenbindung zu vergrößern. Die Stadtwerke haben ihren Kunden Zuschüsse zum Erwerb eines neuen energiesparenden Kühlschranks oder einer energiesparenden Wasch- 11466 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 maschine gezahlt. Dies konnten die Stadtwerke zu Zeiten der Gebietsmonopole tun. Dies können sie heute, unter den Bedingungen der liberalisierten Strommärkte, so nicht mehr leisten. (Ministerin Christa Thoben: Warum denn nicht?) Es ist ausgeschlossen, heute einen Zuschuss für einen Kühlschrank zu zahlen, wenn dieser Kühlschrank morgen mit gelbem Strom betrieben wird. Hier müssen wir einspringen, hier müssen wir helfen. Deshalb ist klar: Wir sehen, dass viele Menschen aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage sind, Energiefresser durch energiesparende Geräte der höchsten Effizienz auszutauschen oder ihre Gebäude energetisch zu sanieren. Wir brauchen deshalb heute Fördermöglichkeiten, damit die Effizienzrevolution auch in den Wohnungen derjenigen ankommen kann, die besonders unter stark steigenden Energiepreisen leiden. Hier sehen wir Handlungsbedarf. Deswegen setzen wir verstärkt darauf, die Menschen bei stark steigenden Energiepreisen beim Energiesparen auch finanziell zu unterstützen. Zuschüsse für energieeffiziente Kühlschränke und Waschmaschinen helfen langfristig am besten gegen steigende Energiepreise. Hier ist die soziale Marktwirtschaft gefordert. Die freien Kräfte des Marktes allein werden dies nicht lösen können. – Danke schön. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Leuchtenberg. – Für die Fraktion der CDU spricht nun Herr Weisbrich. Christian Weisbrich (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Mitbürger leiden unter steigenden Energiepreisen. Ich teile Ihre Sorgen. Ich verstehe Ihre Empörung über die nassforsche Pullover-Empfehlung von Thilo Sarrazin, seines Zeichens Finanzsenator der SPD in Berlin. Meine Damen und Herren, so wie dieser Sozialdemokrat darf man mit den Sorgen und Nöten der Menschen nicht umgehen. (Beifall von CDU und FDP) Was man als Politiker aber auch nicht darf, ist, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. (Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]) – Die Forderung von Sozialtarifen, verehrte Frau Kollegin Löhrmann, ist nichts anderes als das Surfen auf einer Populismuswoge. Landtag Nordrhein-Westfalen (Beifall von der CDU) Sozialtarife ersetzen keine solide Problemlösung. Der Bundesverbraucherminister – den werden Sie mir sicherlich vorhalten – hat für seinen Populismus sein Fett von der eigenen Partei, von der CSU, abbekommen. Ich kann mich deshalb umso liebevoller den rot-grünen Energiepreistreibern in diesem Hause zuwenden, die plötzlich „Haltet den Dieb!“ schreien. Meine Damen und Herren, in dem vorliegenden Antrag stellen Sie zu Recht fest, dass explodierende Energiepreise immer mehr Haushalte finanziell überfordern. Doch Ihren eigenen Beitrag zur Preisexplosion verschweigen Sie ganz schamhaft. Rot-Grün wollte die Belastbarkeit von Wirtschaft und Verbrauchern testen. Sie haben in der Zeit von 1998 bis 2004 die Steuern und Abgaben auf Strom aus meiner Sicht hemmungslos erhöht. Meine Damen und Herren, die staatlichen Zusatzlasten auf den Strompreis sind in diesem Zeitraum der rot-grünen Koalition auf Bundesebene von 2,3 auf 11,8 Milliarden € oder mehr als 500 % angestiegen. Wollen Sie jetzt, wo für die Bürger die Schmerzgrenze erreicht ist, das eigene Unrecht mit Steuernachlässen korrigieren? Nein, Sie fordern von den Unternehmen Sozialtarife. Dabei sind die Kosten für Stromerzeugung – das ist hoch interessant –, Transport und Vertrieb, der Unternehmensanteil also, von 1998 bis 2005, bis die Einpreisung des Zertifikatehandels kam, um 12 % gesunken. Der Unternehmensanteil am Strompreis ist um 12 % gesunken. Was dagegen explodiert ist, ist der von Ihnen verursachte staatliche Kostenanteil. (Beifall von CDU und FDP) Vor diesem Hintergrund wäre eine Streichung der Ökosteuer, eventuell verbunden mit einer Senkung der Mehrwertsteuer – wie man das von Ihnen auch schon hin und wieder hört – auf Haushaltsstrom, aus Sicht der Verbraucher viel rascher und nachhaltiger wirksam als jeder Sozialtarif mit einer Freiverbrauchsmenge von – das habe ich bisher von Ihnen so gehört – 250 bis 500 Kilowattstunden pro Jahr. Das wären einmal gerade 50 € bis 100 € pro Jahr. Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, Sie unterschlagen die Wahrheit aber nicht nur an dieser Stelle. Sie tun so, als könnten nur mit einem Sozialtarif für Strom sämtliche Energieprobleme der Bezieher niedriger Einkommen gelöst werden. Das – das wissen Sie selbst – ist Unsinn. 11467 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Sie wissen genau, dass 90 % des Energiebedarfs in privaten Haushalten auf Raumheizung und Warmwasserbereitung entfallen. Dafür werden bekanntermaßen Öl, Gas, Kohle oder Holz eingesetzt, kaum aber Strom. Und die Betreiber von Nachtstromspeicherheizungen, die Strom dennoch einsetzen, sind schon gar nicht die Bezieher niedrigster Einkommen. Damit hat Ihr dramatisches Bild von Eisblumen an den Fenstern und von vor Kälte zitternden Kindern nichts, aber auch gar nichts mit Stromtarifen zu tun. Wir als CDU – und auch die FDP, denke ich – fordern selbst eine Ausweitung der Energieberatung. Wir fordern selbst den beschleunigten Einsatz energiesparender Haushaltsgeräte. Aber wir sagen: Finger weg von staatlichen Kalkulationsvorschriften zulasten privater Unternehmen oder zulasten einzelner Kundengruppen! (Beifall von Holger Ellerbrock [FDP]) Die Verwirklichung sozialer Ziele ist nicht Aufgabe der Energiepolitik. (Christian Lindner [FDP]: Richtig!) Die Verwirklichung sozialer Ziele ist Aufgabe der Sozialpolitik. Der Markt als Institution kann soziale Aspekte nicht berücksichtigen. Da sind wir völlig einig. Deshalb werden im Ordnungsrahmen der sozialen Marktwirtschaft den Empfängern von Transferleistungen die Kosten für Unterkunft und Heizung in angemessener Höhe vollumfänglich vom Staat erstattet, und die Kosten für Strom und Warmwasserbereitung sind im Regelsatz enthalten. Deshalb brauchen die Menschen mit dem niedrigsten Einkommen keine Sozialtarife. Was sie brauchen, ist eine zeitnahe und sachgerechte Anhebung der Regelsätze. Darüber kann man diskutieren, aber nicht über die Tarifpolitik. Menschen mit selbst verdientem niedrigem Einkommen, also eine noch sehr viel größere Anzahl, brauchen ebenfalls keine Sozialtarife, sondern eine Anpassung des Wohngelds. Bereits im März 2008 hat der Bundestag die Erhöhung des Wohngeldes zum 1. Januar 2009 um nahezu 70 % beschlossen, hat also diesen Ansatz aufgenommen. Meine Damen und Herren, wenn Sie mir nicht glauben, zum Kronzeugen für diese Einschätzung möchte ich Christian Uhde, den sozialdemokratischen Oberbürgermeister und Präsidenten des Deutschen Städtetages aufrufen. Herr Uhde, OB von München, hat am 20. Juli 2008 eindringlich vor Sozialtarifen und dem damit verbundenen bürokratischen Aufwand gewarnt. Er sagt: Entweder müssten die Sozialverwaltungen ihre Erkenntnis- Landtag Nordrhein-Westfalen se dem Energieversorger übermitteln, oder aber die Energieversorger müssten selbst jeweils eine Art Sozialamt für die Prüfung der Bedürftigkeit einrichten. Beides sei nicht nur aus Datenschutzgründen hoch problematisch. Er sagt dann weiter: Die Frage, warum andere Produkte wie Benzin oder Lebensmittel nicht ebenfalls sozial gestaffelt werden sollten, sei nicht plausibel zu beantworten. Und wenn die Entlastung der Stromkunden durch Preisnachlässe bei einem bestimmten Stromkontingent pro Haushalt erreicht werden solle, dann stelle sich die Frage nach der weit überwiegenden Zahl der unerwünschten Mitnahmeeffekte. Es bestehe – so Uhde – die realistische Gefahr, dass eine alleinerziehende Mutter mit drei Kindern voll in die Progression gerate, während ein Spitzenverdiener mit Singlehaushalt vielleicht mit dem verbilligten Kontingent auskomme. Uhde appelliert deshalb an den Bundesgesetzgeber, marktwirtschaftkonform zu agieren und Versuche staatlicher Preisregulierung in Detailbereichen zu unterlassen. In der Praxis werde sich sehr bald erweisen, dass insbesondere ausländische Großunternehmen keine nationalen Preisvorschriften akzeptierten und dass sich der Erwartungsdruck auf soziale Ermäßigungen allein auf die kommunalen Unternehmen konzentrieren werde, was für diese ein gewichtiger Wettbewerbsnachteil wäre. Meine Damen und Herren, zu dieser scharfsichtigen Argumentation kann man Herrn Uhde nur gratulieren. Gleichzeitig muss man ihn auch beglückwünschen, dass er nicht Mitglied der SPD in Nordrhein-Westfalen ist. Denn sonst liefe er Gefahr, für seine klare Aussage aus der Partei ausgeschlossen zu werden – so wie Wolfgang Clement. (Svenja Schulze [SPD]: Das ist doch Unsinn!) Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von CDU und FDP) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Kollege Weisbrich. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Priggen. Reiner Priggen (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Weisbrich – ganz ehrlich gesagt, Sie haben völlig am Thema vorbei geredet. (Beifall von GRÜNEN und SPD) 11468 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Ich weiß, dass das Thema etwas komplexer ist – nach dem, was Seehofer gesagt hat, und nach dem, was der SPD-Kollege gesagt hat. Es geht nicht um Sozialtarife. Da würde ich Ihnen ja zustimmen. Horst Seehofer hat Energiespartarife vorgeschlagen. Das ist etwas grundsätzlich anderes, um es ganz klar zu sagen. Energiespartarife sind eine Umstrukturierung der Stromtarife, wobei keiner sagen muss „Ich bin arm, ich bin bedürftig“, sondern sie gelten für alle. Es ist ganz wichtig, in der Diskussion festzuhalten, dass nicht nur diejenigen, die staatliche Transferleistungen erhalten, davon betroffen sind, sondern auch alle diejenigen, die nicht viel Geld verdienen. Erstens. Zur grundsätzlichen Umstrukturierung ist der Vorschlag von Seehofer vernünftig, die Grundgebühr wegfallen zu lassen, die eine Belohnung für Energieverbrauch ist, und einen Eingangsbereich pro Kopf festzusetzen, in dem der Strom nicht umsonst gegeben wird, aber günstiger ist. Bei Mehrverbräuchen. wird dementsprechend höher bezahlt. Dies berücksichtigt genau die soziale Komponente: Eine Familie mit drei Kindern – Horst Seehofer spricht von 500 kw/h pro Person – bekommt für fünf Personen fünfmal den Betrag. Davon reden Sie gar nicht. Sie reden nur von Sozialtarifen, aber überhaupt nicht über die Baustelle, um die es hier geht. (Beifall von den GRÜNEN) Zweitens. Für mich ist Folgendes erstaunlich – man verfolgt ja sorgfältig, wie Sie arbeiten –: In der Woche, in der wir mit dem Wirtschaftsausschuss unterwegs waren, haben Sie zum 50jährigen Jubiläum der Verbraucherzentrale eine Pressemitteilung abgesetzt. Am 14. August äußerte sich die CDU zu Tarifen wie folgt: Die CDU-Landtagsfraktion wird die Situation der Bezieher geringer und mittlerer Einkommen nicht aus den Augen verlieren. Dazu sollten die Stromanbieter neue Tarife entwickeln, die Stromsparen nicht durch eine hohe Grundgebühr bestrafen, sondern durch einen linearen oder progressiven Verlauf begünstigen. Wenn das keine Energiespartarife sind! (Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) – Das ist Ihre Aussage. Jetzt kann man sich hier doch nicht hinstellen und nun, wenn wir dieses Thema aufgreifen … (Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) Landtag Nordrhein-Westfalen 11469 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 – Entschuldigen Sie bitte, die Aktuelle Stunde ist auf der Grundlage von Horst Seehofers richtigem Vorstoß zu Energiespartarifen beantragt worden. Ihre Aussage – ich will gar nicht unvollständig zitieren – geht folgendermaßen weiter: steuer vor fünf Jahren zum letzten Mal erhöht worden ist. Die entscheidenden, dramatischen Preissprünge sind jetzt gekommen. Staatlich subventionierte Sozialtarife lehnt die CDU-Landtagsfraktion ab. Wenn irgendetwas in der letzten Zeit gewirkt hat, dann war es die Mehrwertsteuererhöhung um 3 %, die Ihre Partei im Bund zusammen mit den sozialdemokratischen Kollegen beschlossen hat. Damit gehe ich d’accord; das ist doch gar nicht das Problem. (Zuruf von Christian Weisbrich [CDU] – Gegenruf von Horst Becker [GRÜNE]: Das müssen Sie mal lesen! Lesen bildet!) Wir reden über Seehofers Vorstoß. Nichts anderes haben die sozialdemokratischen Kollegen auch getan. Herr Kollege Weisbrich, in der letzten Woche gab die CDU eine Pressemitteilung heraus, in der sie genau das inhaltlich fordert, was wir aufgreifen und was Horst Seehofer aufgegriffen hat. Hier aber erzählen Sie in Ihrer langatmigen Art ganz viele Dinge – zu der Steuerproblematik werde ich gleich noch kommen –, reden aber an dem vorbei, was Sie in der letzten Woche veröffentlicht haben. Das ist doch unglaubwürdig. (Beifall von den GRÜNEN) Mich stört an dem, was Sie machen, Folgendes: Ich habe die CDU-Pressemitteilung gelesen und gedacht, Donnerwetter, da bewegt sich etwas. Mich stört aber der Appell an die Unternehmen. Dazu sage ich Ihnen: Wir Politiker dürfen uns nicht darauf beschränken, nur an die Unternehmen zu appellieren. Ich habe nichts gegen einen Appell. Aber die Antwort von RWE ist ja postwendend gekommen, und wie nicht anders zu erwarten, lehnt RWE das alles ab. Die Frage ist, wie wir als Politik damit umgehen, dass tatsächlich eine schwierige Situation für die Bezieher mittlerer und niedriger Einkommen auftritt, weil – damit haben Sie völlig Recht – die Strom-, die Gas- und die Ölpreise auf breiter Front steigen. Der Ministerpräsident hat – aus meiner Sicht nicht ohne Grund – von Rezession gesprochen. Davon ist Strom nur ein Teil; da gebe ich Ihnen Recht. Aber man kann doch nicht mit der Aussage, Strom sei nur ein Teil, Gas und Öl seien auch problematisch, die Diskussion über den Stromteil als Unfug bezeichnen. Natürlich müssen wir auch über die anderen Sachen reden; dies tun wir auch. Aber diese Debatte hier ist ebenfalls richtig. Aus meiner Sicht ist ebenfalls völlig falsch, dass Sie Rot-Grün Preistreiberei in der Vergangenheit vorwerfen. Sie wissen ganz genau, dass die Öko- (Beifall von den GRÜNEN) (Zuruf von Christian Weisbrich [CDU] – Gegenruf von Horst Becker [GRÜNE]: Wir waren doch nicht dabei!) – Herr Weisbrich, Sie haben es eben so leichtfertig abgetan. Was mich daran stört, ist: Wir alle wissen, dass der Staat Steuereinnahmen braucht, um viele Aufgaben zu erfüllen. Wir alle wissen, dass weder Sie noch die roten Kollegen noch wir, wenn wir in der Bundesregierung wären und eine Mehrheit hätten, tatsächlich in der Lage wären, zum Beispiel die Ökosteuer in ihrer alten Wirkung – 20 Milliarden € Einnahmen für die Rentenkassen – einfach irgendwie zu ersetzen. Insofern ist es ein Stück weit Heuchelei. (Beifall von den GRÜNEN) Dass Guido Westerwille das ständig macht, leuchtet mir ja ein; von ihm erwarte ich nichts anderes. Aber man muss ein bisschen seriöser damit umgehen, gerade wenn man selbst in der Bundesregierung ist. Sie wissen auch, dass Frau Merkel und die Kollegen nicht den Raum haben, um bei den Energiesteuern maßgeblich herunterzugehen. (Christian Weisbrich [CDU]: Erst die Preise in den Himmel jagen und dann Sozialtarife fordern!) – Herr Weisbrich, reden Sie sich doch nicht heraus! Sie sind Profi genug und wissen, dass die CDU in der Regierung auch nicht den Raum hat, um die Energiesteuern drastisch zu senken. Wir können mit Geld vernünftiger umgehen und gucken, ob wir Tarifstrukturen schaffen können, die sparsamen Verbrauch, aber nicht Verschwendung belohnen. Über diesen Punkt reden wir hier. In dieser Sache war Ihr Beitrag überhaupt nicht hilfreich. Vieles von dem, was Sie gesagt haben, war rein populistisch. Die Frage ist, ob das, was Sie in der letzten Woche in der Presse gesagt haben, einen Kern von Substanz hat. Ansonsten müssten Sie sagen: Die Presseerklärung war ein Ausrutscher, wir haben das alles nicht gemeint. Oder Sie gestehen ein, dass Sie Politik nicht handelnd gestalten wollen. (Christian Weisbrich [CDU]: Die Unternehmen machen das alles freiwillig!) Landtag Nordrhein-Westfalen – Die Unternehmen machen das nicht freiwillig, das wissen wir doch ganz genau. Wir wissen auch, dass die Tarifstrukturen und die Grundgebühren so, wie sie jetzt sind, nicht gottgegeben sind. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Marsmännchen von Weisbrich!) Letzter Satz: Die Tarifstrukturen sind nicht gottgegeben, sondern über das Energiewirtschaftsgesetz vorgegeben. Natürlich sind wir frei und eigentlich auch verpflichtet, über diese Strukturen zu diskutieren. Ich fand den Vorstoß von Horst Seehofer richtig. Wir greifen nicht dergestalt in die Preisgestaltung ein, dass wir den Unternehmen die Preise in Cent pro Kilowatt vorschreiben. Das sollten wir auch nicht tun. Aber wir sollten ein Tarifsystem einführen, in dem in bestimmten Klassifizierungen Tarifstrukturen vorgegeben werden, auf deren Grundlage die Unternehmen dann ihren Wettbewerb machen können. Das ist ein Stück weit unsere sozialpolitische Verantwortung. Das haben die sozialdemokratischen Kollegen begrüßt, die CSU trägt es jedenfalls in Gestalt ihrer prominenten Vertreter mit. Es ist schade, dass die CDU an dieser Stelle ihren eigenen Pressemitteilungen nicht folgt. – Herzlichen Dank. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Priggen. – Für die FDP spricht nun Herr Brockes. *) Dietmar Brockes (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Forderung der Opposition fällt wieder einmal in die Kategorie hinein – das haben wir hier schon häufiger erlebt –: Problem erkannt, Lösungsansatz jedoch völlig ungeeignet, ja sogar für Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft gefährlich. SPD und Grüne benehmen sich dabei bildlich wie ein Arzt, der mit einer großen schmerzstillenden Spritze kommt, aber die Ursachen für die Schmerzen weder untersucht noch erkannt hat und durch die Medikamente sogar noch schlimmere Symptome hervorruft. Mit anderen Worten: Zu einem maßgeblichen Teil ist Ihre verfehlte Energiepolitik für die Strompreisentwicklungen der vergangenen Jahre verantwortlich, meine Damen und Herren von SPD und Grünen. Natürlich sind auch die Rohstoffpreise in den vergangenen Jahren gestiegen. Das bestreitet niemand. Aber der Strompreis besteht inzwischen zu 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11470 über 40 % aus Steuern und Abgaben. Seit 1998 hat sich der Staatsanteil auf inzwischen 13 Milliarden € versechsfacht. Das ist Ihre Politik, das ist Ihre verfehlte rot-grüne Politik. (Widerspruch von Sören Link [SPD]) Es ist geradezu schizophren, welches Spiel Sie hier treiben. Auf der einen Seite fordern Sie gebetsmühlenartig und an Populismus nicht mehr zu überbieten, es müssten Spartarife oder Sozialtarife, wie auch immer Sie es nennen mögen, eingeführt werden. Auf der anderen Seite setzen Sie durch Ihre Politik den Kurs der Preissteigerungen unverändert fort. Ich möchte dies mit drei Beispielen konkretisieren: Als Erstes nenne ich die Vollauktionierung der CO2-Zertifikate, die laut Schätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages den Strompreis mit etwa 10 Milliarden € belasten wird. Was meinen Sie denn, wer das am Ende zahlt? Das wird natürlich 1:1 auf den Strompreis aufgeschlagen. Dazu will ich hier aber nicht noch tiefer ausführen, denn schließlich steht dieses Thema morgen auf der Agenda. Ich sage nur eines: Über eine Vollauktionierung würde sich niemand in diesem Lande freuen, außer Peer Steinbrück. (Beifall von der FDP) Zweitens. Die übertriebenen Subventionen für erneuerbare Energien, insbesondere der Wind- und Fotovoltaikindustrie, verursachen nicht nur enorme Kosten für den Verbraucher über das umlagefinanzierte Erneuerbare-Energien-Gesetz, sondern erfordern auch eine Vervierfachung der Reserveleistung konventioneller Kraftwerke bis 2020. Das ist übrigens eine Schätzung der Deutschen Energieagentur, wo ja auch Herr Minister Gabriel im Aufsichtsrat sitzt. Das heißt also, Sie wollen den Ausbau von nicht grundlastfähiger Energiegewinnung durch Sonne und Wind extrem forcieren, stellen sich aber jeder konventionellen Grundlastsicherung aus Kohle und Kernenergie grundsätzlich ablehnend gegenüber. (Svenja Schulze [SPD]: Sie sind echt bildungsresistent!) Damit komme ich zum dritten Punkt, dem gleichzeitigen Ausstieg aus der CO2-freien Kernenergie und dem Kohlestrom. Frau Ypsilanti lässt grüßen. Damit verfolgen Sie eine völlig utopische und noch dazu gefährliche und klimaschädliche Vision. Ein Ausstieg aus der klimafreundlichen Kernenergie bei gleichzeitiger Abschaltung der Kohlekraftwerke würde uns entweder hoffnungslos abhängig von Importen machen oder unseren Industriestandort empfindlich gefährden. Landtag Nordrhein-Westfalen (Beifall von der FDP) Meine Damen und Herren, die Vision der Opposition, diese Stromlücke mit erneuerbaren Energien zu decken, ist unrealistisch. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut hat errechnet, dass wir auf eine Stromlücke von 15,5 % des Gesamtbedarfs im Jahr 2020 zulaufen würden. Dabei wurden der massive Ausbau der regenerativen Energien sowie eine deutlich höhere Energieeffizienz schon mit eingerechnet. Wir brauchen also dringend neue hocheffiziente Kohlekraftwerke mit CO2-Abscheidung und eine Verlängerung der Laufzeiten für die CO2-freien Kernkraftwerke. Jedes neue hocheffiziente Kohlekraftwerk spart ein Viertel des CO2-Ausstoßes eines alten Kohlemeilers ein. Mit der Erneuerung unseres Kraftwerkparks können wir die wichtigen Ziele, nämlich Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Klimaschutz, gleichzeitig erreichen. Meine Damen und Herren, die Blockadehaltung, die gerade vor Ort vor allem von den Grünen bestärkt wird, führt uns geradezu in diese Stromlücke hinein, die laut Berechnungen der Deutschen Energieagentur zu weiteren massiven Preissteigerungen für die Verbraucher führen wird. Importstrom ist nun einmal teuer. Im Übrigen ist es doch geradezu grotesk, dass wir unsere sicheren Reaktoren in Deutschland abschalten und dann Strom aus Kernenergie aus Frankreich oder gar aus Osteuropa zu horrenden Preisen zukaufen müssen. (Beifall von der FDP) Und nun fordern Sie, um diese selbstverursachten Preistreibereien zu vernebeln, einen vorgeschriebenen Stromtarif, den Sie medienwirksam Spartarif nennen. Das ist nichts anderes als die planwirtschaftliche Festlegung des Strompreises. (Lachen von Svenja Schulze [SPD]) Funktionieren soll das Ganze über ein weiteres Umlagesystem à la EEG. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie haben überhaupt nicht zugehört!) Ich sage Ihnen ganz deutlich: Was wir nicht brauchen, sind weitere bürokratische Monster und Umverteilungsmaschinerien, die am Ende Strom unbezahlbar machen, Frau Löhrmann. (Beifall von der FDP) Ein Spartarif, wie Sie ihn hier vorschlagen, ist noch dazu in höchstem Maße unsozial. 11471 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Weil die Besserverdienenden nicht davon profitieren?) Ein hoher Energieverbrauch geht in der Regel nicht mit einem hohen Einkommen einher. Das Gegenteil ist der Fall! Familien mit Kindern, sozial Schwächere und Rentner haben eben nicht das Geld, sich die verbrauchsärmsten Geräte sofort anzuschaffen. (Zuruf von der SPD: Sie haben überhaupt nicht zugehört!) Gerade diese durch eine Umlage für den höheren Verbrauch noch zusätzlich zu bestrafen, ist in höchstem Maße sozial ungerecht und kann doch nicht ernsthaft Ihr Ziel sein. (Beifall von der FDP – Thomas Eiskirch [SPD]: Unglaublich!) Interessant wäre auch, wer den Tarif festlegen soll. Vielleicht Herr Gabriel? Das wird ja heiter, meine Damen und Herren. Wir dagegen wollen die Ursachen an den Wurzeln des Übels bekämpfen und nicht wie Rot-Grün an den selbstverursachten Symptomen herumdoktern. Wir brauchen ein langfristig tragfähiges Konzept, das in seiner Abwägung die drei Aspekte Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Umweltverträglichkeit vereint. Das erfordert, dass wir langfristig zu einem ausgewogenen Energiemix kommen, der zusätzlich zu den oben beschriebenen Zielen auch einseitige Abhängigkeiten vermindert. Darin müssen Kohle, Kernenergie und erneuerbare Energien eine angemessene Anwendung finden. Auch wir wollen die Energieversorger ermuntern, mit neuen flexiblen Preisgestaltungen ein Mehr an Wettbewerb zu schaffen. Der Verbraucher muss ermutigt werden, sich für den für ihn persönlich günstigsten Anbieter zu entscheiden und dann auch zu wechseln. Meine Damen und Herren, wir brauchen ein Mehr an Wettbewerb. Das würde den Familien und Mittelständlern deutlich mehr bringen als staatliche Gängelung, Bürokratie und planwirtschaftliche Vorschriften, wie die Opposition es will. Neue Technologien wie ein intelligenter Stromzähler können dabei eine entscheidende Rolle spielen. Der Verbraucher muss in die Lage versetzt werden, seinen individuellen Stromverbrauch exakt nachzuvollziehen und somit ineffiziente Geräte zu identifizieren. Die Energieversorger können hierbei noch so einige kreative Ideen einbringen und damit für mehr Transparenz sorgen – Vielen Dank, meine Damen und Herren. Landtag Nordrhein-Westfalen (Beifall von FDP und CDU) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Brockes. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Thoben. Christa Thoben, Ministerin für Wirtschaft, Mittelstand und Energie: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat wieder einmal die Stromspartarife auf die Tagesordnung gesetzt. Diese Thematik war bekanntlich bereits Gegenstand der letzten Plenarwoche im Juni. Dort wurde der Antrag „Soziale Folgen explodierender Energiepreise – Politik muss reagieren“ beraten. (Reiner Priggen [GRÜNE]: Guter Antrag!) Dieser Antrag ist an die Ausschüsse überwiesen worden. Die Antragsteller streben eine Expertenanhörung in diesem Hause an. Das ist vernünftig. Offenbar reicht dieser normale Gang der Dinge den Antragstellern, zu denen sich jetzt auch die Fraktion der SPD gesellt hat, aber nicht mehr. Beide Fraktionen knüpfen an Äußerungen an, durch die sie sich in etwas bestätigt fühlen, was sie immer schon vertreten haben. Was hat Minister Seehofer denn wirklich gesagt? – Sein Haus prüft die Einführung eines einheitlichen Stromspartarifs. Prüfung bedeutet, dass eine Entscheidung ja wohl noch nicht gefallen sein kann. Außerdem – das ist ganz wichtig – werden diese Regelungen gemäß § 39 des Energiewirtschaftsgesetzes auf Bundesebene getroffen. Das dürften Sie wissen, Herr Priggen. Ich warte auf entsprechende Anträge Ihrer Fraktion im Bund. Die Position der Landesregierung fasse ich noch einmal zusammen: Sozial- oder Stromspartarife entsprechen nicht der Kostenverursachungsgerechtigkeit. Sie stellen insofern eine Subventionierung dar. Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, die bei einem Teil der Stromkunden bestehenden finanziellen Probleme der Gesamtheit der Stromverbraucher zuzurechnen. Diese hat weder mit der finanziellen Lage noch mit dem Verbrauchsverhalten der sozial bedürftigen Stromkunden etwas zu tun. Den vorgeschlagenen Sozialtarifen fehlt die notwendige Zielgenauigkeit. Ein niedriges Einkommen bedeutet weder automatisch einen niedrigen Energieverbrauch, noch gilt das Umgekehrte. Der gut verdienende Single-Haushalt profitiert unter Umständen stärker von einem staatlich reglementierten Grundtarif als ein einkommensschwacher Haushalt mit mehreren Personen. 11472 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Eine staatlich geregelte flächendeckende Einführung von Stromspartarifen mit verbilligtem oder gar kostenlosem Grundverbrauch müsste dann ja wohl wettbewerbsneutral erfolgen. Andernfalls würde die Belastung der jeweiligen Stromversorger durch die neuen Tarife je nach Sozialstruktur der Abnehmer höchst unterschiedlich sein. Somit müsste ein neues Umlagesystem geschaffen werden, um die Wettbewerbsneutralität zu sichern. Dies widerspricht dem Gedanken des Bürokratieabbaus, den die Landesregierung konsequent vertritt. Herr Leuchtenberg, Sie habe ich überhaupt nicht verstanden. Wollen Sie den Verbrauchern nun auch noch den Wechsel des Anbieters verbieten und zu alten Gebietsmonopolen zurückkehren? Sonst ergibt Ihre Argumentation ja überhaupt keinen Sinn. (Uwe Leuchtenberg [SPD]: Dann haben Sie nicht richtig zugehört! Zuhören!) – Ich habe zugehört. Das war aber ein Durcheinander. Sehen Sie sich das bitte selber noch einmal an. Ich betone nochmals ausdrücklich: Die Landesregierung nimmt die Auswirkungen steigender Energiepreise auf die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten ernst. Dies gilt im Übrigen natürlich auch für die Auswirkungen auf die Wirtschaft insgesamt. Die Stromanbieter zu einem verbilligten Sozialtarif zu verpflichten, weil aktuell die Strompreise stark steigen, klingt beim ersten Hören gut. Aber wo fängt man bei der Schaffung solcher Subventionssysteme an, und wo hört man auf? Mit ähnlicher Begründung könnte letztlich auch der Bäcker zur Abgabe verbilligter Brötchen an Bedürftige gezwungen werden oder könnte von Vermietern ein Mietverzicht gegenüber Bedürftigen verlangt werden. Die Liste ist beliebig verlängerbar. (Beifall von CDU und FDP) Das Niveau der Debatte nähert sich immer stärker dem Satz – viele von Ihnen erinnern sich vielleicht –, den man früher häufig in Wahlkämpfen auf Plakaten lesen konnte: Preise runter, Löhne rauf. – Ich will hier nicht erwähnen, wer damals so geworben hat. Die finanzielle Sicherung der Energieversorgung, insbesondere was Heizkosten angeht, ist durch das bewährte System staatlicher Transferleistungen zu regeln. Diese sind gegebenenfalls an steigende Bedarfe anzupassen. Dies allein ist der ordnungspolitisch und marktwirtschaftlich korrekte Weg. Die Energieversorger, die staatlicherseits in einen Wettbewerb gestellt werden, dürfen nicht Landtag Nordrhein-Westfalen auf der anderen Seite zu Trägern der Sozialleistungen gemacht werden. (Beifall von Christian Weisbrich [CDU] und Dietmar Brockes [FDP]) Die Antragsteller versuchen, das Papier der CDULandtagsfraktion „Sicherheit für NordrheinWestfalen durch einen starken und unabhängigen Verbraucherschutz“ als Beweis für ihre Sicht der Dinge in die Debatte einzustellen. Was steht denn in diesem Papier? Ich zitiere: Die CDU-Landtagsfraktion wird die Situation der Bezieher geringer und mittlerer Einkommen nicht aus den Augen verlieren. Dazu sollten die Stromanbieter neue Tarife entwickeln, die Stromsparen nicht durch eine hohe Grundgebühr „bestrafen“, sondern durch einen linearen oder progressiven Verlauf begünstigen. (Reiner Priggen [GRÜNE]: Guter Satz!) Staatlich subventionierte Sozialtarife lehnt die CDU-Landtagsfraktion ab. Herr Priggen, in der Antwort auf eine Kleine Anfrage Ihrer Fraktion hat die Landesregierung zum selben Sachverhalt am 21. April 2008 Folgendes ausgeführt – ich zitiere –: Aus Kommunen sind Vereinbarungen über Verfahren bei Energiekostenrückständen zur Vermeidung von Energiesperrungen bekannt, die die Sozialversicherungsträger zur Übernahme ausstehender Zahlungen verpflichten. Positiv zu werten sind auch Initiativen, sozial bedürftige Haushalte durch Energiespar- und Schuldnerberatungen zu unterstützen. Diese Bemühungen könnten durch eine stärkere Linearisierung der Tarife flankiert werden. Das wissen Sie von dieser Landesregierung schon seit April. Ich sehe also keinen Widerspruch zur Position der Landesregierung. Selbstverständlich begrüßt die Landesregierung freiwillige Bemühungen von Energieversorgern, durch linearisierte Tarife und Energiesparberatungen die Belastungen einkommensschwacher Bevölkerungsschichten zu reduzieren und gleichzeitig zum sparsamen Umgang mit Energie zu motivieren. In diesem Sinne wird auch im Positionspapier der CDU-Landtagsfraktion eine entsprechende Aufforderung an die Stromanbieter formuliert. Die Landesregierung steht für eine klare Verteilung der Zuständigkeiten und der Verantwortung. Die Position von Bündnis 90/Die Grünen und SPD wird durch die ständige Einbettung in immer neue 11473 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Anträge nicht richtiger. Wir scheuen nicht die politische Auseinandersetzung über diese Thematik, weil wir überzeugt sind, die besseren Argumente zu haben. Allerdings sollten die Antragsteller auch zur Kenntnis nehmen, dass es sich um ein bundespolitisch angesiedeltes Problem handelt. Ich habe Ihnen den entsprechenden Paragrafen des Energiewirtschaftsgesetzes genannt. An dieser Stelle sollten die Antragsteller von Bündnis 90/Die Grünen die Diskussion in ihren eigenen Reihen führen. Vor zwei Monaten hatte ich in diesem Zusammenhang die Grünen im Deutschen Bundestag mit folgenden Worten zitiert: Sozialtarife für Strom und Gas sind hingegen kein probates Mittel gegen Energiearmut. Sozialtarife stempeln die Betroffenen zu Kunden zweiter Klasse ab und lassen andere Kostenbelastungen, unter denen einkommensschwache Haushalte leiden, wie zum Beispiel steigende Lebensmittelpreise, unberücksichtigt. Diese Aussage ist nach wie vor richtig. – Ich freue mich auf die Expertenanhörung zu diesem Thema. (Beifall von CDU und FDP) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Thoben. – Für die SPD spricht nun Herr Kollege Eiskirch. Thomas Eiskirch (SPD): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn vielleicht doch noch einmal ein/zwei Klarstellungen: Kollege Weisbrich, seien Sie doch stolz darauf, dass Sie für etwas die Urheberschaft haben. Es waren CDU und FDP, die in ihrem Bericht der Enquetekommission formuliert haben: „Ziehen Sie doch Pullover an“, „Drehen Sie die Heizung ein bisschen herunter“. – Stehen Sie doch dazu, wenn das Ihre Ausführungen und Ihre Meinung waren und sind, statt zu versuchen, das anderen in die Schuhe zu schieben. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Kollege Weisbrich, meine zweite Klarstellung: Wenn Sie vom Staatsanteil bei den Stromkosten sprechen, habe ich Verständnis dafür, dass Sie persönlich Vergleiche aus grauer Ur- und Vorzeit heranziehen möchten. Aber realistisch ist ein Vergleich mit 1998 nicht mehr. Wer sich den überschaubaren Zeitraum 2002 bis 2007 anschaut, in dem diese Preisexplosionen Landtag Nordrhein-Westfalen stattgefunden haben, erkennt, dass der Staatsanteil sogar um einen Prozentpunkt gesunken ist, dass es in dieser Zeit keine Vergrößerung des Staatsanteils gegeben hat. (Christian Weisbrich [CDU]: Das stimmt doch gar nicht!) Kolleginnen und Kollegen, wir reden heute nicht über Sozialtarife, sondern über Energiespartarife. Das scheint hier jedoch dauernd vergessen zu werden. Ich hätte gerne einmal eine klare Ausformulierung von dieser Koalition dazu, wie sie zu diesem Thema steht. Sie versuchen nur, Nebelkerzen zu werfen und auf andere Schauplätze abzulenken, Kolleginnen und Kollegen. (Beifall von SPD und GRÜNEN]) Sie müssen das irgendwann einmal trennen und sich deutlich positionieren. Hier hören wir nur Formulierungen des Bedauerns, sehen aber eine Verweigerung politischen Handelns, Kolleginnen und Kollegen. (Svenja Schulze [SPD]: Ganz genau!) Eigentlich muss man in der Energiepolitik nicht wirklich über die FDP reden. Aber Herr Brockes hat gerade gezeigt, welch Geistes Kind er ist. Hier auszuführen, man würde die Menschen, bei denen zu Hause noch die Energiefresser stehen, weil sie nicht das Geld haben, energiesparende Modelle bei Waschmaschinen, Kühlschränken und Ähnlichem zu kaufen, durch Sozialtarife – weil es, je nachdem, wie hoch die Progression ist, teurer wird – sozial belasten, ist eine Antwort, die an Unverfrorenheit wirklich nicht mehr zu überbieten ist. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Die Lösung muss doch sein, den Menschen wirklich zu helfen, energiesparende Geräte anschaffen zu können, um unserer Forderung bei den Klimaschutzzielen wirklich gerecht zu werden und nachkommen zu können. (Widerspruch von Dietmar Brockes [FDP]) Kolleginnen und Kollegen, Uwe Leuchtenberg und Reiner Priggen haben eben deutlich gemacht, um was es wirklich geht: Es geht darum, den Energieverbrauch zu senken und gleichzeitig soziale Verwerfungen durch stark steigende Energiepreise so weit wie möglich zu begrenzen. Als wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD will ich aber auch sagen: Das geht nicht nur die Privathaushalte an, sondern auch Handwerk, Mittelstand und Industrie sind von steigenden Energiepreisen betroffen. Fachleute warnen sogar da- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11474 vor, dass die steigenden Kosten für Energie zu einer Rezession führen können, und zwar zum einen, weil sie Produktion verteuern, zum anderen, weil sie Kaufkraft im nicht konsumtiven Bereich binden. In den Reihen von CDU und FDP gibt es viele, die glauben, man könne den Euro zweimal ausgeben; Haushaltspolitik machen wir nachher. – Nein, die Menschen können jeden Euro aber nur einmal ausgeben. Ein Euro, der in den Weiten des Energiemarktes verschwunden ist, kann eben nicht für ein neues Auto, eine energiesparende Waschmaschine oder Kinderbekleidung ausgegeben werden, Kolleginnen und Kollegen. (Beifall von der SPD) Die „Bild-Zeitung“ Düsseldorf vom 7. August diesen Jahres macht groß mit den Worten „JobAngst in NRW“ auf. In NRW haben in den vergangenen Wochen die Firmen SinnLeffers, Hertie und Wehmeyer Insolvenz anmelden müssen. Dies kann auch sicherlich nicht nur damit zu tun haben, dass den Menschen bei steigenden Energiepreisen immer weniger Geld für Konsumausgaben bleibt. In dieser Situation kommt der Ministerpräsident dieses Landes mit Empfehlungen zur Rezessionsangst: Die Bundesregierung möge ein neues Rohstoffkonzept vorlegen und die Steuerberaterkosten endlich wieder absetzbar machen. – Die Absetzbarkeit der Steuerberaterkosten ist etwas, von der die Menschen, die sich in NRW Sorgen um ihre Zukunft machen, wirklich etwas haben! Das ist doch nicht wirklich eine Alternative für jeden Mann und jede Frau. Ich finde es unglaublich, in einer solchen Situation solche Vorschläge zu unterbreiten. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Vom Ministerpräsidenten des Energielandes Nummer eins erwarte ich, dass er den Menschen echte Perspektiven aufzeigt. Insbesondere moderne Kraftwerkstechnologie und die erneuerbaren Energietechniken bieten diese Chancen, Kolleginnen und Kollegen. Windräder werden nicht aus Wind gebaut, Biomassekraftwerke nicht aus Gülle. Das ist modernster Maschinen- und Anlagenbau. Das sind Verbundstoffe und Aluminium. Das sind Getriebetechnik und Rohrleitungsbau. Wir reden hier von Branchen, die ein echtes Pfund in NRW sind und es auch bleiben sollen. (Beifall von SPD und GRÜNEN – Ministerin Christa Thoben: Zu welchem Thema sprechen Sie?) Landtag Nordrhein-Westfalen Jeder, der weiß, wie viel Forschungs- und Entwicklungschancen in zahlreichen Techniken der erneuerbaren Energien und der Kraftwerkstechnologie stecken, wie viele Produktionschancen dort sind, der darf mit diesen Antworten aus NRW nicht zufrieden sein. Wir sind der Standort für jede dieser modernen Technologien. Wir laden ein, hier zu investieren, hier zu entwickeln und hier zu produzieren! – So, Herr Ministerpräsident, müsste die glaubwürdige Botschaft eines Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen lauten. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Ich will nicht zusätzlich auf das widersinnige Eintreten für längere Laufzeiten von Atomkraftwerken eingehen. Das macht weder den Strom billiger, noch schafft es Arbeitsplätze hier bei uns in Nordrhein-Westfalen. Eine aktivierende Politik für erneuerbare Energien hingegen würde Arbeitsplätze in NordrheinWestfalen schaffen können. Deswegen ist es umso bedauerlicher, dass Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern um die Windkraft buhlen, Brandenburg, Sachsen und viele andere Regionen um die Solarenergie. Diese nordrhein-westfälische Landesregierung betreibt durch ihr aktives Unterlassen von Wirtschaftspolitik den Aufbau Nord und den Aufbau Ost, und zwar zulasten Nordrhein-Westfalens. Sie sollten die Verantwortung tragen, die Sie von den Bürgern übertragen bekommen haben. Werden Sie ihr endlich gerecht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Präsidentin Regina van Dinther: Für die CDUFraktion spricht der Kollege Peter Kaiser. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11475 glaube, den größeren Kater wird es geben, wenn im nächsten Jahr die Abrechnung der Energieversorger eintrifft. Die Entwicklung der Energiepreise in den zurückliegenden Monaten lässt schon erahnen, welche Nachzahlungsforderungen auf jeden Haushalt im Lande zukommen. Angesichts der Dramatik der Situation verbietet sich jeder Kalauer, mit dem wir uns in weniger bedrohlichen Lebenslagen Mut zusprechen. Die steigenden Preise für Strom und Gas werden jeden von uns treffen. Sie werden erschreckend viele Menschen sogar an ihre ohnehin eng gesteckten Grenzen bringen, sozial schwach gestellte Haushalte schlimmstenfalls in die Zahlungsunfähigkeit manövrieren. Hier gilt es, frühzeitig gegenzusteuern und flankierende Maßnahmen zu ergreifen. Vor zwei Wochen – ich sagte es bereits eingangs – hat die CDU-Fraktion ihr Positionspapier zum Verbraucherschutz vorgestellt. Darin fordern wir transparente und verbraucherfreundliche Energiepreise. Aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher ist dies eine im wahrsten Sinne des Wortes existenzielle Frage. Hier hat sich die CDU-Fraktion klar positioniert. Verbraucherschutz begreifen wir als ganzheitlichen Ansatz, der die konkreten Probleme der Menschen in ihrem Alltag aufgreift und mit Blick darauf möglichst konkret formulierte politische Lösungsvorschläge entwickelt und umsetzt. Wir sagen eines deutlich: Es sind in erster Linie die großen Energieversorger, die nicht nur eine Verantwortung für ihre im Moment goldgeränderten Bilanzen, sondern auch für ihre Kunden haben. *) Peter Kaiser (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich einen herzlichen und ausdrücklichen Dank an die Antragsteller aussprechen: Dass das Positionspapier der CDU-Landtagsfraktion „Sicherheit für Nordrhein-Westfalen durch einen starken und unabhängigen Verbraucherschutz“ heute so prominent auf die Tagesordnung gekommen ist, nenne ich fraktionsübergreifendes Handeln. Dafür zunächst einmal herzlichen Dank. (Beifall von der CDU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute in vier Monaten – das zeigt der Blick auf den Kalender – ist das Weihnachtsfest gerade vorbei, und wir bereiten uns auf Silvester vor. Der Silvesterkater wird am kommenden Silvester nicht so stark sein. Ich (Beifall von der CDU) Auch die großen Versorger werden auf Dauer ihre Preisgestaltung nicht aus dem Bauch heraus machen können. Das greifen wir auf und sagen: Denkt an eure Kunden – überdenkt eure Politik des Stromabschaltens – und stellt euch freiwillig der Aufgabe, kunden- und verbraucherfreundliche progressive Stromtarife zu entwickeln. Deshalb, Herr Kollege Priggen, ist es wohl richtig, was Christian Weisbrich gesagt hat und was auch in unserer Presseerklärung ausgeführt wird: Keine staatliche Preisgestaltung, freiwillige Verbesserungen – das ist das, was wir wollen. (Beifall von der CDU) Landtag Nordrhein-Westfalen Viele Menschen empfinden die Stromabschaltung als einen tiefen Einschnitt. Daher muss man einmal die Frage stellen, ob die Stromkonzerne bei ausbleibender Zahlung eigentlich einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren Kunden pflegen. Wer einmal, wenn auch nur für kurze Zeit, ohne Strom gewesen ist – etwa, weil bei Straßenbauarbeiten ein Versorgungskabel durchtrennt worden ist –, dem wird von einer Sekunde zur anderen ganz schmerzlich bewusst, in welch hohem Maße unsere Lebensqualität von der zuverlässigen Energieversorgung abhängig ist, egal, ob Sie auf den Schreck des ausbleibenden Stroms einen Kaffee kochen, einen kleinen Imbiss zubereiten oder ein eisgekühltes Getränk genießen wollen, ganz zu schweigen von mit Strom bereitgestelltem Licht, das unseren Alltag im besten Sinne des Wortes erhellt. Neben der kritischen Prüfung und dem Vergleich von Angeboten der Energieversorger ist vor allem das gezielte Energiesparen eine unverzichtbare Möglichkeit, den Energieverbrauch zu senken und so bares Geld zu sparen. Weil sicherlich nicht jeder von uns ein fachlich versierter Sparfuchs ist, hält die CDU-Fraktion die gezielte Energieberatung bei privaten Haushalten, aber auch bei Unternehmen und Kommunen für notwendig, um Einsparungen und Effizienzsteigerungen möglich zu machen. Durch die daraus möglicherweise resultierenden Renovierungsmaßnahmen erhält das örtliche Handwerk zudem die Chance, seine hohe Qualifikation unter Beweis zu stellen. Loben muss man auch die Informationskampagne der Verbraucherzentralen zu den Möglichkeiten, Stromanbieter zu wechseln, wie auch das Beratungsangebot der EnergieAgentur.NRW, um das noch einmal klarzustellen. Selbstverständlich wird die Fraktion die Situation der Bezieher geringer und mittlerer Einkommen nicht aus den Augen verlieren. Dazu sollten die Stromanbieter neue Tarife entwickeln, die Stromsparen nicht durch eine hohe Grundgebühr bestrafen, sondern durch einen linearen und progressiven Verlauf begünstigen. Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann keine Preise festsetzen. In einer sozialen Marktwirtschaft gelten die Regeln des Marktes. Für die Preisgestaltung sind die Unternehmen verantwortlich. Mit unserem Positionspapier haben wir die Verantwortlichkeit der Wirtschaft deutlich benannt und uns deutlich für eine faire Tarifgestaltung ausgesprochen. Staatlich subventionierte Sozialtarife – das sagen wir aufgrund der aktuellen bundespolitischen Dis- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11476 kussion – lehnt die CDU-Landtagsfraktion ausdrücklich ab. Stattdessen befürworten wir ganz ausdrücklich den Wettbewerb unter den Energieversorgern, die durch gut informierte, Preisvergleiche anstellende Verbraucherinnen und Verbraucher in ihrer Preisgestaltung beeinflusst werden. Mehr Wettbewerb ist der beste Schutz der Verbraucher, und nur gut informierte Verbraucher können in ihrem Haushalt mit einem überlegten Anbieterwechsel so gezielt sparen. – Vielen Dank. (Beifall von der CDU) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Kaiser. – Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Kollege Ellerbrock. Holger Ellerbrock (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach dem Beitrag vom Kollegen Priggen und auch von Herrn Leuchtenberg stellt sich für mich die Frage: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen den sogenannten Sozialtarifen und den Spartarifen? Der Hintergrund – bei beiden Definitionen steht dies sicherlich im Raum – ist letztendlich die Vorstellung, dass der Staat vorgibt, welchen Bedarf der Bürger hat. Wenn jetzt gefordert wird, einen Spartarif für den Energiebereich anzubieten, dann wäre es nur konsequent, bei den Wasserpreisen zu fragen: Wie viel Wasser benötigt der Bürger als Grundlast, wie viel Abwasser kann er weggeben? Demnach müssen wir an dieser Stelle also auch Spartarife einbringen. Wir müssten letztlich – sicherlich etwas überzeichnet – fragen: Wie viel Benzin muss der Bürger subventioniert oder ermäßigt bekommen, wenn er Pendler ist? In diesem Ansatz, nach dem der Staat definiert, welche Bedürfnisse der Bürger zu haben hat, dokumentiert sich Ihr Gedankengut. Er zielt ab auf eine staatliche Preisgestaltung und ist von daher nichts anderes als das Gedankengut der sozialistischen Planwirtschaft. Dabei dachte ich, dass dieses Gedankengut nach dem ökonomisch begründeten Untergang der DDR nun wirklich hintanstehen würde. Aber nein, die Linken mit ihren Tolerierungsangeboten Richtung SPD und Grüne in Hessen machen sich genau dieses Gedankengut zu eigen. Deswegen ist es richtig, wenn Herr Weisbrich und auch die Ministerin hier so deutlich sagen, dass wir uns dem widersetzen. Das ist völlig klar. (Beifall von der FDP – Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Sie haben nicht richtig zugehört! – Zuruf von Reiner Priggen [GRÜNE]) Landtag Nordrhein-Westfalen Zweiter Punkt. Machen wir uns doch nichts vor: EEG, KWK, Ökosteuer, Mehrwertsteuererhöhung, Emissionshandel – alles das wirkt preistreibend. Zum Kollegen Priggen sage ich: Auch das EEG ist vom Prinzip her ein sinnvolles Instrument (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Ach! Auf einmal!) – Frau Kollegin, wenn Sie früher einmal zugehört hätten, wäre das etwas anderes gewesen –, ein richtiges Instrument, aber unter der Voraussetzung: zeitlich begrenzt, gedeckelt und wesentlich degressiver gestaltet. Jetzt ist es aber so, dass wir mit dem Emissionshandel die preistreibenden Elemente EEG, KWK und Ökosteuer eigentlich obsolet gemacht haben. Ich stimme dem, was Sie gesagt haben, Kollege Priggen, ja zu: Da wieder herauszukommen ist wegen der Finanzierungsgeflechte schwierig. Aus der Finanzierung der Ökosteuer, des EEG usw. völlig auszusteigen ist schwierig. Damit wird sich jeder schwertun. Aber jetzt noch die Einspeisevergütungen nach dem EEG zu erhöhen, ohne Effizienzgesichtspunkte zu berücksichtigen, ist ein Schritt in die falsche Richtung. (Beifall von der FDP) Meine Damen und Herren, ich kann eigentlich nur sagen: Unter dem Deckmantel vorgeblich sozialer Wohltaten feiert in diesem Antrag von Rot-Grün wirklich Gedankengut von vorgestern, aus der DDR fröhliche Urständ. Das kann nicht richtig sein. Das Motto, das dahintersteht und das wir überall sehen, nämlich „Nehmt den Reichen, gebt den Armen!“, hat noch nie die Lebenssituation der weniger begüterten Schichten verbessert. Noch nie hat das etwas verbessert! Aber es ist ja so schön, wie Sie eben, Frau Ministerin, zu sagen: Löhne rauf, Preise runter! Das ist schön populistisch, führt aber zu nichts. Was setzen wir dem entgegen? Nur der informierte Bürger ist ein informierter Bürger. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Der Sprecher der Partei der Besserverdienenden!) 11477 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 langfristig orientierte Kalkulationssicherheit bis 2010 zu geben. Da leisten die gute Arbeit. Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, Stand-bySchaltungen aufzugeben, damit man Geräte in toto abschalten kann. Der Blaue Engel als Markenzeichen soll deutlich machen, dass es nicht nur um Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit geht, sondern auch um geringen Verbrauch. Da muss ein Benchmarking eingeführt werden. Wir müssen natürlich auch die Stromtarife wesentlich flexibler gestalten. Die Stromtarife wesentlich flexibler zu gestalten heißt: In den verbrauchsarmen Zeiten soll es billiger sein. Dazu läuft momentan ein interessanter Versuch in Mülheim: Zu verbrauchsschwachen Zeiten werden die Strompreise niedriger. Diesen Versuch hat ein großes Energieversorgungsunternehmen eingeleitet. Das ist eine vernünftige Sache. Davon verspreche ich mir eine ganze Menge. Ich will auch nicht verhehlen, dass einzelne Stadtwerke hier Vernünftiges geleistet haben. Aber wichtig ist: Wir brauchen mehr Wettbewerb. Nur dann können wir sicher sein, dass solche Gedanken aufgegriffen werden. (Beifall von FDP und CDU) Wir müssen für mehr Wettbewerb sorgen. Deswegen müssen wir den Anbieterwechsel erleichtern, denn das ist die erste Voraussetzung dafür. Sie, Herr Leuchtenberg, habe es eben so dargestellt, als wäre es eine schlimme Sache, dass der Verbraucher nun von A nach B gehen kann. Nein, nein! Das kann nicht richtig sein. Wehret diesen sozialistischen, gleichmacherischen Vorstellungen, ob Spartarif oder Sozialtarif! Der Staat ist nicht aufgerufen, meinen Verbrauch zu bestimmen. Andere müssen das bezahlen. Mit fremder Leute Geld ist immer gut zu argumentieren. Dem widersetzen wir uns eindeutig. Nein zu solchen Spartarifen! Das ist ein anderes Gedankengut, als wir es vertreten. – Danke schön. (Beifall von FDP und CDU) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Ellerbrock. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Priggen. Wir brauchen eine bessere Kennzeichnung. Die muss wesentlich modifiziert werden. Es kann nicht sein, dass heute praktisch auf allen Kühlschränken „Energieeffizienzklasse A“ steht. Das muss alles nachgearbeitet und verbessert werden; das ist völlig klar. Reiner Priggen (GRÜNE): Lieber Kollege Ellerbrock, Deswegen hat diese Koalition auch deutlich gemacht, den Verbraucherzentralen erstmalig eine so ein hanebüchener Quatsch – um es einmal ganz klar zu sagen –: (Holger Ellerbrock [FDP]: Ja!) Landtag Nordrhein-Westfalen (Beifall von GRÜNEN und SPD) sozialistisches Gedankengut aus der DDR, sozialistische Planwirtschaft! Der Anlass für diese Aktuelle Stunde ist eine Presseerklärung des CSUBundesverbraucherschutzministers Horst Seehofer. (Beifall von den GRÜNEN) Das hat nichts mit DDR usw. zu tun. Es ist das richtige Bemühen. Ich bin der Wirtschaftsministerin auch dankbar für den Hinweis, dass der Bundesminister prüfen lässt, ob § 39 des Energiewirtschaftsgesetzes einen Stromspartarif zulässt. Darüber müssen wir in der Sache reden und nicht über diesen ganzen Unfug. (Beifall von den GRÜNEN) Ich komme noch einmal zu dem Hintergrund, weil Sie, Herr Ellerbrock, auch gesagt haben, Sie kennen den Unterschied zwischen Sozialtarifen und Spartarifen nicht. Das mag sein; ich will es Ihnen daher noch einmal erklären. Die Diskussion ist ausgelöst worden durch in den letzten Jahren stark gestiegene Energiepreise. Die werden in vielen Bereichen Auswirkungen haben. Ein Sozialtarif, den auch wir ablehnen – um das klar zu sagen –, würde notwendig machen, dass sich jemand meldet und sagt: Ich bin bedürftig, ich brauche das, ich komme sonst nicht klar, gebt mir das. – Das hat etwas Stigmatisierendes. Deswegen sagen Caritas, SPD, Grüne und, soweit ich das verstanden habe, auch die CDUFraktion – da gibt es einen breiten Konsens –: Keine Sozialtarife mit diesem Manko! Der Stromspartarif hat eine andere Grundintention. Der Stromspartarif fragt danach: Haben wir Strukturen, die jemanden bestrafen, der Energie spart, und jemanden belohnen, der Energie verschwendet? – Und das ist so, denn die Grundgebühr beim Strom begünstigt hohen Verbrauch. In der Regel ist es ja auch so, dass diejenigen, die mehr verbrauchen, günstigere Tarife bekommen. Deswegen ist der Vorstoß von Seehofer interessant. Der Kollege Kaiser hat es noch einmal gesagt, auch die Ministerin hat es zitiert: Der Grundgedanke – wenn ich das ernst nehme, was die CDU-Landtagsfraktion beschlossen und verkündet hat – ist bei Ihnen ja sogar enthalten. Nur sagen Sie: Dazu sollten die Stromanbieter neue Tarife entwickeln. – Das ist quasi ein hilfloses Appellieren. Dazu sage ich: Es ist gut, dass der sozialistische Planungswirtschaftsminister Horst Seehofer von der CSU in seinem Haus wenigstens prüfen lässt, ob das geht. 11478 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 (Beifall von den GRÜNEN) Das wäre das, was ich, ehrlich gesagt, auch erwarten würde: (Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Hey! Hey!) dass man guckt, ob wir mit den rechtlichen Instrumentarien in der Lage sind, eine Tarifstruktur zu entwickeln, die den Unternehmen Freiheit lässt und trotzdem einen sparsameren Verbrauch belohnt und Verschwendung bestraft. Das ist der Grundgedanke. (Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth) Ich hätte erwartet, dass die Ministerin das auch in ihrem Haus prüfen lässt, dass die CDU nicht nur hilflos an E.ON und an RWE appelliert, sondern vor dem richtig geschilderten Druck, der bei den Menschen besteht, auch sagt: Wir sind gewählt worden, um zu handeln. Und wir handeln, wir tun, was wir können. Dann können wir in einen Wettbewerb eintreten, ob die Modelle richtig, gut oder besser sind. Das ist in Ordnung. Aber es ist kabarettreif, wenn man von Planwirtschaft, DDR und Ähnlichem redet. (Beifall von GRÜNEN und SPD – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Schlechtes Kabarett!) Besonders schlimm war es beim Kollegen Brockes zu der Frage, wie wir mit den sozialen Problemen umgehen. Die Ministerin hat richtigerweise gesagt: Wir haben im Juni einen Antrag gestellt, es wird eine Anhörung dazu geben. Es ist ja richtig und die Mühe wert, in den verschiedenen Bereichen zu schauen, was wir machen können, um die Kosten aufzufangen. Wir werden die Folgen noch lange diskutieren. Auch der Ministerpräsident ist in seiner Pressekonferenz darauf eingegangen. Insofern ist das die Mühe wert. In einer Debatte über die Energiespartarife, die von Horst Seehofer ausgelöst wurde, wird über die EEG-Subventionen, über den Atomausstieg und über die Abschaltung der Kohlekraftwerke schwadroniert, die keiner gefordert hat. Die Stromlücke ist das absurdeste Stück, denn wir exportieren seit Jahren Strom in wachsender Größenordnung. Gleichzeitig wird ein Gespenst aufgebaut. Das alles hat mit der Frage nichts zu tun. Für mich geht es darum, ob wir bei steigenden Preisen und mit Blick auf die sozialen Probleme, die sie hervorrufen, und bei unserem eigentlich konsensualen Grundgedanken, bei gleichem Maß an Lebensqualität weniger Energie zu verbrauchen, in der Lage sind, ohne in die Autonomie der Landtag Nordrhein-Westfalen Firmen für ihren Preis einzugreifen, eine Tarifstruktur herzustellen, die es ermöglicht, Energiesparen zu belohnen und Energieverschwendung stärker zu belasten. Geht das innerhalb dieses marktwirtschaftlichen Systems? (Beifall von den GRÜNEN) Ich bin froh, dass die CSU zumindest bereit ist, das in Regierungsverantwortung zu prüfen. Ich fand es gut, dass sich die CDU positiv dazu geäußert hat; die Handlungen sind aber sehr mau. Das ist der Widerspruch zwischen dem, was man beim Jubiläum der Verbraucherzentrale erzählt, und dem, was man in der Regierungsverantwortung tut. (Widerspruch von Minister Eckhard Uhlenberg) Ob das die gelbe Bremse an Ihrer Seite ist und ob Sie mehr tun würden, wenn Sie könnten, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls ist es so zu wenig. – Herzlichen Dank. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Als nächster Redner hat der fraktionslose Kollege Sagel das Wort. Bitte schön, Herr Sagel. *) Rüdiger Sagel (fraktionslos): Sehr geehrte Damen und Herren! Am besten wäre es, CDU und FDP abzuschalten, wie es in Hessen passieren soll. (Lachen von Peter Brakelmann [CDU] – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP]) Die Aktuelle Stunde von SPD und Grünen ist zwar gut gemeint, geht aber an den tatsächlichen Problemen vorbei. (Zuruf von Ministerin Christa Thoben) Wir brauchen – das sagt Die Linke – endlich eine andere Energiepolitik, eine Rekommunalisierung und damit eine Demokratisierung und Vergesellschaftung der Energiekonzerne. (Lachen von der CDU – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) – Hören Sie genau zu, Herr Weisbrich! Selbst die EU will jetzt die Stromkartelle zerschlagen, wie man gestern in der Zeitung lesen konnte. Zum Stichwort DDR, das eben genannt wurde: Die EU ist da schon ein deutliches Stück weiter. (Zuruf von Dietmar Brockes [FDP]) 11479 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Herr Priggen hat eben einige Ausführungen zu Ihrem Minister Seehofer in Berlin gemacht. Macht Die Linke aber derartige Vorschläge, sieht man bei CDU und CSU die Welt untergehen und erlebt eine ungeheure Aufregung. Doch die Abzocker der vier Besatzer in Deutschland, der vier großen Energiekonzerne mit ihren Gebietsmonopolen, erhöhen die Preise, wie sie wollen. Da kommt man mit den bisher gemachten Vorschlägen nicht sehr weit. Ein günstiger Basistarif pro Kopf kann ein erster Schritt sein – mehr nicht! Die Politik muss umgekehrt werden. Es kann nicht sein, dass, wer viel Strom verbraucht, wenig, und wer wenig Strom verbraucht, viel mehr für die Kilowattstunde bezahlt. Das ist Betrug. Wir leben in einer ökologischen Klassengesellschaft. Dazu hat auch die Hartz-Politik massiv beigetragen. Alle – von CDU über SPD bis hin zu den Grünen – haben sich nicht davon distanziert. Diese Menschen bekommen nicht die tatsächlichen Energiekosten ersetzt, sondern erhalten Pauschalen, die vorne und hinten nicht reichen. Vorschläge wie von Herrn Sarrazin von der SPD in Berlin, ein paar Pullover mehr anzuziehen, sind Zynismus pur. Wer kann es sich leisten, Strom zu sparen oder die Wohnung zu sanieren, wenn man kaum genug Geld zum Leben hat? Auch SPD und Grüne produzieren Wolkenkuckucksheime. Sie hätten sich die Probleme der Empfänger/-innen von Arbeitslosengeld II im Landtag anhören können, wenn Sie mir dieses Hearing nicht verboten hätten. Da waren Sie alle in einem Boot. Auch Normalverdiener haben immer mehr Probleme mit den Energiekosten. Ihre Vorschläge sollen lediglich beruhigen und sind Augenwischerei. Sie nehmen diese Probleme nicht wirklich ernst, sondern fürchten nur um die Stimmen von Wählerinnen und Wählern. Das ist Ihre einzige Sorge. Wenn Herr Leuchtenberg von der SPD von einem Grundverständnis in der Energiepolitik zwischen SPD und Grünen redet, kann ich nur sagen: Wo ist denn dieses Grundverständnis bei der Kohlepolitik? In Hamburg gibt es unter Schwarz-Grün Jagdszenen in Moorburg. Das konnte man so in der Zeitung lesen. Das ist die Realität; das ist die Politik, die hier gemacht wird. Von einem Konsens in dieser Frage kann ich bei SPD und Grünen überhaupt nichts erkennen. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Als nächster Redner hat für Landtag Nordrhein-Westfalen die Landesregierung Herr Minister Uhlenberg das Wort. Bitte schön, Herr Minister. Eckhard Uhlenberg, Minister für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es freut mich sehr, dass Frau Kollegin Thoben bereits deutlich gemacht hat, was Bundesverbraucherminister Seehofer gegenüber der Presse gesagt hat. Seine Bereitschaft zur Prüfung eines Vorschlags wurde von Ihnen bei der Beantragung der Aktuellen Stunde plötzlich in eine Zustimmung zu Stromspartarifen umgewandelt. Herr Abgeordneter Priggen, noch einmal zur Klarstellung: (Lachen von Reiner Priggen [GRÜNE]) Im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ist keine Entscheidung über eine gesetzlich vorgeschriebene flächendeckende Einführung von Stromspartarifen getroffen worden. Vielmehr beabsichtigt das Bundesministerium, ein Gutachten zu der genannten Problematik zu vergeben, um sich kurzfristig wissenschaftlichen Rat einzuholen. Auch ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse dieser Bewertung. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, persönlich bin ich davon überzeugt, dass die Bedeutung und Wirkung von Stromspartarifen in der aktuellen Diskussion über die steigenden Energiepreise überbewertet wird. Lassen Sie mich das an einem konkreten Vorschlag der Verbraucherzentrale erläutern. Die Verbraucherzentrale hatte vor einigen Wochen ein Modell für einen Stromspartarif vorgelegt. Danach soll jeder Haushalt pro Person 250 Kilowattstunden Strom pro Jahr kostenlos erhalten. Darüber hinausgehende Mengen sollen 25 Cent pro Kilowattstunde kosten. Das Problem besteht schon darin, dass die Freimenge Strom nur für Personen mit erstem Wohnsitz gewährt werden soll. Zudem fürchte ich einen großen bürokratischen Aufwand für die Unternehmen und die Meldeämter. Ganz unabhängig davon bin ich aber der festen Überzeugung, dass sich dieser Aufwand auch nicht lohnen würde. Die Verbraucherzentrale hat berechnet, dass ein Dreipersonenhaushalt mit ihrem Stromspartarif im Vergleich zur Grundversorgung 7,4 % der Stromkosten einsparen würde. Diese Einsparung können Verbraucher aber auch erzielen, wenn sie den Wettbewerb nutzen und den Versorger wechseln. Dann sind für einen Haushalt sogar erheblich höhere Einsparungen möglich. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11480 Deshalb frage ich die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition: Warum sollen die Menschen bei ihrem Stromversorger um 250 kostenlose Kilowattstunden bitten, wenn sie die gleiche Ersparnis oder sogar noch deutlich mehr durch einen problemlosen Wechsel des Versorgungsunternehmens erzielen können? (Beifall von der CDU) Wenn wir etwas für die Kunden erreichen wollen, sollten wir noch mehr über die Möglichkeit des Wettbewerbs auf dem Strommarkt informieren. (Beifall von CDU und FDP) Wir brauchen keine bürokratischen Tarife, sondern, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen gut informierte Verbraucher, die die Preise vergleichen und Preisdruck auf die Unternehmen ausüben. (Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Sie schaffen ja die ganzen Beratungsstellen ab!) Damit lässt sich Geld sparen. Deshalb werde ich mich dafür einsetzen, dass auch auf Bundesebene – denn die steigenden Energiepreise sind ein bundesweites Problem – weitere Maßnahmen zur Information der Verbraucherinnen und Verbraucher ermöglicht werden. Ich würde mich freuen, wenn die Wechselkampagne, die der Bundesverband der Verbraucherzentralen im vergangenen Jahr durchgeführt hat, fortgesetzt würde; denn mehr Wettbewerb ist der beste Schutz der Verbraucher. Lassen Sie mich darüber hinaus auf Folgendes hinweisen: Sie wissen so gut wie ich, dass finanzielle Einsparungen in der von der Verbraucherzentrale vorgerechneten Größenordnung auch gut durch Stromsparen erzielt werden können. Die Deutsche Energie-Agentur zum Beispiel hat kürzlich erneut darauf hingewiesen, dass allein durch das konsequente Abschalten der Geräte und den Verzicht auf unsinnige Stand-by-Schaltungen in einem normalen Haushalt mehr als 70 € Stromkosten pro Jahr gespart werden können. (Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos]) Wir müssen deshalb die Information und Beratung der Verbraucher durch unabhängige Einrichtungen wie die Verbraucherzentralen auf hohem Niveau fortsetzen. Das gilt aber nicht nur für Strom, sondern vor allem auch für die energetische Gebäudesanierung; denn die Stromkosten machen nur einen geringen Anteil der Energierechnung der privaten Haushalte aus. Zwei Drittel der Energiekosten betreffen Landtag Nordrhein-Westfalen die Heizenergie. Deshalb müssen und werden wir auf die Energieeinsparung beim Heizen ganz besonders Wert legen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, als Umweltminister würde ich es darüber hinaus sehr begrüßen, wenn die Stromversorger ihre Tarife linear gestalten würden. Das bedeutet, dass die Grundpreise, die die Unternehmen erheben, in den Arbeitspreis, also in den Preis pro verbrauchte Kilowattstunde, eingerechnet werden. Auch dadurch könnte der Anreiz zum Stromsparen erhöht werden, ohne dass neue Gesetze, komplizierte Verfahren oder gar die Vorlage von Meldebescheinigungen erforderlich wären. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Stinka das Wort. Bitte schön, Herr Kollege. André Stinka (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Mutter hat mir das Sprichwort beigebracht „Reisen bildet“. Als ich heute Morgen Herrn Brockes hörte, habe ich mich gefragt, ob wir letzte Woche gemeinsam mit dem Wirtschaftsausschuss Deutschland besucht haben oder nicht. Aber gut! (Zuruf von Dietmar Brockes [FDP]) – Herr Brockes, schreien ersetzt keine Argumente. Und „Argument“ ist das Wort, das meine Rede einleitet. Ich habe mir schon gedacht, dass Ihr Argumentationsmuster, wenn wir heute über Stromspartarife sprechen, das Gleiche ist, das wir hier immer gebetsmühlenartig hören. Es passt nicht in Ihr Weltbild. Sie wollen es nicht hören und den Menschen dann auch noch weismachen, die hohen Energiepreise hätten etwas mit der üppigen Förderung der erneuerbaren Energien zu tun. Ich komme aus dem Kreis Coesfeld im Münsterland. Wer dort von den üppigen Subventionen profitiert, gehört nicht zu unserer Wählerklientel, Herr Brockes. Es sind vielmehr große Landwirte, die wissen, wo Zukunftsmärkte sind und wo zukünftig investiert werden kann. Schauen Sie sich das einmal an. Sie wollen den Menschen weismachen, dass die Laufzeitverlängerung und die Atomkraftwerke dazu beitragen, die Energiepreise langfristig zu sta- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11481 bilisieren. Sie blenden den Blick nach Finnland völlig aus. Dort können Atomkraftwerke nur mit subventionierten Krediten gebaut werden. Gleiches gilt für Cattenom, wo der dritte, vierte oder sogar fünfte Zwischenfall die Bevölkerung stark beunruhigt. Ihre Ausführungen haben mit den Menschen in NRW überhaupt nichts zu tun. Fakt zur Umlage ist, dass der Anteil für die erneuerbaren Energien am Strompreis 1 Cent beträgt. Wenn wir bei Familien 3.500 Kilowattstunden annehmen, dann sind das 3 € pro Monat für erneuerbare Energien – die faktisch in die Arbeitsplätze umgesetzt werden, die Sie letzte Woche gesehen haben, Herr Brockes. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Diese 3 €, Kolleginnen und Kollegen, sind gut angelegtes Geld, sichern 250.000 Menschen Arbeit und Brot, sodass sie eben nicht in Sozialtarife fallen können, und haben zu einer boomenden Branche in Deutschland geführt, in der wir Exportweltmeister sind. (Beifall von der SPD) Ihr ständiger Versuch, Klimaschutz, Arbeitsplätze und Energiekosten gegeneinander auszuspielen, ist in Zeiten explodierender Preise für Gas und Öl gescheitert. Nehmen Sie das zur Kenntnis! Es ist ein Gebot ökologischer und wirtschaftlicher Vernunft, auf heimische Energie – Herr Leuchtenberg hat das ausgeführt – und Klimaschutztechniken aus Nordrhein-Westfalen zu setzen. Das EEG der Bundesregierung – eingeführt unter der rot-grünen Bundesregierung – ist ein Erfolgsmodell. Sonst hätten sich wohl kaum 19 europäische Länder für dieses Modell entschieden. Nur fünf Länder haben sich für ein Quotenmodell entschieden, das weder in England noch in anderen Ländern zu einem Ausbau der erneuerbaren Energien geführt, aber den Strompreis dort erhöht hat. Die Einspeisevergütung für den Windstrom ist bei uns in der Spitzenlast inzwischen deutlich niedriger als der Strom aus herkömmlichen Anlagen. Das konnten wir letzte Woche hören. Sie hätten mitschreiben sollen, dann wäre die Diskussion heute sinnvoller gewesen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit seiner degressiven Abschreibung ermöglicht zukunftsfähige Arbeitsplätze und zukunftsfähige Energiekosten und – wir waren im Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Herr Brockes – leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Landtag Nordrhein-Westfalen Für die SPD steht fest: Wir müssen die Menschen dabei unterstützen, weniger Energie zu verbrauchen. Herr Weisbrich, wer von mehr Aufklärung spricht, aber gleichzeitig die Mittel für die Verbraucherzentralen kürzt, redet erneut an den Menschen vorbei. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Wer behauptet, erkannt zu haben, dass die Menschen gerade bei der Deckung des Wärmebedarfs ein Problem hätten, auf Bundesebene beim Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz aber gerade die Altbausanierung blockiert – Gruß an Herrn Glos! –, der muss sich fragen, ob er die Sorgen der Menschen in Bezug auf die Wärme wirklich ernst nimmt. (Beifall von der SPD) Soweit erforderlich, Kolleginnen und Kollegen, müssen Sozialtarife flankierend eingreifen. Dazu hat Minister Gabriel besonders die Energieversorger in die Verantwortung genommen. Ich sage es zum letzten Mal: Heimische Energieträger sind die beste Versicherung gegen stark steigende Energiepreise. Nebenher kommt es sogar noch zu einer Wertschöpfung in unserem Land. Wir alle haben gelernt, dass ein freier Markt und die Ideologie „Privat vor Staat“ die Probleme nicht verkleinern, sondern vergrößern. Die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft ist, dass der Staat Leitplanken aufstellt, damit die Menschen eben nicht abrutschen. Man muss deutlich sagen: Wenn Menschen in Not sind, wenn sie Schwierigkeiten haben, muss der Staat sich darum kümmern. Dieses Verständnis haben Sozialdemokraten vom Staat und seinen Aufgaben. Auch wenn Sie das nicht teilen, müssen Sie es doch zur Kenntnis nehmen. (Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) Wir müssen die Anstrengungen gemeinsam schultern. Lassen Sie uns gerade die Argumente altmodischer Atomdebatten nicht als zukunftsfähig hinstellen. – Schönen Dank. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Kollege Weisbrich das Wort. Bitte schön, Herr Kollege. Christian Weisbrich (CDU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nur kurz 11482 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 auf ein paar Bemerkungen eingehen, die in dieser Debatte gemacht worden sind. Herr Eiskirch, Sie sagen, wir würden ständig die steigenden Preise bedauern, aber nicht politisch handeln. Sie haben wohl nicht ganz richtig zugehört, denn ich hatte Ihnen gesagt: Der Preisanstieg kann für die Bezieher von niedrigen Einkommen nicht durch die Energiepolitik eliminiert werden. Das ist die Aufgabe der Sozialpolitik. Dafür habe ich Ihnen auch ein paar Beispiele genannt. Unser festes Kredo lautet ganz klar: In der Energiepolitik müssen wir uns ordnungspolitisch, marktwirtschaftlich sauber verhalten. Entstehende Schwierigkeiten können und müssen wir über die Sozialpolitik ausgleichen. Wir dürfen aber nicht die Fachpolitik verhunzen. Die Stromspartarife, über die Sie reden, sind im Wesentlichen darauf ausgerichtet, das Energiesparen anzuregen. In der Spitze wird es aber für viele teurer. Herr Kollege Priggen, das ist so, als wenn Sie diejenigen mit höheren Preisen belasten würden, die sich kaum noch Lebensmittel leisten können, damit sie noch weniger essen. In Zeiten steigender Preise ist das nicht der richtige Weg. Es wird sowieso gespart. Jeder, der viel Energie verbraucht, müsste bekloppt sein, bei steigenden Preisen nicht zu versuchen, weniger zu verbrauchen. Dafür braucht man keine zusätzliche Preissteigerung. Zur grundlegenden Krux, die ich vorhin angeführt hatte, was nämlich in den Jahren von 1998 bis 2004 zusätzlich auf die Verbraucher draufgepackt worden ist, haben Sie nichts gesagt. (Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD]) Von 2,3 Milliarden € an staatlichen Lasten sind die Belastungen durch Ihre segensreiche Tätigkeit in der rot-grünen Regierungskoalition um 9,5 Milliarden € auf 11,8 Milliarden € angestiegen. Dieses Geld haben Sie den Bürgern – für welchen Zweck auch immer – aus der Tasche gezogen; das muss man ganz klar sagen. (Zuruf von Thomas Eiskirch [SPD]) Dieses Geld haben Sie von den Bürgern im Energiesektor eingesammelt. Mich ärgert noch ein Punkt. Sie haben gesagt, ab 2005 seien die Preise richtig explodiert. Das ist im Prinzip richtig: Die Preise, speziell die Großhandelspreise, sind 2005 stark angestiegen. Das hat aber zum einen damit zu tun, dass die Preise für Primärenergieträger weltweit dramatisch gestiegen sind, und zum anderen damit – an dieser Landtag Nordrhein-Westfalen Stelle gibt es wahrscheinlich einen Konsens zwischen uns –, dass die großen Energieerzeuger die Zertifikatpreise in den Großhandelspreis eingepreist und damit Windfallprofits erzielt haben. Wir sind wahrscheinlich alle einer Meinung, dass Windfallprofits an dieser Stelle nicht in Ordnung sind und in Zukunft abgestellt werden müssen. Der Preisanstieg war aber wiederum staatlich induziert, weil wir mit dem Zertifikathandel überhaupt erst die Vorlage geliefert haben. Herr Eiskirch und Herr Stinka, lassen Sie mich noch eine Bemerkung zur Diskussion über die längeren Laufzeiten und erneuerbaren Energien machen. Vielleicht können Sie dem einfachen Dreisatz folgen: Derzeit erzeugt die Kernenergie – Herr Priggen, korrigieren Sie mich – ungefähr 140 Terawattstunden, die ins Netz gehen und zum Preis von 3 Cent produziert werden. Wenn man das durch erneuerbare Energien ersetzen würde, wäre das bei einer Durchschnittsvergütung von 15 Cent das Fünffache, bei einer Durchschnittsvergütung von 20 Cent – man kann sich streiten, welche man ansetzt – das Sechsfache des Preises für 30 % des Stroms. (Zuruf von Dietmar Brockes [FDP]) Das heißt im Klartext: Wenn wir die laufzeitverlängerte Kernkraft durch erneuerbare Energien ersetzen, kommen wir insgesamt auf einen Strompreis, der bei 210 % bzw. 250 % des ursprünglichen Preises liegt. Das ist relativ einfach nachzurechnen. Bei einem Ersatz der Kernkraft durch erneuerbare Energien würden Sie sämtliche Strompreise in Deutschland mindestens verdoppeln. (Beifall von CDU und FDP) Das muss man den Bürgern auch sagen, wenn man eine Brückentechnologie für eine Übergangszeit, in der die Technologien für die erneuerbaren Energien noch nicht so leistungsfähig sind, am Leben erhält. (Zuruf von Dietmar Brockes [FDP]) Kollege Priggen, Sie haben sich sehr damit aufgehalten, dass wir von Sozialtarifen gesprochen haben, während Sie in Ihrem Antrag von Stromspartarifen sprechen. Das haben Sie sich selbst zuzuschreiben, denn im Juni hatten Sie den Antrag „Soziale Folgen explodierender Energiepreise – Politik muss reagieren“ gestellt, in dem Sie selbst abwechselnd von Sozialtarifen und Spartarifen schreiben. Nehmen Sie es uns also nicht übel, dass wir einen dieser Begriffe ausgewählt haben. Wir wissen beide, was gemeint ist. Was Sie propa- 11483 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 gieren, hilft den Bürgern im Grunde genommen nicht. – Schönen Dank. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. (Rüdiger Sagel [fraktionslos] weist auf seine Wortmeldung hin.) – Es liegt mir noch eine Wortmeldung des Kollegen Sagel vor. Allerdings können Redezeiten in Aktuellen Stunden nicht angerechnet werden. (Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Ich habe noch 25 Sekunden!) – Aber nur deshalb, weil eine Fraktion ihre Redezeit in der Aktuellen Stunde nicht in Gänze in Anspruch genommen hat. In Aktuellen Stunden ist sie nicht im Kontingent und kann nicht abgerufen werden. Für Aktuelle Stunden haben wir gesonderte Regeln, auf die ich an dieser Stelle hinweisen möchte. (Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Das wird ja immer lustiger hier!) Anders verhält es sich an der Stelle bei der Fraktion der SPD. Die hat noch einen Redner in ihrem Kontingent. Deswegen hat jetzt der Kollege Stinka für die Fraktion der SPD das Wort. Bitte schön, Herr Kollege. André Stinka (SPD): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Präsidentin! Herr Weisbrich, nur eine Frage, die wir hier ganz klar erläutern sollten: Sie führten vorhin aus, dass in der Kernkraftproduktion eine Kilowattstunde Strom 3 Cent kostet. Was macht Sie – auch vor dem Hintergrund eines hohen Atomstromanteils in Baden-Württemberg und eines ganz hohen Strompreises in Baden-Württemberg – eigentlich so sicher, dass die Atomindustrie diesen Gewinn an die Bevölkerung weitergibt? Das könnte sie heute schon tun. Das ist ja die Frage, die Sie hier schuldig geblieben sind. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Stinka. – Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit ist die Aktuelle Stunde zu schließen. Ich rufe nun auf Tagesordnungspunkt Landtag Nordrhein-Westfalen 2 Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2009 (Haushaltsgesetz 2009) Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7000 In Verbindung mit: Finanzplanung 2008 bis 2012 mit Finanzbericht 2009 des Landes Nordrhein-Westfalen Drucksache 14/7001 Sowie: Gesetz zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2009 Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7002 erste Lesung Ich eröffne die Beratung und gebe zur Einbringung der Gesetzentwürfe zunächst dem Finanzminister Dr. Linssen das Wort. Dr. Helmut Linssen, Finanzminister: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn eine Landesregierung innerhalb von nur drei Jahren die Nettoneuverschuldung um fast 75 % verringert hat, den dramatischen Unterrichtsausfall in unseren Schulen annähernd halbieren konnte, (Lachen von der SPD) die Betreuungsquote für unter Dreijährige von 2,8 % auf 13,6 % gesteigert hat (Beifall von CDU und FDP – Weitere Zurufe von der SPD – Glocke) und sich gleichzeitig auf die dauerhafte und strukturelle Konsolidierung des Landeshaushalts konzentriert, dann kann ich als Finanzminister zuversichtlich an dieses Pult treten, um den Landeshaushalt 2009 in den Landtag einzubringen. (Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der SPD) Mit dem Landeshaushalt für 2009 setzt die Landesregierung ihre erfolgreiche Politik der richtigen Schwerpunkte im nächsten Jahr fort. Dass unser Weg richtig ist, zeigen uns die Ergebnisse. Der 11484 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Erfolg gibt uns Recht. Wir werden auch die bevorstehenden Herausforderungen meistern. Wir konsolidieren den Gesamthaushalt, um unser Land fit für die Zukunft zu machen. Wir investieren in die Schwerpunkte Kinder, Jugend und Bildung, damit jeder einzelne gute Chancen für die Zukunft bekommt. (Hans-Willi Körfges [SPD]: Was?) Wir sorgen dafür, dass Nordrhein-Westfalen ein Land der neuen Chancen ist. Das wird sich positiv auszahlen. (Beifall von CDU und FDP) Meine Damen und Herren, unsere Politik setzt nicht auf Effekthascherei oder das kurzfristige Verkünden froher Botschaften. (Zuruf von der SPD: Nur darauf!) Die nachhaltige Konsolidierung, die Reduzierung der Schulden bleiben das finanzpolitische Kernziel dieser Landesregierung. (Zuruf von der SPD: Fernziel!) Wir schaffen Schritt für Schritt dauerhaft solide Staatsfinanzen. Dass man dabei nicht alles auf einmal erledigen kann, versteht sich von selbst. Angesichts des schweren Erbes, das wir 2005 von Rot-Grün (Svenja Schulze [SPD]: Oh!) übernommen haben, ist es vielmehr bemerkenswert, wie weit wir heute schon gekommen sind. (Beifall von der CDU – Widerspruch von der SPD) Der Politikwechsel vor drei Jahren hat unserem Land gutgetan. Die Erfolge unserer Arbeit sind für jeden bereits sichtbar und spiegeln sich auch im Landeshaushalt für 2009 wider. (Zuruf von der SPD: Oh, ja!) Jeder Landeshaushalt muss im Zusammenhang mit der Wirtschaftsentwicklung gesehen werden. Die Entwicklung der Staatsfinanzen ist untrennbar mit der Konjunkturentwicklung verknüpft. Niemand kann bestreiten, dass uns der Mitte 2005 einsetzende konjunkturelle Aufschwung geholfen hat. Er hat sich 2007 fortgesetzt. Das nordrhein-westfälische Bruttoinlandsprodukt hatte um 2,6 % zugelegt und liegt damit knapp über der gesamtdeutschen Entwicklung. Die Wachstumsdynamik hat aber zum Jahresende 2007 nachgelassen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass trotz des Einbruchs im zweiten Landtag Nordrhein-Westfalen Quartal 2008 der Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts 2008 bei 1,7 % liegen wird. Auch für 2009 bleibt es nach Ansicht der Bundesregierung und führender Wirtschaftsforscher bei einem stabilen – wenn auch geringeren – Wachstum. Ich neige weder zu Pessimismus noch zu Schwarzmalerei, aber Risiken für die Konjunktur sind für jeden erkennbar. (Zuruf von der SPD) Darauf reagieren wir mit dem Landeshaushalt 2009 so, wie es seit 2005 gute und erfolgreiche Praxis in Nordrhein-Westfalen ist: mit Vorsicht. Die positive Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre hat sich auch in den Steuereinnahmen niedergeschlagen. So sind für das laufende Jahr 2008 Steuereinnahmen von 41,6 Milliarden € veranschlagt. Das sind 6,9 Milliarden € mehr, als das Land 2005 eingenommen hat. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, vor allem, wenn man auf die Entwicklung der Nettoneuverschuldung schaut. Sie ist im gleichen Zeitraum um fast 4,9 Milliarden € gesunken. Berücksichtigt man, dass für den kommunalen Steuerverbund 2008 rund 1,4 Milliarden € mehr als 2005 zur Verfügung gestellt werden, bedeutet das: Fast 90 % der für das Land disponiblen Steuermehreinnahmen sind in die Reduzierung der Nettoneuverschuldung geflossen. (Beifall von der CDU) Das ist eine beachtliche Konsolidierungsleistung; sie ist beispiellos. (Gisela Walsken [SPD]: Och!) Sie ist nur deshalb gelungen, weil der Steueransatz im Haushaltsplan immer vorsichtig war und weil wir der Versuchung widerstanden haben, Mehreinnahmen bloß zu konsumieren. So haben es nämlich Rot und Rot-Grün in der Vergangenheit regelmäßig praktiziert. (Beifall von der CDU – Wolfgang Jörg [SPD]: Wo sind eigentlich Ihre Leute? Es ist gar keiner da! – Unruhe) Zwei Beispiele dafür: Erstens. Zwischen 1990 und 1995 gab es Steuermehreinnahmen von fast 6,3 Milliarden €. Davon wurden 0 € zur Absenkung der Nettoneuverschuldung eingesetzt. Stattdessen ist die Neuverschuldung (Fortgesetzt Unruhe – Glocke) 11485 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 um 877 Millionen € auf 3,1 Milliarden € angestiegen. Zweitens. Zwischen 1995 und 2000 betrugen die Steuermehreinnahmen rund 4,4 Milliarden €. Davon wurde zur Reduzierung der Nettoneuverschuldung wiederum kein einziger Euro eingesetzt. Stattdessen ist die Neuverschuldung von 3,1 Milliarden € im Jahr 1995 auf über 3,5 Milliarden € im Jahr 2000 angestiegen. Schauen Sie sich Ihre Koalitionsvereinbarung von 1995 an! Darin stand, dass Sie 2000 0 € Verschuldung machen wollten. So haben Sie hier regiert. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Haben Sie Fakten zu den Steuermehreinnahmen?) Das ist rote und rot-grüne Verschuldungspolitik. Das sind Ihre Verschuldungsorgien, die Sie gefeiert haben. (Beifall von CDU und FDP) Im Haushaltsentwurf für 2009 sind Steuereinnahmen in Höhe von 43,3 Milliarden € veranschlagt. Das ist ein Anstieg um 1,69 Milliarden € gegenüber dem zweiten Nachtragshaushalt 2008. Die Ansätze sind dabei realistisch kalkuliert. Diese Vorsicht hat sich in den letzten Jahren bewährt. In dem Ansatz sind im Übrigen die zu erwartenden Mindereinnahmen aus der Unternehmensteuerreform enthalten. Insgesamt rechnen wir auch über den Haushalt 2009 hinaus bis 2012 – im Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung – mit kontinuierlich steigenden Steuereinnahmen. Sie werden aber im Vergleich zu den letzten Jahren moderat ansteigen. Prognostiziert ist ein Anstieg von 43,3 Milliarden € in 2009 auf 48,9 Milliarden € in 2012. Das entspricht einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 4,1 % pro Jahr. Dabei orientieren wir uns an den Ergebnissen der aktuellen Steuerschätzung von Mai 2008. Meine Damen und Herren, diese Prognosen der mittelfristigen Finanzplanung dürfen aber den Blick auf eines nicht verstellen: In den nächsten Dekaden kommt eine erhebliche Herausforderung auf uns zu: der demografische Wandel. Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung werden uns in Deutschland und in Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zwangsläufig beschäftigen. Wir werden die gesellschaftliche Veränderung in allen Politikfeldern zu spüren bekommen. Der demografische Wandel ist ein langfristiger gesellschaftlicher Veränderungsprozess, der sich nicht kurzfristig aufhalten lässt. Weniger, bunter, älter, so hat es ein Demografieforscher Landtag Nordrhein-Westfalen kurz und prägnant auf den Punkt gebracht, wie sich unsere Gesellschaft entwickeln wird. Nach den Prognosen kann das für die Bundesrepublik insgesamt bedeuten, dass bis 2050 quasi jährlich eine Großstadt von rund 200.000 Menschen verschwindet. Stellen Sie sich das vor: Mülheim, Leverkusen, Paderborn – das sind die Größenordnungen, mit denen man rechnen kann. Prognosen für Nordrhein-Westfalen rechnen für 2040 mit nur noch 16 statt 18 Millionen Einwohnern. Die demografische Veränderung hat auch erhebliche Auswirkungen auf die Haushalts- und Finanzpolitik. Dieser Tatsache müssen wir uns stellen. Haushalterisch werden wir bei den Einnahmen insbesondere zu spüren bekommen, dass die Zahl der Erwerbstätigen dramatisch sinken wird. Gleichzeitig steigt die Zahl der zu Versorgenden deutlich. Das dürfte Auswirkungen auf das Gesamtsteueraufkommen in Deutschland haben. Alle bekannten Simulationen gehen davon aus, dass die Steuereinnahmen nach 2020 deutlich langsamer zunehmen werden. Eine Gesellschaft, die schrumpft und gleichzeitig immer älter wird, muss zwangsläufig mit steigenden Sozialausgaben rechnen. Die dadurch bedingten Mehrausgaben treffen zwar zunächst den Bund und nicht die Länder, aber die sozialsystembedingte Steigerung der impliziten Staatsverschuldung beim Bund wird sicherlich auch auf die Landeshaushalte durchschlagen. Dafür wird schon die bekanntermaßen kreative Bundespolitik sorgen. Die Länder müssen sich aber auch auf erhebliche Mehrbelastungen für die Versorgung ihres Personals einstellen. Sie sind durch die Personalpolitik der Vergangenheit bestimmt. Einfluss darauf kann die gegenwärtige Politik nur bedingt nehmen. Bezogen auf Nordrhein-Westfalen kommt die aktuelle Modellrechnung Alterslast etwa zu folgendem Ergebnis: In 2007 belief sich die Zahl der Versorgungsempfängerinnen und -empfänger auf rund 152.000 Personen. Die Versorgungsausgaben lagen bei rund 4,5 Milliarden €. Für das Jahr 2030 gehen die Berechnungen von 252.000 Versorgungsempfängern aus. In Preisen von 2007 kalkuliert, bedeutet das für 2030 eine Belastung von 7,8 Milliarden € pro Jahr für die zu zahlenden Versorgungsbezüge. Dabei sind Besoldungserhöhungen für die Versorgungsempfänger noch nicht einmal berücksichtigt. Dann steigt die Zahl um Milliarden an. Nicht zuletzt werden sich die Anforderungen an die konkrete Politik verändern. Das werden wir 11486 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 ebenfalls auf der Ausgabenseite merken. So werden sich beispielsweise die Bedürfnisse bei der öffentlichen Infrastruktur wandeln. Es wird bei der Wohnraumversorgung neue Herausforderungen an den Markt geben, wie zum Beispiel vermehrt altersgerechte Wohnungen. Auch im Bildungssektor werden sich die Anforderungen verändern. Es wird mehr Bedarf für höherwertige Bildungsangebote geben; denn die Arbeitsproduktivität wird steigen müssen. Darauf werden wir angewiesen sein, zumal die Anzahl der bildungsrelevanten Personen unter 30 Jahren zukünftig überproportional abnehmen wird. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Fragen, die wir in der Zukunft beantworten müssen. Welche demografiebedingten Entlastungen müssen wir etwa im Bereich Schule belassen und welche in Richtung Hochschule umschichten? Wir werden uns fragen müssen: Brauchen wir Neuinvestitionen oder ist es wichtiger, auf Erhaltung und Modernisierung zu setzen? Wie setzen wir Personal effektiv und sinnvoll ein? Das, meine Damen und Herren, skizziert einige der Herausforderungen, vor denen wir stehen und die zum Teil erhebliche Auswirkungen auf den Landeshaushalt haben werden. Ich bin mir sicher, dass wir auf alle diese Fragen Antworten geben können. Wir haben diese Entwicklung jedenfalls jetzt schon im Blick und sorgen vor – auch mit dem Haushalt 2009. Mit unserer Konsolidierungspolitik schaffen wir finanzielle Spielräume für die Zukunft. Unsere Politik der Vorsorge wird helfen, zukünftige Belastungen abzufedern. Und mit den Investitionen in Kinder, Jugend und Bildung schaffen wir Chancen für die Zukunft. Das ist nachhaltige Finanzpolitik. Wir setzen daher konsequent den mit dem Haushalt des Jahres 2006 begonnen Weg der Sanierung der Landesfinanzen fort, wenn auch nicht im gleichen, atemberaubenden Tempo. Aber die Nettoneuverschuldung wird 2009 weiter sinken. Eingeplant sind 1,67 Milliarden €. Ich darf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Zusammenhang daran erinnern, was ich im Jahr 2006 bei der Einbringung des ersten Sanierungshaushaltes dieser Landesregierung zu den nötigen Schritten ausgeführt habe. (Zuruf von Michael Groschek [SPD]) Das Ziel der nachhaltigen Konsolidierung kann angesichts der horrenden Verschuldung nicht sofort erreicht werden. Die dauerhafte Sanierung der Haushaltswirtschaft des Landes erfordert eine mittel- bis langfristige Perspektive. Landtag Nordrhein-Westfalen Der Sanierungspfad, den wir beschreiten werden, hat deshalb drei Etappenziele: Erstens. Spätestens bis zum Ende der Legislaturperiode, also bis 2010, wollen wir wieder Haushalte aufstellen, die die Kreditverfassungsgrenze einhalten. Ich habe keine Zweifel, dass wir dieses Ziel erreichen werden. Es ist auch mein persönliches Ziel. So habe ich es damals ausgeführt. Ich habe weiter dargelegt: Zweitens. Danach werden wir die Neuverschuldung schrittweise bis auf null zurückführen. Drittens. Am Ende des Sanierungspfades schließlich muss der Eintritt in den Schuldenabbau stehen. Anders können wir eine dauerhafte Sanierung der Landesfinanzen nicht erreichen. So weit das Zitat. (Beifall von CDU und FDP) Meine sehr geehrten Damen und Herren, können Sie sich noch daran erinnern, als wir – das war vor drei Jahren – den Schuldensumpf übernommen haben? (Zuruf von der SPD: Oh!) Da saß der Karren noch so tief im Dreck, dass wir erst für 2010 mit einem verfassungsgemäßen Haushalt rechnen konnten. (Beifall von der CDU – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wer hat ihn denn trotz weiterer Steuereinnahmen weiter nach oben geschraubt?) Dank der positiven konjunkturellen Entwicklung, aber auch dank einer konsequenten Sparpolitik konnten wir unser erstes Etappenziel schon 2007 erreichen. (Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Die Haushalte sind auch vom Verfassungsgericht entsprechend gewürdigt worden!) Sie, meine Damen und Herren, von der Opposition, würden das wahrscheinlich anders ausdrücken, nämlich: Plansoll übererfüllt. (Beifall von CDU und FDP) Angesichts der hohen Verschuldung durch die falsche Politik der Vergangenheit braucht die Sanierung weiterhin Zeit. Schulden machen ist relativ leicht, aber die Schäden zu beseitigen, ist schwierig. Es ist harte Arbeit, die sich aber jeden Tag lohnt, weil das Ziel richtig und wichtig ist. 11487 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 (Beifall von CDU und FDP) Wir müssen den Haushalt konsolidieren, weil die Haushaltsflexibilität und Gestaltungsmöglichkeiten selbst in wirtschaftlich guten Zeiten durch die Belastungen der Vergangenheit extrem eingeschränkt sind. So werden wir im kommenden Jahr 4,9 Milliarden € an Zinsen aufbringen müssen. Wir tragen eben noch viel zu viel Geld zu den Banken, das wir lieber in die Zukunft investieren würden. (Beifall von CDU und FDP) Zinsen sind Vergangenheitsbewältigung. Sie schränken uns jetzt ein. Ohne diese Vergangenheitslasten hätten wir einen Überschuss von 3,2 Milliarden €. Dieser würde ausreichen, um mit der Schuldentilgung zu beginnen. Das Erbe von Rot und Rot-Grün verhindert das. (Beifall von CDU und FDP) Wir müssen, meine Damen und Herren, den Haushalt aber auch konsolidieren, weil es einen Prozess der inneren Dynamik gibt. Diese automatischen Ausgabensteigerungen müssen wir kompensieren. Dynamische Faktoren sind die Personalausgaben, der kommunale Steuerverbund und die Zinsausgaben, auf deren Steigerung das Land kaum unmittelbaren Einfluss hat. Sie führen im nächsten Jahr zu einer Steigerung der Ausgaben von 2,8 %. Ohne diese Faktoren läge der Ausgabenzuwachs lediglich bei 0,7 %. Das zeigt, wie restriktiv die Landesregierung auf der Ausgabenseite agiert. Und schließlich müssen wir den Haushalt wegen der demografischen Entwicklung konsolidieren. Je schneller sich eine Abwärtsspirale dreht, desto schwieriger wird es, ihre Richtung zu ändern. Deswegen müssen wir jetzt damit beginnen, unseren Etat demografiefest zu machen, damit unsere Kinder Handlungsmöglichkeiten und zukünftige Generationen Gestaltungsmöglichkeiten haben. (Beifall von CDU und FDP) Eine nachhaltige und tragfähige Finanzpolitik muss gerade deshalb Lasten für zukünftige Generationen im Blick haben und vorsorgen. Wir machen das zum Beispiel für Versorgungsausgaben in der Zukunft. So werden im Jahr 2009 der Versorgungsrücklage voraussichtlich insgesamt 181 Millionen € zugeführt. Im Hinblick auf die absehbaren Lasten in der Zukunft haben wir bereits im Jahr 2007 eine Sonderzuführung zur Rücklage in Höhe von 925 Millionen € vorgenommen. Seit der Einrichtung des Sondervermögens 1999 sind der Vorsorgungsrücklage damit gut 2,1 Milliarden € zugeführt worden. Zwei Drittel dieser Vorsorge, meine Damen Landtag Nordrhein-Westfalen und Herren, haben wir in den letzten drei Jahren erbracht. (Beifall von der CDU) Rot-Grün hat es zwischen 1999 und dem 1. Juli 2005, also in sieben Jahren, gerade einmal geschafft, 700 Millionen € in der Versorgungsrücklage anzusparen. Das zeigt: Diese Landesregierung investiert wie keine zuvor in die Abdeckung zukünftiger Risiken im Versorgungsbereich. Rot und Rot-Grün haben in der Vergangenheit nur die Hände in den Schoß gelegt. Sie wollten die Risiken der Zukunft nicht sehen. Erst als der Bund sie dazu gezwungen hat – das war 1999 –, ist das Land aktiv geworden. Meine Damen und Herren, neben der Versorgungsrücklage besteht zudem der Versorgungsfonds des Landes. Er ist zur Finanzierung der zukünftigen Versorgungsleistungen für die Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richter des Landes, die seit dem 1. Januar 2006 eingestellt werden, eingerichtet worden. Seit dem wird dem Sondervermögen für jeden Angehörigen des vorgenannten Personenkreises ein Betrag in Höhe von gut 500 € pro Monat zugeführt. In diesem Fonds werden bis Ende 2009 durch uns über 270 Millionen € angespart sein. Schließlich haben wir für einen anderen Bereich ebenfalls ein Vorsorgeinstrument geschaffen: das Sondervermögen Risikoabschirmung WestLB. Hierfür haben wir im Jahr 2008 eine Zuführung in Höhe von 95 Millionen € und für 2009 noch einmal 25 Millionen € vorgesehen. Mit diesem Sondervermögen treffen wir Vorsorge für eine etwaige Inanspruchnahme aus der vom Land übernommenen Garantie in Sachen WestLB. Die Einrichtung des Sondervermögens dient damit der Glättung möglicher Belastungen des Landeshaushaltes in zeitlicher und betragsmäßiger Hinsicht. Mit anderen Worten: Auch hier lassen wir die Dinge nicht einfach auf uns zukommen, sondern sorgen vor, um mögliche Belastungen in der Zukunft zu minimieren. Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Unsere Haushalts- und Finanzpolitik ist von Weitsicht geprägt. (Beifall von CDU und FDP) Das ist etwas, was man am Niederrhein lernen kann. Bei uns ist die Landschaft flach und der Horizont weit. (Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD) 11488 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Da kann man auch weiter entfernte Ziele gut im Auge behalten. Und man lernt: Solche Ziele sind mit Beharrlichkeit gut zu erreichen. Dies ist auch der Grund, warum ich mich in der Föderalismuskommission so eindeutig für die Einführung eines Verschuldungsverbots einsetze. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen. Wir brauchen deshalb auch für etwaige Schieflagen ein Frühwarnsystem. Ich hoffe, dass es zu solchen Regelungen kommen wird. Denn damit schreiben wir Nachhaltigkeit wirklich fest. Dann wird die Politik gezwungen, mögliche Belastungen für künftige Generationen im Blick zu haben. Wir praktizieren das bereits jetzt. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Politik die richtigen Schwerpunkte setzt. Dazu gehören auch die Investitionen in Kinder, Jugend und Bildung. Sie sind gut für die Zukunft NRWs. (Beifall von CDU und FDP) Mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützt das Land die Kommunen bei der Schaffung und Unterhaltung neuer Betreuungsplätze für unter Dreijährige. So wurde seit dem Regierungswechsel bis zum Beginn des Kindergartenjahres 2008/2009 die Zahl der geförderten Betreuungsplätze in Tageseinrichtungen und Tagespflege mehr als verfünffacht. Sie stieg von 11.000 auf 58.750. Im Jahr 2013 sollen 144.000 Plätze zur Verfügung stehen. Die Betreuungsquote wird damit von 2,8 % im Jahre 2005, also am Ende Ihrer Regierungszeit, auf 32 % im Jahre 2013 angehoben. (Beifall von CDU und FDP) Mit dem Kinderbildungsgesetz sollen darüber hinaus bis 2012 rund 3.000 Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren ausgebaut werden. Im Endausbau werden dafür jährlich zusätzlich 36 Millionen € bereitgestellt. Meine Damen und Herren, insgesamt steigen die Ausgaben für die KiBiz im Jahre 2009 um 110,7 Millionen €. Im Finanzplanungszeitraum 2009 bis 2012 gibt das Land im Vergleich zu 2008 insgesamt 596,8 Millionen € mehr für diesen Bereich aus. (Beifall von CDU und FDP) Noch nie, meine Damen und Herren, hat eine Landesregierung so viel Geld für die Betreuung unserer Kinder zur Verfügung gestellt. Es ist gut angelegtes Geld, Geld für die Zukunft. (Beifall von CDU und FDP) Auch im Schulbereich investieren wir massiv. Die Unterrichtsversorgung und die individuelle Förde- Landtag Nordrhein-Westfalen 11489 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 rung werden verbessert. Das Ganztagsangebot soll weiter ausgebaut werden. Hierfür werden wir bis zum Schuljahr 2009/2010 6.915 zusätzliche Lehrerstellen schaffen. Von diesen entfallen 6.624 auf öffentliche Schulen. Die privaten Ersatzschulen erhalten für die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte Finanzmittel im Wert von 291 Stellen. Flankierend wurden zusätzliche Investitionsmitteln für den Ausbau der Ganztagsrealschulen und Gymnasien eingeplant. und werden wir arbeiten. Es ging und geht eben nicht alles auf einmal. Die Stärkung der individuellen Förderung und die Qualitätsverbesserung des Unterrichts stehen auch im Zentrum der Reform der Lehrerausbildung. In Zukunft soll die Ausbildung für alle Lehrämter sechs Jahre dauern. Sie wird praxisorientierter gestaltet und fachlich sowie pädagogisch den speziellen Anforderungen der jeweiligen Schulform angepasst. Für die erwarteten Mehrkosten wurden im Finanzplanungszeitraum 61 Millionen € veranschlagt. Die Zinslastquote, also der Anteil der Zinsen am Gesamthaushalt, beträgt 9,4 %, die Zinssteuerquote, also der Anteil der Zinsen an den Steuereinnahmen, 11,4 %. Diese beiden Quoten zeigen schon, wie stark die Haushaltsspielräume durch die Verschuldungspolitik von Rot-Grün eingeschränkt sind. Meine Damen und Herren, insgesamt steigt der Schuletat im Haushalt 2009 gegenüber 2008 um 699,5 Millionen €. Im Finanzplanungszeitraum 2009 bis 2012 sind es insgesamt 1,7 Milliarden €. Dies alles, meine Damen und Herren, ist eine Politik für neue Chancen, eine Politik, die in die Zukunft investiert. Das ist unsere Politik von Konsolidieren, Modernisieren und Investieren. (Lebhafter Beifall von CDU und FDP) Abschließend komme ich noch zu einigen weiteren Eckdaten des Landeshaushalts 2009. Der Landeshaushalt für das kommende Jahr sieht Gesamtausgaben in Höhe von 52,7 Milliarden € vor. Gegenüber 2008 einschließlich des zweiten Nachtragshaushalts steigen die Ausgaben damit um 2,8 %. Zur Finanzierung der Gesamtausgaben ist eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 1,67 Milliarden € nach wie vor notwendig. Gegenüber dem Vorjahr reduziert sich die Nettoneuverschuldung somit um 6,1 %. Die Steuereinnahmen sind für 2009 mit 43,3 Milliarden € eingeplant. Hierbei sind die Mindereinnahmen durch die Unternehmensteuerreform in Höhe von rund 800 Millionen € bereits berücksichtigt. Das ist viel Geld. Aber die Unternehmensteuerreform ist gut angelegtes Geld, weil es eine Investition in den Wirtschaftsstandort Deutschland ist. Die übrigen Einnahmen belaufen sich auf 7,5 Milliarden €. Für Investitionen, meine Damen und Herren, stehen im Haushalt 4,9 Milliarden € bereit. Zum Vorjahr ist dies eine Steigerung um 1,2 %. Die Investitionsquote beträgt damit 9,3 %. Hieran müssen (Zustimmung von der CDU) Für Zinsen werden wir im Jahr 2009 voraussichtlich 4,9 Milliarden € und damit rund 100 Millionen € mehr als 2008 bezahlen müssen. (Ralf Jäger [SPD]: Wer mehr Schulden hat, muss mehr Zinsen bezahlen!) Für Personalausgaben sind 20,5 Milliarden € etatisiert. Das sind 1,2 Milliarden € oder 5,9 % mehr als in 2008. Sie wissen also, wo der größte Teil der Steuermehreinnahmen in Höhe von 1,7 Milliarden € bleibt. Diese Steigerung liegt auch daran, dass sich die Besoldungserhöhung um 2,9 % zum 1. Juli 2008 als Basiseffekt in 2009 erstmals voll auswirken wird. Hinzu kommt, dass allein für die Versorgungsausgaben und die Beihilfen Mehrausgaben in Höhe von 485 Millionen € veranschlagt mussten. Die Personalausgabenquote, also der Anteil der Personalausgaben am Gesamthaushalt, liegt bei 38,9 %, die Personalsteuerquote bei 47,2 %. Die Zahl der Stellen im Landeshaushalt wird auch im kommenden Jahr weiter reduziert werden. Gegenüber 2008 sinkt die Stellenzahl im Landeshaushalt um insgesamt 3.397 auf 284.564 Stellen, (Wolfgang Jörg [SPD]: Aber nicht beim Ministerpräsidenten!) obwohl die Landesregierung zum Schuljahresbeginn 2009/2010 1.831 neue Lehrerstellen schafft. Die Stellensituation seit Regierungsübernahme stellt sich damit wie folgt dar: Mit dem Haushaltsplanentwurf 2009 werden gegenüber 2005 12.664 Stellen abgebaut. Hinzu kommen noch einmal 2.500 Stellenabgänge im Haushaltsvollzug 2009 und 2010. Am Ende der Legislaturperiode wird diese Landesregierung somit rund 15.000 Stellen abgebaut haben. (Beifall von CDU und FDP) Rechnet man die neu entstehenden Stellen aufgrund der politischen Schwerpunktsetzungen dagegen, liegt der Saldo des Stellenabbaus bei rund 4.800 Stellen zum Jahresende 2009. Landtag Nordrhein-Westfalen Die an die Kommunen verteilbare Finanzausgleichsmasse wird für 2009 mit 7,73 Milliarden € angesetzt. Dies ist eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von 2,1 %; das sind 160 Millionen €. Insgesamt werden den Kommunen im Landeshaushalt rund 14 Milliarden € zur Verfügung gestellt. Dies entspricht einem Anteil am Landeshaushalt von rund 27 %. Meine Damen und Herren, der Landeshaushaltsentwurf 2009 reiht sich in die Linie unserer Politik seit dem Regierungswechsel ein: Konsolidieren, Modernisieren und Investieren sind die Schlüssel für eine solide, zukunftsgerichtete und generationengerechte Haushalts- und Finanzpolitik. Nordrhein-Westfalen kann sich mit den Erfolgen der letzten drei Jahre sehen lassen. Auch im Vergleich zu anderen Ländern steht unser Land bei der Haushaltsentwicklung gut – ja, ich möchte sagen: sehr gut – da. (Michael Groschek [SPD]: Wie bei der Schulentwicklung!) 11490 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 (Beifall von CDU und FDP) Ich lege dem Parlament den Haushaltsentwurf 2009 mit Zuversicht vor. Es ist ein weiterer Schritt auf unserem Sanierungspfad. Ich bin gespannt, wie sich die Opposition diesmal einlassen wird. Gleichzeitig zu sagen „Ihr spart das Land kaputt“ und „Ihr konsolidiert zu wenig“, das hat schon schizophrene Züge. (Beifall von CDU und FDP) Wer schnellere Konsolidierung will, der muss auch sagen, wie. (Zuruf von der SPD: Papke!) Weniger Geld für Bildung – nicht mit uns. Weitere Abstriche bei den Beamtengehältern – nicht mit uns. (Zuruf von der SPD: Wollen wir doch gar nicht!) Dies zeigt der Blick auf die Zahlen der Jahre 2005 bis 2008. Im Vergleich der westdeutschen Flächenländer hat Nordrhein-Westfalen seit dem Regierungswechsel deutlich stärker konsolidiert und den größten Fortschritt bei der Haushaltskonsolidierung gemacht. Weniger Geld für Hochschulen – nicht mit uns. Weniger Geld für Kinderbetreuung – nicht mit uns. Wir, meine Damen und Herren, gehen einen anderen Weg. Wir investieren und schaffen trotzdem Schritt für Schritt den Abbau der Nettoneuverschuldung. Dafür steht auch der Haushaltsentwurf 2009. (Michael Groschek [SPD]: Das sieht Herr Papke auch so!) (Lang anhaltender Beifall von CDU und FDP) Das Finanzierungsdefizit des Landes hat sich von 2005 bis 2008 um 272 € je Einwohner reduziert. Unter den westdeutschen Flächenländern ohne Nordrhein-Westfalen beträgt die Differenz weniger als die Hälfte, nämlich 125 €. Auch dies zeigt: Unser Kurs ist der richtige für Nordrhein-Westfalen. Unser Ziel heißt: schwarze Null. Diese muss in der nächsten Legislaturperiode so früh wie möglich gelingen. (Beifall von CDU und FDP) Wir betreiben Konsolidierung nicht mit Effekthascherei. (Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis) Einmalige Effekte, wie es schon mal in anderen Haushalten zu sehen ist, bringen nichts. Uns geht es um den strukturellen Haushaltsausgleich. Ich bin für die Signale aus den Regierungsfraktionen dankbar, dass wir dies gemeinsam meistern werden. So werden wir solide Landesfinanzen erreichen. Darum setzen wir auch auf vorsichtige, aber realistische Schätzungen auf der Einnahmenseite. Mondzahlen haben wir in diesem Lande lange genug gehabt. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Linssen. – Es spricht jetzt für die Landesregierung Herr Minister Dr. Wolf. Dr. Ingo Wolf, Innenminister: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte sehr gerne an das anschließen, was Kollege Linssen gerade zu den Kommunalfinanzen vorgetragen hat, und die gute Botschaft wiederholen, dass wir mit 7,7 Milliarden € den höchsten Stand der Zuweisungen an die kommunale Familie haben. Zum Vergleich: Im Jahre 2005 war es 1 Milliarde € weniger. Deswegen ist die oppositionelle Klage, die Kommunen würden schlecht behandelt, schon an der Stelle widerlegt. Wir geben das weiter, was wir versprochen haben: Die 23 % wie in früheren Zeiten sind auch in der schwierigen Konsolidierungssituation gehalten worden. Ich finde, das kann sich sehen lassen. Auch die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen haben sich deutlich erhöht. Im Jahre 2005 waren es netto 6,5 Milliarden € und im Jahre 2007 8,5 Milliarden €. Das ist ein beachtlicher Aufwuchs. Landtag Nordrhein-Westfalen Meine Damen und Herren, wir haben bei der Systemumstellung 2006 die Transparenz deutlich erhöht. Das halte ich für sehr wichtig. Durch die Überführung der Zweckzuweisungen in den Landeshaushalt ist klar geworden, in welchen konkreten Projekten die Förderung zu erfolgen hat, nämlich im Landeshaushalt. Wir haben 86 % im Gemeindefinanzierungsgesetz frei verfügbar gemacht. Das zeigt unseren Beitrag und unsere Anerkennung für die kommunale Selbstverantwortung. Wir haben nicht nur durch die Beibehaltung der 23 %, sondern auch durch die Schaffung eines aktuellen Referenzzeitraums Verlässlichkeit eingeführt. Die Kommunen bekommen zeitnah ihren Anteil an den Ist-Steuereinnahmen, indem wir beispielsweise für das Jahr 2009 den Zeitraum bis zum 30. September 2008, also das letzte Quartal aus dem vergangenen Jahr und die ersten drei Quartale aus diesem Jahr, zugrunde legen. Damit wird für die Kommunen zeitnah das ausgekehrt, was sich als wirtschaftlicher Erfolg in den Steuereinnahmen niederschlägt. Damit sind auch die Kardinalfehler der Vergangenheit abgestellt. Kreditierungen, Abrechungen, alle diese Monster aus Zeiten von Rot-Grün konnten an dieser Stelle entfallen. Ich glaube, das ist in den Kommunen sehr gut angekommen. Zudem ist dadurch die Planbarkeit erheblich erhöht. Die erste Modellrechnung für die Zuweisungen nach dem GFG 2009 sind seit heute den Kommunen und dem Landtag zur Verfügung gestellt, sodass in jeder Kommune nachgeschaut werden kann, was am Ende herauskommt, wobei wir natürlich im Rahmen der Haushaltsberatungen noch die aktuellen Zahlen zum 30. September 2008 mit einpreisen. Bei der Verabschiedung des Haushaltsplans haben wir also eine ganz zeitnahe Berechnung der Zuweisungen an die Kommunen. Meine Damen und Herren, wir haben – das ist erfreulich – einen deutlichen Rückgang der Haushaltssicherungs- und Nothaushaltskommunen festzustellen. Im Jahre 2005 betrug die Anzahl der Kommunen, die sich in diesem Stadium befanden, 198. Der aktuelle Stand im Jahre 2008 ist 129. Das ist sicherlich auch ein Erfolg aufgrund der Steuermehreinnahmen und das eine oder andere Mal auch eine Folge des NKF. Es hat sich gezeigt, dass wir besser geworden sind, wenngleich wir immer noch eine Grundlast von hartnäckigen Haushaltsdefiziten in einigen Kommunen haben, die uns natürlich besorgt und eine weitere Konsolidierung notwendig macht. 11491 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Das Thema Einheitslasten, sogenanntes LenkGutachten, werden wir ebenso wie das Thema ifoGutachten mit Gründlichkeit vor Schnelligkeit analysieren sowie mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem Hohen Haus diskutieren. Wir haben eine Kommission für ifo gestartet und sind beim Lenk-Gutachten mit den kommunalen Spitzenverbänden im zielführenden Gespräch. Meine Damen und Herren, als Kommunalminister will ich sehr deutlich sagen: Die Kommunalfinanzen sind nicht überall rosig – weiß Gott nicht –, aber es gibt einen Lichtstreif am Horizont. Der Anstieg der Kassenkredite konnte erstmals gebremst werden. Trotzdem muss weiterhin konsolidiert werden, genau so wie wir das im Landeshaushalt tun. Die demografischen Herausforderungen – ich möchte das unterstreichen, was Herr Linssen gesagt hat – machen auch vor den Kommunen nicht halt. All das, was wir im Bund und in den Ländern feststellen, ist natürlich auch ein Problem der Kommunen. Deswegen müssen in den verschiedenen Politikfeldern die Weichen für die Zukunft sorgfältig gestellt werden. Für den Landeshaushalt 2009 stelle ich fest: Wir haben Wort gehalten. Wir haben weiterhin Zuweisungen an die Kommunen in Höhe von 23 % und die höchste GFG-Zuweisung in der Geschichte dieses Landes. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Wir sind damit am Ende der Einbringung und kommen wie vereinbart zur Aussprache. Zuerst erteile ich der Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Frau Kollegin Kraft, das Wort. Hannelore Kraft (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister – ich hoffe, er ist noch da –, (Minister Armin Laschet: Er ist noch im Amt!) Sie haben in Ihren Reden … (Minister Dr. Helmut Linssen kommt zusammen mit Dr. Gerhard Papke [FDP] aus dem hinteren Bereich des Plenarsaals nach vorne und geht zu seinem Platz. – Rainer Schmeltzer [SPD]: Er musste einmal mit Herrn Papke reden! Er hat ihm das noch einmal erklärt!) – Da ist er ja; mit Herrn Papke zusammen. Landtag Nordrhein-Westfalen (Heiterkeit und Beifall von der SPD – Zurufe – Dr. Gerhard Papke [FDP]: Ich habe gedacht, ich komme gleich mit, Frau Kollegin!) – Herr Kollege Papke, dass Sie mir auch zuhören, ist aller Ehren wert. Herr Finanzminister, Sie haben in Ihrer heutigen Rede – ich darf auch anmerken, dass Sie schon einmal enthusiastischer klangen als heute – viele Details über Ihren Haushaltsentwurf 2009 preisgegeben. Die Menschen in diesem Land interessiert aber vor allem die große Linie der Haushaltspolitik von CDU und FDP. Wenn man sich daran erinnert, was Sie vor und nach der Landtagswahl 2005 versprochen haben, (Ralf Jäger [SPD]: Jetzt wird es peinlich!) dann stellt man fest: Sie scheitern mit diesem Haushaltsentwurf an Ihren eigenen Versprechungen. (Beifall von SPD und GRÜNEN) 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11492 den Jahres auf einen Rekordwert von 120,5 Milliarden €. Herr Finanzminister, auf Ihr Konto gehen davon allein 13,7 Milliarden € neue Schulden, (Gisela Walsken [SPD]: Genau!) die das Land seit Juli 2005 gemacht hat. (Beifall von SPD und GRÜNEN) In 2009 gilt, meine Damen und Herren: Trotz kräftig sprudelnder Steuermehreinnahmen – der Finanzminister kalkuliert allein für dieses Jahr ein Plus von 1,7 Milliarden € – soll die Neuverschuldung lediglich um 110 Millionen € sinken. (Ralf Jäger [SPD]: Das ist der eiserne Helmut!) – Der eiserne Helmut. – Das bedeutet, dass Sie nur noch 6,5 % der zusätzlichen Steuereinnahmen in den Abbau der Neuverschuldung stecken. Ich stelle fest: Versprochen – gebrochen. (Beifall von der SPD) Halten wir uns doch einmal an die groben Zahlen. 2005 lagen die realen Steuereinnahmen des Landes bei 34,7 Milliarden €. Für 2009 haben Sie jetzt 43,32 Milliarden € angesetzt. Das entspricht einer Steigerung von ziemlich genau 25 %. Ich wiederhole das zum Mitschreiben: Das Land nimmt 2009 im Vergleich zu 2005, dem Höhepunkt der wirtschaftlichen Krise, ein Viertel mehr Steuern ein. Versprochen war, alle Steuermehreinnahmen in den Abbau der Verschuldung zu stecken. Herr Minister, Sie hätten in Ihrer Rede heute den Menschen in diesem Land Rechenschaft ablegen können und ablegen müssen. Sie hätten darlegen müssen, was Sie mit dieser hervorragenden Haushaltslage gemacht haben. Ich kann es auch anders formulieren – Ihre Körpersprache hat das unterstützt –: Ihnen geht bei der Neuverschuldung die Puste aus. – Das ist die Realität. (Ralf Jäger [SPD]: Gar nichts!) Sie hätten sagen können und müssen, was aus Ihren Versprechungen zum Schuldenabbau und zur Konsolidierung geworden ist. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Das haben Sie hier versäumt, Herr Minister. Ich stelle fest: Die Rechenschaft bleiben Sie schuldig – aus gutem Grund. Sonst wäre für alle deutlich geworden, dass Sie mit Ihren Zielen gescheitert sind. Wir erinnern uns: Sie sind mit dem Versprechen angetreten, die Verschuldung des Landes abzubauen. (Hendrik Wüst [CDU]: Sie haben sie 30 Jahre lang aufgebaut!) Die Realität ist: Trotz 25 % mehr Steuereinnahmen gegenüber 2005 wächst die Verschuldung des Landes weiter – bis zum Ende des kommen- (Widerspruch von der CDU) Fakt ist: Sie legen einen Haushalt vor, der 1,668 Milliarden € Nettoneuverschuldung ausweist. – Das sind Daten und Fakten, Herr Finanzminister! (Beifall von der SPD) (Beifall von SPD und GRÜNEN) Herr Finanzminister, Sie sind an Ihren eigenen Ansprüchen gescheitert – aber nicht nur an Ihren eigenen Ansprüchen, sondern auch an den Ansprüchen der Regierungsfraktion der FDP. Herr Kollege Papke, Sie haben ja recht. Jeder in diesem Hohen Haus weiß das auch. Diese Landesregierung spart nicht. Der Ministerpräsident spart nicht. Der Finanzminister spart nicht. Da haben Sie völlig recht. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Sie es auch nicht besser können. Sie sind doch seit 2005 Fraktionsvorsitzender einer regierungstragenden Fraktion. Sie haben jeden einzelnen Haushalt dieser Landesregierung mit allen Ihren Stimmen mit beschlossen. (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Ja!) Bis heute haben Sie – ich habe nachgesehen – keinen einzigen substanziellen Vorschlag ge- Landtag Nordrhein-Westfalen macht, wo denn mehr gespart werden soll. Oder habe ich da irgendetwas verpasst, Herr Papke? (Beifall von SPD und GRÜNEN) Jetzt versuchen Sie mit großen Gesten und Worten, von Ihrer eigenen politischen Kraftlosigkeit abzulenken. Sie schlagen sich in die Büsche und erklären offen im Namen Ihrer Fraktion nur, der Finanzminister sei politisch gescheitert. Er habe nicht mehr das Vertrauen der FDP, konnte ich lesen. (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Wann habe ich das denn gesagt?) – Herr Kollege, Sie können das ja gleich richtigstellen. Ich bin, ehrlich gesagt, sowieso auf Ihre Rede gespannt. (Heiterkeit und Beifall von der SPD – Rainer Schmeltzer [SPD]: Darauf sind wir alle gespannt!) Herr Kollege Papke, nachdem der Streit innerhalb der FDP offensichtlich geworden ist, haben Sie gestern eine interessante Pressekonferenz gegeben. Dort haben Sie gesagt, wir bräuchten jetzt strukturelle Veränderungen im Haushalt, und diese würden Sie jetzt herbeiführen. (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Wann habe ich denn das gesagt, was Sie davor vorgetragen haben?) Das blieb ja wieder sehr unkonkret. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Auf Anordnung des Ministerpräsidenten! – Gisela Walsken [SPD]: Auf Weisung!) In Ihrer Rede können Sie ja gleich beweisen, dass Sie es ernst meinen. Am besten legen Sie uns direkt einen Katalog mit solchen Vorschlägen vor. Bisher blasen Sie nur die Backen auf, ohne zu pfeifen, Herr Kollege Papke. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Ich freue mich auf Ihre Rede. Wie ich Sie kenne, werden Sie sich aber wahrscheinlich zur Ablenkung von Ihren eigenen Defiziten ausschließlich mit der Lage der SPD beschäftigen (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das kann schon sein! Das kann schon passieren!) statt mit Ihrer Rolle als – wie haben Sie das gestern genannt? – Motor der Erneuerung dieser Regierungskoalition. (Zurufe von der SPD: Oh!) Da sind wir noch sehr gespannt. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11493 (Beifall von SPD und GRÜNEN – Dr. Gerhard Papke [FDP]: Was sind denn Ihre Sparvorschläge?) – Wir sind im Haushaltsverfahren. Die kommen alle. Ich nenne Ihnen einmal ein paar. (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Ja, bitte!) Was haben wir denn da? Beispielsweise können wir die von Ihnen eingeführten 72 zusätzlichen Stellen – Sie erinnern sich: goldene Fallschirme – sofort einsparen. In 30 Jahren sind das 200 Millionen €. Ich kann Ihnen genau sagen, was ich damit machen würde: Diese Mittel in den Bereich Bildung und Betreuung zu stecken und dort die richtigen Signale zu setzen, wäre der richtige Weg. (Beifall von der SPD) Oder nehmen wir, Herr Kollege Papke, der Sie es so genau wissen wollen, einmal das Beispiel WestLB. Dort sind – der Finanzminister wird es bestätigen können – schon die ersten 21 Millionen € für den Risikoschirm geflossen. Mit 21 Millionen € könnte man locker die Kürzungen im Weiterbildungsbereich in Höhe von 13 Millionen € rückgängig machen. Das wäre doch einmal sinnvoll. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Ich könnte die Liste fortführen. In den weiteren Haushaltsberatungen werden wir das auch tun. Beispielhaft zu nennen ist auch der Flughafen Münster/Osnabrück. Dort legen Sie noch einmal Geld drauf, obwohl wir doch eigentlich viel zu viele Flughäfen haben, die sich untereinander Konkurrenz machen. Sie aber geben noch einmal 6,46 Millionen €. – Herr Kollege, warten Sie es ab, Sie werden von uns alle die Vorschläge bekommen. (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Tolle Vorschläge! – Weitere Zurufe von der SPD) – Auf die WestLB komme ich noch. – Herr Kollege Papke, Sie brüsten sich immer mit Ihrer Wirtschaftskompetenz. Vielleicht sollten Sie auch einmal etwas zur Quote der eigenfinanzierten Investitionen sagen. (Gisela Walsken [SPD]: Ja, das ist spannend!) Die fahren Sie in der mittelfristigen Finanzplanung von 7,1 % – das sind nur 3,7 Milliarden € – sogar auf 6,4 % im Jahr 2012 herunter. Meine Damen und Herren, an der Stelle müsste umgesteuert werden, mehr in die investiven und weniger in die Landtag Nordrhein-Westfalen konsumtiven Ausgaben. Herr Kollege Papke, das haben Sie uns doch früher immer vorgehalten. Jetzt können Sie uns zeigen, wie es geht. (Beifall von der SPD) Gerade jetzt wäre es nötig und wichtig. Sie wollen doch die Konjunktur unterstützen. Das ist doch die neue Marschroute des Ministerpräsidenten. Warten wir einmal auf Ihre Vorschläge. Bisher habe ich nichts von Ihnen gehört. Auch dem Haushalt ist nichts zu entnehmen. Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, apropos „Anti-Rezessions-Programm“, das Sie sich doch auf die Fahnen geschrieben haben: Statt im Landeshaushalt umzusteuern, verkünden Sie ein Anti-Rezessions-Programm, bei dem Sie die politische Verantwortung vor allem nach Brüssel und Berlin delegieren. So stand es denn auch am Tag nach Ihrer Pressekonferenz in der Zeitung zu lesen. (Wolfgang Jörg [SPD]: Lesen kann er auch nicht!) Ich zitiere den „General-Anzeiger“, der in einer Überschrift urteilt: Aufträge an Steinbrück, Brüssel und die OECD. – Die „Neue Westfälische“ schreibt: Im Westen nichts Neues. – Meine Damen und Herren, das stimmt. (Beifall von der SPD) Aber in Wahrheit ist es noch schlimmer. Denn es ist nicht nur billig, etwas auf andere abzuschieben, sondern es ist auch noch schädlich. Denn jeder, der etwas von Wirtschaft versteht, weiß, dass es gefährlich ist, eine wirtschaftliche Krise herbeizureden. Kenner wissen, dass Wirtschaft mindestens zu 50 % von Psychologie abhängt. Da haben Sie ihr großen Schaden zugefügt, Herr Ministerpräsident. (Beifall von der SPD) Sie haben diese Botschaft in den letzten Tagen über mehrere Kanäle verbreitet. Ich habe alles sehr aufmerksam gelesen. Wie bei der Kollegin Sommer erschließt sich der Sinn mancher Ihrer Ausführungen nicht beim ersten Lesen. Aber wir haben ja die Presseschau, in der wir es noch einmal genau nachlesen können. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11494 verhindern, dass wir in eine Rezession hineinrutschen. Das Problem bei diesen Konjunkturabläufen ist, dass es teilweise sich selbst verstärkende Effekte gibt. Meine Aussage, dass ich nicht an eine Rezession glaube, hat damit zu tun, dass die Grunddaten der Wirtschaft sich ja weltweit nicht verändert haben. Was denn nun? Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie unverändert eine gute Wirtschaftslage erwarten oder eine Rezession befürchten. Sie müssen sich schon entscheiden, Herr Ministerpräsident! (Beifall von SPD und GRÜNEN) Es kommt noch besser: Während Sie ein AntiRezessions-Programm fordern, habe ich noch einmal in die mittelfristige Finanzplanung geschaut, Herr Finanzminister. Sie sehen es sehr optimistisch. Jedes Jahr rechnen Sie mit deutlich steigenden Steuereinnahmen, und zwar pro Jahr bis 2012 mit durchschnittlich 4,1 % mehr Steuern. Der Finanzminister rechnet offensichtlich mit lang anhaltendem, stabilem wirtschaftlichem Aufschwung, Sie malen eine Rezession an die Wand. Stimmen Sie sich eigentlich im Kabinett irgendwann auch einmal ab? (Beifall von der SPD) Herr Ministerpräsident, auch wenn Sie sich nicht zwischen Rezession und Doch-Nicht-Rezession entscheiden können, könnte die Stimmung nach Ihrem Empfinden besser sein. Deshalb fänden Sie es auch – ich zitiere weiter wörtlich – ungeheuer befreiend, wenn man sich jetzt in der Großen Koalition auf ein gemeinsames Paket einigen könnte. Herr Ministerpräsident, wie soll dieses Paket denn aussehen? (Rainer Schmeltzer [SPD]: Groß!) Im Interview erfahren wir davon nichts. Dort geht es darum – ich zitiere –, dass Sie es ablehnen, ein Geld für irgendwelche Sachen auszugeben. Das heißt, dass Sie auch die Vorschläge des DGB in Nordrhein-Westfalen für ein Konjunkturprogramm ablehnen. Statt dessen schlagen Sie drei Punkte vor, mit denen Sie offensichtlich kurzfristig die Stimmung verbessern wollen, damit wir nicht in die Rezession hineinrutschen: Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich aus Ihrem Interview im „Morgen-Echo“ auf WDR 5 vom 18. August zitieren: Wir wissen ja noch nicht, ob es eine Rezession gibt. Ich glaube übrigens nicht daran, dass es eine Rezession gibt. Erstens eine preisgünstige, sichere, nachhaltige Energieversorgung. Auf die Frage, warum Sie dennoch ein Programm fordern, antworten Sie im weiteren Verlauf: Es soll (Gisela Walsken [SPD]: Wow! Das bringt uns nach vorne!) Landtag Nordrhein-Westfalen Zweitens ein nationales Rohstoffkonzept und drittens die Bekämpfung des Ingenieurmangels. So weit Ihr Programm oder, wie Sie es selbst etwas zurückhaltender formulieren: Das wären da so drei konkrete Punkte. Allerdings fügen Sie vorsichtshalber gleich hinzu: Das hat – das weiß ich auch – nicht die Folge, dass innerhalb von drei Tagen die Konjunktur anspringt. (Zurufe von der SPD: Ah!) Für die kurzfristige Wirkung kommen noch zwei Vorschläge hinzu, nämlich die Abzugsfähigkeit von Spesenquittungen und die Wiedereinführung der Abzugsfähigkeit von Steuerberatungskosten. Meine Damen und Herren, das wird gewaltige konjunkturelle Effekte bringen. Darin sind wir uns alle sicher. (Lachen und Beifall von SPD und GRÜNEN – Michael Groschek [SPD]: Zusage!) Deshalb hat der Kollege Lindner es auch auf den Punkt gebracht: Diese Vorschläge des Ministerpräsidenten sind allenfalls niedlich. (Lachen und Beifall von der SPD) Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Pressekonferenz keine einzige landespolitische Initiative von Bedeutung angekündigt. Statt dieses Landes zu regieren, flüchten Sie in die Bundes- und Europapolitik. Sie sind in eine Art Schockstarre verfallen. Vor lauter Angst, vor den anstehenden Wahlen noch mehr falsch zu machen, tun Sie vorsichtshalber gar nichts mehr. Sie würden das Chaos, das wir in den einzelnen Teilen des Landes feststellen können, ja noch weiter vergrößern. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Schlimmer noch: Da, wo es lichterloh brennt, wie etwa in der Schulpolitik und bei der WestLB, schieben Sie mal eben die Verantwortung auf andere ab! (Gisela Walsken [SPD]: Ja!) Bei uns hätten Sie das, was jetzt im Schulbereich stattfindet, „Kommissionitis“ genannt. Was Sie betreiben, ist aus meiner Sicht überhaupt keine Politik mehr. Das ist Politikverweigerung, meine Damen und Herren. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Eigentlich sollten Sie als Ministerpräsident die Richtung vorgeben, politische Impulse bieten. Das tun Sie offensichtlich nicht. Auch deshalb geht es in 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11495 der Koalition und in der Landesregierung drunter und drüber. Herr Kollege Papke schießt aus vollen Rohren gleich gegen zwei Minister und den Ministerpräsidenten. Sie, die CDU und die FDP – ich darf doch auch da an Ihr Versprechen erinnern –, wollten doch eine Koalition der Harmonie sein. (Gisela Walsken [SPD]: Oi!) Was ist denn davon noch übrig geblieben? Herr Kollege Papke wirft dem Ministerpräsidenten vor, dass er – ich zitiere – mit überzogenen kritischen Äußerungen, ja mit fundamentaler Kapitalismuskritik (Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP]) das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft schwächt. (Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP]) Herr Kollege Wüst nennt das eine Lümmelei. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Richtig zitiert!) Meine Damen und Herren, prima Klima in der Koalition! (Zurufe von der CDU) Wir sind beeindruckt von dem Klima in der Koalition. Hier beginnt der Begriff Klimawandel eine völlig neue Bedeutung zu bekommen. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Vielleicht sollten Sie bei diesem Klimawandel einmal über eine flächendeckende Klimazone über die einzelnen Fraktionen hinweg nachdenken. Das führt vielleicht zu einer Absenkung der Überhitzung der Atmosphäre. Vielleicht wäre das der richtige Ansatz. (Beifall von SPD und GRÜNEN – Gisela Walsken [SPD]: Oh, ist das schön!) Meine Damen und Herren, kommen wir zurück zu den Vorschlägen des Ministerpräsidenten. Ingenieurmangel bekämpfen, Herr Ministerpräsident! – Ja, das wäre der richtige Weg. Der erste Schritt wäre allerdings, die eigene Politik zu verändern. Denn Sie produzieren mit Ihrer Politik den Fachkräftemangel von morgen. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja!) Das ist die Realität Ihrer Bildungspolitik. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Auch hier hatten Sie etwas ganz anderes versprochen. Kommen wir zum Faktencheck Bildung. Landtag Nordrhein-Westfalen Erstens. Sie wollten die Studierendenquote anheben. Das war Ihr Ziel. Stattdessen haben Sie sie – wie wir es vorhergesagt haben – mit der Einführung der Studiengebühren drastisch nach unten gedrückt. (Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) – Doch. Damit einmal klar wird, worüber wir reden: absolute Zahlen der Studienberechtigten, Entwicklung der Studienberechtigten in Nordrhein-Westfalen. 2003 lagen wir bei 94.000, 2005 bei 104.000; heute liegen wir bei 110.761. Das sind diejenigen, die berechtigt wären, ein Studium zu beginnen. Die Frage ist aber: Wer davon fängt tatsächlich ein Studium an, und zwar von den Studienberechtigten aus Nordrhein-Westfalen? Diese Zahl sinkt, weil Sie die Studiengebühren eingeführt haben. (Beifall von der SPD – Marc Jan Eumann [SPD]: Genau!) Die sogenannte Studienanfängerquote, also die Zahl der Studienanfänger je Jahrgang, sank in NRW von 2005 auf 2006 von 33,9 auf 31,6 %. (Zuruf von der SPD: Genau so ist es!) Das heißt, bei einer steigenden Demografie sinkt die Anfängerquote. Die Schere geht auseinander. Das ist die Produktion von Fachkräftemangel von morgen, Herr Minister. (Beifall von der SPD – Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart) – Ich kann Ihnen die Zahlen gerne zur Verfügung stellen. Die Zahlen kann ich Ihnen gerne geben. Das sind die Zugangsberechtigten. (Ralf Jäger [SPD]: Note 6, setzen!) Zweitens. Sie haben eine Unterrichtsgarantie versprochen. – In Wahrheit fallen nach Ihren eigenen Angaben jedes Jahr weiterhin 2,7 Millionen Unterrichtsstunden aus, und in diesem Jahr sind es wegen der Kopfnoten noch einmal 1 Million mehr. Dazu kommt noch eins: Sie zählen nach wie vor die Stunden nicht als ausgefallen, in denen die Kinder sogenannten eigenverantwortlichen Unterricht erhalten. (Gisela Walsken [SPD]: Ja!) Die sitzen im Klassenraum, kein Lehrer dabei, und kriegen eine Aufgabe. (Gisela Walsken [SPD]: Sehr richtig!) 11496 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Für mich ist das organisierte Selbstbespaßung, aber kein Unterricht, den sich die Eltern in diesem Land für ihre Kinder wünschen. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Schließlich haben Sie versprochen, die individuelle Förderung von Schülerinnen und Schülern nach oben zu fahren. – Statt dafür gezielt Ressourcen ins System zu geben, vergeben Sie bloß zahllose Preise und Gütesiegel. Ja, jetzt kommen Sie wieder mit den von Ihnen zusätzlich eingestellten Lehrern. – Über die realen Zahlen werden wir uns hier noch in vielen Debatten streiten. Dabei geht es nämlich nicht nur um die Stellen, sondern auch darum, wie viele der Stellen besetzt sind. (Gisela Walsken [SPD]: Ja!) Denn bei dieser Rechnung muss man die Stellen abziehen, die, weil kw-belastet, hinten runterfallen. Aber gehen wir einmal davon aus, es wären 4.000 bis 5.000. Dabei müssen die Menschen draußen im Land allerdings bedenken: 4.000 bis 5.000 neue Lehrerinnen und Lehrer – wir haben damals in der letzten Legislaturperiode 8.100 geschaffen – für knapp 6.400 Schulen in diesem Land macht ungefähr ein Lehrer pro Schule – ein Lehrer, der das alles leisten soll, nämlich Abbau des Unterrichtsausfalls, Ganztag, individuelle Förderung. Alles das soll dieser eine Lehrer bewerkstelligen. Herr Ministerpräsident, wie haben Sie so schön gesagt? Man kann einen Euro nur einmal ausgeben. Aber Sie geben jeden Lehrer mindestens dreimal aus, zumindest beim öffentlichen Verkaufen. (Beifall von SPD und GRÜNEN – Zuruf von Heike Gebhard [SPD] – Zuruf von Ralf Witzel [FDP]) Dann sind wir beim Faktencheck zu Ihrem zentralen Versprechen von mehr Durchlässigkeit im Schulsystem angekommen. (Ralf Jäger [SPD]: Oh ja!) Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten nicht genug getan. Das haben wir auf uns genommen. Dann haben Sie mit Ihrer Politik zusätzliche neue Hürden aufgebaut. Sie machen Bildungsgänge enger statt weiter. Ich nenne noch einmal die Stichworte: Aufhebung der Grundschulbezirke, verbindliche Grundschulempfehlung, Turboabitur nach der Formel „9+3“, dadurch Abkopplung der Gymnasien. Die Statistik, die Sie jetzt vorgelegt haben, beweist genau das, was wir vorhergesagt Landtag Nordrhein-Westfalen haben: Auf neun Absteiger in unseren Schulen in diesem Land kommt nur ein einziger Aufsteiger. (Ralf Witzel [FDP]: Das war bei Ihnen doch genau so!) Und es gibt 60.000 Sitzenbleiber in diesem Land. (Ralf Witzel [FDP]: Das war bei Ihnen doch ganz genau so!) – Sie haben doch gesagt, Sie könnten übers Wasser gehen. Aber Sie schaffen es ja nicht einmal, ein Seepferdchen zu machen, Herr Kollege. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Der hat den Mund zu voll genommen!) Das ist doch das Problem. Es geht dabei doch um Ihre Versprechungen! (Beifall von SPD und GRÜNEN) Und bei Ihnen gehen die Schülerzahlen im unteren Bereich schon zurück. Auch das dürften Sie mal berücksichtigen. (Zuruf von der CDU: Ein Absteiger spricht gerade! – Zuruf von der SPD: Oh!) – Das war aber jetzt ganz witzig. So kennt man Sie. Eine Zahl kann ich Ihnen auch nicht ersparen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Im vergangenen Schuljahr galt laut Ihrer eigenen Statistik, dass von 218.810 Hauptschülern nur 714 den Übergang zur Realschule und nur 560 den Übergang zum Gymnasium geschafft haben. Letzteres waren dank Ihrer Abschottungsstrategie für die Gymnasien 15 % weniger als im Vorjahr. Das ist der falsche Weg für Nordrhein-Westfalen und für unser Bildungssystem. (Beifall von der SPD) Ich bringe das noch einmal auf den Punkt, Herr Kollege Witzel. Das ist die Zusammenfassung: Ihr Schulsystem steht für Abstieg (Zuruf von Ralf Witzel [FDP]) 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11497 Frau Ministerin Sommer, ich kann verstehen, dass Sie das in Probleme bringt, ganz persönlich. Aber dass Sie dann in dieser Situation, in der Enge, an der Wand, an der Sie zurzeit stehen, am letzten Dienstag diesen Angriff auf die Gesamtschulen gestartet haben, (Ralf Witzel [FDP]: Alles Fakt!) den nicht gerechtfertigten Angriff auf die Gesamtschulen, nur um von Ihrem Versagen abzulenken, das war schäbig, Frau Ministerin. Das war schäbig! (Beifall von SPD und GRÜNEN) Sie greifen die Gesamtschulen an (Rainer Schmeltzer [SPD]: Ob ihr das Herr Niemetz beigebracht hat?) und sprechen von einem „Abitur light“. Als Begründung verweisen Sie ausgerechnet auf die Ergebnisse des zweiten Zentralabiturs. Dabei weisen die Ergebnisse doch auf das Gegenteil hin. Frau Ministerin, was Sie versuchen, ist durchsichtig. Um sich aus der Ecke zu manövrieren, entfachen Sie einen politischen Streit auf dem Rücken der Schülerinnen und Schüler, (Beifall von der SPD) der Lehrerinnen und Lehrer und der Eltern der Gesamtschüler und -schülerinnen. (Beifall von den GRÜNEN) Ich sage hier deutlich für die SPD-Fraktion: Wir danken den Lehrerinnen und Lehrern für ihren Einsatz, dafür, dass sie es schaffen, viele Kinder aus sozial schwächeren Familien zu guten Abschlüssen zu führen. (Beifall von SPD und GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: 40 % Misserfolg! – Gegenruf von Rainer Schmeltzer [SPD]: Herr Witzel, der größte Misserfolg sind Sie!) Das ist die Leistung der Lehrerinnen und Lehrer an den Gesamtschulen! statt Aufstieg. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Die Menschen merken das. Sie registrieren das Chaos, das Sie da anrichten, ganz genau. Das zeigt doch auch Ihre eigene Umfrage. Der Kollege Stahl hat sie doch vorgelegt. Das Ergebnis ist für Sie niederschmetternd: Zu wenig Lehrer, hoher Stundenausfall, zu große Klassen, zu geringe Chancengleichheit, zu wenig Ganztagsschulen, zu viel hektische Reformen. (Beifall von SPD und GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: 40 % Abbrecher!) Gucken wir uns doch die Fakten an, Herr Witzel, den Abstand beim Zentralabitur. – Sie haben doch gleich die Möglichkeit zu reden. Sie müssen es dem Kollegen Papke doch nur ins Ohr flüstern. Dann bringt er das in seine Rede ein. (Beifall von der SPD – Gisela Walsken [SPD]: Schön! Zettelchen!) Landtag Nordrhein-Westfalen Die Fakten liegen doch auf dem Tisch: Der Abstand bei den Noten beträgt ganze 0,28 Notenpunkte. (Ralf Witzel [FDP]: Wegen des Notenliftings! – Heiterkeit von der SPD) – Ach, das Notenlifting? Ich sage jetzt nicht das, was mir auf der Zunge liegt. Das spare ich mir jetzt. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Witzel eiert!) Bedenken Sie einmal eine Sekunde lang, unter welchen Bedingungen dort gearbeitet wird und mit welchen Kindern dort gearbeitet wird, mit welcher Empfehlung diese Kinder an die Gesamtschule gekommen sind! (Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja!) Sie müssen sich einmal die Lebensläufe, den Verlauf der Schulkarrieren dieser Kinder anschauen. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Ja!) Am Freitag gibt es, glaube ich, eine Pressekonferenz. Dort sollten Sie gut zuhören. Dann wissen Sie, welche Leistung an dieser Schulform erbracht wird. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Stattdessen, Frau Ministerin Sommer, legen Sie den Gesamtschulen ständig Steine in den Weg: verpflichtender Ganztag an den Gesamtschulen gestrichen, Entlastungen für die Schulleitungen empfindlich gekürzt, Verhindern von Gesamtschulneugründungen gegen den erklärten Elternwillen vor Ort. Sie legen ihnen einen Stein nach dem anderen immer schön in den Weg. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sind schon Felsbrocken!) Denn die Performance der Gesamtschulen ist beim Zentralabitur offensichtlich immer noch zu gut. Anders kann ich mir das nicht erklären. (Zuruf von der SPD) Ganz pharisäerhaft stellen Sie sich dann am Dienstag dahin und sagen: Das ist nicht das Ergebnis, das wir gern gehabt hätten. Jetzt wollen wir die Gesamtschulen fördern. – Hätten Sie die Stunden nicht gekürzt, dann bräuchten die Ihre zusätzliche Förderung gar nicht! (Beifall von SPD und GRÜNEN) Das ist Ihre Politik, Frau Sommer. (Beifall von der SPD) 11498 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Wegen des Fachkräftemangels für den Wirtschaftsstandort, aber auch im Sinne unserer Kinder ist es höchste Zeit, nach vorne zu blicken und für die Zukunft neue Chancen, zusätzliche Chancen für Kinder zu eröffnen. Das Gebot der Stunde lautet: länger gemeinsam lernen. Das sagt auch die aktuelle Umfrage der Bertelsmann Stiftung, dass die Menschen schon längst weiter sind als Sie. Nicht einmal mehr ein Drittel, nur noch 28 %, wollen eine Aufteilung der Schüler nach der vierten Klasse. Aber 68 % fordern längeres gemeinsames Lernen bis zur sechsten Klasse oder sogar darüber hinaus. Das sind eindrucksvolle Zahlen, die unseren Kurs, unseren mutigen Kurs in der Bildungspolitik eindeutig bestätigen. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Dann argumentieren Sie ja immer, dass man sich eher an den Inhalten orientieren und nicht die Strukturfrage stellen sollte. Die inhaltliche statt die organisatorische Reform der Schulen müsse man vorantreiben. – Das ist kein Widerspruch, Herr Ministerpräsident. (Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Doch!) Das bedingt einander. Das hat unter anderem Präses Buß bei der Tagung der Evangelischen Kirche von Westfalen dem Kollegen Stahl und dem Kollegen Papke ins Stammbuch geschrieben. Er stellte dort klar, es sei die Organisation, die die inhaltliche Lösung verhindere. – Recht hat er, meine Damen und Herren. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Schlecht für den Bildungsstandort, meine Damen und Herren, sind auch die immer weiter steigenden Elternbeiträge in den Kindertagesstätten. Verlässliche Betreuung, individuelle Förderung und frühkindliche Bildung sind unverzichtbar für berufstätige Eltern, für ein erfolgreiches Bildungssystem. Da sind wir uns schnell alle einig. Es gibt darum auch gewaltige Anstrengungen im Bund, im Land, in den Kommunen und bei den Trägern. Das ist gut. Aber Sie gefährden den Erfolg dieser Bemühungen, indem Sie die Kommunen und Eltern immer weiter mit steigenden Elternbeiträgen belasten. Sie haben offensichtlich den Grundsatz aufgegeben, annähernd gleiche Lebensverhältnisse im Land bestehen zu lassen. Sie haben den Defizitausgleich abgeschafft, mit dem fehlende Elternbeiträge vom Land übernommen werden. Jetzt müssen entweder die Kommunen oder die Eltern dafür zahlen. Die Folge sind steigende Beiträge und unterschiedliche Sätze. Ich habe mich einmal schlau Landtag Nordrhein-Westfalen gemacht. Eine Familie mit niedrigem Einkommen und zwei Kindern zahlt in Düsseldorf 240 €, in Duisburg 450 € und in Gelsenkirchen 600 €. (Wolfgang Jörg [SPD]: Das ist eine Sauerei!) Das ist in der Tat nicht in Ordnung. Denn gerade in den bedürftigen Kommunen steigen die Elternbeiträge an, dort, wo die schwierigeren Kinder auch häufig zu Hause sind, Kinder aus Migrantenfamilien, die eine gute Betreuung im Kindergarten brauchen. Dort kommt es zu dieser Entwicklung. Die ist nicht gut. Ihre Politik führt auf Sicht zu großen sozialen Verwerfungen. Das können wir Ihnen voraussagen. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Unterschiedlich bleibt natürlich auch die Höhe der Beiträge von Kommune zu Kommune, und sie wird nach allem, was im Moment absehbar ist, noch zunehmen. Bleiben wir beim Stichwort kommunale Finanzen: Die Kommunen gehören weiterhin zu den großen Verlierern Ihrer Politik. Das Verfassungsgericht hat Ihnen ja auferlegt, die Soligelder zurückzuerstatten. Sie versuchen, sich vor der Rückzahlung zu drücken. Ich habe im Haushalt nachgeschlagen: Null Euro im Haushalt 2009 dafür. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Schweinerei!) Es bleibt bei der kommunalfeindlichen Politik, Herr Finanzminister. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Man darf immer wieder daran erinnern, dass die Kommunen bei fast allen Kürzungen, die Sie in den letzten Jahren vorgenommen haben, direkt oder indirekt betroffen waren. Sie haben auf Kosten der Kommunen gespart und tun das auch weiterhin. Beim Verfassungsgericht laufen deshalb drei Klagen der Kommunen gegen Sie, darunter zwei Klagen wegen der Verletzung der Konnexität, wegen der Verlagerung der Umweltverwaltung und wegen der Auflösung der Versorgungsämter. Galt früher nicht der Grundsatz: Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch? (Rainer Schmeltzer [SPD]: Jedem Regierungsmitglied ein Instrument!) Das hatten Sie doch damals mit abgestimmt. Heute verstoßen Sie gegen dieses Prinzip. Schlimmer noch: Sie ziehen die Kommunen bei der Verteilung der kräftig gestiegenen Steuereinnahmen buchstäblich über den Tisch. 2005 flossen noch 20 % der Landessteuereinnahmen ins 11499 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 GFG. Im Jahr 2006 haben Sie diesen Anteil auf 17,1 % gesenkt. Den Wert von 20 % im Jahre 2005, Herr Innenminister, haben Sie in keinem der folgenden Haushalte wieder erreicht. (Gisela Walsken [SPD]: Tja!) Dabei geht es um eine Menge Geld. Hätten die Kommunen weiterhin konstant 20 % der Landessteuermehreinnahmen bekommen, hätten sie bis heute 1,7 Milliarden € mehr vom Land erhalten. Damit könnte man in den Kommunen sinnvolle Sachen machen. (Beifall von SPD und GRÜNEN – Gisela Walsken [SPD]: Exakt so ist es! – Weitere Zurufe) Der nächste Schlag gegen die Kommunen und gegen die kommunalen Finanzen ist bereits geplant: die Novelle zum Sparkassengesetz, also der Weg in die Privatisierung. (Zustimmung von der SPD) Die vorgesehene Bildung von Trägerkapital leistet der Privatisierung Vorschub; das wissen Sie. (Helmut Stahl [CDU]: So ein Quatsch!) Die Menschen im Land beginnen, das zu begreifen. (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Wer will denn die Sparkassen privatisieren?) Wir reden über 110 Sparkassen, 63.000 Arbeitsplätze und 3.500 Ausbildungsplätze. (Zurufe von CDU und FDP) Wir reden über den unverzichtbaren Partner für den Mittelstand und das Handwerk. Aber genauso wenig können die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger auf die Förderung und das Engagement der Sparkassen im sozialen, im kulturellen, im sportlichen und im ehrenamtlichen Bereich verzichten. (Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) Rund 155 Millionen € jährlich stecken die Sparkassen als Sponsoren in Kulturveranstaltungen und in die kleinen Sportvereine vor Ort. Das setzen Sie mit Ihrer Politik aufs Spiel, Herr Finanzminister! (Beifall von SPD und GRÜNEN – Widerspruch von Christian Weisbrich [CDU] und Volkmar Klein [CDU]) Deshalb ist die Aufregung im Lager der Sparkassen groß. Der Präsident des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes ruft zur Landtag Nordrhein-Westfalen Teilnahme an einer SPD-Veranstaltung auf. Dieser Verband ist nicht gerade unsere Vorfeldorganisation; da muss schon ziemlich viel in Bewegung sein. (Heiterkeit von der SPD) In Mönchengladbach gab es eine Ratsresolution; die Kollegen sind vorsichtshalber aus dem Raum gegangen. (Zuruf von der SPD: Die waren doch gar nicht da!) Die Kollegen Norbert Post und Michael Schroeren haben einer Resolution in Mönchengladbach gegen die Novelle des Sparkassengesetzes zugestimmt; das Ergebnis war einstimmig. (Beifall von der SPD – Zurufe von der SPD: Hört, hört! Bravo! – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) Interessant ist der Titel dieser Resolution: „Aus Sorge um die Zukunft der Sparkassen und in Sorge um die Gefährdung kommunalen Eigentums“ – Dem ist nichts hinzuzufügen, meine Damen und Herren. (Beifall von SPD, GRÜNEN und Rüdiger Sagel [fraktionslos]) Ich habe schon am Samstag das Zitat von Johannes Rau aus seiner Rede auf der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages gebracht. (Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) Er hat dort ausdrücklich die kommunale Daseinsvorsorge in ihrer Bedeutung dargestellt. Er sagt wörtlich – ich zitiere –: Ich denke, wir sollten diese Daseinsvorsorge erhalten. Wo allein die herrschen, die von der Rationalität des Marktes und der Logik des wirtschaftlichen Vorteils ausgehen, da gibt es eigentlich keine Bürger mehr, sondern nur noch Kunden und Kosten. Gute Kunden hält man, die schlechten klemmt man ab, und die Kosten kürzt man … Recht hat Johannes Rau, meine Damen und Herren. (Beifall von SPD, GRÜNEN und Rüdiger Sagel [fraktionslos]) Das Thema WestLB ist eng mit den Sparkassen verbunden. Die Novelle des Sparkassengesetzes – das wissen Sie – behindert eine Lösung für die WestLB. Haben Sie aus den vielen Fehlschlägen immer noch nichts gelernt? Ich kann sie noch einmal auflisten: 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11500 Sommer 2007: (Helmut Stahl [CDU]: Fangen Sie 1996 an! – Gegenrufe von Sylvia Löhrmann [GRÜNE] und Rainer Schmeltzer [SPD]) Der Ministerpräsident stoppt die von den Sparkassenverbänden vorbereitete Fusion mit der LBBW und erklärt die WestLB zur Chefsache. Sein Alternativplan, mit der Sachsen LB zusammenzugehen, wurde schon zwei Tage später verworfen. Im Dezember 2007 gab es den Zehn-PunktePlan. Er enthielt unter anderem als Plan die Übernahme der IKB und die Fusion mit der Helaba. Aus beiden Plänen ist bekanntlich nichts geworden. (Gisela Walsken [SPD]: Chefsache!) Wir haben immer gesagt: Das waren von Beginn an nur Luftbuchungen. Seitdem haben wir in rascher Folge weitere Vorschläge gehört, die alle verworfen wurden. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Alles Chefsache!) Die Landesregierung hat an viele Türen geklopft. Herr Ministerpräsident, heute ist von Ihnen hierzu nichts mehr zu hören. Sie reagieren, wie ich höre, sehr schmallippig auf Fragen von Journalisten nach der Zukunft der WestLB. (Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers schüttelt mit dem Kopf.) Angeblich warten Sie auf Vorschläge der Sparkassenverbände. (Gisela Walsken [SPD]: Chefsache! – Weitere Zurufe von der SPD) Herr Ministerpräsident, die Bank erst zur Chefsache zu erklären, um dann die Verantwortung abzuschieben, ist keine solide Politik für unser Land! (Beifall von SPD und GRÜNEN – Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie immer bei Herrn Rüttgers!) In diesem Zusammenhang fand ich interessant, was wir gestern lesen konnten; ich zitiere mit freundlicher Erlaubnis des Präsidenten aus dem Bonner „General-Anzeiger“: Aus vertraulichen Unterlagen der Bank – gemeint ist die WestLB – geht hervor, dass die Bank zwei Drittel der Schrottanleihen Landtag Nordrhein-Westfalen – also nicht Anleihen in Schrott, sondern solche, die schrottig sind – erst nach dem Regierungswechsel angehäuft hat und zwischenzeitlich fast 30 Milliarden in ihren Depots führte. (Gisela Walsken [SPD]: Aha! – Ralf Jäger [SPD]: Das ist Chefsache!) Herr Ministerpräsident, ich habe nachgeschlagen. Am 23. Januar haben Sie das im Plenum ein bisschen anders dargestellt. Sie haben wörtlich erklärt – ich zitiere – Meine Damen und Herren, wir versuchen hier jetzt, etwas aufzuräumen, was in der großen Mehrheit und im großen Umfang während Ihrer Regierungszeit geschehen ist. (Zustimmung von Christian Weisbrich [CDU]) – Hören Sie gut zu, Herr Weisbrich! (Christian Weisbrich [CDU]: Immer!) Weiter geht es: Vor 2006 wurden die meisten Risiken, über die wir heute reden, eingegangen. Wir räumen jetzt das auf, was damals nicht verhindert bzw. was zugelassen worden ist. Das ist der eigentliche Sachverhalt, der im Moment auf der Tagesordnung steht. Herr Ministerpräsident, Sie wollten damit offenbar bewusst (Gisela Walsken [SPD]: Täuschen!) den falschen Eindruck erwecken, die Verantwortung für dieses Anlagedesaster bei der Bank läge noch bei Rot-Grün. (Zuruf von der CDU: Das ist so! – Widerspruch von Gisela Walsken [SPD] – Weitere Zurufe) 20 % bei Ihnen und 80 % bei uns: Diese Zahlen haben Sie damals genannt. Wir haben das immer zurückgewiesen. Offensichtlich haben und hatten wir recht. Die Wahrheit, Herr Ministerpräsident, kommt immer irgendwann ans Licht! (Gisela Walsken [SPD]: Lügen haben kurze Beine! – Zuruf von Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers) Dabei empfiehlt sich, den Faktencheck vorher durchzuführen. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Kommen wir zum Faktencheck bei der Klima- und Energiepolitik. Ja, Sie haben eine Handlungsof- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11501 fensive zum Klimaschutz vorgelegt. Sie verdient diesen Namen wahrlich nicht. Sie enthält lediglich allgemeine Ziele; konkrete Handlungsvorschläge für die Landespolitik sind nicht zu finden. Sie haben ein Klimaschutzkonzept ohne eigene Klimaschutzmaßnahmen vorgelegt. Da hilft auch keine Symbolpolitik, die den Steuerzahler eine Klimaschutzabgabe für die Dienstwagen der Landesregierung zahlen lässt. Ganz praktisch schaden Sie sogar dem Klimaschutz in NRW. Mit dem Feldzug der Landesregierung gegen erneuerbare Energien – insbesondere gegen die Windenergie – wird einerseits verhindert, dass diese Energien einen größeren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Andererseits werden Investoren aus Nordrhein-Westfalen ferngehalten. Ergebnis ist, dass die Anlagen und die Arbeitsplätze für die Solarindustrie bevorzugt in Ostdeutschland und für die Windenergie in Norddeutschland entstehen. Statt für NRW zu handeln, machen Sie das Gegenteil. Es bleibt beim Kampf von Don Papke und Sancho Ellerbrock gegen die Windmühlenflügel. (Beifall von der SPD) Meine Damen und Herren, wir brauchen in diesem Bereich weitere Anstrengungen, um innovative Techniken zu entwickeln, die langfristige Energieversorgung zu sichern und den Klimaschutz zu gewährleisten. Darin liegt die große wirtschaftliche Chance für den Standort NRW. Sie wollen stattdessen die abgeschriebenen und technologisch veralteten Atomkraftwerke immer weiter laufen lassen. Damit verhindern Sie die Umsetzung des Kraftwerkserneuerungsprogramms in NordrheinWestfalen. (Beifall von der SPD) Das läge aber im Landesinteresse, Herr Ministerpräsident. (Beifall von der SPD) Wenn Sie etwas für NRW tun wollen, warte ich auf Ihre Stimme beim Emissionshandel. Hier findet die Landesregierung aus NRW offenbar nicht statt. In Berlin ist man sich darüber einig, dass das, was über die Auktion hereinkommt, nämlich rund 10 Milliarden €, in den Ländern bleiben muss. 44 % davon entstehen in NRW. Wo ist Ihre Stimme dafür, dass dieses Geld nach NRW muss? Es geht um 4 bis 5 Milliarden € für den Klimawandel in unserem Land. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Landtag Nordrhein-Westfalen Meine Damen und Herren, von der Energiepolitik müsste man auf die Wirtschaftspolitik kommen. Frau Ministerin Thoben, davon gibt es nach wie vor wenig. Es gibt viele Überschriften, aber faktisch findet eigentlich nichts statt. Ich habe mir noch einmal die mittelfristige Finanzplanung für Ihren Bereich angesehen: Die Zahlen gehen dramatisch nach unten. Sie führen einige Wettbewerbe durch. Ich bin sehr gespannt darauf, ob dort alles so sauber gelaufen ist, wie es zu vermuten steht. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie ist die Jury zusammengestellt?) Und ich bin auch sehr gespannt darauf, wie die Relation zwischen Fördersumme und Kosten der Verfahren aussieht. Auch da werden wir nachhaken, meine Damen und Herren. (Beifall von der SPD) Nachhaken werden wir auch hinsichtlich der Verwaltung des Landes. Auch dort lohnt ein kurzer Faktencheck. Angekündigt war eine große Verwaltungsstrukturreform. Wir erinnern uns daran. Herr Kollege Papke hat diese allerdings im März endgültig abgesagt, wenn ich es richtig verstanden habe. Gestern aber redete er in einer Pressekonferenz von notwendigen strukturellen Maßnahmen und von radikalen Behördenneuzuschnitten ohne Tabus. Herr Ministerpräsident, stehen die Bezirksregierungen jetzt schon wieder zur Disposition oder nicht? Die Menschen dort draußen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter warten auf Ihre Antwort, Herr Ministerpräsident. Sind das die radikalen Strukturveränderungen, die Herr Papke will? (Unruhe bei der Landesregierung) – Meine Damen und Herren an meiner Seite, es wäre nett, wenn Sie etwas leiser reden könnten. Es stört die Konzentration wirklich ein bisschen. – Danke schön. (Beifall von der SPD) Meine Damen und Herren, die Landesregierung und der Landtag tragen Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur bei den Bezirksregierungen, sondern bei allen Teilen der Landesverwaltung. Herr Ministerpräsident, ein fairer Umgang mit den eigenen Mitarbeitern ist bekanntlich nicht die Stärke Ihrer Landesregierung. Als Oppositionsführer und Spitzenkandidat im Wahlkampf haben Sie den Beamten und Angestellten das Blaue vom Himmel versprochen. Es gab viele politische Versprechen, die der Finanz- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11502 minister und der Innenminister anschließend wieder eingesammelt haben. „Versprochen gebrochen“ lautet auch hier das Ergebnis des Faktenchecks. Worte und Taten stimmen bei Ihnen einfach nicht überein. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Das merken auch die eigenen Leute, wie ich diesem Brief entnehmen konnte, den der Personalrat Ihrer eigenen Staatskanzlei an Sie geschrieben hat. Stichwort: Outsourcing. – Herr Ministerpräsident, Sie hatten davon geredet, Outsourcing sei dummes Zeug. Der Personalrat hat darauf hingewiesen, dass genau das unter Ihrer Verantwortung in der Staatskanzlei realisiert wird. Sie lagern Dienstleistungen aus. Ihr Personalrat klagt, dass Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht gerecht und würdevoll behandeln. Es zeigt sich: Das soziale Mäntelchen ist wieder einmal mehr nur Zierrat. Ihre reale Politik ist weder sozial, noch real, noch arbeitnehmerfreundlich. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Sonntags reden Sie mitfühlend über die Empfänger von Hartz IV. Während der Woche entziehen Sie den Arbeitslosen die Hilfe durch die unabhängige Beratung in den Arbeitslosenzentren. (Beifall von der SPD) Wie leiten Sie eine solche Politik aus der christlichen Soziallehre ab, Herr Ministerpräsident? Das Problem Ihrer Regierung ist: Sie haben keinen Plan, keine Vision und keine Idee. Nach 39 Jahren haben Sie die Regierung übernommen. Das Programm war, alles anders zu machen als Rot-Grün. Die Antihaltung war Ihre gemeinsame Plattform. Anfangs haben Sie von einer Koalition der Erneuerung gesprochen. Jetzt verkünden Sie die Politik des Stillstands. Wir beraten heute den Haushalt des Jahres 2009. Er ist so wie die anderen. Sie setzen keinen wirklichen Schwerpunkt, Herr Finanzminister. Auch hier lohnt sich ein Faktencheck. Ich mache es kurz. Kinderbetreuung, Ausbau U3: Seien Sie doch einmal ehrlich. Erstens haben Sie die Mittel für Investitionen gekürzt. Zweitens haben Sie die Mittel in erster Linie dem Finanzminister Peer Steinbrück zu verdanken; denn aus Berlin fließen im Jahr 2009 mehr als 82 Millionen für Investitionen im U3-Bereich. (Beifall von der SPD) Landtag Nordrhein-Westfalen Dann unterschlagen Sie auch noch etwas, Herr Finanzminister. Im Kindergartenjahr rechnen Sie zwar mit einer Steigerung um 11.000 Plätze bei unter Dreijährigen. Dem steht aber ein Rückgang um 36.000 Plätze bei über Dreijährigen gegenüber. Herr Finanzminister, das vergessen Sie in Ihrem Beitrag zu erwähnen. (Beifall von der SPD) Bildung: Im Schulbereich lohnt ein Blick in die mittelfristige Finanzplanung. Schauen Sie einmal, wie sich der Etat der Schulministerin in der mittelfristigen Finanzplanung entwickelt. Der Zuwachs um 997 Millionen € liest sich auf den ersten Blick ganz gut. Doch wir wissen doch sehr genau, dass davon allein rund 650 Millionen € für Versorgungs- und Pensionsleistungen draufgehen werden, Herr Finanzminister und Herr Ministerpräsident. Es erfolgt keine Schwerpunktsetzung. (Minister Dr. Helmut Linssen: Wer schreibt Ihnen denn das auf?) Qualitativ wird sich das für unsere 6.240 Schulen nicht positiv auswirken. Schauen wir auf den Innovationsbereich, Herr Pinkwart. Hier wird aus dem ehrlichen Kaufmann ein Zahlentrickser. In der mittelfristigen Finanzplanung wächst der Etat von Minister Pinkwart ganz bescheiden um 138 Millionen vom Jahr 2009 bis zum Jahr 2012. Doch in seiner Presseerklärung sagt der Minister der Öffentlichkeit: Insgesamt steigt der Etat um mehr als 1,3 Milliarden €. – Das nenne ich kreative Buchführung, Herr Minister. Haben Sie vielleicht die Einnahmen aus den Studiengebühren und die durchlaufenden Mittel des Bundes miteingerechnet? Oder ist ein Lottogewinn mitverbucht? Ich wüsste gerne, wie Sie auf diese Zahlen kommen. (Beifall von der SPD) Meine Damen und Herren, halten wir abschließend fest: Anders als versprochen gilt, Sie sparen nicht, Sie investieren zu wenig, Sie lassen die Kommunen ausbluten und Sie setzen nicht wirklich einen Schwerpunkt bei Kindern, Bildung und Innovation. (Zuruf von Christian Möbius [CDU]) Sie sind nicht ehrlich zu den Menschen in Nordrhein-Westfalen. Dieser Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung sind Ihr Offenbarungseid, Herr Ministerpräsident! (Lang anhaltender Beifall von der SPD – Beifall von den GRÜNEN) 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11503 Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Kraft. – Für die CDU spricht ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Stahl. (Ralf Jäger [SPD]: Jetzt kommt das rhetorische Highlight!) Helmut Stahl (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kraft, die Rede, die Sie gerade gehalten haben, ist ein typisches Beispiel dafür, dass der Mantel nicht passen kann, wenn man beim Zuknöpfen mit dem falschen Knopf anfängt. (Beifall von der CDU) Ich werde Ihnen gleich an Beispielen zeigen, warum all Ihre Argumente so schief sind. Sie haben vorgetragen, was wir von Ihnen kennen: Kritik im Pepitaformat, aneinandergereihte Wiederholungen dessen, was irgendwann einmal kritisch in den Medien stand. (Ute Schäfer [SPD]: Das ist der einzige Spruch, den Sie kennen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Haben Sie auch mal eine neue Rede?) Es ist das geistlose Aneinanderreihen kleinster Quadrate, deren Gesamtschau nichts als Verwirrung stiftet. (Beifall von der CDU) Ihre Vorschläge sind ohne Geist und ohne Linie. (Widerspruch von der SPD) Ich will an ein paar Fakten aufzeigen, warum Ihre Argumente schief sind. Ich will es nicht an allen machen, denn das würde mir meine ganze Redezeit nehmen; das wäre schade. Sie haben zutreffend behauptet, dass die Steuereinnahmen von 2005 bis 2009 um etwa 25 % gestiegen sind. Sie haben auch die Zahl von 8,6 Milliarden € Zuwachs genannt. Sie haben aber versäumt zu sagen, wie die Ausgabenseite aussieht. Von den 8,6 Milliarden € sind 1,6 Milliarden € in den Steuerverbund mit den Kommunen, 5 Milliarden € in den Abbau der Nettokreditaufnahme, 0,4 Milliarden € in den Schuldendienst und 0,7 Milliarden € in die Versorgungsrücklage geflossen. (Ralf Jäger [SPD]: Warum haben Sie trotzdem 14 Milliarden € mehr Schulden gemacht?) Dann sind Sie schon bei gut 7 Milliarden € und haben die 8,6 Milliarden € ruck, zuck problemlos Landtag Nordrhein-Westfalen erklärt. Der Rest ist beispielsweise auf das KiBiz, auf mehr Lehrerinnen und Lehrer und auf mehr Investitionen an unseren Hochschulen zurückzuführen. So einfach, so simpel ist das alles. (Beifall von der CDU) Wenn Sie den Ministerpräsidenten ob seiner strukturellen Vorschläge bezogen auf die Konjunktur kritisieren, dann zeigt das, dass Sie den Paradigmenwechsel nicht verstanden haben, der in der Ökonomie und auch in der Politik längst vollzogen ist: dass eine Politik der Mehrausgaben in einer schwierigen wirtschaftlichen Entwicklung nicht hilft, sondern die Probleme potenziert. Auf genau diesen Punkt, den wir erkannt haben, kommt es an. (Beifall von CDU und FDP) Deshalb ist es wichtig, strukturelle Maßnahmen vorzuschlagen. Genau das hat der Ministerpräsident soeben getan. Nun komme ich zu Ihren Ausführungen bezüglich der Zuwachsraten im Haushalt bei den Steuereinnahmen: Wissen Sie denn nicht, Frau Kraft, dass sie auf der Steuerschätzung beruhen, die Bund und Länder jeweils im Mai und November durchführen? Worauf sollte der Finanzminister seine Rechnungen denn sonst stützen? (Zuruf von der SPD: Warum spricht der Ministerpräsident denn dann dagegen? Kann er die Steuerschätzung nicht lesen?) Das zeugt davon, dass Sie bei all dem, was Sie vorgetragen haben, in der Sache keine Ahnung haben. (Beifall von CDU und FDP) Ich denke, Sie hatten bei ZENIT Ihren Zenit als Ökonomin schon längst überschritten. (Widerspruch von der SPD) Sie haben die WestLB angesprochen und im Kern kritisiert, dass vor dem Hintergrund des Risikoschirms erste Ausgaben fließen mussten, den das Land gemeinsam mit den Eigentümern entsprechend der Vereinbarung vom 8. Februar verfügbar gemacht hat. Wie um Himmels willen kann man das kritisieren? Das ist eine ganz normale Erfüllung der Vereinbarung und das Abarbeiten des GAUs und des Verbrennens von Geld bei der WestLB über Jahre, ein Erbe, das die Sie uns überlassen haben. Genau das ist der Punkt! (Beifall von CDU und FDP – Ralf Jäger [SPD]: Zwei Drittel hat Cheffe gekauft!) 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11504 Wenn Sie die angebliche Fusion mit der LBBW ansprechen, die immer noch draußen herumwabert, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass der Präsident der Sparkassen in Baden-Württemberg, Schneider, eindeutig erklärt hat, es wäre ein Happen, an dem man sich heillos verschlucken würde. (Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron) Die Diskussion hat sich vom Boden der Realität abgehoben. Sie sind dabei, auch noch zu trommeln. Sie sind es, die die Sparkassen verunsichern. (Beifall von CDU und FDP) Sie haben noch gar nicht mitbekommen, dass es eine Europäische Kommission gibt, die bestimmte Dinge von uns verlangt, die weit entfernt sind von dem, was da vor Ort und von Ihnen diskutiert und vorgetragen wird. Und dann kritisieren Sie eine angebliche Schockstarre der Politik. Ist es denn eine Schockstarre, wenn wir das Heimgesetz neu formen, wenn wir die Lehrer(innen)ausbildung verändern, wenn wir das Sparkassenrecht novellieren? Dann können Sie doch nicht von Schockstarre reden! Warum protestieren Sie denn dagegen, wenn die Regierung angeblich in Schockstarre verfallen ist? Sie sind mit Ihrer Kritik im Übrigen – wie ich vorhin schon sagte – nicht mehr als der Lautsprecher einer schieflaufenden Debatte. Landesplanungsgesetz, anderes mehr – es ist widerlegt, dass wir, dass die Landesregierung es nur ansatzweise aufgegeben hätten, dieses Land nach vorne zu bringen. Das ist und bleibt unser Auftrag, und wir werden ihn bis zum letzten Tag konsequent gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ehrlich erfüllen. (Beifall von CDU und FDP) Frau Kollegin Kraft, das Sommertheater der SPD hat niemanden zu Beifall eingeladen, auch nicht in der SPD. In der Öffentlichkeit herrscht ein breites Unverständnis über die Behandlung der Causa Clement durch die nordrhein-westfälische SPD, deren Vorsitzende Sie, Frau Kraft, sind. Wie konnten Sie es zulassen, dass Ihr Landesverband derart stümperhaft handelt? Schließlich geht es um einen Politiker, der über Jahrzehnte Ihre Partei verkörperte. (Zuruf von der SPD: Was hat das mit Ihrem Haushalt zu tun?) Das war unprofessionell, eben so, wie Sie sind. (Beifall von der CDU) Landtag Nordrhein-Westfalen Da gab es Ihre Firmenbesuche in der Sommerpause. Sicherlich ist das lobenswert. Aber wie weh haben Sie der IG Metall eigentlich getan, als Sie sich in Lobeshymnen auf ein Unternehmen ergingen, das offenbar nicht daran denkt, tarifliche Löhne zu zahlen. (Hendrik Wüst [CDU]: Eijeijei!) Ich erinnere Sie daran, dass Sie sich vor einem Jahr der IG Metall für die Kampagne „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ angedient haben. Dass Sie so etwas in der Vorbereitung eines Termines nicht draufhaben, das ist nicht nur unprofessionell, Frau Kraft, es macht Sie auch unglaubwürdig – eben so, wie Sie sind. (Beifall von der CDU – Ralf Jäger [SPD]: Rauschender Beifall!) Natürlich musste irgendwann herauskommen, was dieser Tage im Magazin „Focus“ nachzulesen war. So sind Sie eben: Kenn’ ich, kann ich, weiß ich, alles schon gemacht, alles auf der Pfanne. – Ich erinnere mich noch gut, Frau Kraft, an die Begegnung mit Kanzlern und Rektoren in der Zeit, als Sie Ministerin für die Hochschulen waren: (Michael Groschek [SPD]: Das war noch eine Zeit!) Den Rektoren und Kanzlern waren die Termine in Ihrem Ministerium ein blanker Graus. Da haben Sie den Profis mal eben erzählt, (Zuruf von der SPD) wie Wissenschaft geht, was Forschung ist. Von oben herab: Kann ich, kenn’ ich, weiß ich. – Frau Kraft, diese Menschen aus Wissenschaft und Forschung werden alles daransetzen, nicht nochmals mit Ihnen zu tun zu haben. (Beifall von CDU und FDP) Ich bin sicher, das wird sich in Nordrhein-Westfalen weit herumsprechen. Demokratie, Frau Kollegin Kraft, lebt vom Streit, von der offenen Diskussion, vom Ringen um die beste Lösung, vom Ringen um den bestmöglichen Kompromiss. Wir wollen uns ja gerne mit Ihnen messen in einer Diskussion um Konzepte etwa zur Innovation, zur Energie- und Rohstoffpolitik, zum Verbraucherschutz, zur inneren Sicherheit, zu Konzepten auf anderen Politikfeldern. Aber nichts ist von Ihnen diesbezüglich zu hören und zu vernehmen, nichts außer hohler Rhetorik. Uns fehlt der Widerpart, uns fehlt das Gegenüber, mit dem wir uns in der Sache messen können. Tun Sie Ihren Job! 11505 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 (Beifall von CDU und FDP – Sören Link [SPD]: Ist das Ihre Rede aus dem Koalitionsausschuss?) Über drei Jahre sind Sie jetzt Führerin der größten Oppositionsfraktion. Nichts haben Sie zustande gebracht, was inhaltlich Hand und Fuß hätte. Doch, eines haben Sie zustande gebracht: einen Parteitagsbeschluss zur Schulpolitik. Dieser ist genauso rückwärtsgewandt wie Ihre Position zum subventionierten Steinkohlenbergbau. (Beifall von CDU und FDP) Sie können es, Sie kennen es, Sie wissen ja alles – angeblich. Aber wo, Frau Kraft, sind Ihre Antworten, Ihre seriösen Antworten auf Zukunftsfragen unserer Gesellschaft, beispielsweise in der Energiepolitik? (Ralf Jäger [SPD]: Wer hat Ihnen die Rede wieder geschrieben?) In der vorigen Woche hat Frau Kollegin Löhrmann Sie an die Hand genommen und mit Ihnen gemeinsam eine Pressekonferenz abgehalten. Im Kern war Inhalt dieser Pressekonferenz das, was der Kollege Priggen als Sondervotum für die Energie-Enquete ausgearbeitet hatte. Wir alle in Nordrhein-Westfalen und weit darüber hinaus (Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]) sind existenziell angewiesen auf verlässliche wie erschwingliche Energie. Wir sind angewiesen darauf, dass Strom stetig in gleichbleibender Qualität zur Verfügung steht. Sonst laufen weder die komplizierten Instrumente in einem Operationssaal oder bei der Flugsicherung noch die Steuerung von Industrieanlagen, noch Computer, noch Waschmaschinen oder Fernseher. Dann sind Wohlstand und Sicherheit futsch. Wir müssen die Fähigkeit zur Mobilität erhalten. Sprit darf nicht unerschwinglich werden. Wir brauchen warme Wohnungen. Der globale Hunger nach Energie und die Energiepreiskrise haben uns gelehrt: Wir brauchen für eine sichere, eine saubere, eine bezahlbare Energieversorgung, einen Energiemix aus allen technisch wie wirtschaftlich nutzbaren Energiequellen. Wir brauchen sie alle. Wir brauchen die Wasserkraft oder Braunkohle, Erd- oder Sonnenwärme, Bio- oder Windkraft, Gas- oder Kernkraft. Es macht keinen Sinn, das Energieangebot künstlich zu verknappen und dadurch die Preise weiter raketenhaft nach oben zu treiben. Es macht einfach keinen Sinn, sichere Kernkraftwerke in Deutschland stillzulegen. (Beifall von CDU und FDP) Landtag Nordrhein-Westfalen Wissenschaftler und anerkannte Experten sagen uns: Mit einem Ausstieg aus der Kernenergie katapultiert sich Deutschland an die Spitze der Verschmutzerstaaten. Die „Neue Zürcher Zeitung“ spricht in ihrer Ausgabe vom letzten Wochenende von einem sich anbahnenden Desaster in Deutschland. Das kann doch nicht im deutschen und schon gar nicht im nordrhein-westfälischen Interesse liegen. Herr Kollege Priggen, ich wende mich an Sie, weil Sie im Unterschied zur SPD immer noch eine Position haben, über die man streiten kann. Leider offenbaren Ihre Konzepte ein statisches Denken, das auch Ihre Partei nicht zukunftsfest macht. Dazu ein Beispiel: Sie fordern in Ihrem Papier den Aufbau einer Tankstelleninfrastruktur für Erdgas in den Städten und auf Autobahnen. Dazu sage ich: Löblich! Aber sind Sie damit auf der sicheren Bank? In welche Abhängigkeiten begeben wir uns damit? Wollen wir tatsächlich unsere Abhängigkeit von Erdgaslieferanten, insbesondere von Russland, weiter steigern? Können Sie das wirtschaftlich, können Sie das politisch wirklich verantworten? Hinzu kommt: Hat der Verbrennungsmotor – einschließlich eines gasbetriebenen – eine Ewigkeitsgarantie? Geht der Trend nicht viel stärker zu Elektroantrieben, auch im motorisierten Individualverkehr? Namhafte deutsche Hersteller wollen in zwei, drei Jahren Fahrzeuge in der Golf- oder A-Klasse mit Elektromotor auf den Markt bringen. Da sieht Ihre Frau Künast mit ihrem Faible für Fahrzeuge japanischer Produktion ziemlich hybrid aus. Die wird dann wohl versuchen, an einer staatlich verordneten Tankstelle ihre Batterien aufzuladen. Ich wage vorherzusagen: Das wird nicht gelingen. (Beifall von der CDU) Der Ersatz von Verbrennungsmotoren durch Elektromotoren bedeutet ein Mehr an Strombedarf, bedeutet ein Mehr an Stromproduktion in Deutschland. Damit, Herr Priggen, sind all Ihre schönen Szenarien im Eimer, weil Ihr Denken diesbezüglich in der Gegenwart verhaftet bleibt und die Szenarien der Zukunft nicht kennt. Gleichzeitig gegen Kohle und gegen Kernkraftwerke zu kämpfen, das ist nicht nur dumm und konzeptionslos, sondern – davon bin ich überzeugt – damit versündigen Sie sich auch am Klimaschutz, am Geldbeutel und an den Mobilitätsbedürfnissen von Wirtschaft und Gesellschaft. (Beifall von der CDU) 11506 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Autobatterien laden, nur wenn der Wind weht oder die Sonne scheint, das, Herr Priggen, kann nicht Ihr Ernst sein. Sie können mehr, oder verschweigen Sie, dass Sie den Menschen das Autofahren unmöglich machen wollen? Frau Kollegin Kraft, da es Ihnen an politischer Substanz und Orientierung gebricht, suchen Sie immer neu Ihr Heil in dem Anspruch, für soziale Gerechtigkeit einzustehen. Sie tun das meist ohne Begründung, stets im Behauptungsstil. Sie missbrauchen die soziale Gerechtigkeit, um Ihre politische Substanzlosigkeit zu kaschieren. (Widerspruch von der SPD) Sie nutzen erkennbar das Leitbild sozialer Gerechtigkeit, um weniger einkommensstarken, weniger begüterten Menschen Hoffnung auf mehr Geld zu machen, um diese Hoffnung politisch zu nutzen, wenn nicht sogar auszunutzen. Oder es geht darum – beispielsweise in der Debatte um die Studienbeiträge –, die Illusion zu nähren, alles könnte besser werden, ohne dazu selbst einen Beitrag zu leisten. Ich kenne, Frau Kollegin Kraft, kein Studiengebührenmodell, das unsozialer war und ist, als das von Ihnen in Nordrhein-Westfalen eingeführte Studienkontenmodell. (Beifall von CDU und FDP) Hin und wieder ist es gut, sich ein paar Obersätze klarzumachen; sonst geht die Urteilskraft verloren. (Gisela Walsken [SPD]: Ja!) Allen Menschen das Gleiche oder annähernd das Gleiche für ihre Arbeitsleistung in Form von Einkommen, Lohnersatzleistung, Alterseinkommen zu versprechen, das würde in kürzester Zeit jede Wirtschaft, jede Gesellschaft um ihre Zukunft bringen. Warum sich mehr anstrengen als andere, warum den Stress des Arztberufs, des selbstständigen Handwerkmeisters, der Stationsschwester oder der Pflegeleitung in Kauf nehmen, wenn es sich nicht lohnt? Seien wir also froh darüber, dass alle Menschen nicht das Gleiche wollen, nicht das Gleiche verdienen und auch nicht das Gleiche haben. Genau diese Menschen sind es, die – leider Gottes – in all unseren Diskussionen kaum oder viel zu kurz zu Wort kommen. Es sind diejenigen, ohne die soziale Gerechtigkeit gar nicht herstellbar wäre. Es sind diejenigen, die morgens aufstehen, sich duschen, frühstücken, sich in den Bus oder in ihr Auto setzen, zur Arbeit fahren und abends wieder in den Bus oder ihr Auto steigen, um zu ihrer Familie zurückzukehren oder ihren Feierabend in Vereinen zu verbringen. Landtag Nordrhein-Westfalen (Marc Jan Eumann [SPD]: Zähne putzen!) Das sind die Menschen, die Steuern und Sozialabgaben zahlen, die unter dem Energiekostenschub und den hohen Preissteigerungsraten stöhnen und oftmals an der Grenze ihrer Belastbarkeit stehen. Diese Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft brauchen wir für soziale Gerechtigkeit, weil sie es sind, die anderen helfen können und auch helfen müssen. Soziale Gerechtigkeit ist nicht nur auf der Ausgabenseite zu Hause. Sie muss auch auf der Einnahmeseite einen Stammplatz haben. (Michael Groschek [SPD]: Mindestlohn!) Sie haben das Thema Schule, das Thema Bildung angesprochen. Es ist zweifelsfrei so, dass Bildung die soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist. Diesen Satz hat Jürgen Rüttgers sehr frühzeitig geprägt und konsequent begonnen in unserer Politik in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der Koalition umzusetzen. (Beifall von der CDU – Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie handeln nicht danach!) Deshalb war es sozial ungerecht, dass Sie Kinder aus Migrationsfamilien in den Kindergärten über Jahre ohne Hilfe gelassen haben. Das war in hohem Maße sozial ungerecht. (Beifall von der CDU) Spracherwerb ist der Schlüssel zur Teilhabe an unserer Gesellschaft. Das haben Sie den Kindern über viele Jahre verweigert. Das haben wir durch Sprachstandsfeststellungen und Förderung schon im Kindergarten geändert. Das haben wir mit dem Kinderbildungsgesetz geändert. Und dieses Gesetz ist erfolgreich. Es wird angenommen. (Beifall von CDU und FDP) Die Menschen lernen, damit umzugehen. Und viele sagen schon: Ja, es klappt, dank KiBiz klappt es! – Das ist eine Politik, die den Leitsätzen sozialer Gerechtigkeit folgt. (Marc Jan Eumann [SPD]: Gehen Sie doch mal in die Mitte der Kindertagesstätten!) Sozial ungerecht war und ist es beispielsweise, dass Sie, Frau Kraft, Ihre Politik auf das Ruhrgebiet konzentrieren. 60 % der Menschen in Nordrhein-Westfalen leben im ländlichen Raum. Sie verdienen es, mit ihren Problemen wahrgenommen, mit ihren speziellen Anliegen anerkannt zu werden. Ihr Bild von Nordrhein-Westfalen, Frau Kraft, ist eines ohne Kopf und ohne Unterleib. Selbst Politik für die Region Ruhr machen wir zwischenzeitlich um Längen besser als Sie – mit Bür- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11507 germeistern im Ruhrgebiet, mit HunstegerPetermann oder Sauerland, mit Oliver Wittke und Christa Thoben, mit Wettbewerb zur Mobilisierung der Eigenkräfte statt mit der Gießkanne von Subventionen. Das bringt die Region voran und nicht Ihre Politik, die diese Region wieder abhängig macht. (Beifall von CDU und FDP) Frau Kraft, soziale Gerechtigkeit verkommt, wird entwertet, wenn sie zu einem verhängnisvollen Wettbewerb degeneriert. Dieser Wettbewerb geht von der irrigen Annahme aus, dass Kühe im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken werden können. (Lachen von der SPD) In diesen verhängnisvollen Wettbewerb begeben Sie sich mit der PDS. Nur: Die Linken, die PDS, melken schneller. Der Vorsitzende dieser Gruppierung in NRW hat in einem Interview mit der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ die Vorgaben gesetzt. Dazu einige Beispiele: Abschaffung von Hartz IV, Rentenantritt mit 60, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, existenzsichernde Grundeinkommen für alle, Verstaatlichung der Energieversorgung. – Das ist, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf den Punkt gebracht ein Programm zur Zerstörung unseres Landes. (Zuruf von der SPD: Das sind Versprechen, wie Sie sie 2005 gemacht haben!) Da sind die Linken ganz nah bei den extrem Rechten – nur links herum im Kreis von Politik. Frau Kraft, wie Sie es mit den Linken halten, diese Frage wird Sie begleiten, notfalls bis zum Mai des Jahres 2010. (Beifall von der CDU) Wir erwarten von Ihnen, dass Sie sich diesbezüglich erklären. In Wirklichkeit – das ist unsere Befürchtung – sind Sie nämlich längst von der Mitte weg, scharf links in den Graben abgebogen, wo Sie natürlich auf Frau Ypsilanti treffen. (Beifall von CDU und FDP) Was für ein Identitätsverlust für die stolze, die frühere SPD! Allen, die in dieser großen alten Volkspartei engagiert sind, (Zuruf von der SPD: Wollen Sie einen Aufnahmeschein?) sage ich: Wer mit der PDS flirtet, der küsst Margot Honecker. Landtag Nordrhein-Westfalen (Große Unruhe von der SPD) Und für alle, die über ein Fünkchen Geschichtsbewusstsein verfügen, sage ich: Dieser Kuss ist tödlich. (Beifall von CDU und FDP – Lachen von der SPD – Zuruf von der SPD: Können Sie das wiederholen?) – Ja, gerne, das kann ich. Wer mit der PDS flirtet, der küsst Margot Honecker. Und dieser Kuss ist tödlich. Merken Sie sich das! (Beifall von CDU und FDP) Frau Kraft, wie können Sie und Ihre Fraktion Helmut Linssen vorwerfen, er spare nicht genug, wenn Sie sich gleichzeitig die Option offenhalten, sich von der Linken aushalten zu lassen? Die Vorstellungen der Linken kosten Bund, Länder und Gemeinden plus Sozialversicherungen etwa 155 Milliarden € pro Jahr. Das hat Ihnen Peter Struck vorgerechnet, der Vorsitzende der SPDBundestagsfraktion in Berlin. Frau Kraft, solange Sie sich nicht eindeutig von einer möglichen Zusammenarbeit mit den Linken distanzieren, ist jede Aufforderung an uns, zu sparen, das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben ist. (Beifall von CDU und FDP) Eigentlich ist es – damit komme ich auf Ihren Einstieg zurück – das Papier heute schon nicht wert – jedenfalls so lange nicht, solange Sie nicht von Ihrer unseligen finanzwirtschaftlichen Tradition lassen. Sie kritisieren, dass im Haushalt des Jahres 2009 eine Reduktion der Nettokreditaufnahme in Höhe von 100 Millionen € vorgesehen ist. Allein in den letzten zehn Jahren von SPD und Grünen haben Sie den Menschen in Nordrhein-Westfalen die riesige Last von 47 Milliarden € neuen Schulden auferlegt. Sie haben während dieser zehn Jahre jedes Jahr im Durchschnitt 4,7 Milliarden € zusätzlich an Schulden draufgelegt. Wie kommen Sie dann dazu, Kritik zu üben? Sie müssten doch in den Boden versinken! (Beifall von CDU und FDP) Das war eine zukunftsfeindliche Politik nach dem Motto: Was schert mich Enkel, was schert mich Kind, lass sie betteln, wenn sie hungrig sind! – Alles auf dem Buckel unserer Kinder, alles auf dem Buckel unserer Enkel! (Gisela Walsken [SPD]: Rechnen Sie doch mal Ihre Schulden nach!) 11508 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Fast 5 Milliarden € mehr Schuldendienst pro Jahr! Frau Kraft, was könnte man mit diesen 5 Milliarden € machen: für unsere Hochschulen, für unsere Krankenhäuser, für unsere Kindergärten, für unsere Straßen, für neue Radfahrwege! Alles wäre ruck, zuck umsetzbar, wenn Sie nicht eine so maßlose, hässliche Finanzpolitik betrieben hätten. (Beifall von CDU und FDP) Auch sage ich: Selbstverständlich hat Helmut Linssen unsere volle Unterstützung bei den Zielen, die wir uns gesetzt haben. Diese Ziele sind recht einfach: schnellstmöglicher Ausgleich des Haushalts (Gisela Walsken [SPD]: 2010!) ohne den Rückgriff auf den Kapitalmarkt, schnellstmöglicher Beginn einer Rückzahlung der von Ihnen maßgeblich verursachten Schulden. Frau Kraft, substanzielle Beiträge kamen von Ihnen nicht. Subventionierter Steinkohlenbergbau und Einheitsschule, das ist das Einzige, was Sie an substanziellen Aussagen bisher getätigt haben. Unter Ihrem Vorsitz ist die SPD noch nicht weitergekommen. Frau Kraft, allein in diesem Jahr haben wir uns als Fraktion in wesentlichen politischen Fragen positioniert. (Michael Groschek [SPD]: Wo denn?) Wir haben uns bezogen auf eine Politik der ländlichen Räume positioniert. Wir haben uns im Verbraucherschutz positioniert. Wir haben uns in der Energiepolitik positioniert. Ich warte einfach darauf, dass irgendetwas Vergleichbares einmal von Ihrer Seite kommt. Bei Ihnen ist Politikverweigerung, Oppositionsverweigerung zu konstatieren. (Beifall von CDU und FDP) In wenigen Monaten beginnt der Kommunalwahlkampf in Nordrhein-Westfalen. In meiner Stadt, in Bonn, werde ich den Eltern, werde ich den Kindern sagen: Die SPD will eure Realschulen abschaffen. Die SPD will eure Gymnasien abschaffen. Die SPD will keine Hauptschulen mehr. (Michael Groschek [SPD]: Das ist politische Sittenstrolcherei!) Die SPD hat die Einheitsschule beschlossen. Sie hat beschlossen, flächendeckend integrierte Gesamtschulen zu schaffen. Nichts gegen integrierte Gesamtschulen, wenn sie gut geführt sind und wenn sie Teil unseres gegliederten Schulsystems sind! Aber alles gegen Einheitsschulen, weil Kinder und junge Menschen eben unterschiedlich Landtag Nordrhein-Westfalen sind und unterschiedliche Schulen und unterschiedliche Möglichkeiten der Förderung brauchen! (Beifall von CDU und FDP) Unser Ziel war und ist, jedem Kind, jedem Jugendlichen 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11509 (Ralf Jäger [SPD]: Wo haben Sie das denn her?) – Wo haben sie das her? Die Frage kommt wie gerufen; die Antwort nunmehr von mir. Herr Jäger, weil ich es wissen wollte, (Zuruf von Gisela Walsken [SPD]) (Ralf Jäger [SPD]: Sie sind ein Bildungsdinosaurier!) haben wir eine Umfrage in Auftrag gegeben, die Sie dankenswerterweise zitiert haben. die besten Möglichkeiten zu geben, sich zu entfalten. Darum geht es und nicht darum, irgendeine Organisationsveränderung zu vollziehen. (Ralf Jäger [SPD]: Das war eine CDUUmfrage! – Gisela Walsken [SPD]: Das erklärt manches!) (Michael Groschek [SPD]: Jedem seine Pflichtschule!) – Nein, das war keine CDU-Umfrage, das war eine Umfrage, die just in diesem Thema durch Kontrollfragen sicherstellen sollte, dass eben nicht in der Fragestellung die Antwort schon liegt. Sie wollen uns einen Schulkampf aufzwingen. Wir wollen diesen Schulkampf nicht. (Beifall von der FDP) Wir möchten ruhig, bedächtig unsere Schulen im Interesse unserer Kinder und jungen Leute weiterentwickeln. (Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD]) Wir möchten inhaltliche Antworten geben. Wir möchten über Qualität reden und nicht über diese leidige Frage der Organisation, die uns seit 30 Jahren begleitet, bei der bei kein einziges neues Argument zwischenzeitlich hinzugetreten ist. (Marc Jan Eumann [SPD]: Das ist doch Quatsch!) Die Debatte über die Schulstruktur und über die Organisation ist nicht Teil der Lösung. Sie ist Teil des Problems, (Beifall von CDU und FDP) weil sie es unmöglich macht, dorthin zu schauen, wo es notwendig ist. Wir bekennen uns zu unseren Schulen. Wir sorgen für mehr Lehrerinnen und Lehrer. Wir geben der Hauptschule ein neues Profil. Wir stehen zu unseren Realschulen. Und das tut, Frau Kraft, erfreulicherweise auch die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, und zwar wollen das die Menschen weit überwiegend in unserem Land. (Zuruf von Michael Groschek [SPD]) Selbst diejenigen, die mit Ihrer Partei, die selbst mit den Grünen, sympathisieren, haben eine Präferenz, ziehen unser gegliedertes Schulsystem vor und wollen nicht, dass Realschulen, dass Gymnasien abgeschafft werden. (Zurufe von der SPD) Sie hat sorgfältig abgeprüft, was die Menschen wollen. Und die Menschen wollen eine gute Allgemeinbildung. Sie wollen Erziehung. Wer redet denn von Ihnen darüber, was eine gute Allgemeinbildung ist, wie man Kinder bestmöglich erzieht, wie man Kinder bestmöglich bildet? Wer redet denn davon? Dazu haben Sie doch gar keine Kraft mehr! Sie reden nur über Schulorganisation. Zu mehr reicht es doch bei Ihnen nicht. (Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Hannelore Kraft [SPD]) Eine Folge ist, Frau Kraft: Umfragen sehen die SPD in Nordrhein-Westfalen schon lange unterhalb von 30 %, gegenwärtig irgendwo um die 25 % herum. Solange Sie den dampfplaudernden Demagogen und Ideologen wie Lafontaine und Gysi keine substanzielle Alternative entgegensetzen, wird Ihr Weg besorgniserregend weiter nach unten führen. (Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Ralf Jäger [SPD]) Die Forderung der Linken entspricht SPDForderungen plus 500 €. In dieser schmutzigen Konkurrenz haben Sie keine Chance zu gewinnen. Sie werden verlieren. Meine Empfehlung an Sie ist: Hören Sie statt auf Ihre „Kehlkopfrohlinge“ Schmeltzer, Jäger und andere, wie ich Sie liebevoll bezeichne, (Ralf Jäger [SPD]: Soll ich mal dazwischen rufen, damit Sie den Unterschied kennenlernen?) statt auf Menschen wie Börschel, die den roten Filz in Köln und anderswo kultivieren, auf Ihre Ur- Landtag Nordrhein-Westfalen 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11510 gesteine! Hören Sie auf die Fahrtmanns, Schnoors und andere, die eine bodenständige nordrhein-westfälische SPD verkörpern und repräsentieren. Frau Kollegin Kraft, das sollte gerade Ihnen hier in Nordrhein-Westfalen zu denken geben: nicht nur, weil Wolfgang Clement bisher einer der Ihren war, (Beifall von der CDU – Zuruf von Gisela Walsken [SPD]) sondern weil Sie diejenige neben Frau Ypsilanti sind, die diesen verhängnisvollen Öffnungskurs der SPD hin zur Linkspartei zu verantworten hat. Sonst – das sage ich Ihnen voraus – sind Sie bald platt, Sie und die SPD in Nordrhein-Westfalen. Ich habe keine Freude daran. Ich wünsche Ihnen rund 30 % und uns an die 50 %. Dann wird es unserem Land gut gehen und Nordrhein-Westfalen wird eine gute Zukunft haben. – Ich danke Ihnen. (Lang anhaltender Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Stahl. – Für die FDP-Fraktion hat jetzt deren Vorsitzender, Herr Dr. Papke, das Wort. Dr. Gerhard Papke (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kraft hat (Marc Jan Eumann [SPD]: Eine gute Rede gehalten!) zu Beginn ihres Redebeitrages gesagt, sie vermute, ich würde mich in meinem Beitrag kritisch mit der Politik der Sozialdemokraten auseinandersetzen. Ich darf Ihnen sagen, Frau Kollegin Kraft, das hatte ich eigentlich gar nicht vor. Denn dafür gibt es Wolfgang Clement. Was soll man den täglichen Äußerungen von Wolfgang Clement eigentlich noch hinzufügen? (Marc Jan Eumann [SPD]: Ist!) (Beifall von der FDP) Im Übrigen habe ich vor einiger Zeit gelesen, Sie hätten vor, Wolfgang Clement im nächsten Jahr für den Wahlkampf der SPD in NordrheinWestfalen zu gewinnen. Darauf freuen wir uns alle. Das werden sehr spannende Veranstaltungen. Ich hätte dafür gern eine Einladung, Frau Kollegin. Jetzt zu dem, was Sie hier vorgetragen haben: Ich war ein bisschen verdutzt, weil die Zahlen, die Sie, Frau Kollegin Kraft, hier präsentiert haben, durch die Bank genauso falsch waren wie Ihre Zitate. Mir sind irgendwann wirklich die Schmierzettel ausgegangen. Ich bin gar nicht mehr so schnell mitgekommen, all das aufzuschreiben, was Sie an falschen Zahlen und verdrehten Fakten präsentiert haben. Meine Liste reicht bis Punkt 7; weiter bin ich nicht gekommen. Ich will dies einmal Punkt für Punkt abarbeiten. Fangen wir einmal an! (Gisela Walsken [SPD]: Welches Jahr?) – Nein, wissen Sie, wir müssen ja hier vernünftig und seriös debattieren. Das heißt, die Zahlen, die Sie hier der Öffentlichkeit und dem Parlament präsentieren, müssen doch halbwegs belastbar sein, Frau Kollegin. Ansonsten wäre dies doch keine seriöse Debatte. (Beifall von der FDP) Für den Fall, dass Sie es noch nicht gesehen haben, trage ich Ihnen vor, was Wolfgang Clement heute gesagt hat. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten aus einer dpa-Meldung von 11:21 Uhr. Wolfgang Clement hat seine Partei erneut vor einer Zusammenarbeit mit der Linken gewarnt: „Kein überzeugter Sozialdemokrat dürfe die Steigbügel halten wollen, wenn Oskar Lafontaine versucht, das ganze Land durcheinanderzubringen“, sagte Wolfgang Clement der Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“. (Beifall von FDP und CDU – Gisela Walsken [SPD]: Ist das alles? – Zuruf von der CDU: Guter Mann!) Jetzt hören Sie zu: Er sehe in den Reihen der SPD zu viele, „die auf eine Vereinigung mit der Linkspartei Oskar Lafontaines zuzusteuern scheinen.“ Fangen wir einmal an! Ich mache es im Telegrammstil, Frau Kollegin Kraft, ich verspreche es Ihnen. Erstens zur Nettokreditaufnahme: Sie haben gesagt, diese Koalition habe die Nettokreditaufnahme seit 2005 um insgesamt 13,7 Milliarden € erhöht. (Gisela Walsken [SPD]: Richtig!) Ich nenne Ihnen einmal die Nettokreditaufnahmen aus den jeweiligen Haushalten: 2006 waren es 3,4 %, 2007 1,98 %, 2008 1,78 %, 2009 1,67 %. Das macht summa summarum 8,82 %. (Gisela Walsken [SPD]: Jetzt haben Sie den Nachtrag 2005 vergessen, Herr Kollege!) – Ich bin noch nicht zu Ende, Frau Kollegin Walsken. Wenn wir jetzt großzügigerweise Landtag Nordrhein-Westfalen (Gisela Walsken [SPD]: Sie haben den gemacht! 106,5!) – hören Sie mir doch zu; ich will es Ihnen doch gerade erklären, Frau Kollegin Walsken – auch noch die 2,2 Milliarden aus dem Nachtragshaushalt 2005 hinzunehmen, dann kommen Sie auf 11,02 Milliarden €. Da ist dann nun wirklich alles drin. Aber dann erklären Sie uns einmal, wie Sie auf 13,7 Milliarden € kommen. (Gisela Walsken [SPD]: Mache ich gleich!) Das ist eine lumpige Differenz von 2,6 Milliarden €. So wie Sozialdemokraten mit Zahlen umgehen, mag das eine Petitesse sein, Frau Kollegin Kraft. Aber ich will das einfach einmal abbilden, was Sie uns hier vortragen. Das ist leider falsch. (Gisela Walsken [SPD]: Fragen Sie Ihre Kollegen, die kennen sich damit aus!) Dann habe ich Sie gefragt … (Hannelore Kraft [SPD] führt am Rande des Plenarsaals Gespräche.) – Ich kann mir vorstellen, dass Sie die Zahlen jetzt noch einmal prüfen lassen wollen. Aber hören Sie mir doch jetzt einmal zu. Ich habe Ihnen noch mehr zu bieten. Seien Sie doch so nett! Ich war doch auch so höflich und habe mich hingesetzt und Ihnen zugehört. (Hannelore Kraft [SPD]: Ich bin Multitaskerin!) – Sie können doch Ihre Mitarbeiter gleich noch bitten, Ihre Zahlen zu überprüfen. Jetzt nehmen Sie doch bitte einen kleinen Moment Platz. Das ist ein Gebot der demokratischen Debattenkultur. Ich habe Ihnen wirklich noch ein paar andere interessante Zahlen zu bieten, die Sie dann gleich mit überprüfen lassen können, Frau Kollegin Kraft. (Hannelore Kraft [SPD]: Muss ich dabei sitzen?) Dann müssen Sie nicht nach jedem Zahlenbeispiel immer nach hinten laufen. (Beifall von der FDP – Hannelore Kraft [SPD]: Bin ich Ihnen zu groß? Dann kann ich mich auch wieder setzen!) Ich habe Sie gefragt, wo die Sozialdemokraten sparen wollen. Da haben Sie netterweise drei Beispiele genannt. Erstens haben Sie gesagt, die 72 prolongierten kw-Stellen hätten Sie nicht verlängert. Sie reden über 72 Stellen, die wir über 2010 hinaus verlängern wollen, von 284.500 Stellen insgesamt. Sie 11511 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 bringen diese 72 Stellen allen Ernstes als Beispiel für den Sparwillen in einem Personalhaushalt von 284.500 Stellen, das ist doch nicht Ihr Ernst! (Beifall von der FDP – Hannelore Kraft [SPD]: Sie können gern die Presseerklärung noch einmal nachlesen! Der Presseerklärung haben Sie nicht widersprochen!) Ihr zweites Beispiel betraf den Flughafen Münster/Osnabrück. Das war auch klasse; gut, dass Sie uns noch einmal daran erinnert haben. Sie haben gesagt, da könnte man jetzt sparen. Zufälligerweise habe ich den Antrag aus den letzten Haushaltsberatungen dabei, mit dem Sie das unterlegt haben. Da ging es um die Streichung von Zuschüssen an den Flughafen Münster/Osnabrück mit dem Gesamtvolumen von 2,3 Millionen €. (Hannelore Kraft [SPD]: Die haben Sie jetzt noch einmal draufgelegt!) – Aber hallo, das ist ja ein wirklicher Konsolidierungsbeitrag! Ich verrate Ihnen jetzt einmal ein Geheimnis: Wissen Sie, von wem dieser Antrag eigentlich kam? Von dem Chefökonomen dieses Parlaments, von Herrn Sagel. (Heiterkeit und Beifall von FDP und CDU) Sie haben als Sozialdemokraten dem Antrag von Herrn Sagel zugestimmt, Zuschüsse für ein Infrastrukturprojekt komplett zu streichen, (Gisela Walsken [SPD]: Es geht an dieser Stelle doch gar nicht um Infrastruktur! Das wissen Sie doch genau!) das unter Ihrer politischen Verantwortung so beschlossen worden ist. Herr Horstmann ist ja leider nicht mehr in diesem Parlament; er ließe die Ohren hängen, wenn er dies jetzt hören müsste, weil er als Verkehrsminister dafür im Münsterland gefochten hat. (Beifall von FDP und CDU) Wir werden diesen Antrag und diese tolle Initiative gerne noch einmal den sozialdemokratischen Kommunalpolitikern im Münsterland zukommen lassen, damit sie nicht vergessen, wie die SPD hier im Düsseldorfer Landtag zu diesem wichtigen Projekt steht. Als drittes Beispiel, bei dem man sparen könnte, sprachen Sie von 21 Millionen € für die WestLB. Es ist nur eine Kleinigkeit, aber es sind 23 Millionen €, die jetzt aus den Risiken schlagend werden. Meinen Sie denn allen Ernstes, eine andere Regierung als diese könnte diese Zahlungen vermeiden? Landtag Nordrhein-Westfalen (Gisela Walsken [SPD]: Das ist doch erst der Anfang, Herr Kollege!) Das ist doch wirklich absurd. Sie waren doch über Jahrzehnte stolz auf Ihre Staatsbank WestLB. Sie haben sie doch gegen unsere Initiativen, das Eigentum des Landes an der WestLB einmal kritisch zu hinterfragen, immer verteidigt. Es gab ja auch diverse Vorteile in früheren Zeiten: Flugbereitschaft und andere Dinge. Das war doch Ihre Verantwortung. Sie haben noch in der letzten Wahlperiode unsere Initiativen mit Gelächter zurückgewiesen, die Bürger von diesen Risiken zu befreien. Jetzt werden hier erste dieser Risiken schlagend, und Sie sagen allen Ernstes, eine solche Zahlung könnte diese Landesregierung vermeiden? (Hannelore Kraft [SPD]: Wer hat denn zu welcher Zeit die Papiere gekauft?) Es ist immerhin eine Zahlung für das, was Sie dem Land eingebrockt haben, Frau Kollegin Kraft. (Gisela Walsken [SPD]: Da sitzt er im Kabinett, Mitglied des Aufsichtsrats! – Zuruf von Michael Groschek [SPD]) – Herr Kollege Groschek, ich kann das nur reflektieren. Das waren die drei Sparvorschläge, die Frau Kollegin Kraft in Ihrer Rede benannt hat. Das wird nicht ausreichen, um das Land zu sanieren. Das ist meine Ahnung. Nun möchte ich by the way noch auf ein paar andere Punkte hinweisen. (Gisela Walsken [SPD]: Wann fangen Sie mit Haushaltspolitik an?) Ich habe mir nämlich einmal angeguckt, welche haushaltsrelevanten Vorschläge Sie persönlich und Abgeordnete Ihrer Fraktion in den letzten Monaten unterbreitet haben. Das war so eine Art Dauerfeuer. Auf 100 Millionen € kommt es ja nicht an. Ich möchte Ihnen nicht alles vortragen, denn dann wäre meine Redezeit abgelaufen. Sie persönlich haben gefordert: Sonderprogramm 200 Millionen € zur Unterstützung des Ruhrgebiets nach dem Steinkohleausstieg; Kritik an der Streichung von 148 Stellen in der Landesforstverwaltung; Antrag zur Befreiung von Rundfunkgebühren für Geringverdiener; Sofortprogramm in Höhe von 75 Millionen € zur Verbesserung der Ausbildungssituation; Forderung, es bei der bisherigen Anzahl an Amtsgerichten zu belassen und von geplanten Fusionen abzusehen; 300 Millionen € mehr für Familie und Kinder, unter anderem für ein beitragsfreies letztes Kindergartenjahr; Kritik, dass die Landesregierung die Kürzung des 11512 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Bundes in Höhe von 519 Millionen € für den Nahverkehr nicht komplett kompensiert. – Wollen Sie eigentlich das Parlament und die Öffentlichkeit auf den Arm nehmen, Frau Kollegin, (Beifall von FDP und CDU – Gisela Walsken [SPD]: Das ist doch Ihr Job!) oder spielen Sie hier „Alice im Wunderland“? Sie haben nichts zu bieten. Sie fordern nur permanent in allen Politikfeldern zusätzliche Ausgaben. Sie haben keine Linie für die Modernisierung des Landes. Sie haben einen langen Wunschzettel, der vermutlich morgen schon wieder verlängert wird, weil ja absehbar ist, dass einer Ihrer Abgeordneten oder Sie persönlich wieder einen neuen Wunsch durch das Land pusten. Ich möchte nun noch auf einen weiteren Punkt hinweisen, weil es da wirklich um Geld geht und wir in der Tat die exakt gegenteilige Position zu Ihnen haben, nämlich auf den Steinkohlebergbau. Ich habe eine Erklärung von Ihnen mitgebracht, in der Sie einen Sockelbergbau in NordrheinWestfalen mit einem Gesamtvolumen von 10 Millionen t fordern. Da werden Sie mit den Worten zitiert: Die Kosten für diesen Sockelbergbau schätzt die SPD-Politikerin auf 700 Millionen bis 1 Milliarde €. Damit Sie sich dem tatsächlichen Wert etwas besser nähern, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Die unstreitige – die Wirtschaftsministerin hat die Zahlen im Wirtschaftsausschuss dieser Tage vorgetragen – Vollkostenrechnung pro Tonne Steinkohle – Herr Kollege Priggen wird das gerne bestätigen – liegt momentan bei etwa 340 € je Tonne. Das macht bei 10 Millionen t 3,4 Milliarden € Subventionskosten. Rechnen wir einmal mit einem Erlös von etwa 1 Milliarde € – dieser steigt ja momentan, weil man derzeit am Weltmarkt je Tonne Steinkohle deutlich mehr erlösen kann als noch vor zwei oder drei Jahren –, dann sind wir immer noch bei einem zusätzlichen Finanzbedarf, Frau Kollegin Kraft, von etwa 2,5 Milliarden €. Sagen Sie doch bitte, wie Sie das auch nur anteilig aus dem Landeshaushalt finanzieren wollen. Das ist die Traumtänzerei, (Beifall von FDP und CDU) die Sie gerade in der Haushaltspolitik hier seit Jahren betreiben. An jeder Ecke, wo Sie gehen und stehen, jagen Sie eine neue Sau durch das Dorf, fordern Sie eine neue zusätzliche Ausgabe. Das ist alles nicht seriös zu finanzieren, Frau Kollegin Kraft. Deshalb sind wir – das möchte ich gerne an dieser Stelle kontrastieren – als FDP der Auffassung, Landtag Nordrhein-Westfalen dass wir uns die Ausgaben für die Absatzbeihilfen noch einmal anschauen müssen. Im Etatentwurf – das Thema Steinkohlesubvention ist ja seit unserem historischem Durchbruch beim Ausstieg aus dem Subventionsbergbau ein bisschen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden – stehen noch 516 Millionen € Absatzbeihilfen für die Steinkohle. Das ist mehr als die Hälfte der gesamten Haushaltsmittel des Wirtschaftsministeriums. Hinzu kommen 54 Millionen € im Haushalt des Arbeitsministers für das Anpassungsgeld der Bergleute. Es gehört zu den großen historischen Erfolgen dieser Koalition, dass wir es unter Führung des Ministerpräsidenten zu Beginn des vergangenen Jahres geschafft haben, den Ausstieg aus dem Subventionsbergbau zu verabreden. Es gab eine Grundlinie, die wir immer geteilt haben: Wir wollen diesen Ausstieg sozialverträglich gestalten. Niemand soll betriebsbedingt gekündigt werden. In diesem Zusammenhang will ich auf Folgendes hinweisen: Seitdem haben wir eine außerordentlich positive Entwicklung am Arbeitsmarkt gerade auch in Nordrhein-Westfalen. Alleine in den 160.000 Unternehmen des nordrhein-westfälischen Handwerks sind 20.000 Arbeitsplätze unbesetzt, ganz zu schweigen von den vielen Facharbeiterstellen in der Industrie, die momentan nicht qualifiziert besetzt werden können. Auf der anderen Seite haben wir 25.000 Bergleute, die eine neue Stelle brauchen. Noch nie war der Arbeitsmarkt so aufnahmefähig wir derzeit. Noch nie waren die Chancen für Bergleute in NordrheinWestfalen, jetzt schnellstens einen neuen zukunftssicheren Arbeitsplatz zu bekommen, so gut wie momentan. Deshalb ist es eine Aufgabe der nächsten Monate – im übrigen wäre das nicht nur ein Beitrag zur Haushaltskonsolidierung, sondern auch zur Unterstützung der Bergleute, denen wir ja eine Zukunftsperspektive aufzeigen wollen –, in Gespräche einzutreten, nicht ob man die verabredeten Rahmenbedingungen einseitig aufkündigt – darum geht es nicht –, sondern ob man nicht nachjustiert, ob man nicht gemeinsam mit allen Beteiligten darüber nachdenkt, wie wir diesen sozialverträglichen Prozess des Ausstiegs aus dem Subventionsbergbau beschleunigen können. (Michael Groschek [SPD]: Da hat der Minister Laumann ja einen interessanten Vorschlag!) Dann hätten wir von den 3 Milliarden €, die Nordrhein-Westfalen in den nächsten zehn Jahren noch an Steinkohlesubventionen bezahlen müsste, einen erheblichen Beitrag für Zukunftsinvestitionen und auch für die Haushaltskonsolidierung 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11513 zur Verfügung. Das möchte ich deutlich kontrastieren. (Beifall von der FDP) Ferner habe ich mir – das ist ja ein Dauerbrenner bei Ihnen – die angeblich fehlende soziale Durchlässigkeit im Bereich der Bildungspolitik aufgeschrieben. Damit haben Sie schon letztens zu glänzen versucht, als ich die Freude hatte, gemeinsam mit Ihnen die Podiumsdiskussion bei der Evangelischen Landeskirche zu bestreiten. (Hannelore Kraft [SPD]: Ich erinnere mich, das war, als Sie vom begabungsgerechten dreigliedrigen Schulsystem gesprochen haben!) Sie trompeten durch das Land, die unsoziale Politik dieser Landesregierung werde nicht zuletzt daran deutlich, dass sich die soziale Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schulformen verschlechtert habe. Sie haben versucht, das auch mit Zahlen zu unterlegen. Jetzt werde ich Ihnen einmal andere Zahlen dagegenhalten. Die Anzahl der sogenannten Absteiger zwischen den Schulformen – ich vergleiche das Schuljahr 2000/2001 mit dem Schuljahr 2007/2008 – hat sich von 19.605 auf 14.497 verringert. In dem Zeitraum von 2001 bis 2007 ist diese Zahl um rund 5.000 Schüler gesunken. 25 % weniger Absteiger im Schulsystem als 2001! – Sie gucken mich an. Ich liefere Ihnen die Zahlen gerne zu. (Hannelore Kraft [SPD]: Ich lese Ihre offiziellen Statistiken!) – Sie suchen sich eben immer selektiv die Zahlen heraus, von denen Sie meinen, dass man sie passend machen könne. (Hannelore Kraft [SPD]: Sie tun das natürlich nicht!) Im selben Zeitraum ist die Zahl der Aufsteiger zwischen den einzelnen Schulformen von 1.066 auf 1.429 Schüler gestiegen, Frau Kollegin Kraft. Wir haben also 25 % weniger Absteiger und 50 % mehr Aufsteiger. So viel zu Ihrer Argumentation! Sie sollten sie anhand der Faktenlage noch einmal überprüfen, Frau Kollegin Kraft. Das darf ich Ihnen doch sehr ans Herz legen. (Beifall von FDP und CDU) Wie gesagt sind mir dann einfach die Zettel ausgegangen. Deshalb komme ich jetzt direkt aus Sicht der FDP zum Entwurf des Haushalts 2009, mit dem die Koalition einen weiteren Schritt zur Sanierung und Konsolidierung der Landesfinanzen unternehmen wird. Landtag Nordrhein-Westfalen Die Neuverschuldung – darauf muss man immer wieder hinweisen – lag 2005 noch bei 6,7 Milliarden €. Jetzt wird sie auf 1,67 Milliarden € reduziert. Das ist eine Reduktion um fast 75 %. Im Übrigen haben wir gestern ja mit Interesse gelesen, dass die SPD eine Verfassungsklage gegen die Zusammenlegung der Kommunalwahl mit der Europawahl einreichen will. Da kann ich Ihnen nur zum wiederholten Mal zurufen: Gute Reise nach Münster! Frau Kollegin Kraft, in diesem Zusammenhang darf ich Sie aber daran erinnern, dass Sie diesem Parlament seit 2001 einen verfassungswidrigen Haushalt nach dem anderen präsentiert haben. (Hannelore Kraft [SPD]: Sie haben ja auch noch nie verfassungswidrige Haushalte vorgelegt!) Das nur zur Ergänzung Ihrer Argumentation, diese Landesregierung würde gegen die Verfassung verstoßen! Sie haben in den letzten Jahren Ihrer eigenen Regierungsverantwortung keinen einzigen verfassungskonformen Landeshaushalt mehr auf die Reihe bekommen. (Beifall von FDP und Helmut Stahl [CDU]) Von daher wäre auch beim Thema „angeblicher Verfassungsbruch“ etwas mehr selbstkritische Zurückhaltung nicht schlecht. (Michael Groschek [SPD]: Eine neue Qualität!) Wir könnten – darauf hat der Finanzminister sehr zu Recht hingewiesen – mit unserer Konsolidierungspolitik heute wesentlich weiter sein, wenn uns SPD und Grüne nicht diesen gigantischen Schuldenberg von 113 Milliarden € hinterlassen hätten. (Beifall von der FDP – Michael Groschek [SPD]: Wie hoch ist er denn jetzt? – Zuruf von Hannelore Kraft [SPD]) – Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich Ihnen die Zahlen noch einmal zuliefere, Frau Kollegin Kraft. Das waren nicht 106,8 Milliarden €. (Hannelore Kraft [SPD]: Diese Zahl kommt aus der Haushaltsrede des Finanzministers!) – Ich weiß nicht, aus welcher. (Hannelore Kraft [SPD]: Aus der Einbringungsrede des Finanzministers zum Nachtragshaushalt!) – Sie müssen aber gucken, mit welchen Zahlen der Haushalt verabschiedet worden ist. Ich weiß 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11514 nicht, aus welcher Lostrommel Sie diese Zahl gezogen haben. (Hannelore Kraft [SPD]: Aus der Haushaltsrede des Finanzministers!) Aber glauben Sie mir: Sie ist falsch. (Beifall von der FDP) Apropos: Um diese 113 Milliarden € abzuzahlen, müsste ein Lottospieler 310 Jahre jeden Tag 1 Million € im Lotto gewinnen – um einmal die Dimension zu verdeutlichen. Das ist die Erblast, die wir übernommen haben. Diese Erblast müssen wir jetzt bewältigen. Das ist ein sehr schmerzhafter und schwieriger Prozess. (Michael Groschek [SPD]: Man sieht Ihnen an, wie schmerzhaft das ist!) – Herr Kollege Groschek, mit Ihren feinsinnigen und hochgeistigen Zwischenrufen haben Sie sich hier ja schon einen entsprechenden Ruf erworben. (Michael Groschek [SPD]: Immer wieder gern! – Minister Andreas Krautscheid: Herr Groschek ist ein intellektueller Filigrantechniker!) 4,6 Milliarden € muss das Land jedes Jahr nur für die Bedienung Ihrer Altschulden, der rot-grünen Altschulden, zahlen. Ohne diese Lasten der Vergangenheit könnten wir schon in diesem Jahr beim Primärsaldo einen Überschuss von über 3 Milliarden € verbuchen – um das einmal klarzumachen. Ohne die Schuldenlast, die Sie uns mit auf den Weg gegeben haben, wäre der Haushalt also schon längst ausgeglichen, und wir würden einen gewaltigen Überschuss erwirtschaften. (Gerda Kieninger [SPD]: Was haben Sie denn mit den Mehreinnahmen gemacht? – Gegenruf von Minister Dr. Helmut Linssen) 2005 hatte das Land noch einen negativen Primärsaldo von 2,1 Milliarden €. Das heißt: Die Ausgaben ohne Zinsen lagen im letzten Jahr Ihrer Regierungsverantwortung gut 2 Milliarden € über den regelmäßigen Einnahmen. Selbst ohne den Schuldendienst, den Sie damals zu leisten hatten, haben Sie Jahr für Jahr also mehr Geld ausgegeben, als Sie eingenommen haben – um das auch noch einmal zu kontrastieren. Mehr und mehr Bundesländer gleichen ihre Haushalte aus und machen keine neuen Schulden mehr. Das muss auch in Nordrhein-Westfalen unser Ziel sein; denn wenn andere Bundesländer den Schuldenberg schon abtragen können, bedeutet das, dass sie mehr und mehr investive Landtag Nordrhein-Westfalen Spielräume gewinnen, woraus Wettbewerbsvorteile gegenüber Nordrhein-Westfalen entstehen. Schon deshalb ist es nicht nur ein Gebot der Generationengerechtigkeit, schnellstmöglich zum Haushaltsausgleich zu kommen, um dann Schulden zurückzahlen zu können, sondern auch ein Gebot im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit von Nordrhein-Westfalen. (Beifall von der FDP) Auch deshalb sind wir so vehement dafür, den Haushaltsgleich schnellstmöglich herbeizuführen. Dass wir länger brauchen als andere Bundesländer, liegt an den zerrütteten Finanzen, also an den ungleich schwierigeren Voraussetzungen, die wir von Ihnen übernommen haben. 2005 hatten wir in Nordrhein-Westfalen eine Pro-Kopf-Verschuldung von 6.032 €. Dagegen lag die ProKopf-Verschuldung im Jahr 2005 in BadenWürttemberg bei 3.685 € und in Bayern bei nur 1.853 €. Das sind nun einmal unterschiedliche Ausgangsbedingungen. Inzwischen steht die Haushaltspolitik des Landes Nordrhein-Westfalen im Vergleich zu anderen Bundesländern aber gut da. In der Vergleichsgruppe der westdeutschen Flächenländer hat Nordrhein-Westfalen seit 2005 den größten Fortschritt bei der Haushaltskonsolidierung gemacht. Das ist ein Erfolg dieser Koalition und dieser Regierung, auf den wir gemeinsam stolz sein können. (Beifall von FDP und CDU) Diese Erfolge sind umso bemerkenswerter, wenn man berücksichtigt, welche enormen Zukunftsinvestitionen gleichzeitig getätigt werden. Noch nie in der Geschichte Nordrhein-Westfalens ist so viel in Bildung investiert worden wie in den Jahren 2008 und 2009, meine Damen und Herren – (Beifall von FDP und Christian Weisbrich [CDU]) und das trotz dieser unglaublich schwierigen Konsolidierungsleistung. Mit dem neuen Kinderbildungsgesetz steigt die Förderung des Landes bereits in diesem Jahr auf über 1 Milliarde €. In 2009 kommen weitere 110 Millionen € obendrauf. Die imposanten Zahlen des Betreuungsangebots für unter Dreijährige – im Kontrast zu Ihren jämmerlichen Ergebnissen – (Zuruf von der CDU: Sehr richtig!) 11515 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 sind häufig genug thematisiert worden. Ich will das hier aber auch noch einmal kurz ansprechen. Im Jahr des Regierungswechsels hatten wir in Nordrhein-Westfalen gut 11.000 Betreuungsplätze für unter Dreijährige. Das war der schlechteste Wert im gesamtdeutschen Vergleich. (Widerspruch von der SPD) Zu Beginn des Kindergartenjahres 2008/2009 haben wir die Zahl der Betreuungsplätze in Tageseinrichtungen auf 44.600 und in der Tagespflege auf über 14.000 erhöht, insgesamt also auf mehr als 58.000. Das sind bereits jetzt mehr als fünf Mal so viele Betreuungsplätze wie im letzten Regierungsjahr von Rot-Grün, meine Damen und Herren. (Beifall von FDP und CDU) Das sind konkrete Maßnahmen, die sich nicht einfach wegmanipulieren lassen, die den Familien in Nordrhein-Westfalen zugutekommen, nach der desaströsen Bilanz, die Sie uns auch in diesem Bereich hinterlassen haben. 2010/2011 wird es einen Rechtsanspruch mit einer Platzgarantie für Familien mit unter Dreijährigen geben. Jede junge Familie weiß bei ihrer Familienplanung, dass sie Planungssicherheit hat und sich nicht den Kopf darüber zerbrechen muss, wohin ihr Kind kommen soll, wenn die Mutter oder der Vater wieder arbeiten gehen will. Dafür haben wir eine konkrete und verlässliche Zukunftsperspektive aufgebaut. Frau Kollegin Kraft, zu Ihrem Stil und dem Stil Ihrer Truppe, Opposition zu machen, lassen Sie mich Folgendes sagen: Wenn Sie keine konkreten Alternativen entwickeln, geschieht das in Ihrer eigenen Verantwortung. Ich finde es bedauerlich – an der Stelle befinde ich mich an der Seite von Herr Stahl – und warte schon seit drei Jahren darauf, Modernisierungsprojekte der Sozialdemokratie parlamentarisch debattieren zu können. Jedes Mal, wenn ich einen Zettel zur Hand nehme, um Ihre Projektvorschläge zu notieren, bleibt der Zettel leer. Von Ihnen ist bisher nichts, aber auch gar nichts gekommen. Sie verlegen sich als Einziges in Ihrer Oppositionspolitik auf Verunsicherungskampagnen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch alle Reformprojekte, die wir hier seit mehr als drei Jahren organisieren. Das ist wirklich schlimm. Lassen Sie mich das einmal am Beispiel des Kinderbildungsgesetzes festmachen: Sie haben Tausende junger Frauen, Erzieherinnen und Erzieher systematisch und gezielt verunsichert, Landtag Nordrhein-Westfalen (Beifall von FDP und CDU) indem Sie denen gesagt haben, Sie müssten Angst um ihren Arbeitsplatz haben. Sie haben diesen Menschen tatsächlich gesagt, es würde zu Massenentlassungen in Kinderbetreuungseinrichtungen kommen, wenn das Kinderbildungsgesetz verabschiedet wird. Sie haben die Menschen so dreist beschwindelt und verunsichert, wie ich es für unverantwortlich halte, Frau Kollegin Kraft. Bei aller Härte der politischen Auseinandersetzung darf es nicht zu einem Instrument der politischen Debatte werden, Menschen zu verunsichern. Das ist nicht in Ordnung. Wenn Sie die soziale Verpflichtung Ihrer Parteihistorie ernst nehmen, machen Sie sich das bitte endlich zu eigen! Die Realität ist: Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Betreuungsplätzen gehen seriöse und ganz konkrete, belastbare Schätzungen derzeit von 7.400 neuen und damit zusätzlichen Vollzeitstellen in Kinderbetreuungseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen bis 2010 aus. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11516 auch so gemacht, alles wären nur manipulierte Zahlen der Landesregierung. Ich habe zu dem Thema eine Seite im dpa-Kulturdienst Nummer 12/04 mit Äußerungen der damaligen Bildungsministerin Schäfer gefunden. Ich darf Ihnen das einmal vortragen, weil es ein sehr schöner Kontrast zu den 6.915 zusätzlichen Stellen ist, die diese Regierung und diese Koalition geschaffen haben. Ich zitiere: Bis zum Abiturjahrgang 2012/2013 werden nach Angaben der Landesregierung allein an den Gymnasien 12.000 zusätzliche Stellen nötig sein. Da die Schülerzahlen ab 2008/2009 spürbar zurückgingen, seien aber keine neuen Planstellen nötig, stellte Schäfer klar. Jetzt kommt es: Mit dem Finanzminister sei aber Einvernehmen hergestellt worden, dass bis 2013 statt der von ihm vorgesehenen Einsparung von insgesamt 28.000 Lehrerstellen höchstens 16.000 gestrichen werden können. (Beifall von FDP und CDU) Da in der Kindererziehung viele Kräfte nicht Vollzeit arbeiten, werden durch das KiBiz voraussichtlich rund 10.000 neue Arbeitsplätze in NordrheinWestfalen geschaffen werden, meine Damen und Herren. Das ist die Realität, nachdem Sie Tausende Betroffene aufgehetzt haben. Realität ist: Es gibt zehntausend neue Arbeitsplätze. Erste Zahlen aus den Kommunen in unserem Land bestätigen dies. So wurden beispielsweise in Duisburg im Vorfeld von KiBiz bereits 100 neue Vollzeitstellen in den 80 städtischen Einrichtungen geschaffen. Es waren 100 zusätzliche Vollzeitstellen allein in Duisburg zur Betreuung der unter Dreijährigen, Frau Kollegin Kraft. Was sagen Sie denn zu diesen Zahlen? Es wäre nicht schlecht – Sie haben ja noch etwas Redezeit –, wenn Sie ganz konkret dazu gleich einmal Stellung bezögen. (Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther) (Lachen von der FDP) Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. – Wo ist eigentlich Frau Kollegin Schäfer? (Zuruf von der Regierungsbank: Auf der Flucht!) – Auf der Flucht! Das kann ich verstehen. (Zurufe von der SPD) Eine Schulministerin verkündet stolz, der Finanzminister habe 28.000 Lehrerstellen streichen wollen; sie habe aber – was für ein Erfolg! – durchkämpfen können, dass höchstens 16.000 Stellen gestrichen werden. Jetzt erklären Sie bitte einmal Frau Kollegin Schäfer in Absentia … (Zurufe von der SPD) Ich darf dann noch auf die Neueinstellungen an den Schulen als weiteres Glanzstück dieser Koalition hinweisen. Darauf sind wir stolz. Denn es war ein verdammt hartes Stück Arbeit, jede einzelne zusätzliche Lehrerstelle zu finanzieren und zu organisieren. Das muss man einfach sagen. Bisher sind es 5.084 Stellen, 1.831 Stellen kommen noch hinzu. Summa summarum macht das 6.915 zusätzliche Lehrerstellen im Lehrerstellenhaushalt. – Da sind Sie ja, Frau Kollegin Schäfer. Erklären Sie dem Parlament doch einmal, woher Sie die Traute nehmen, unsere Schulministerin immer wieder mit dieser Vehemenz zu attackieren – angesichts des Zahlenwerks, das Ihr totales Versagen in der Unterrichtsversorgung in NordrheinWestfalen doch überaus deutlich macht. Frau Kollegin Kraft, ich habe noch ein besonderes Bonbon für Sie. Sie putzen unsere Leistungen immer herunter, indem Sie sagen, Sie hätten das Bitte nehmen Sie es nicht persönlich, aber wenn ich Sie wäre und dafür in einem Kabinett die Verantwortung getragen hätte, würde ich mich bei je- (Beifall von FDP und CDU) Landtag Nordrhein-Westfalen der schulpolitischen Debatte in den hintersten Winkel dieses Parlaments verkriechen. (Beifall von FDP und CDU) Dass Sie allen Ernstes regelmäßig den Rücktritt unserer Schulministerin fordern – in welchem politischen Paralleluniversum leben Sie eigentlich? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Sie haben damals stolz verkündet, Sie streichen lediglich 16.000 Lehrerstellen. – Diese Schulministerin hat eine Bilanz, in der fast 7.000 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen worden sind, und Sie kritisieren die Schulpolitik dieser Landesregierung! Liebe Frau Kollegin Schäfer, das kann doch nur ein schlechter Scherz sein. Ich wollte das gerne noch einmal erwähnt haben, damit es nicht in Vergessenheit gerät. (Beifall von FDP und CDU) Noch einige Anmerkungen zu den Hochschulen, wo es auch vorangeht, und zwar kräftig. Den NRW-Hochschulen stehen insgesamt rund 500 Millionen € mehr zur Verfügung als im Jahre 2005. Das sind nicht nur Bundesmittel und Studienbeiträge, sondern 190 Millionen € aus dem Landeshaushalt. Für die Aufbruchstimmung an unseren Hochschulen steht eben auch die Zahl der Studienanfänger, meine Damen und Herren. Das ist doch ein ganz wichtiges Indiz. In diesen Tagen beginnen 68.000 Studierende ihr Studium an einer Hochschule in Nordrhein-Westfalen. Das sind so viele wie seit 1990 nicht mehr. (Hannelore Kraft [SPD]: Das sind doch nicht alles NRW-Leute!) Insbesondere die Fachhochschulen melden steigende Studierendenzahlen. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11517 der für Nordrhein-Westfalen. Dort müssen wir junge Leute gezielt ausbilden. Das ist Ihnen sicherlich kürzlich bei Ihrer Tour durch mittelständische Betriebe in NordrheinWestfalen auch mit auf den Weg gegeben worden, Frau Kollegin Kraft. Sie können, wenn Sie demnächst wieder einen Betrieb besuchen, dort in Ruhe sagen: Jawohl, die Landesregierung ist dabei, diesen Wunsch der Industrie in NordrheinWestfalen zu erfüllen. Wir bilden gerade in diesen Zukunftssegmenten hoch qualifizierte junge Fachkräfte aus, die unser Land auch in Zukunft auf Wachstumskurs halten werden. Wie geht es nun weiter mit der Haushaltspolitik in Nordrhein-Westfalen? (Rainer Schmeltzer [SPD]: Das fragen wir uns auch!) Zunächst noch einmal: Was unsere Koalition bislang an Konsolidierungsleistungen erbracht hat, ist beachtlich, ist aller Ehren wert. Damit können wir uns – und Sie, Herr Finanzminister, an der Spitze – blicken lassen. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Haben Sie daran Zweifel gehabt?) Aber wir wissen auch, Herr Linssen: Wir sind noch nicht am Ziel. Ziel unserer Politik muss es sein, schnellstmöglich einen ausgeglichenen Landeshaushalt ohne neue Schulden vorzulegen, um dann mit dem Abbau des Schuldenbergs beginnen zu können. (Beifall von der FDP) Das muss – und es ist meiner Fraktion ein Kernanliegen – strategisches Ziel unserer Regierungspolitik in den nächsten Jahren bleiben. (Beifall von Holger Ellerbrock [FDP]) (Hannelore Kraft [SPD]: Sie müssen die Statistik lesen! – Gegenruf von Helmut Stahl [CDU]: Zählen Sie auch die Bayern mit, Frau Kollegin?) Das ist die Voraussetzung für eine dauerhaft nachhaltige Entwicklung in Nordrhein-Westfalen. Der Anstieg im Vergleich zum Vorjahr beträgt 8 %. Es ist aus unserer Sicht besonders erfreulich, dass gerade der Zulauf zu den MINTFächern in Nordrhein-Westfalen so positiv ist. Dort hat es im Wintersemester 2007/2008 besonders viele zusätzliche Studierende gegeben. Der Finanzminister hat dem Parlament eine mittelfristige Finanzplanung zugeleitet, die die derzeitige Haushaltsentwicklung bis 2012 fortschreibt und einen Abbau der Neuverschuldung in 2012 auf dann noch 600 Millionen € vorsieht. (Zuruf von der SPD: Wie ist die Abbrecherquote? – Hannelore Kraft [SPD]: Haben Sie die Abbrecherquote auch berücksichtigt?) In Mathematik und in den Naturwissenschaften betrug der Anstieg fast 8 %, in den Ingenieurwissenschaften sogar 11,5 %. Das sind Zukunftsfel- (Beifall von der FDP) Bei der mittelfristigen Finanzplanung, die dem Parlament mit dem Haushaltsgesetz zugeleitet wird, handelt es sich ja nicht um einen Beschlussantrag, um ein Gesetz, sondern das Parlament nimmt diese mittelfristige Finanzplanung zur Kenntnis. Es handelt sich dabei lediglich um eine Projektion – das muss man auch sagen –, in der Landtag Nordrhein-Westfalen die aktuellen Rahmendaten unverändert fortgeschrieben werden. (Hannelore Kraft [SPD]: Ach so!) Die mittelfristige Finanzplanung, meine sehr verehrten Damen und Herren, beinhaltet also noch nicht die Kerndaten für die nächsten Landeshaushalte bis 2012. (Ralf Jäger [SPD]: Es ist nur Spaß!) Sie ist nicht in Stein gemeißelt. Sie ist eine wichtige Orientierungsgrundlage, die man in der Perspektive, Frau Kollegin Kraft, aber noch verändern kann. Meine Fraktion ist der Überzeugung, dass wir sie auch noch weiter verändern müssen. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Man liest davon in der Zeitung!) Da liegt – das gehört mit zur Ehrlichkeit in dieser Debatte – noch sehr viel Arbeit vor uns. Wir haben außerordentlich viel geschafft, (Beifall von der FDP) aber gerade bei der Haushaltskonsolidierung liegt noch viel Arbeit vor uns. Wir müssen dringend zu weiteren strukturellen Verbesserungen im Haushalt kommen. Dies gebietet allein schon die Vorsorge dafür, dass infolge einer sich abschwächenden Konjunktur auch die Einnahmebasis – der Finanzminister hat darauf hingewiesen – unter Druck geraten kann. Deshalb ist es unsere Überzeugung, dass wir in der Koalition – das geht nur gemeinsam – Vorschläge erarbeiten müssen, wie wir den Landeshaushalt strukturell deutlich weiter verbessern können. (Hannelore Kraft [SPD]: Hört, hört!) Dazu gehören nach Überzeugung meiner Fraktion weitere Anstrengungen bei der Privatisierung von Landesaufgaben, die bisher schon sehr erfolgreich waren. Ich darf noch einmal an die LEG erinnern. Da haben Sie doch auch eine Ihrer Hetzkampagnen gefahren. Was ist das Resultat? Ein hervorragender zusätzlicher Erlös auch für den Landeshaushalt (Hannelore Kraft [SPD]: Steigende Mieten!) und die beste Sozialcharta, über die irgendein Mieter in Nordrhein-Westfalen überhaupt verfügt! (Beifall von der FDP) Also, colorandi causa: Bei der Privatisierungspolitik sind noch einige Schätze zu heben. Dazu gehört ein weiterhin beschleunigter Stellenabbau. 11518 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 (Hannelore Kraft [SPD]: Mal hören, was der Ministerpräsident dazu sagt!) Auch bei der Zusammenlegung von Landesbehörden – verlassen Sie sich darauf – werden wir noch mit Vorschlägen aufwarten, (Rainer Schmeltzer [SPD]: Gehen Sie erst wieder an die Presse?) aber die stimmen wir intern ab. Das bereden wir gemeinsam. (Hannelore Kraft [SPD]: Hört, hört!) Dann werden wir hier noch zu weiteren Vorschlägen kommen. Präsidentin Regina van Dinther: Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Herrn Remmel? Dr. Gerhard Papke (FDP): Herr Kollege Remmel kann gleich noch in die Debatte eingreifen. Die Grünen haben noch 45 Minuten Redezeit. Wenn Frau Kollegin Löhrmann ihm davon etwas abgibt, dürfte es ihm reichen. Präsidentin Regina van Dinther: Okay. Dr. Gerhard Papke (FDP): Die Koalition hat eine hervorragende Zwischenbilanz erreicht. Jetzt gilt es darauf aufzubauen und mit zusätzlichen Sparanstrengungen einen ausgeglichenen Landeshaushalt zu erreichen. Ich will zum Ende meines Beitrags in der Haushaltsdebatte noch einmal ausdrücklich unterstreichen – es ist mir gerade nach der Debatte in diesen Tagen wichtig –, was ich in den vergangenen Wochen für meine Fraktion so und genauso auch öffentlich gesagt habe. Erstens. Meine Fraktion will ein verbindliches Datum, eine Zielmarke, bis wann der Haushalt spätestens ausgeglichen sein soll. Wir glauben, eine solche Zielmarke ist wichtig für Verlässlichkeit nach innen und nach außen, (Beifall von Ralf Witzel [FDP]) damit klar ist, wann wir wirklich den Turnaround geschafft haben. Zweitens. Wir halten unter der Voraussetzung, dass uns nicht eine Konjunkturkrise die Steuereinnahmen wegbrechen lässt, einen ausgeglichenen Haushalt schon 2010 für möglich, für machbar, unter der Voraussetzung, dass wir uns gemeinsam auf zusätzliche Anstrengungen verständigen können. Landtag Nordrhein-Westfalen Ich will hier klar sagen: (Gisela Walsken [SPD]: Aha!) Das kann nicht als einzelne Initiative einer Fraktion gelingen. Ich möchte, meine Damen und Herren, der Landesregierung, dem Finanzminister zum Schluss ausdrücklich anbieten, dass die FDP-Fraktion vorbehaltlos zu zusätzlichen Anstrengungen bereit ist, um das, was wir bisher erreicht haben – das kann sich wirklich blicken lassen, Herr Finanzminister, meine Damen und Herren –, noch weiter zu optimieren. Unser Ziel ist und bleibt schnellstmöglich der ausgeglichene Landeshaushalt. (Beifall von der FDP) Ich meine, es ist den Schweiß der Edlen wert, wenn wir uns zusammensetzen und schauen, was wir kurzfristig noch an Verbesserung erreichen können. (Gisela Walsken [SPD]: Doch, 2010!) Wir werden nicht mit zusätzlichen Ausgabenwünschen kommen. Wir sind bereit, alle auch konsequenten Konsolidierungsschritte mitzugehen. (Gisela Walsken [SPD]: Was denn jetzt? 2010 oder nicht? – Michael Groschek [SPD]: Das ist die Rede für die Hutablage!) Das ist ein Gebot der Generationengerechtigkeit, damit wir im Bereich der Haushaltsentwicklung die Voraussetzungen für die weiterhin erfolgreiche Erneuerung des Landes Nordrhein-Westfalen gemeinsam schaffen können. – Ich danke Ihnen sehr herzlich für die Aufmerksamkeit. (Beifall von FDP und CDU) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Dr. Papke. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Löhrmann. Sylvia Löhrmann (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden das noch einmal abgleichen, (Gisela Walsken [SPD]: Ja!) was der Herr Papke uns gerade vorgetragen hat. (Beifall von der SPD) Mich hat das sehr an seinen Beitrag im letzten Jahr erinnert. (Gisela Walsken [SPD]: Hochinteressant!) Da ist dann nicht so ganz viel nachgekommen, aber darauf komme ich im Verlauf meines Bei- 11519 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 trags noch zurück. Aber immerhin hat doch das Herausgehen von Herrn Dr. Linssen und Herrn Dr. Papke ein bisschen geholfen zur Abstimmung dessen, was Herr Papke hier vortragen darf, damit die Unstimmigkeiten in der Koalition nicht zunehmen. (Heiterkeit von Gisela Walsken [SPD]) Auch darauf komme ich aber noch zurück. Herr Stahl, zu Ihrem Beitrag: Ich weiß ja nicht, wen Sie so geküsst haben in letzter Zeit. (Ministerpräsident Dr. Jürgen Rüttgers: Seine Frau!) Bei der Vorbereitung dieser Rede hier war es auf jeden Fall nicht die Muse. So viel will ich hier zunächst einmal feststellen. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Mich hat Ihr Beitrag eher an das Niveau des Plakats erinnert, das da draußen an der Zufahrt hängt. Wenn eine Partei und eine Fraktion sich so sicher ist, dass sie alles richtig macht und dass sie alles im Griff hat, dann finde ich das relativ niveaulos. Dann spricht das nicht für das Selbstbewusstsein, das Sie hier versuchen zur Schau zu stellen – angesichts der Herausforderungen, die wir auch weiterhin in unserem Land meistern müssen, meine Damen und Herren. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Diese Haushaltsberatungen stehen wahrlich nicht unter einem guten Stern. Gut drei Jahre nach dem schwarz-gelben Regierungsantritt haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen merklich verschlechtert, und die Koalition streitet sich, was das Zeug hält, anstatt endlich die Dinge anzupacken, die jetzt notwendig sind. Man merkt eines immer wieder: Sie haben keinen Plan für Nordrhein-Westfalen. Sie haben keine Vision, keine Vorstellung vor Augen, wie dieses Land in 10, 20 Jahren aussehen soll. So wirtschaften Sie, und so haushalten Sie auch. Das zeigt sich auch im Entwurf des Landeshaushalts für das letzte Jahr von Schwarz-Gelb: ohne Kontur, ohne Ehrgeiz, ohne Wärme. Meine Damen und Herren, natürlich komme auch ich darauf zurück: Einer tut so, als sei es ihm zu wenig, nämlich FDP-Fraktionschef Papke. Da hat er letzte Woche einmal wieder den dicken Max gemacht. (Heiterkeit von der SPD) Er forderte schon für 2010 einen ausgeglichenen Haushalt. Dabei lehnte er sich so weit aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen Fenster, dass FDP-Chef Pinkwart ihn rabiat zurückziehen musste, damit er nicht abstürzt. (Beifall von den GRÜNEN) Selbst auf der gestern eiligst einberufenen Pressekonferenz wurde dieser offene Streit trotz allen Bemühens richtig deutlich. Papke schlägt sich, Pinkwart verträgt sich. (Heiterkeit von Gisela Walsken [SPD]) Meine Damen und Herren, so war’s, aber nehmen wir doch den kleinen Koalitionspartner einmal beim Wort. Herr Papke, wir hätten Ihre Anträge ja wenigstens gern einmal gesehen, mit denen Sie 1,5 Milliarden € einsparen wollten. (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Sie wissen doch genau, dass Haushaltsberatungen in einer Koalition nicht über öffentliche Anträge laufen! Das ist doch Quatsch!) Zeigen Sie sie! Bringen Sie sie ruhig ein, Herr Papke! Schlagen Sie das wenigstens einmal konkreter in der Öffentlichkeit vor! Aber alles heiße Luft! Wie gesagt, wir prüfen das noch einmal nach. Keine Vorschläge in Sicht! (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Das ist Unsinn!) Es ist ja auch keine einfache Aufgabe, die Sie sich da gestellt haben. 1,5 Milliarden € – das sind Tausende von Lehrkräften, das Dreifache der Elternbeiträge für die Kitas im Land, eine Menge Holz, die Sie da schultern wollten, Herr Dr. Papke. Aber es hat sich ja mit Ihnen entpuppt wie immer, wie in den gesamten drei Jahren seit Ihrem Regierungsantritt. Im Zweifel wirft er sich wie bei der Steinkohle auch, bei der Schließung der Bergwerke, dann hinter den Zug, der schon längst abgefahren ist. (Heiterkeit und Beifall von der SPD) Ich prophezeie Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU: Herr Papke wird mit dieser Quengelei nicht aufhören, bis er endlich da sitzt, wo Herr Wolf jetzt sitzt. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Das ist nämlich sein Ziel. Da will er hin. So lange er das nicht erreicht hat, wird er rumquengeln, so lange wird er keine Ruhe geben. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11520 (Gisela Walsken [SPD]: Ja!) Die Kritik kommt von Jahr zu Jahr heftiger aus den eigenen Reihen. Kein Wunder, Herr Linssen! Denn Sie wollten bei den Personalkosten massiv einsparen. Passiert ist so gut wie nichts. Per Saldo gab es fast keinen Abbau, im Gegenteil, neue Stellen auch in der Verwaltung. (Minister Dr. Helmut Linssen: Haben Sie nicht zugehört?) – Ich habe sehr gut zugehört. Sie haben ja den Stellenabbau im Bewusstsein Ihres Schulprogramms versprochen. Man muss das doch immer wieder deutlich machen, (Beifall von GRÜNEN und SPD) dass Sie alles nach vorne gerichtet versprochen haben. Außerdem wollten Sie sämtliche Steuermehreinnahmen zum Abbau der Nettoneuverschuldung verwenden. (Minister Dr. Helmut Linssen: Nein! Das habe ich nie gesagt!) Doch wie schrieb diese Woche der Bonner „General-Anzeiger“? Ich zitiere: „Bis zum Ende der Legislaturperiode wird der Landesfinanzminister 14,5 Milliarden € an neuen Schulden aufgenommen haben.“ (Minister Dr. Helmut Linssen: Wo ist die Zahl denn her?) „Wenn man berücksichtigt, dass er 9 Milliarden € an Steuermehreinnahmen hatte, fällt seine Bilanz nicht besser aus als die der abgewählten rotgrünen Landesregierung.“ (Beifall von den GRÜNEN) Wer noch genauer hinschaut, meine Damen und Herren, stellt fest, dass Rot-Grün in Wahrheit angesichts der Haushaltslagen einen wesentlich schärferen Konsolidierungskurs gefahren ist als die Regierung Rüttgers. (Barbara Steffens [GRÜNE]: Jawohl!) Sie sind doch zu all den Demonstrationen, die stattgefunden haben, hingegangen, (Beifall von der SPD) (Gisela Walsken [SPD]: Genauso ist es!) und wir wissen doch, was wir hier an Einsparungen verkraften mussten und vorgeschlagen haben. Meine Damen und Herren, Herr Finanzminister, eines ist zumindest sehr interessant: dass es nicht mehr nur die Opposition ist, die Ihnen vorwirft, nicht ernsthaft den Haushalt zu konsolidieren. Ihre Bilanz sähe noch schlechter aus, werter Finanzminister, wenn Sie nicht den Kommunen so schamlos in die Taschen greifen würden, wie Sie es nach wie vor tun. Dann sähe Ihre Bilanz noch Landtag Nordrhein-Westfalen viel schlechter aus. Echte Konsolidierung ist das nämlich nicht. Ihre Bilanz sähe außerdem schlechter aus, wenn Sie Ihre Versprechen gegenüber den Landesbeschäftigten eingehalten hätten. Da haben Sie sich nämlich auch noch einmal kräftig bedient. Das ist ein dreifacher Wortbruch, meine Damen und Herren. Das muss hier immer wieder gesagt werden. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Nicht einmal in der Haushalts- und Finanzpolitik, also in dem Feld, für das Sie sich ständig für überkompetent erklären, haben Sie einen Plan für die Zukunft Nordrhein-Westfalens. Dass Sie keinen Plan, kein Ziel, kein Bild für unsere Schulen haben, müssen wir leidvoll mit ansehen, und das müssen leidvoll die Beteiligten, die Kinder, die Eltern, die Lehrerinnen und Lehrer ertragen. Dass Sie planlos, ziellos und fantasielos durch das Energieland NRW stolpern, erleben wir fast täglich. Und auch beim Haushalt wird immer klarer: Sie haben auf fast allen Feldern den Mund zu voll genommen und den Menschen das Blaue vom Himmel versprochen. Jetzt merken Sie, dass Sie an Ihre Grenzen kommen, meine Damen und Herren. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Diese gebrochenen Versprechen stehen der Mehrwertsteuererhöhung der Großen Koalition in Berlin in nichts nach. Die Relativierungen – ich habe sehr genau zugehört, Herr Dr. Linssen –, die Sie heute erstmals vorgenommen haben, es würde ein bisschen schwieriger und man wisse nicht so genau, haben wir in den letzten Jahren nicht gehört. Damals haben Sie sich den Hinweis auf die Konjunktur und auf die Wirtschaftsdaten verkniffen und so getan, als hätten Sie das alles in den letzten zwei Jahren bewerkstelligt. Jetzt, wenn es anders wird, drehen Sie dieses Muster herum. Das haben wir erkannt, und das werden wir bei jeder Beratung deutlich machen. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Wenn jemand so wenige Vorstellungen von einer guten Zukunft unseres Landes wie diese Landesregierung hat, verwundert das Motto „Privat vor Staat“ auch nicht mehr. Wer keine Ideen hat, wie das Land gestaltet werden kann, braucht keinen starken Staat, sondern überlässt es lieber den Privaten. 11521 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Meine Damen und Herren, auch wenn es manche nicht hören wollen: Spätestens seit der Bundestagswahl 2005 ist klar: Für die marktradikalen Ansätze in der Politik gibt es in unserer Bevölkerung keine Mehrheit. Das bestätigen Ihnen auch Politikwissenschaftler von Karl-Rudolf Korte bis Franz Walter. Das ist ein Paradigmenwechsel, Herr Stahl, der stattgefunden hat! Das weiß im Grunde auch der Ministerpräsident. Deswegen formuliert er in Interviews, in Aufsätzen und in Reden vor Bundesparteitagen, dass das alles nicht mehr so sei und holt sich prompt bei Herrn Papke die nächste Watsche ab. In einer Ausgabe vom „Kölner Stadt-Anzeiger“ in der letzten Woche nennt Sie Ihr Koalitionspartner in einem Atemzug mit Oskar Lafontaine und wirft Ihnen verzerrte Realitätswahrnehmung vor. (Dr. Gerhard Papke [FDP]: Och, och!) Aber Herr Ministerpräsident, Sie lassen Herrn Papke nicht nur gewähren, sondern Sie bleiben in der konkreten, von Ihnen verantworteten Politik in Nordrhein-Westfalen an die Privat-vor-StaatIdeologie Ihres Koalitionspartners gekettet. Das ist wichtig für die politische Auseinandersetzung in Nordrhein-Westfalen. Meine Damen und Herren, wir brauchen als Antwort auf die Globalisierung und ihre Herausforderungen einen handlungsfähigen Staat, der den Rahmen setzt, in dem sich alle Akteure bewegen können und müssen, und der mit diesem Rahmen dafür sorgt, dass das Klima wirkungsvoll geschützt wird, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen und dass wir endlich mehr Chancengerechtigkeit erreichen. Dafür muss der Staat sorgen; dafür brauchen ihn die Menschen. (Beifall von den GRÜNEN) Wenn wir diesen Anspruch aufgeben, verlieren der Staat und die Politik zunehmend an Legitimation. Dann haben es neue Parteien mit gewagten Sprüchen und populistischen Ansätzen ohne Substanz leichter, die politische Bühne zumindest zeitweise erfolgreich zu betreten. Übrigens, Herr Ministerpräsident: Ihr Presseauftakt nach der Sommerpause war auch schon einmal besser. Das hat viel mit Frau Sommer zu tun, aber nicht nur. Herr Rüttgers, der Unterschied zwischen Konjunkturprogramm und Antirezessionsprogramm ist ungefähr so groß wie der Unterschied zwischen einer Kontamination und einer Vergiftung des Grundwassers. Das eine lehnen Sie ab, für das andere tragen Sie die politische Verantwortung. So ist es, wenn man beim Meister Landtag Nordrhein-Westfalen des Ungefähren ein bisschen genauer hinschaut, meine Damen und Herren. Aber sei’s drum. (Beifall von GRÜNEN und Monika RuffHändelkes [SPD]) Schauen wir genauer auf Ihre Vorschläge. Da steht zum Beispiel: Wiedereinführung des Abzugs von Steuerberatungskosten oder vereinfachte Spendenbescheinigungen. – Super, Herr Ministerpräsident! Das ist mal ein Programm, mit dem der Staat unsere Wirtschaft so richtig ankurbeln wird – hier und sofort aus Nordrhein-Westfalen. (Heiterkeit von Frank Sichau [SPD]) Ich sehe die blühenden Landschaften schon wachsen – dank vereinfachter Spendenbescheinigungen und absetzbarer Steuerberatungskosten! Herr Lindner ist nicht mehr anwesend. (Gisela Walsken [SPD]: Feierabend!) Er hat ausnahmsweise Recht, wenn er sagt, dass er das niedlich fände. Es ist aber im Grunde lächerlich und grotesk. An anderer Stelle ist es schlicht grob fahrlässig. Wenn der Ministerpräsident über den künftigen Energiemix spricht und ihm die erneuerbaren Energien nicht einmal einen Halbsatz wert sind, spricht das Bände. Stattdessen redet er immer öfter der Atomenergie das Wort, ebenso wie Herr Stahl. Wir Grünen, meine Damen und Herren, werden den Atomausstieg mit Zähnen und Klauen verteidigen. Diese Risikotechnologie ist aus vielerlei Gründen unverantwortlich. Wenn ich heute lese, wie leichtfertig Ministerin Thoben angesichts der Unfälle mit Chemiegasen davon spricht, man müsse möglicherweise ein gewisses Restrisiko in Kauf nehmen, mag ich mir eine solche Haltung, Frau Thoben, mit Blick auf die Atomenergie überhaupt nicht mehr ausmalen. Das finde ich unverantwortlich! (Beifall von GRÜNEN und SPD) Das ist nachzulesen in der „WAZ“. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich weiß, wie schwer es Ihnen fällt, auf uns zu hören. Aber nehmen Sie doch wenigstens die Mahnungen die Kirchen ernst. Sie wollen diesen Eingriff in die Schöpfung nicht. Präses Alfred Buß warnt vor den unbeherrschbaren Gefahren der Kernenergie und sagt zur ungeklärten Endlagerfrage – ich zitiere –: „Wir sind im Flugzeug losgeflogen, aber wir wissen noch nicht, wie wir landen sollen.“ – Ich bin erschrocken, Herr Stahl, wie leichtfertig Sie über 11522 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 diese Haltungen und Grundsatzbedenken hinweggehen. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Bei den Alternativen, Herr Rüttgers, waren Sie bei Ihrer letzten USA-Reise schon einmal weiter. Da wussten Sie schon, dass zum Beispiel in der Windenergie die Zukunft liegt. Außer Landes gibt es gewisse Anflüge von Einsicht, aber wenn es konkret darauf ankommt, sehen wir das im politischen Handeln leider nicht. (Beifall von den GRÜNEN) Wenn Sie und Ihre Landesregierung durch den unsäglichen Windenergieerlass NRW von der Entwicklung der Windenergie abschneiden, müssen Sie sich doch nicht wundern, wenn es in unserem Land Jahr für Jahr mit den Windenergieinvestitionen bergab und nicht bergauf geht. Gerade bei der Energiepolitik zeigt sich, wer die Herausforderungen der Zukunft erkannt hat und die Weichen richtig stellt. CDU und FDP tun das ganz offensichtlich nicht. Ganz konkret spürbar wurde das für jede Einzelne und für jeden Einzelnen durch die Preissteigerungen beim Öl und als Folge davon durch die Preissteigerungen beim Gas. Diese Preissteigerungen werden erhebliche soziale und gesamtwirtschaftliche Probleme verursachen. Die Probleme sind offenkundig; man kann sie nicht mehr leugnen. Die hohen Preise treffen insbesondere Familien, die von ihren knappen Einkommen einen immer größeren Teil allein für Energie ausgeben müssen. Dann bleibt natürlich weniger Geld für andere Güter übrig. Dieser Abfluss von Kaufkraft hin zur Energie ist dramatisch. 1999 hat Deutschland per Saldo für 18 Milliarden € Erdöl und Erdgas importiert. Für 2008 sagt die Bundesbank etwa 85 Milliarden € voraus. Das ist fast eine Verfünffachung seit 1999 und hat ganz konkrete Folgen: soziale Probleme und erhebliche Belastungen für private und öffentliche Haushalte, Einschränkungen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern, weniger verfügbares Einkommen und entsprechendes Sparverhalten. Die daraus folgende Konsumflaute ist bereits im Tourismus, in der Gastronomie und vor allem im Handel spürbar. Die Menschen kaufen eben auch weniger ein. Dann ist es auch zum Abbau von Arbeitsplätzen nicht mehr weit. Wenn einzelne Branchen weniger umsetzen, werden sie Menschen entlassen. Die Pleiten von SinnLeffers, Wehmeyer und Hertie sprechen eine deutliche Sprache. Das hat natürlich konkret mit der wirt- Landtag Nordrhein-Westfalen schaftlichen Grundlage unseres Landes und damit auch mit dem Landeshaushalt zu tun. (Beifall von den GRÜNEN) Wir müssen und können gegensteuern. Wir haben einen Vorschlag gemacht, den ich hier noch einmal wiederholen möchte; wir werden ihn noch öfter diskutieren, weil er so überzeugend ist: Wenn wir beispielsweise massiv in die energetische Gebäudesanierung einsteigen, folgen daraus weniger Kosten für Öl- und Gasimporte, mehr Geld für die heimische Bauindustrie und die Zuliefergewerke und mehr Geld im Portmonee der Menschen. Das bedeutet neue Arbeitsplätze im Baugewerbe sowie weniger Arbeitsplatzverluste in der Textil- und Konsumindustrie. Es geht darum, hier eine Wende einzuleiten und eine Win-win-Situation massiver Art auszunutzen. Ich verstehe nicht, warum Sie sich hier verweigern. Frau Ministerin Thoben hat in Reaktion auf die gemeinsame Pressekonferenz von Frau Kraft und mir gesagt, dass 30.000 Wohnungen pro Jahr saniert werden. – Der Altbaubestand beläuft sich auf 6,3 Millionen vor 1984 errichteter Wohnungen. Haben Sie einmal ausgerechnet, wie lange Sie für die Altbausanierung benötigen, wenn Sie in diesem Schneckentempo weitermachen? Es sind mehr als 100 Jahre, meine Damen und Herren. Wir brauchen eine nationale Kraftanstrengung bei der Gebäudesanierung zur Einsparung von Ölund Gasimporten. Nicht kleckern, sondern klotzen muss hier die Devise sein – auch im Landeshaushalt. (Beifall von den GRÜNEN) Das ist ein wirkliches und vernünftiges Antirezessions- und Konjunkturprogramm. Einfache Spendenbescheinigungen oder die Absetzbarkeit von Steuerberatungskosten reichen nicht aus. Es geht also um den Wirtschaftsstandort NRW. Es geht aber auch und vor allem um die Menschen, die sich teure Energie schlicht nicht leisten können. Es geht selbstverständlich auch um Klimaschutz. Meine Damen und Herren, eine weitere ganz zentrale Herausforderung für die wirtschaftliche Entwicklung in NRW ist die Bildungspolitik. Um im globalen Wettbewerb mithalten und von der Globalisierung profitieren zu können, müssen wir die Ergebnisse unseres Bildungssystems radikal verbessern. Die Stärke von NRW müssen die Menschen sein: gut ausgebildete und hochqualifi- 11523 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 zierte Menschen, die innovative Entwicklungen vorantreiben. Aber auch hier bewegen Sie sich mit Rekordgeschwindigkeit in die Sackgasse. Die Landesregierung zementiert ein Schulsystem, das auf Selektieren und Aussortieren setzt. Das ist bestenfalls „50er-Jahre“, eher noch „vorletztes Jahrhundert“. Das Ganze geschieht mit einer Führungscrew im Schulministerium, die nicht einmal in der Lage ist, die politisch unstrittigen Reformprozesse einigermaßen vernünftig umzusetzen. Es ist eine Crew, die die Schulen in unserem Land mit einer nie dagewesenen Erlassflut überzieht. Das ist Bürokratiewahn pur, meine Damen und Herren. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Bei Sommer und Winands kommt ein Scherbenhaufen zum nächsten. (Zuruf von der SPD: Bei Winands und Sommer!) – Die Grünen nennen die Damen immer zuerst. Soweit wollen wir es nicht kommen lassen. Der Ministerpräsident schaut stur in die andere Richtung. Herr Ministerpräsident, wer die dort liegenden Scherben nicht sieht, kann auch nicht anfangen, die Scherben aufzuräumen. Damit sollten Sie aber endlich einmal anfangen. (Beifall von den GRÜNEN) Die Leistung unserer Schulen ist nicht nur für die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend. Es geht um mehr. Es geht um gelingende Integration, um Bildungsaufstieg. Es geht um das Ausschöpfen aller Potenziale und Talente. Es geht um soziale Gerechtigkeit. Nirgendwo in der westlichen Welt hängt der Bildungserfolg in solchem Maße vom sozialen Status der Eltern ab wie in Deutschland. Es geht um jede und jeden Einzelnen, die/den wir mit einer besseren Bildung in die Lage versetzen, ihr/sein Leben erfolgreich zu gestalten und in die eigenen Hände zu nehmen. (Minister Dr. Helmut Linssen: Das schlimm zu Ihrer Regierungszeit!) war Die Befürworter eines anderen Weges und die Belege dafür nehmen tagtäglich zu, Herr Linssen. Ganz aktuell zeichnet die Bertelsmann Stiftung die Bildungsregion Toronto aus und will damit bewusst die politische Diskussion in Deutschland beflügeln: hin zu besseren Leistungen und zu mehr sozialer Gerechtigkeit durch längeres gemeinsames Lernen. Aber ich fürchte, auch diese Signale werden und wollen Sie wieder nicht hö- Landtag Nordrhein-Westfalen ren. Sie bleiben weiterhin in Ihrem Schützengraben stecken. Herr Stahl, ich muss Sie nicht ans Händchen nehmen. Ich lade Sie aber ein: Kommen Sie doch zur Preisverleihung mit. Schauen wir es uns gemeinsam an. Vielleicht lassen Sie sich von diesen neuen Ideen anstecken. (Beifall von den GRÜNEN) Aber auch hier nutzen Sie die Chance zum Winwin nicht. Sie sind als NRW-CDU eine eingemauerte Truppe, die sich nicht auf den Weg macht, während andere längst angefangen haben. In der Hochschulpolitik rühmen Sie sich insbesondere zweier Punkte: der Schaffung von drei neuen Fachhochschulen und der Verankerung eines Stipendiensystems. Lassen Sie mich zu beiden Punkten nur wenige Sätze sagen. Sie haben großspurig angekündigt, den besten 10 % der Studierenden 300 € monatlich zu gewähren. Das notwendige Geld dafür ist aber beim besten Willen nicht im Haushaltsentwurf zu finden. Selbst wenn 10 % der Studierenden Stipendien bekommen, löst das nicht das Problem, dass die Abiturientinnen und Abiturienten aus ärmeren Familien systematisch durch die Studiengebühren abgeschreckt werden. Johannes Rau lässt grüßen, Herr Ministerpräsident. Bei den neuen Fachhochschulen sieht es ähnlich aus. Das dafür im Haushalt vorgesehene Geld reicht bei Weitem nicht aus. Ganz abgesehen davon sind Neugründungen von Fachhochschulen unflexibler und teurer als der Ausbau bestehender Standorte. Diese Haltung haben wir schon vorgetragen. In dieser Haltung haben uns die Unternehmer, mit denen wir vorgestern Abend in Meschede gesprochen haben, auch ausdrücklich bestätigt. Sie sagten, der Ausbau bestehender Standorte ist der bessere Weg und hilft uns schneller, um den Fachkräftemangel abzubauen und die Qualifizierung der zukünftigen Beschäftigten voranzutreiben. Was Sie schaffen, das sind populistische Leuchttürme: Clement – schwarz-gelb-gestreift, meine Damen und Herren. Sie rühmen sich Ihrer Investitionen bei der Kinderbetreuung. – Ja, hier gibt es einen immensen Nachholbedarf. Das haben wir auch eingeräumt. Wir haben die Priorität auf die offene Ganztagsgrundschule gelegt und dort angefangen. Inzwischen haben alle Grundschulen in NordrheinWestfalen ein offenes Ganztagsangebot. Darin lag unsere Priorität. Es war klar, dass andere Schritte folgen werden. 11524 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Über eines können Sie aber nicht hinwegreden: Sie als Land bremsen die Kommunen beim bundesrechtlich vorgesehenen Ausbau der Betreuung von Kindern unter drei Jahren aus. Sie bremsen die Kommunen, die mehr tun wollen, aus. Geben Sie diese Deckelung auf, meine Damen und Herren. (Beifall von den GRÜNEN) Die Landesregierung hat noch einen Scherbenhaufen durch Ihr Verschleppen, Ihren Dilettantismus und Ihr Wegsehen angerichtet: den bei der WestLB. Nun, wo sie selbst den Scherbenhaufen nicht mehr übersehen kann, fordert sie andere auf, ihn möglichst schnell zu beseitigen. Herr Finanzminister, Herr Ministerpräsident, so etwas nennt man: sich vor der Verantwortung drücken. Ich darf daran erinnern, dass Herr Rüttgers noch 2007 die WestLB zur Chefsache erklärt hat. Sie haben gemeinsam mit Ihrem Finanzminister vom großen Finanzplatz Düsseldorf geträumt und deshalb sinnvolle und notwendige Fusionsverhandlungen mit der LBBW torpediert. Nun, wo das Desaster seinen Lauf nimmt, ziehen Sie sich zurück und versuchen, mit präsidialem Stil so zu tun, als wenn Sie mit all dem nichts zu tun hätten. Jetzt, ein Jahr später, muss der arme Herr Linssen kleinlaut erklären, dass die Aufrechterhaltung des Finanzplatzes NordrheinWestfalen so nicht mehr möglich ist. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Nicht zu viel Mitleid!) Diese späte Erkenntnis kommt uns alle sehr teuer zu stehen, Herr Ministerpräsident. (Beifall von den GRÜNEN) Denn im schlimmsten Fall muss das Land beim Risikoschirm für fast 4 Milliarden € komplett einstehen. Es ist jetzt schon klar, dass Sie beim Verkauf der Landesanteile allenfalls die Hälfte hereinholen können. Die brauchen Sie, damit die NRW.BANK nicht auch noch vor die Wand fährt. Herr Ministerpräsident, wenn das kein finanzpolitischer Offenbarungseid ist, was denn dann? Sie sind mit Ihrer Politik in Bezug auf die WestLB auf der ganzen Linie gescheitert. Auch der Verweis auf die Vergangenheit hilft nicht. (Minister Dr. Helmut Linssen: Das haben Sie nicht so gern!) – Sie waren doch immer dabei, Herr Dr. Linssen. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Landtag Nordrhein-Westfalen Schon an anderer Stelle haben wir darauf hingewiesen, dass Sie dabei waren wie kein anderer im Hause. (Gisela Walsken [SPD]: Das kann man nicht oft genug sagen!) An Ihrer Stelle wäre ich ganz vorsichtig. Ich zitiere noch einmal den Bonner „GeneralAnzeiger“ vom 26. August 2008: Aus vertraulichen Unterlagen der Bank geht hervor, dass die Bank zwei Drittel der Schrottanleihen erst nach dem Regierungswechsel angehäuft hat und zwischenzeitlich fast 30 Milliarden € in ihren Depots führte. Das Zitat ist es wert, auch zweimal im Protokoll vermerkt zu werden. Wer soll das jetzt alles hinbiegen? Nicht der Chef – es ist keine Chefsache mehr –, nicht einmal der Finanzminister, sondern die Sparkassen sollen eingreifen, und zwar vor dem Hintergrund der Drohkulisse Sparkassengesetz. Herr Linssen, Herr Rüttgers, so können Sie mit unseren Sparkassen nicht umgehen. (Beifall von GRÜNEN und SPD – Widerspruch von Minister Dr. Helmut Linssen) Sie können nicht erst den Scherbenhaufen anrichten und dann für den Fall, dass die Sparkassen ihn nicht beseitigen, mit dieser Drohkulisse kommen. Das Sparkassengesetz muss vom Tisch. Wir sind nicht die Einzigen, die das fordern. Beim Scherbenhaufen WestLB sollten Sie für jede Hilfe dankbar sein, die Sie überhaupt noch von irgendeiner Seite erhalten. Niemand weiß heute, was in einem Jahr oder in zwei Jahren mit der WestLB sein wird. Trotzdem sollen die Sparkassen auf Gedeih und Verderb an die privatisierte WestLB gekettet werden. Das ist eine Blindheirat auf Verdacht. (Minister Dr. Helmut Linssen: Das stimmt doch gar nicht! – Gegenruf von Gisela Walsken [SPD]: Natürlich stimmt das!) – Ihr Freund Breuer schlägt doch die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er Ihnen zuhört. Dann werde ich doch die Sachen im Parlament formulieren dürfen. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Das Sparkassengesetz kann unter diesen Voraussetzungen das Aus für diese bewährte kundennahe und die Region unterstützende Bankenlandschaft bedeuten, die nicht nur die großen Geschäfte im Blick hat, sondern auch die kleinen 11525 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Leute, die soziale Struktur und das kulturelle Angebot vor Ort. Die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen brauchen gute Finanzierungen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. – Herr Ministerpräsident, ich kann Ihr Agieren bei der WestLB auch kurz zusammenfassen: erst Chefsache, dann Tauchstation! Das häuft sich. Wenn die Arbeitslosenzahlen wieder steigen, werden Sie alles und jeden dafür verantwortlich machen, nur nicht sich selbst. Als Arbeitsplätze entstanden sind, war es genau andersherum, obwohl Sie genau wissen, dass das auf die schwierigen Reformen der rot-grünen Bundesregierung zurückzuführen ist. Damit betreiben Sie eine Politik der Täuschung, Herr Rüttgers, von der sich die Menschen abwenden. (Zuruf von Manfred Kuhmichel [CDU]) Diese Politik macht eine Partei wie Die Linke und andere Protestparteien stark. Dafür tragen auch Sie mit Ihrem Handeln Verantwortung. Wenn Sie dann noch versprechen, dass trotz der Kürzungen der letzten Jahre kein Arbeitslosenzentrum geschlossen wird, von 183 Zentren aber nur noch 20 überbleiben, weil alle anderen wegen Ihrer Kürzungen schließen müssen, (Rainer Schmeltzer [SPD]: Und davon nur noch neun bis zum 31. Dezember!) ist das nur ein weiteres aktuelles Beispiel dafür, wie Schwarz-Gelb die soziale Spaltung vergrößert, konkret die Politikverdrossenheit fördert und die Menschen im Stich lässt. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Kurzsichtigkeit und Stümperei sind die Kennzeichen dieser schwarz-gelben Landesregierung. Dabei stecken in den Herausforderungen der Zukunft so gute und lohnenswerte Chancen. Ich habe sie genannt: bessere Bildung, Klimaschutz als Jobmotor und nachhaltige Haushaltskonsolidierung. So sieht die Zukunft von NRW aus, Herr Ministerpräsident: nachhaltig auf allen Ebenen. Das ist anders als in den 50er-Jahren und anders als heute, auf jeden Fall besser. Ich wiederhole mich, auch wenn Sie es nicht mehr gerne hören wollen: Wer so gut ist wie diese Landesregierung, hat einfach keinen Ehrgeiz. (Anhaltender Beifall von GRÜNEN und SPD) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Löhrmann. – Als Nächster spricht der Ministerpräsident. Herr Dr. Rüttgers, Sie haben das Wort. Landtag Nordrhein-Westfalen Dr. Jürgen Rüttgers, Ministerpräsident: Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen ist im Aufbruch. Es gibt mehr Arbeit. Im Juli hatten wir 300.000 Arbeitslose weniger als im Mai 2005. Es gibt 240.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. (Zuruf von der SPD: Trotz Ihrer Regierung!) Das Wirtschaftswachstum lag 2006 und 2007 bei 2,6 % und damit über dem Bundesdurchschnitt. 2005 waren es noch 0 %. Wie der Finanzminister dargelegt hat, machen wir weniger Schulden: der niedrigste Stand seit 30 Jahren, zwei Drittel weniger als 2005. (Beifall von CDU und FDP) Gestern haben wir in Gelsenkirchen zusammen mit dem Herrn Bundespräsidenten den ersten 6.300 Zweitklässlern ihre Instrumente im Rahmen der Aktion „Jedem Kind ein Instrument“ überreicht. 20.000 Erstklässler fangen in diesen Tagen mit ihrem Unterricht bei JeKI an. Am vergangenen Freitag habe ich zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Hiddenhausen eine Kindertagesstätte besucht und in Löhne eine Hauptschule. Beide zeigen schon heute, wie wir uns das überall vorstellen; das Ziel ist klar: Jedes Kind soll in Nordrhein-Westfalen die Chance zum sozialen Aufstieg bekommen. (Beifall von CDU und FDP) Am nächsten Freitag werden wir in HammUentrop den Grundstein für ein neues, hypermodernes Kohlekraftwerk legen, damit die Energie sicher und die Luft sauberer wird. Diese Beispiele zeigen: In Nordrhein-Westfalen hat sich etwas getan. Es geht aufwärts, und wir sind ein gutes Stück vorangekommen. Vor dem Hintergrund dieser Realität habe ich mir, als ich zugehört und vor allen Dingen die Reden von Frau Kraft und Frau Löhrmann interessiert aufgenommen habe, gedacht: Wie passt das eigentlich zusammen? – Ich bin sogar einmal kurz zum Kollegen Stahl gegangen, weil ich dachte, es hätte etwas mit der Optik zu tun und von dort aus ginge es besser. Ich frage mich die ganze Zeit: Was soll diese Miesmacherei, (Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Fakten!) was soll diese Nöhlerei, was soll diese Keiferei? Wenn man das hört, kann man nur mit dem Kopf schütteln. Früher war jedenfalls Frau Löhrmann gelegentlich für ein paar interessante neue Denk- 11526 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 und Argumentationsansätze gut. Heute, Frau Löhrmann, hatte ich den Eindruck, Sie haben anscheinend denselben Redeschreiber gehabt wie Frau Kraft: dieselben Zitate, dieselben Zahlen, dieselben Punkte. Leider Gottes waren Ihre Zahlen genauso falsch wie die von Frau Kraft. Das ist natürlich schwierig. (Beifall von CDU und FDP) Deshalb will ich zu dieser Rede nur noch eine Bemerkung machen. Sie lautet: Ich habe mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass die Grünen keinen ausgeglichenen Haushalt fordern. Das ergibt sich zumindest aus der Rede. Das sollten wir vielleicht festhalten, weil es ein politischer Punkt ist. (Ralf Jäger [SPD]: Herr Papke auch nicht mehr!) Frau Kraft, es ist klar – ich war auch einmal Oppositionsführer –: Ich bin als Ministerpräsident für alles verantwortlich in Nordrhein-Westfalen, zum Beispiel auch dafür, dass die SPD im Moment in den Umfragen bei 27 % liegt, (Beifall von CDU und FDP) zum Beispiel dafür, dass sich die Linkspartei abgespalten hat und Sie immer noch nicht wissen, ob Sie sie nun lieben, mit ihr koalieren oder sie bekämpfen sollen, oder dafür, dass der DGB und der Arbeitgeberverband gesagt haben, die Sache mit dem Antirezessionsprogramm sei eine gute Idee. Ich bin für alles verantwortlich. Ich weiß aber auch, dass ich nichts damit zu tun habe, dass das Zentralabitur zumindest nach den Zahlen das beste war, das wir in NordrheinWestfalen je gehabt haben, seitdem Zahlen erhoben worden sind. (Beifall von CDU und FDP) Das war schon interessant, dass Sie das gar nicht mehr erwähnt haben. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das Krisenmanagement war auch das beste, was wir je hatten!) Dass in Nordrhein-Westfalen plötzlich Straßen und Fahrradwege in großem Maße gebaut werden, weil es jetzt Planungsrecht gibt und nicht alles wie bei Rot-Grün verhindert worden ist, damit habe ich absolut nichts zu tun. (Beifall von CDU und FDP) Ich habe nichts damit zu tun, dass immer mehr Firmen etwa ihre europäischen Zentralen nach Nordrhein-Westfalen verlegen, hier investieren und sich ansiedeln: Honda, Boing, BlackBerry, Landtag Nordrhein-Westfalen Scanbull, QVC. Dass die Geschichte mit Nokia prima gelaufen ist und wir den Leuten helfen konnten, mit all dem habe ich nichts zu tun. Ich habe es zur Kenntnis genommen. Während Ihrer Rede, Frau Kraft, kam Helmut Linssen – Sie haben es vielleicht gesehen – mehrfach zu mir und hat mir eine Reihe von Zetteln gegeben, die übrigens alle mit Zahlen beschrieben waren, Herr Papke, und da stand immer drauf: Die Zahl stimmt nicht, und die Zahl stimmt nicht. Normalerweise gibt es in einer politischen Debatte zwei Dinge, die man auseinanderhalten muss – zumindest habe ich das so gelernt –: Fakten und Meinungen. Normalerweise müsste bei den Fakten Konsens zu erzielen sein, wenn man die Grundrechenarten anwendet und nach Adam Riese addiert oder nicht addiert. Voraussetzung für einen möglichen Konsens über Zahlen ist aber das Zuhören. Das aber ist einer der schwierigen Punkte. Frau Kraft, Sie haben es geschafft, sogar die klaren Fakten so zu verdrehen, dass sie Ihren Meinungen entsprachen, anstatt Ihre Meinungen an den Fakten zu orientieren. Das führt immer ins Elend, Frau Kraft. (Beifall von CDU und FDP) Wenn man dann noch mit einer vorbereiteten Rede kommt und nicht gehört hat, was der Finanzminister gesagt hat, und es nicht gebacken kriegt, das anzupassen, stellt man die Frage: Was habt Ihr zum Beispiel mit den Steuermehreinnahmen getan? (Rainer Schmeltzer [SPD]: Zu wem reden Sie eigentlich?) Helmut Linssen hat die Antwort gegeben: 90 % sind in den Haushalten, für die er die Verantwortung trägt, eingesetzt worden, um die Nettoneuverschuldung zurückzufahren. 90 %, und dann ziehen Sie hier diese Show ab! (Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Sie wollen von Fakten reden, wo Sie die Fakten so verdrehen!) Mal ganz von den Peinlichkeiten abgesehen, Frau Kraft, mit denen Sie schon heute Morgen in Ihrem Radiointerview angefangen haben. Sie haben dort gesagt, Sie wollten heute noch nicht das Geheimnis lüften, wie Sie Ihre Forderungen nach schnellerer Absenkung der Nettoneuverschuldung bei gleichzeitiger Entlastung der Bürger und bei gleichzeitigen Mehrausgaben für Institutionen querfinanzieren wollen. Das haben Sie heute Morgen und auch hier gesagt. Sie haben nur bei den drei Punkten, über die Herr Papke schon ge- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11527 sprochen hat, so ein klein bisschen den Schleier des Geheimnisses gelüftet, aber das war von den Zahlen her nichts. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Reden Sie nur mit Ihren Koalitionsfraktionen?) Was habe ich also gemacht? – Ich weiß noch aus meiner Oppositionszeit um die Schwierigkeit, sich von Haushalt zu Haushalt etwas Neues einfallen zu lassen. Ich habe nachgesehen, welche Anträge Sie in den letzten Jahren gestellt haben, zum Beispiel zu den Haushaltsentwürfen 2006, 2007 und 2008. 2006 haben Sie, um schneller mit der Neuverschuldung klarzukommen – der Hauptvorwurf lautete ja, er spart nicht genug –, Anträge gestellt, die saldiert eine Mehrausgabe von 238 Millionen € zur Folge hatten. 2007 haben Sie zugegebenermaßen, wenn man alle Anträge saldiert, Minderausgaben von 100 Millionen € beantragt. Einige davon waren nicht so überzeugend, sodass Sie sie dann im Plenum gar nicht angeführt haben. Das hier sind die Plenarzahlen. Und 2008 haben Sie wieder Anträge mit plus 251 Millionen € an Ausgaben eingereicht. Das heißt: Saldiert auf diese drei Jahre haben Sie Anträge mit Mehrausgaben in Höhe von 389 Millionen € gestellt. Das ist genau die Art, wie Sie uns während Ihrer Regierungszeit in das Schuldendesaster hineingeführt haben, nämlich zu erklären, das sei Konsolidierung, und gleichzeitig mehr Geld auszugeben. (Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Und Sie wollen von Fakten reden? Sie verdrehen sie! – Ralf Jäger [SPD]: Lügen haben kurze Beine!) Meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, das liegt natürlich auf der Linie. Insofern hat das in der allgemeinpolitischen Debatte auch ein Stück damit zu tun, dass sich gewisse Verhaltensmuster herausgestellt haben. Ich habe in Nordrhein-Westfalen eigentlich noch niemanden getroffen, der weiß, wofür Frau Kraft eigentlich steht. Und die Rede heute war genauso. (Beifall von der CDU) Wir wissen nicht, mit welcher Machtperspektive sie hier auftritt, wir wissen nicht, wie ihr Verhältnis zu den Linken ist. Trotz Aufforderung hat sie nichts dazu gesagt. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Deutlich! Sie müssen zuhören!) Landtag Nordrhein-Westfalen 11528 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Noch am Wochenende wurde von der SPD verkündet, man sei natürlich ohne Wenn und Aber für den Ausstieg aus der Atomenergie. Jetzt habe ich gelesen, dass Herr Römer, ihr Stellvertreter, gesagt hat: Na ja, man könnte doch darüber reden, wenn es wieder weitere Subventionen für die Kohle gäbe. Über KiBiz ist schon geredet worden. KiBiz sei das Schlimmste, was man für Kinder tun könnte. – Heute sind alle Betroffenen dankbar, dass es das KiBiz gibt. (Hannelore Kraft [SPD]: Das hat er nicht gesagt!) Sie ärgern sich darüber – kriminell –, dass Sie der SPD und den Grünen bei der Debatte aufgesessen sind. Der DGB-Vorsitzende hat sich dem angeschlossen. Wir haben es auch von den Mittelständlern im Sommer gehört, was gut ist. (Ralf Jäger [SPD]: Jetzt haben Sie so viele Berater, lassen Sie sich doch mal beraten!) Gleichzeitig kämpft sie jetzt für eine Erbschaftsteuer, die eine große Anzahl von Mittelständlern bei jedem Erbgang in den Ruin treiben wird, weil dann das Geld, was sie haben, schlichtweg weg ist. (Beifall von CDU und FDP) Das Ding ist übrigens nicht nur wachstumsfeindlich, sondern ohnehin nicht mal umsetzbar. Liebe Frau Kraft, was denn nun? Für Mittelstand oder gegen Mittelstand? – Zuerst waren Sie für die Chemie, jetzt ist Herr Steinbrück gegen die COPipeline. Was ist denn Ihre Haltung dazu? Warum haben Sie uns dazu nichts gesagt? Da laufen doch Kampagnen. (Gisela Walsken [SPD]: Oh! Das Thema! Hervorragend, wir warten schon lange auf Ihre Haltung! Jetzt bin ich gespannt! – Unruhe) Ja was denn nun, Steinbrück oder Sie? Was denn nun? (Unruhe von der SPD – Gisela Walsken [SPD]: Tolles Thema!) Arbeitslosengeld I – zuerst riesige Debatten, das sei alles unseriös, Veränderungen vorzunehmen, (Anhaltende Unruhe – Glocke) dann fällt der Beck um, und sofort sagt Frau Kraft, das sei eine sinnvolle Sache, die die SPD jetzt durchgesetzt hat. Oder: Auflösung der Grundschulbezirke – der soziale Anschlag auf unsere Schulen. (Zustimmung von Michael Groschek [SPD]) Wir haben nachgefragt, was passiert ist. – Gar nichts ist passiert, überhaupt keine sozialen Verwerfungen. (Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Definieren Sie mal „alle“!) Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Oppositionsfraktionen, als ich letztes Jahr aus den Sommerferien kam, wurde ich bei der Landespressekonferenz scharf nach KiBiz gefragt. In diesem Jahr war angeblich etwas mit den Schulen. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Angeblich?) Ich prognostiziere: Nächstes Jahr um diese Zeit werden die Leute sagen, dass sich die von uns in den Schulen eingeleiteten Maßnahmen bewährt haben. – Und genau das ist es: Wenn man etwas verändert, dann braucht es eine gewisse Zeit, bis es sich verändert. (Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das haben Ihnen Ihre Redenschreiber so aufgeschrieben!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte ein paar Bemerkungen zur allgemeinen wirtschaftlichen Situation machen. Das ist das wichtigste Thema, was es gibt. Der aktuelle Außenwirtschaftsbericht zeigt, (Zuruf von der SPD: Den Wetterbericht!) dass wir in Nordrhein-Westfalen eine international beachtete Wirtschaftsmacht sind. Die Zahlen haben gezeigt --– (Michael Groschek [SPD]: Was die Bruderschaft mit Georgien macht!) Meine Vorgänger Herr Kollege Clement und auch Herr Kollege Steinbrück haben sich auch immer auf diese Sache bezogen. Da kann man sehen, wo man steht. Ich finde es interessant, dass wir auf Platz 17 sind, gleich hinter den Niederlanden, vor der Türkei, vor Belgien und vor Schweden. Es ist wichtig, dass wir sowohl im Bereich Export 2007 um 9,1 % zugelegt haben und dass die Importe um 6,5 % gestiegen sind. Nun haben Sie bei der Rede von Frau Kraft gehört, (Rainer Schmeltzer [SPD]: Die zum Parlament gesprochen hat!) Landtag Nordrhein-Westfalen dass Sie das, was ich in der Pressekonferenz nach den Sommerferien und dann bei einem WDR-Interview in einer natürlich erheblich verkürzten Form gesagt habe, offensichtlich nicht verstanden hat. Sie sagen doch immer, Sie seien Ökonomin. Dann müssten Sie doch wissen, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem, was es an Grundwellen gibt. (Gisela Walsken [SPD]: Sie sind schlecht zu verstehen. Sie nuscheln etwas! – Weitere Zurufe von der SPD – Gegenruf von der CDU: Haltet doch mal den Mund!) – Ja, das ist auch immer so eine Geschichte. Diejenigen, die den Mund am meisten aufreißen, haben in der Regel die Ohren zu und bleiben deshalb dumm. (Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sind Sie gerade, Herr Minister!) Es gibt eine Grundwelle – das ist die gute Nachricht, wie jeder Fachmann bestätigt –, dass durch die Einbeziehung von 2 Milliarden Menschen in die Marktwirtschaft weltweit eine große Nachfrage besteht, unter anderem eine große Nachfrage nach Gütern, bei denen wir in NordrheinWestfalen, aber auch insgesamt in Deutschland besonders stark sind. (Zuruf von der SPD: Frohe Botschaft! Das hören wir gerne!) Ich glaube nicht an eine Rezession. Das ist nicht einfach nur eine allgemeine Betrachtung. Es ist klar: Wir werden in diesem Jahr eine Verlangsamung des Wachstums bekommen. Das ist so. Aber wir haben die Chance, dass die Wachstumsdynamik wieder zunimmt, wenn wir jetzt das Richtige tun. Fachleute sagen mir, (Michael Groschek [SPD]: Wie Johannes Rau zu Helmut Schmidt!) der Preisauftrieb lässt nach, der private Konsum erholt sich. Allein das ist schon ein Grund, weshalb wir jetzt kein Konjunkturprogramm à la Keynes wollen. Frau Löhrmann, ich erkläre es Ihnen später, wo die Unterschiede liegen zwischen einem angebotsorientierten und einem nachfrageorientierten Programm. Danach, meine ich, werden Sie es verstehen. (Unruhe von der SPD) Es geht also nicht darum, die Nachfrage auf Pump anzukurbeln, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil es schon zwei wie Konjunkturprogramme wirkende Maßnahmen gibt. Das eine ist die 11529 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Unternehmensteuerreform und das andere ist die Senkung der Arbeitslosenbeiträge. Zusammen macht das, wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, eine Summe zwischen 13 und 15 Milliarden € aus, die im Moment für den Konsum zusätzlich zur Verfügung steht. Und das wird eine gewisse Wirkung haben. Die Fachleute sagen, dass der Konsum wieder anspringen wird. Da geht es jetzt nicht um die Nachfrage, sondern darum, angebotsorientiert etwas zu machen. Das, was ich versucht habe darzulegen, – das ist überhaupt kein Wegschieben in Richtung Berlin –, ist, dass wir uns gerade in den letzten Monaten der Großen Koalition nicht nur damit beschäftigen, in welchem Zustand die SPD ist oder was mit Kanzlerkandidaturen oder Ähnlichem passiert, ob wir Krach haben zwischen CDU/CSU und SPD, sondern auch damit, was jetzt notwendig ist, damit es kein Abrutschen in eine Rezession gibt, was wir tun können, um die angebotsorientierten Rahmenbedingungen für unser wirtschaftliches Handeln zu verbessern. Wenn wir das schaffen, können wir das immer noch vorhandene Wachstum wieder steigern und über die Schwierigkeiten, die es international gibt, hinwegtragen. Wir brauchen mehr Wachstum, wir brauchen mehr langfristig wirkendes Wachstum. Das hat etwas damit zu tun, dass der Aufschwung bisher nicht alle Menschen erreicht hat, vor allen Dingen nicht die mit kleinen Gehältern. (Michael Groschek [SPD]: Wer verhindert denn Mindestlöhne?) Gerade heute Morgen hat die Hans-BöcklerStiftung noch einmal gesagt: Die Realeinkommen des am wenigsten verdienenden Bevölkerungviertels sind zwischen 1995 und 2006, also hauptsächlich unter Rot-Grün, um fast 14 % gesunken. Das ist das, was jetzt aufgeholt werden muss. (Beifall von CDU und FDP) Das ist das, was am meisten wehtut. Das ist das, wo die Inflation zuschlägt. Das ist das, wo die Preisexplosion bei den Energiepreisen zuschlägt. Um diese Fragen geht es. Wir müssen uns also um die mit den kleinen Einkommen kümmern. (Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron) Wir haben im zweiten Quartal das erste Mal eine Schrumpfung des Wirtschaftswachstums. Im Grunde ist klar: Das ist der starke Euro, das ist die Situation auf den Energiemärkten, das ist die amerikanische Finanzkrise. Aber auch da gibt es noch einen zweiten Punkt. Der Aufschwung hat eine ja unglaublich wichtige Wirkung: Nach all Landtag Nordrhein-Westfalen dem Auf und Ab im Konjunkturbereich ist es seit Langem zum ersten Mal wieder gelungen, die Sockelarbeitslosigkeit auf jetzt 3 Millionen zu senken. Nun haben wir wahrscheinlich – so sagen die Fachleute – eine Verlangsamung des Beschäftigungsaufbaus, vielleicht sogar angebotsbedingt ein Ende des Beschäftigungsaufbaus. Jetzt darf es nicht passieren, dass, wenn eine Konjunkturschwankung kommt, auf diese Sockelarbeitslosigkeit wieder aufgebaut wird. Gerade bei der Sockelarbeitslosigkeit müssen wir weiter herunterkommen, nicht nur damit die Menschen mit ihrer Arbeit eine Chance haben, ihr Leben selber zu gestalten, sondern auch damit Zahlungen in die Sozialkassen erfolgen, (Rainer Schmeltzer [SPD]: Deswegen haben Sie die Arbeitslosenzentren zerschlagen!) die dann wiederum dafür sorgen, dass wir mit all den Problemen leichter fertig werden. (Beifall von CDU und FDP) Deshalb müssen wir die Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung verbessern. Und deshalb habe ich die Vorschläge gemacht. Sie sind natürlich ein Stück weit auch mit der Frage verbunden: Was ist in einem nationalen Konsens denn vielleicht machbar, nicht nur zwischen den Parteien der Großen Koalition in Berlin, sondern auch darüber hinaus. Da gibt es ein paar Dinge. (Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]) – Frau Löhrmann, es ist nicht okay, was Sie da gemacht haben. Es gibt eine Liste – Helmut, wie viele sind es? – mit 15, 16, 17 Vorschlägen aus dem Finanzministerium, die Sie auch kennen. Da geht es nicht um irgendwelche Einzelpunkte, sondern es ist gefragt worden, und zwar nicht irgendein Fachmann, nicht irgendein Professor, sondern die Steuerbeamten sind gefragt worden: Welche Vorschriften könnt ihr überhaupt nicht umsetzen, welche sind nicht administrierbar? Diese Vorschläge haben wir jetzt in die Debatte eingebracht. Da geht es jetzt nicht in erster Linie um die große Frage, ob Geld für Steuersenkungen usw. da ist, sondern es geht darum – wenn man es richtig macht, bekommt man es so hin, dass es nicht viel Geld kostet –, dass wir das Steuerrecht einfacher machen. Ich garantiere Ihnen: Allein ein einfacheres Steuerrecht – das ist nicht der Bierdeckel, es sind konkrete Sachen – würde etwa im Mittelstand, wo die Arbeitsplätze entstehen, als Befreiung empfunden. Man würde 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11530 wenigstens mal wieder verstehen, wie manche Vorschriften anzuwenden sind. (Beifall von CDU und FDP) Genauso geht es um die Frage des Energiemix. Ich will das jetzt nicht im Einzelnen behandeln. Mir ist zuerst einmal wichtig, dass wir bei uns in Nordrhein-Westfalen den Konsens erhalten, das Kraftwerkerneuerungsprogramm umsetzen zu wollen. Das ist keine Banalität. (Michael Groschek [SPD]: Die CDU in Köln muss noch überzeugt werden!) Es gibt keine vertraglich verbindlichen Verabredungen. Wir brauchen daher Rahmenbedingungen, die es den Vorständen der Investoren ermöglichen, Milliarden aufzuwenden. Ich glaube, dass es in dem Zusammenhang auch möglich sein müsste, wenn man sich schon bei der Kernenergie nicht verständigen kann – ich verstehe das ja: bei der Kernenergie ist es wohl nicht möglich, sich schnell zu einigen; eben wurde gesagt, es sei eine Übergangsenergie, denn in dem Ausstiegsvertrag stehe, dass sie auslaufe –, einmal gemeinsam darüber nachzudenken – ist das wirklich so unvernünftig? –, zumal wir Kernkraft auf jeden Fall noch 15, 16, 17 Jahre in Deutschland haben werden, ob wir den Beginn des Abschaltens von Kraftwerken nicht ein Stück hinausschieben sollten, um die zentralen Fragen gemeinsam zu beantworten: Was ist mit dem Energiemix? Wie bekommen wir das mit den erneuerbaren Energien hin? (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Wenn wir ständig warten und nicht anfangen?) – Das ist jetzt Ideologie: Wenn wir warten, passiert nichts. – Nein! Wir könnten uns zum Beispiel darauf verständigen, dass das Geld, das die Firmen dadurch mehr verdienen, dass die Kraftwerke nicht stillgelegt werden, in Alternativenergie investiert werden muss. Das wäre ein Punkt. (Beifall von der CDU) Nicht für zehn Jahre! Es würde für den politischen Prozess reichen, wenn wir versuchen, das – wenn wir über die Wahlen hinweg sind – in zwei oder drei Jahren zu erledigen. Jedenfalls wäre es möglich. (Zurufe von der SPD) In einer Situation, in der wir sowieso schon zu hohe Energiepreise haben, durch eine Verknappung des Angebotes noch einmal die Strompreise für die kleinen Leute zu erhöhen, das ist ökonomisch wohl das Falscheste, was man machen kann. Landtag Nordrhein-Westfalen (Beifall von CDU und FDP) Das Gleiche gilt für die Frage des nationalen Rohstoffkonzepts. (Zuruf von der SPD) Das Gleiche gilt für die Frage der Finanzmärkte. Das Gleiche gilt – da sind wir natürlich massiv gefordert – für die Frage des Ingenieurmangels. Es ist eben schon gesagt worden, dass wir stolz darauf sind, dass die Zahlen der Studienanfänger in den MINT-Fächern und in Mathematik gestiegen sind. Wir werden uns in einer der nächsten Debatten, um nicht immer Äpfel mit Birnen zu vergleichen, darauf verständigen müssen: Die Anzahl der Studierenden wird aus demografischen Gründen sowieso zurückgehen. Aber lassen wir das jetzt einmal weg. Wir wollen drei Fachhochschulen gründen. Wir wollen Fachhochschulen erweitern. Ich glaube, dass das auch ein Thema sein wird, das auf dem Bildungsgipfel, der aus Anlass der Ministerpräsidentenkonferenz stattfinden wird, zwischen Bund und Land behandelt werden muss, genauso übrigens wie das Thema eines nationalen Stipendiums. Werte Kolleginnen und Kollegen, noch einige Bemerkungen zum Thema Haushaltskonsolidierung: Ökonomisch ist jedenfalls klar – das haben die letzten drei Jahre gezeigt –, dass Konsolidierung, also weniger Schulden, mehr Wachstum schafft. Wir wollen den Haushaltsausgleich so schnell wie möglich in der nächsten Legislaturperiode, aber eben nicht nur auf dem Papier, sondern durch entsprechende strukturelle Veränderungen. Das wird noch eine schwierige Sache. Danach werden wir – auch das ist wahr – an den Schuldenberg herangehen müssen. Jetzt höre ich – das war der Hauptvorwurf –, das könnten wir alles schneller machen. Jeder, der sich ein bisschen mit Ökonomie beschäftigt, weiß, dass wir früher solche Debatten immer mit Inbrunst geführt haben. In den Zeiten der Regierung Kohl wurde der Vorwurf erhoben, sie spare die Konjunktur kaputt, sie spare auf dem Rücken der kleinen Leute. Inzwischen wissen wir, dass jede Konsolidierungspolitik, wenn sie intelligent gemacht wird, auf der einen Seite durch strukturelle Maßnahmen die Verschuldung zurückführt und auf der anderen Seite zugleich in Zukunft investiert. Beides fördert Wachstum, schafft neue Einnahmen und sorgt dafür, dass es sowohl der Wirtschaft als auch den öffentlichen Haushalten besser geht. 11531 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Dann muss man noch die von vielen noch nicht wahrgenommene Situation hinzunehmen, dass heute unter den Bedingungen der Globalisierung, der Wissensgesellschaft und der Demografie Wirtschaft und Sozialpolitik keine Gegensätze mehr sind, sondern zusammengehören: Wirtschaftspolitik ist Sozialpolitik, und Sozialpolitik ist immer auch Wirtschaftspolitik. Dass dies richtig ist, kann man am Beispiel Bildung gut erkennen. Ökonomen haben jetzt festgestellt, dass die Länder mit den besten PISA-Ergebnissen auch die höheren Wachstumsraten haben. 50 zusätzliche PISA-Punkte bedeuten 0,6 Prozentpunkte zusätzliches Wachstum pro Jahr. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Das erzählen wir Ihnen doch seit der ersten Stunde!) Also ist es doch richtig, nicht wie auf einen Fetisch darauf zu sehen, ob man in diesem Jahr auf einen ausgeglichenen Haushalt kommt, sondern es eigentlich immer zusammen mit den Investitionen zu sehen, und da zuvörderst mit den Bildungsinvestitionen. Da geht es um Wirtschaftspolitik, um Sozialpolitik und um Bildungspolitik. Alle drei Politikbereiche gehören zusammen. (Beifall von CDU und FDP) Ich habe am Wochenende einen interessanten Aufsatz gelesen, (Gisela Walsken [SPD]: Ach ja? Lesen lassen?) in dem ein Wirtschaftswissenschaftler aus Nordrhein-Westfalen uns noch einmal darauf hingewiesen hat, dass das Problem unseres Arbeitsmarktes – natürlich gibt es auch die Sockelarbeitslosigkeit; ich habe davon gesprochen – nicht ein Mangel an Flexibilität ist – das haben wir inzwischen weitgehend und im Konsens zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften und Betriebsräten in unserer Wirtschaft gut geregelt –, sondern ein Überschuss an unqualifizierten Kräften. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Das sieht man an der Landesregierung!) Wenn das richtig ist, dann müssen wir uns natürlich mit den Fragen beschäftigen, wie wir möglichst früh mit Bildung anfangen, wie wir es schaffen, dass jeder genügend Deutsch spricht, um dem Unterricht in der Schule folgen zu können, wie wir es schaffen, dass es bessere Ganztagsangebote sowohl im vorschulischen als auch im schulischen Bereich gibt, und wie wir die Übergänge besser organisiert bekommen. Das alles, werte Kolleginnen und Kollegen, ist ungeheuer wichtig. Weil dies von bestimmter Seite gefordert worden ist, sage ich: Deshalb kann und wird es Landtag Nordrhein-Westfalen auch keine Reformpause im Bildungsbereich geben, (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Es wäre schön, wenn es mal richtige Reformen gäbe!) sondern die klare Strategie der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen lautet konsolidieren und gleichzeitig in Bildung, in Innovation und in Infrastruktur investieren. Nur auf diese Weise entsteht Wachstum. (Beifall von CDU und FDP) Mit dem Haushaltsplanentwurf für das kommende Jahr werden wir im Bereich von Schule, Kinder, Jugend insgesamt 2,3 Milliarden € an zusätzlichem Geld zur Verfügung gestellt haben, die eben schon angesprochenen 6.915 zusätzlichen Lehrerstellen geschaffen haben, im Bereich der U3Plätze ein Plus von 44.600 und bei den Ganztagsplätzen ein Plus von 198.300 erreicht haben und die Ausgaben für die Ganztagsplätze um mehr als 300 Millionen € gesteigert haben. (Rainer Schmeltzer [SPD]: Die Sie ursprünglich verhindern wollten!) Hier mögen wir uns jetzt noch über die Frage unterhalten, wo und in welcher Form man das macht. Hier wird in den nächsten Jahren sicherlich noch manches – der Prozess läuft noch – weiter zu bedenken und zu steuern sein. Aber eines ist völlig klar: Das, was da passiert, ist die größte Veränderung unseres Bildungssystems, an die zumindest ich mich erinnern kann. Und darauf bin ich stolz. (Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Die größte Veränderung zulasten der sozial Schwächeren!) 11532 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 nen € zur Verfügung. Bei der Innovationsförderung im Bereich des Innovationsministeriums beträgt das Plus 3,8 %. Das geht zum Beispiel in Projekte wie den gigantischen Rechner in Jülich, den Petaflop-Rechner, einen der größten privat genutzten Rechner, die es überhaupt gibt. Eines der wichtigsten neuen Projekte ist der Gesundheitscampus, weil wir auch im Bereich der Gesundheitsforschung ganz vorne dabei sein wollen. Ich will jetzt nicht darüber reden, was es alles an zusätzlichen Forschungsinstitutionen in den letzten drei Jahren gegeben hat. Hier freut mich insbesondere eine Partnerschaft mit Pennsylvania, die dazu geführt hat, dass es inzwischen in einem bemerkenswerten Umfang möglich ist, Kooperationen zwischen nordrhein-westfälischen Hochschulen und der Universität in Pittsburgh oder der Universität in Philadelphia abzuschließen. Das ist, glaube ich, eine wichtige Sache. Der letzte Punkt betrifft die Infrastruktur. Für die Landesstraßen werden im nächsten Jahr 34,3 % mehr als im Jahr 2005 zur Verfügung stehen. Es gibt 19 % mehr als im vergangen Jahr für den Ausbau der Schifffahrtswege und der Häfen. Auch das ist wichtig. Werte Kolleginnen und Kollegen, am kommenden Wochenende feiern wir den Nordrhein-WestfalenTag in Wuppertal und damit den 62. Geburtstag unseres schönen Heimatlandes. Ich bin sicher, das wird ein großartiges Fest, genauso wie das Fest im vergangenen Jahr in Paderborn und das Fest zum runden Geburtstag im Jahr zuvor in Düsseldorf. Ich meine auch, dass das Motto „Wuppertal bewegt. Sich. Mich. Dich.“ zu uns in Nordrhein-Westfalen gut passt. (Michael Groschek [SPD]: Warum tun Sie dafür nichts Praktisches?) Bei diesem Fest am Wochenende – ich hoffe, wir sehen uns da wieder – steht die Gemeinsamkeit in Nordrhein-Westfalen im Vordergrund – trotz allem, was uns politisch trennen mag, was auch strittig behandelt werden muss. Ich bin ganz sicher, dass es uns gelingt, dort mit vielen Tausenden Menschen deutlich zu machen: Wir stehen zusammen für das Wohl Nordrhein-Westfalens. Wir arbeiten zusammen für den Aufschwung unseres Landes. Und wir feiern zusammen, weil wir, so glaube ich, nach 62 Jahren NordrheinWestfalen allen Grund zum Feiern haben. Der zweite Schwerpunkt ist Innovation. Im nächsten Jahr wird es im Bereich des Innovationsministeriums Steigerungen von gut 4 % geben. Wir tun etwas bei den Hochschulen und Kliniken; dort beträgt das Plus 2,9 %. Für den Ausbau der Fachhochschulen stehen 3,5 Millionen € und eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 72 Millio- Es sind an diesem Wochenende übrigens 10.000 Aktive im Einsatz, die sich schon seit Wochen auf dieses Fest freuen und es vorbereiten. Wer da sein wird, wird ganz sicher sehen, dass Nordrhein-Westfalen nicht nur wunderschön ist, sondern dass es sich auch lohnt, dahin zu kommen. – Herzlichen Dank. Das Ziel dieser Anstrengungen ist, jedem Kind in diesem Land eine Chance zu geben. Wir wollen, dass in Nordrhein-Westfalen sozialer Aufstieg möglich ist, egal, ob man in einem schwierigen großstädtischen Umfeld, im ländlichen Bereich oder in einer Universitätsstadt geboren und aufgewachsen ist. Wichtig ist, dass man in diesem Land eine Chance bekommt. Landtag Nordrhein-Westfalen 11533 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 (Lang anhaltender Beifall von CDU und FDP – Rainer Schmeltzer [SPD]: Nichts weiter als Überschriften!) gens typisch: Bei Widersprüchen vor Ort tut man so, als wäre man dagegen, und hier in der Landespolitik will man die CO-Pipeline durchsetzen. Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Interessant fand ich natürlich auch die Ausführungen zur Wirtschaftspolitik. Wir werden uns überraschen lassen, wie sich die wirtschaftliche Entwicklung weiter darstellt. Ich habe von der SPD wirtschaftspolitisch allerdings mehr erwartet. Konkrete Sparvorschläge habe ich hier nicht gehört. Meine Damen und Herren, ein Wort zur Debattenlage: Nach den vereinbarten Reihenfolgen hätte jetzt die SPD, danach die CDU und dann die FDP das Wort. Aber die SPD hat die vereinbarte Redezeit bereits voll ausgeschöpft, sodass als nächster Redner ein Kollege der CDU das Wort erhalten würde, und zwar der Abgeordnete Klein, wenn er das denn wünscht. (Volkmar Klein [CDU]: Nein!) Dann frage ich die Kollegin der FDP, Frau Freimuth, ob sie reden möchte. (Angela Freimuth [FDP]: Zu diesem Zeitpunkt nicht!) – Nein. – Dann frage ich den fraktionslosen Abgeordneten Sagel, ob er auf seiner Rede besteht. (Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Ja! – Zurufe) Dann folgt auf den Ministerpräsidenten der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Bitte schön. (Zurufe) Rüdiger Sagel*) (fraktionslos): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Vergnügen hat man nicht so oft. Es ist auch ein sonderbares Vergnügen, kein wirkliches Vergnügen, wenn man gehört hat, was der Ministerpräsident hier vorgetragen hat. Ich möchte mit einer Zahl beginnen, die zwischen Koalition und Opposition umstritten ist. Am 1. Juni 2005 betrugen die Schulden im Landeshaushalt 106,8 Milliarden €. Das ist die Zahl, die die Koalitionsfraktionen offensichtlich nicht wahrnehmen wollen. Ende 2009, wenn der Haushalt so eintritt, wie es in der mittelfristigen Finanzplanung steht, werden wir Schulden in Höhe von 120,5 Milliarden € haben. Das sind 13,7 Milliarden € mehr. Das heißt, dann hätten Sie die Gesamtschulden des Landes innerhalb kurzer Zeit um etwa 15 % erhöht. Das ist die reale Situation. Interessant ist auch, Herr Ministerpräsident, was Sie zur CO-Pipeline gesagt haben und dass Sie der Opposition vorwerfen, dass sie dem kritisch gegenübersteht. Ich weise darauf hin, dass Ihre eigenen Abgeordneten vor Ort diese CO-Pipeline ebenfalls ablehnen. Nur Sie in der Landesregierung betreiben eine andere Politik. Das ist übri- Ich möchte nun noch etwas zur Nachfrage- und Angebotsorientierung sagen. Eine Nachfrageorientierung werden wir hier in Nordrhein-Westfalen nicht bekommen, Herr Ministerpräsident, denn Sie ziehen den Leuten das Geld aus der Tasche. Ich habe mich heute schwarz gekleidet, denn das ist heute eine Beerdigung: Die Sozialpolitik in NRW wird mit diesem Haushalt endgültig zu Grabe getragen. Der Landeshaushalt lässt uns im Herbst frieren, und im Winter wird es bei Ihrer Politik eisig. Herr Rüttgers, Sie sind kein Arbeiterführer, sondern ein Sozialräuber, und der Schlimmste in Ihrer Räuberbande ist Ihr Arbeitsminister Laumann. Die Arbeitslosen, Obdachlosen und in prekären Arbeitsverhältnissen Beschäftigten, die nicht einmal existenzsichernde Löhne erhalten, sondern auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen sind – das sind mehr als 1 Million Menschen in NordrheinWestfalen –, haben Ihre Botschaft verstanden. Das Ende der Arbeitslosenberatung, das Schließen der Beratungsstellen infolge des Wegfalls der Landesförderung und damit auch das Ende dieser Arbeitsplätze ist ein sozialer Kahlschlag und drückt die ganze Kälte Ihrer Politik aus. Was Sie machen, ist zynisch. Herr Finanzminister Linssen, Ihre Haushaltspolitik ist gegen die Ärmsten in unserem Land gerichtet. Gleichzeitig sind Sie aber dreist genug, Ihren eigenen Leuten 72 höchstdotierte Stellen mit Einkommen von fast 10.000 € monatlich dauerhaft zu bewilligen. Sie sollten sich schämen. Krasser können die Gegensätze kaum sein. Das, was Sie mit dieser Maßnahme gemacht haben, hätte zum Beispiel die gesamte Arbeitslosenberatungsstellen-Finanzierung sicherstellen können. Aber, wie gesagt, Sie kümmern sich um Ihre eigenen Leute, setzen sie auf höchstdotierte Stellen und sorgen auf der anderen Seite für Kahlschlag. Der Kahlschlag bei den Arbeitslosenzentren ist aus meiner Sicht und aus Sicht der Linken völlig unerträglich. Er ist eine Folge der Hartz-Gesetze von SPD, Grünen und CDU. Die CDU bringt es ja auch auf den Punkt: Sie will nicht fördern, was ihr Landtag Nordrhein-Westfalen schadet; von daher will sie die Hartz-IVEmpfänger möglichst uninformiert lassen. Auch in NRW hat Hartz IV zu einem Flächenbrand geführt. Mit ca. 1,05 Millionen ALG-II-Beziehern ist die Langzeitarbeitslosigkeit auch 2008 nahezu genauso hoch wie 2005 zu Beginn von Hartz IV. Insbesondere die Kinderarmut ist durch Hartz IV erheblich gestiegen. Bundesweit werden über 2 Millionen Kinder und Jugendliche in Hartz-IVVerhältnissen tagtäglich von adäquater Schulbildung und gesunder Ernährung ausgegrenzt. Auch an dieser Stelle haben Sie mit Ihrem Programm – 15 Millionen € für ein warmes Essen in Schulen – nur sehr begrenzt etwas getan; damit wird nur ein Teil der Kinder verpflegt. Das ist die reale Situation. Ich kann nur feststellen: Soziale Projekte gibt es in Ihrem Haushalt so gut wie gar keine mehr. Gemäß Ihrem neoliberalen Motto „Privat vor Staat“ setzen Sie auch im Landeshaushalt 2009 unvermindert den Rotstift an. Das ist die Politik, die Sie hier in Nordrhein-Westfalen machen. Reiche werden in NRW immer reicher, Arme immer ärmer. Ihre Finanzpolitik geht in die völlig falsche Richtung. Sie machen auch immer mehr Schulden. In Kürze liegen sie, wie gesagt, bei 120 Milliarden €. Und Ihre Glückszeit – nämlich die Zeit, in der Sie das Glück rasant steigender Steuereinnahmen haben – nähert sich dem Ende. Der Finanzminister trickst immer noch und will täuschen, doch die Tricks versagen immer mehr. Zu diesem Fazit kommt übrigens auch das nicht im Verdacht einer Verbindung zur Linken stehende „Handelsblatt“. Auch in dieser konservativen Zeitschrift wird von Finanztricks gesprochen, die Sie im Landeshaushalt Nordrhein-Westfalen anwenden. Außerdem gehen – das haben wir heute noch einmal sehr deutlich gehört – 80 % der Milliarden, die von Mitarbeitern der WestLB verzockt worden sind, auf Ihre Kosten gehen. Sie mussten schon in diesem Jahr viele Millionen für die WestLB aufwenden. Das wird auch in Zukunft notwendig sein. Wir haben nach wie vor massivste Risiken. Allein jetzt müssen, wie gesagt, 23 Millionen € in den Haushalt 2009 eingestellt werden. Darüber hinaus bestehen weiterhin Risiken in Millionenhöhe, für die wir hier in Nordrhein-Westfalen aufkommen müssen. Sie haben sich längst von einer nachhaltigen Haushaltspolitik verabschiedet. Nachdem der Koalitionsstreit zwischen CDU und FDP beendet ist, gibt es auch keinen Plan mehr, die jährliche 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11534 Haushaltsverschuldung auf null zu bringen. Das ist auch kein Wunder; denn die katastrophale Unternehmensteuerreform, die von SPD und CDU in Berlin beschlossen wurde, schlägt ein Riesenloch in den Haushalt 2009. 800 Millionen € – man höre: 800 Millionen €! – fehlen im Landeshaushalt. Diese Unternehmensteuerreform wirkt sich natürlich zugunsten der Unternehmen aus, die die Milliardengewinne, die sie erzielen, wieder „wunderbar“ an ihre Aktionäre auszahlen können. Und das sind mit Sicherheit nicht die Hartz-IVEmpfängerinnen und -Empfänger, die Leute mit niedrigen Einkommen, die Leute in prekären Beschäftigungsverhältnissen, sondern das sind natürlich die Leute, die sowieso schon vermögend sind. Das Motto „Privat vor Staat“ gilt für die CDU und leider auch für die SPD, wie man feststellt, wenn man sich anguckt, welche Politik in Berlin gemacht wird. Ich kann dazu nur sehr deutlich sagen: Nicht mit uns! Die Linke hält Kurs, sowohl sozial- als auch finanzpolitisch. (Lachen von der CDU – Horst Becker [GRÜNE]: Immer im Kreis!) – Sie können in der letzten Reihe bei der CDU ruhig lachen. Ich habe bei den Beratungen für den Haushalt 2008 im letzten Dezember sehr konkrete Sparvorschläge gemacht. Mit meinen Sparvorschlägen lag ich noch deutlich unter dem, was Ihr Finanzminister vorgeschlagen hat. Ich habe Ihnen aber auch gesagt, an welcher Stelle Sie fälschlicherweise Geld einsparen, und sehr konkrete Vorschläge gemacht, wo mehr Geld ausgegeben werden muss, nämlich im Sozialbereich, im Ökologiebereich und für Kinder, Jugend und Familie. (Zuruf von der CDU) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Kollege Sagel. – Für die FDP hat noch Frau Kollegin Freimuth um das Wort gebeten. Sie hat auch noch Redezeit. Bitte schön. Angela Freimuth (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was Herr Kollege Sagel hier gerade geäußert hat, kann man nicht völlig unkommentiert lassen. Zum einen: Den Begriff „Räuberbande“ halte ich schon einmal für eine unverschämte Unterstellung. Zum anderen: Wenn hier überhaupt von einer Räuberbande gesprochen werden kann, (Beifall von Rüdiger Sagel [fraktionslos]) Landtag Nordrhein-Westfalen dann sind das Sie, Herr Sagel, und die Partei Die Linke; denn Sie wollen alles verstaatlichen, Sie wollen den Menschen das Privateigentum wegnehmen. Weil Sie der Landesregierung den Vorwurf machen, hier eine Politik – so haben Sie es formuliert – gegen die Ärmsten zu betreiben, und in diesem Zusammenhang das Beispiel der Mahlzeiten an Schulen ansprechen, muss ich einmal in aller Deutlichkeit auf Folgendes hinweisen: In der Zeit, in der Sie eine Landesregierung unterstützt haben – damals, als Sie noch Mitglied der Fraktion und der Partei Bündnis 90/Die Grünen waren –, hat es das überhaupt nicht gegeben. Sie haben hier weiter die Entwicklung der Verschuldung angeführt. Wie Ihre Wahrnehmung ist, möchte ich Ihnen an einem ganz kurzen Beispiel belegen, und zwar an einem Beispiel aus den Jahren 1995 bis 2000, bei dem man nicht damit argumentieren kann, dass die Steuereinnahmen weggebrochen seien. Damals hatten wir Schulden von 44,141 Milliarden, die auf 80,4 Milliarden in 2000 angestiegen sind. In diesen fünf Jahren, 1995 bis 2000, saßen Sie in diesem Parlament. In diesen fünf Jahren haben Sie jedem Haushalt, den die Landesregierung seinerzeit vorgelegt hatte und den Sie hier im parlamentarischen Verfahren gestaltet haben, zugestimmt. (Rüdiger Sagel [fraktionslos]: Da war ich noch nicht im Landtag!) Sie haben jedes Mal zugestimmt. Damit haben Sie insgesamt 36 Milliarden € an Schulden aufgehäuft, und das bei steigenden Steuereinnahmen. Ich halte es für eine Unverschämtheit, dass Sie sich heute hierhin stellen und den Haushaltskonsolidierungskurs kritisieren, den wir mühsam beschreiten, um die Scherben zu beseitigen, die Sie angerichtet haben. Das finde ich einfach infam von Ihnen. – Vielen Dank. (Beifall von FDP und CDU) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Kollegin Freimuth. – Meine Damen und Herren, zur ersten Lesung des Haushaltes 2009 liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kann ich die Beratung zu diesem Komplex abschließen. Ich eröffne dann die Aussprache zum Gemeindefinanzierungsgesetz 2009 und erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Jäger von der SPDFraktion das Wort. Ralf Jäger (SPD): Herr Präsident, vielen Dank! Mit Freude nehme ich zur Kenntnis, dass der In- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11535 nenminister just in time zum Gemeindefinanzierungsgesetz, das er heute Vormittag eingebracht hat, an der Plenarrunde teilnimmt. Gestatten Sie mir allerdings noch einmal zwei Feststellungen, nachdem ich den Haushaltsberatungen einige Stunden folgen durfte: Eigentlich ist NordrheinWestfalen aus Sicht der Kommunen in einer äußerst günstigen Position: Seit 2006 sind die Steuereinnahmen des Landes um 25 % gestiegen. Eigentlich hätte die Finanzausstattung der Kommunen nach der Verfassung des Landes NordrheinWestfalen in gleichem Maße steigen müssen. Eigentlich wäre die Ausgangssituation für die Kommunen sehr günstig. Tatsächlich aber hat der Finanzminister heute einen Landeshaushalt vorgelegt, der in der Summe seit 2006 13,7 Milliarden € mehr Schulden bedeutet. Herr Linssen, dass dieser Haushalt nur neue Schulden in Höhe von 1,67 Milliarden € vorsieht, Sie, jetzt feiern, dass die Neuverschuldung um 100 Millionen € geringer ausfällt als ursprünglich geplant, und sich jetzt als Konsolidierer aufspielen, ist relativ feist. Sie mögen das Wort „Konsolidierer“ schreiben und fehlerfrei aussprechen können, aber von wirklichem Konsolidieren sind Sie sehr weit entfernt. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Wichtig zu wissen: Wenn man es überhaupt als einen Konsolidierungserfolgerfolg bezeichnen kann, weniger Schulden als ursprünglich geplant gemacht zu haben, dann nur deshalb, weil Sie, Herr Linssen und Herr Wolf, einen wirklich infamen Griff in die kommunalen Kassen getan haben: In den Jahren 2006, 2007 und 2008 haben Sie den Kommunen ihnen zustehende Mittel in einer Größenordnung von 1,8 Milliarden € entzogen. Sie haben den Kommunen, die es bitternötig hätten, diese Mittel sozusagen, geraubt. Herr Krautscheid, ich weiß nicht, was Sie ständig zu schwätzen haben, aber vom Haushalt haben Sie gar keine Ahnung. (Widerspruch von Minister Krautscheid) – Dann sollten Sie Ihre Selbstgespräche vielleicht etwas reduzieren. Das stört ein bisschen. (Beifall von der SPD) Herr Präsident, vielleicht können Sie einmal im Klassenbuch vermerken, dass der Herr Krautscheid wieder ungefragt schwätzt. Vizepräsident Edgar Moron: Herr Kollege, es gibt hier kein Klassenbuch. „Geschwätzt“ wird hier auch nicht. Bleiben Sie bitte am Thema. Landtag Nordrhein-Westfalen (Zuruf von Minister Dr. Ingo Wolf) – Ich habe gerade etwas dazu gesagt, Herr Innenminister. Ich brauche nicht Ihren Kommentar dazu. (Unruhe – Ralf Jäger [SPD]: Herr Präsident, dürfte ich dann jetzt wieder? – Jetzt ist aber gut hier! Beruhigen Sie sich wieder. Und jetzt macht Herr Jäger für die SPDFraktion weiter. Bitte schön. Ralf Jäger (SPD): Ich danke Ihnen, Herr Präsident! Die Kassenkredite der nordrhein-westfälischen Kommune, also das, was im privaten Haushalt üblicherweise der Dispositionskredit ist, sind auf mittlerweile 13,7 Milliarden € gestiegen, und zwar allein seit Juli 2007 um weitere 1,2 Milliarden €. Auch wenn es jetzt vielleicht letztendlich einen leichten Rückgang gibt, ist das ausschließlich auf die konjunkturelle Situation zurückzuführen und täuscht nicht darüber hinweg, dass die Kommunen eine mangelnde Finanzausstattung haben und viele faktisch pleite sind. Das kann man am besten daran festmachen, dass sich 190 Kommunen Ende 2007 im Haushaltssicherungskonzept befanden; 113 Kommunen im Nothaushalt. Wenn der Innenminister hier darstellt, dass deren Zahl gesunken sei, liegt das schlichtweg daran, dass die Buchführung in den Kommunen verändert worden ist, nicht aber daran, dass sie sich konsolidiert haben. Herr Wolf, das was Sie hier vorgetragen haben, finde ich wirklich dreist. Tatsache ist, dass die Kommunen vom Land Schlüsselzuweisungen in Höhe von 7,7325 Milliarden € erhalten. Das sind – man kann es zu Recht sagen – knapp 160 Millionen € mehr als im letzten Jahr. Herr Innenminister, einerseits geben Sie den Kommunen zwar 160 Millionen € mehr, im gleichen Atemzug verschweigen Sie aber, dass Sie ihnen alleine bei der Grunderwerbsteuer 180 Millionen € klauen. Bei der Krankenhausfinanzierung sind es 94 Millionen €, 27 Millionen € bei den Schülerfahrtkosten sowie 85 Millionen € bei den Elternbeiträgen für die Kindergärten. Herr Innenminister, seit dem Jahr 2006 haben Sie den Kommunen damit insgesamt 1,8 Milliarden € aus den Kassen geklaut. Darüber kann man nicht jubeln, Herr Wolf, sondern man sollte vor Scham im Boden versinken. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Herr Wolf, Sie sprechen von 23 % der Verbundmasse. Die Kommunen haben im Jahr 2005 20 % 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11536 aller Steuereinnahmen des Landes NordrheinWestfalen erhalten; in diesem Jahr sind es nur noch knapp über 17 %, Herr Wolf. Auch diese Zahl, die Sie vorgetragen haben, war schlichtweg falsch. Herr Wolf, angesichts der finanziellen Situation der Kommunen fand ich Ihren Vortrag heute Vormittag äußerst zynisch. Sie haben ein völlig anderes Bild gezeichnet. Sie haben weichgespült und mit Zahlen jongliert. Sie haben zwar auf der einen Seite Zahlen genannt, wie viel Mittel Sie den Kommunen mehr geben, auf der anderen Seite haben Sie verschwiegen, welchen deutlich höheren Betrag Sie den Kommunen an anderer Stelle wegnehmen. Das ist und bleibt – ich wiederhole es – die kommunalfeindlichste Landesregierung seit Bestehen des Bundeslandes NordrheinWestfalen. (Beifall von der SPD) Herr Lux, ich bin gespannt, ob Sie heute wieder diesen selbstgefälligen Kniefall vor diesem Innenminister machen, der alles tut, nur nicht die Kommunen in Nordrhein-Westfalen unterstützt. (Johannes Remmel [GRÜNE]: Es sind ja nicht mehr viele da, die einen Kniefall machen könnten!) Ich habe im Übrigen den Eindruck: Wenn man den Innenminister und sein Wirken beobachtet, der sich zwischen Klagenfurt, Wien und Peking um die Pflege des deutschen Hockeysports kümmert, ist das eigentlich eine heimliche Bewerbung um die Nachfolge von Michael Vesper, aber er tut nicht seine Arbeit, sich nämlich um die Belange der nordrhein-westfälischen Kommune zu kümmern, meine Damen und Herren. (Beifall von der SPD) Neben der rein fiskalischen Betrachtungsweise: In Münster liegen drei Verfassungsklagen von Kommunen vor, die ihr Recht auf Konnexität aus der Landesverfassung einfordern und die überzogene Heranziehung bei der Finanzierung des Aufbaus Ost und die Übertragung von Aufgaben ohne das notwendige Geld in der Versorgungsverwaltung und der Umweltverwaltung bemängeln. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen sind 2006 zu Bittstellern des Landes geworden, sie sind keine Partner mehr, werden nicht mehr auf gleicher Augenhöhe respektiert. Herr Wolf, Sie gehen mit den verfassungsgemäßen Rechten der Kommunen in Nordrhein-Westfalen um, als würde es sich um die Satzung eines Kleingartenvereins handeln. Landtag Nordrhein-Westfalen Mehr noch: Ich kann mir vorstellen, dass sich der Landtag – wenn die drei Verfahren in Münster abgeschlossen sind und man die hinzuzählt, die Sie in Münster schon verloren haben, Herr Wolf – überlegen sollte, ob es wegen der vielen Verfassungsklagen, die in Münster anhängig sind, aus Kostengründen nicht sicherer und besser wäre, einen ständigen Verfassungsausschuss einzurichten. (Beifall von SPD und Horst Becker [GRÜNE]) Meine Damen und Herren, die Kommunen in Nordrhein-Westfalen werden von dieser Landesregierung alleine gelassen. Sie werden hemmungslos ausgeplündert, weil das Land selber nicht in der Lage ist, sich zu konsolidieren. Anders als Sie es vor der Landtagswahl angekündigt haben, haben Sie, meine Damen und Herren, keine Kraft, um eine tatsächliche Kommunalreform zu betreiben. Sie haben noch nicht einmal die Kraft, die sprudelnden Steuereinnahmen gerecht an die Kommunen weiterzugeben. Sie haben Ihre Versprechen gebrochen und sind an Ihren eigenen Ankündigungen gescheitert, Herr Lux. Die Kommunen sind letztendlich die Verlierer Ihrer Politik. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Kollege Jäger. – Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Lux das Wort. Rainer Lux (CDU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst, auch als Kontrast zum wieder einmal total verunglückten Beitrag von Herrn Jäger, zu Beginn meiner Ausführungen zum Entwurf des GFG 2009 dem Finanzminister Helmut Linssen und dem Innenminister Ingo Wolf Dank und Anerkennung für diesen Gesetzentwurf aussprechen. (Sören Link [SPD]: Das haben wir schon richtig vermisst!) Denn im Gegensatz zu dieser billigen Polemik und der persönlichen Beleidigung, Herr Jäger, die Kern Ihres Beitrags waren, müssen wir uns doch hier vor Augen führen, dass dieser Entwurf des GFG in gelungener Kontinuität zu den vergangenen Gemeindefinanzierungsgesetzen steht. Das Land erweist sich einmal mehr als seriöser und verlässlicher Partner der Kommunen, weil die Modalitäten des GFG 2009 im Wesentlichen die der vergangenen Jahre sind. Nach wie vor können sich die Kommunen auf die Zahlen des GFG 11537 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 verlassen, weil durch die von uns vorgenommene Einführung des Referenzzeitraums jede Kommune bei Verabschiedung des GFG hier im Landtag auf Heller und Pfennig oder auf Euro und Cent weiß, in welcher Höhe ihr im kommenden Jahr Mittel aus dem GFG zufließen. (Zuruf von Horst Becker [GRÜNE]) Die furchtbaren Zustände mit Kreditierung und Rückforderung, Herr Becker, mit politisch gesteuerten Verunsicherungen der Kommunen zur Zeit der rot-grünen Landesregierung sind endgültig vorbei, was alle Kommunen sehr zu schätzen wissen. Die Mittel, die dieses GFG an die Kommunen ausschüttet – der Finanzminister und der Innenminister haben bereits darauf hingewiesen –, steigen nochmals gegenüber dem Vorjahr um 160 Millionen € auf jetzt ungefähr 7,7 Milliarden €, nachdem bereits im vergangenen GFG eine Steigerung von 650 Millionen € gegenüber dem Jahr 2007 möglich war. Es muss noch einmal deutlich unterstrichen werden: 2007, 2008, 2009 – kontinuierlich konnten den Kommunen Jahr für Jahr höhere Mittel aus den Gemeinschaftssteuern zur Verfügung gestellt werden. Ehe Sie einmal mehr Ihr Lamento vom angeblichen Raubzug anstimmen – Herr Jäger hat es eben schon wieder versucht –, sollten Sie das mit den unsicheren, weil viel zu hoch angesetzten 6,7 Milliarden € vergleichen, die Sie, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, im letzten von Ihnen zu verantwortenden GFG 2005 den Kommunen vorläufig zur Verfügung gestellt haben. Lassen Sie mich hier einmal einen Einschub machen und einen Ball aufnehmen, den die Kollegen Helmut Stahl und Dr. Papke eben gespielt haben, als sie aufgezeigt haben, wie konzeptlos SPD und Grüne den drängenden Haushaltsfragen gegenüberstehen. Schier unendlichen Katalogen von Mehrforderungen auf ungedeckte Haushaltsausweitung stehen geradezu lächerliche Einsparvorschläge gegenüber, die in einem derartigen Missverhältnis stehen, dass man nun wirklich feststellen muss, dass Ihnen jedes Mindestmaß an Seriosität fehlt. Auch beim GFG setzen Sie dieses unmäßige Meckern, dieses unseriöse Gebaren fort. (Zuruf von Horst Becker [GRÜNE]) Denn Herr Becker von den Grünen hat beim letzten GFG vorgerechnet – ich habe das eben noch einmal nachgelesen, Herr Becker; es gab auch Landtag Nordrhein-Westfalen keinen Widerspruch von der SPD, Herr Körfges –, dass den Kommunen 1,1 Milliarden € vorenthalten würden. (Horst Becker [GRÜNE]: Moment, ich muss mal nachrechnen! – Hans-Willi Körfges [SPD]: 1,8 Milliarden €) Der Ministerpräsident hat gerade in seinem bemerkenswerten Beitrag noch einmal darauf hingewiesen, wie seriös die SPD mit ihren Forderungen umgeht, (Ralf Jäger [SPD]: Sie müssen nicht alles glauben!) als er aufgezeigt hat, welche Änderungsvorschläge von der SPD – von den Herren Jäger und Körfges, die sich hier immer als die großen Anwälte der Kommunen aufspielen, (Ralf Jäger [SPD]: Sonst tut ja keiner was!) oder auch von den Grünen – zu dieser Summe vorgebracht worden sind. Nicht ein einziger Punkt dieser Kritik ist aufgegriffen und haushaltsmäßig beantragt worden. (Horst Becker [GRÜNE]: Stimmt nicht!) Das ist Ihre Rolle: Sie beschränken sich darauf, Herr Jäger, zu meckern, zu beleidigen, zu verunsichern, aber Alternativen – da stimmen Sie mit Ihrer Fraktionsvorsitzenden überein – sind von Ihnen natürlich nicht zu erwarten. (Beifall von der CDU) Ich sage Ihnen auch als Vorsitzender einer kommunalen Ratsfraktion und Vorsitzender des Finanz- und Personalausschusses meiner Heimatstadt Bielefeld: Ich kann sehr gut mit vielen Ihrer Forderungen leben (Zuruf von Ralf Jäger [SPD]) – die kann ich unterstützen; das können auch viele vor Ort, die Sie immer zitieren –, aber Sie wissen doch ganz genau, dass kein einziger Kommunalpolitiker vor Ort, kein einziger Verantwortlicher in einer Verwaltung auch nur annähernd glaubt, dass Sie das, was Sie als Kritik hier vorbringen, tatsächlich in konkrete Politik umsetzen würden. Dazu haben die viel zu lange Erfahrung mit zehn Jahren Rot-Grün bzw. 39 Jahren Regierungszeit unter Führung der SPD. (Beifall von der CDU) Die wissen ganz genau, wie schlecht sie mit Ihnen gefahren sind. Deswegen können Sie Kritik üben wie Sie wollen – das ist richtig –, aber glauben Sie 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11538 bloß nicht, dass irgendeiner vor Ort Ihren Reden nur ein bisschen Glauben schenken würde. Lassen Sie mich fortfahren! In diesem Haushalt, in diesem GFG setzt sich fort, was wir den Leuten versprochen haben. Wir haben ihnen gesagt: Wir geben euch eure Städte zurück. Ihr könnt mit den Mitteln aus dem GFG weitestgehend tun, was ihr wollt. Wir sind zuverlässig geblieben. 86 % der Mittel, die den Kommunen zur Verfügung stehen, sind völlig frei verfügbar. Das sind Werte, von denen Sie in Ihrer Zeit natürlich nur geträumt haben. Jeder kennt noch die furchtbaren Zeiten der Kreditierung und der „Goldenen Zügel“, als die Landesregierung massiv Einfluss darauf nahm, wie die Kommunen mit ihren Mitteln umzugehen hatten. Auch das steht für Kontinuität und dafür, dass wir das tun, was wir den Leuten versprochen haben. Herr Jäger, Sie sollten, wenn Sie sich schon auf dünnes Eis begeben, ein ganz klein wenig bei der Wahrheit bleiben. (Zuruf von der CDU: Das fällt ihm schwer!) Es gibt nirgendwo einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf 23 %. Sie halten diese Mär immer hoch. (Zuruf von Ralf Jäger [SPD]) Haben Sie denn total vergessen, dass dieser Satz von 23 % zu Zeiten der SPD-Regierung mal von 28 auf 23 % abgesenkt worden ist? Die 23 % gibt es im Rahmen der Möglichkeiten des Landeshaushalts. (Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) Sie sollten nicht so tun, als wäre das eine Größe, die verfassungsrechtlich festgeschrieben ist. Gerade aus dem Grund – das sage ich zum Schluss meiner Ausführungen sehr deutlich; wir werden in den nächsten Monaten ja spannende Debatten haben – möchte ich hier dem Finanzminister und dem Innenminister meinen Respekt aussprechen, (Zuruf von Ralf Jäger [SPD]) die mit diesem Haushaltsentwurf für die Gemeinden einen verlässlichen und guten Beitrag geleistet haben. – Schönen Dank. (Beifall von der CDU) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Kollege Lux. – Für die FDP erhält zum GFG 2009 jetzt der Abgeordnete Engel das Wort. Landtag Nordrhein-Westfalen Horst Engel (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der positive Trend der Vorjahre hält an. Das Volumen des Steuerverbundes vergrößert sich im dritten Jahr in Folge. 2009 stehen den Kommunen über 7,7 Milliarden € verteilbare Finanzausgleichsmasse zur Verfügung. Sie erhalten fast 160 Millionen € mehr als 2007. Die eingeleiteten strukturellen Veränderungen im Steuerverbund werden im kommenden Jahr fortgeschrieben. Das bedeutet, dass der Verbundsatz nach wie vor bei 23 % verbleibt. Das haben wir schon gehört. Mit 6,7 Milliarden € werden rund 86,7 % der verteilbaren Finanzausgleichsmasse im Steuerverbund konsumtiv bereitgestellt, ohne Befrachtungen, so wie sie bis 2005 Usus waren, wie Kollege Lux es eben angedeutet hatte. Der größte Anteil hiervon wird den Kommunen in Form von Schlüsselzuweisungen zur Verfügung gestellt. Das heißt, ein Großteil der verteilbaren Finanzausgleichsmasse fließt direkt in die Verwaltungshaushalte mit hohen Ausgabeposten für soziale Leistungen oder für das Personal einschließlich der Mehrkosten durch den Tarifabschluss vom März dieses Jahres. Auch die im vergangenen Jahr zur Bildungspauschale fortentwickelte Schulpauschale bleibt mit 540 Millionen € ebenso unverändert wie die Sportpauschale mit einem Etatansatz von 50 Millionen €. Erfreulicherweise wachsen im kommenden Jahr die Zuweisungen in Form von Investitionspauschalen, zum Beispiel für Sozialhilfeträger oder für Eingliederungshilfe, um 4,7 % auf insgesamt über eine halbe Milliarde Euro auf. Mehr Geld für kommunale Investitionen! Das entspricht auch meiner kommunalpolitischen Linie, der kommunalpolitischen Linie unserer Landtagsfraktion. Wir konnten im Frühjahr aus der Umfrage des Städteund Gemeindebundes NordrheinWestfalen lesen, dass sich die Finanzlage der Städte und Gemeinden gegenüber dem Vorjahr insgesamt entspannt hat. Die sinkende Zahl der Kommunen im Haushaltssicherungskonzept und der im Nothaushalt bestätigt diese positive Entwicklung. Zurzeit können 129 Kommunen ihren Haushalt nicht ausgleichen. 73 Kommunen befinden sich im Nothaushalt. Im Vergleich zu 2005, dem Jahr der Regierungsübernahme, haben inzwischen 68 Kommunen zusätzlich den Weg zum Haushaltsausgleich geschafft. Das ist erfreulich. 11539 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Dabei spielt natürlich die Umstellung auf das NKF mit erweiterten Möglichkeiten zum Haushaltsausgleich gegenüber dem kameralen System genauso eine Rolle wie die positive wirtschaftliche Entwicklung in den Kommunen. Hierzu hat unsere Regierung einen wichtigen Beitrag geleistet. Die Arbeit trägt Früchte. So ist der Juli-Ausgabe der Zeitschrift des Landkreistages zu entnehmen, dass Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr deutschlandweit zu den drei Ländern mit der stärksten Senkung des Hebesatzes der Kreisumlage gehört. Er soll sich um einen Wert von 4,9 %, also fast 5 %, vermindert haben. Der Kurs stimmt. Der von 2003 bis 2006 fast verdoppelte und somit rasante Anstieg der Kassenkredite von 6,8 Milliarden € auf 12,5 Milliarden € hat sich bis Ende 2007 auf 13,7 Milliarden € verlangsamt. Erstmals ist nach neuesten Erkenntnissen der Umfang der Kassenkredite sogar leicht rückläufig. Betrugen die Kassenkredite zum Jahresende noch 13,7 Milliarden €, so sind es Ende des I. Quartals 2008 13,6 Milliarden € gewesen. Ich hoffe, das ist ein Zeichen für die Trendumkehr. Ein Kassenkreditstand – nach Behauptung der Grünen – von 13,8 Milliarden € ist daher genauso abwegig wie die Vorwürfe, dass der Innenminister als oberste Kommunalaufsicht die Kommunen in einen Teufelskreis aus nicht bezahlbaren Schulden treibt. Zunächst sind die Kommunen für ihren Haushalt selbst verantwortlich. Ein Eingreifen der Kommunalaufsicht in kommunale Haushalte ist und bleibt die Ausnahme und ist letztlich mit dem Ziehen einer Reißleine zu vergleichen. Allerdings ist es noch ein langer Weg bis zur flächendeckenden Gesundung unserer 427 Kommunen. Das verdeutlicht die hohe Gesamtverschuldung inklusive der Schulden ausgelagerter Betriebe mit 4.236 € je Einwohner, wie der Kommunale Schuldenreport 2008 der Bertelsmann Stiftung feststellt. Hierzu tragen die in der Vergangenheit unter Rot-Grün aufgebauten Altlasten bei, deren Sanierung – darüber haben wir heute den ganzen Tag schon gesprochen – weiter einer Herkulesaufgabe gleicht. Die Kommunen sind dringend auf sichere kommunale Einnahmequellen angewiesen. Es ist deshalb bedauerlich, dass die zweite Stufe der Föderalismusreform bisher nicht zu einer Lösung für eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Land und Kommunen geführt hat. Das Nachsehen haben hierbei die Kommunen und ihre Bürger. Gestatten Sie mir deshalb auch hier erneut den Hinweis, dass wir Liberale seit Jahren für eine Landtag Nordrhein-Westfalen Gemeindefinanzreform mit Abschaffung der unkalkulierbaren und konjunkturabhängigen Gewerbesteuer durch Ersatz einer kommunaleigenen, und zwar dem Wettbewerb der Kommunen untereinander ausgesetzten Steuer kämpfen. Darüber hinaus möchte ich auf den Koalitionsantrag „Benachteiligung von NRW-Kommunen abbauen – mehr Verteilungsgerechtigkeit beim Solidarpakt Ost“ vom 12. September 2006 hinweisen. Im Rahmen des Antrags haben wir die Landesregierung beauftragt, dem Anliegen der nordrheinwestfälischen Kommunen Rechnung zu tragen, sich dafür einzusetzen, dass die bisher für das Jahr 2010 vorgesehene Evaluation der erhöhten Gewerbesteuerumlage so weit wie möglich vorgezogen wird und dass in diesem Zusammenhang mit dem Bund und den Ländern auf eine größere Verteilungsgerechtigkeit zugunsten der Kommunen im Westen hinzuwirken ist. Leider fehlen hierzu noch die Verbündeten in den Ländern. Zum Schluss meiner Anmerkungen noch einige Hinweise zum GFG 2009 und dem seit Juni vorliegenden Gutachten des ifo-Instituts über die Weiterentwicklung des kommunalen Finanzausgleichs: Das umfangreiche Gutachten enthält ausführliche Empfehlungen für eine Neugestaltung des kommunalen Finanzausgleichs. Allein für die Weiterentwicklung des Schlüsselzuweisungssystems werden 15 Empfehlungen ausgesprochen. Daran kann man die Komplexität des Gutachtens erkennen. Es wäre deshalb falsch gewesen, einige Empfehlungen ohne Vorberatung und Anhörung der Betroffenen und des Landtags schon jetzt in das GFG 2009 einzuarbeiten. Ich möchte hier gern die Gelegenheit ergreifen, mich beim Innenminister dafür zu bedanken, dass der notwendige Diskussionsprozess im Rahmen einer Kommissionsarbeit unter Einbindung der kommunalen Spitzenverbände und der Landtagsfraktionen nun beginnen soll. Wir sprachen in der letzten Ausschusssitzung bereits darüber. In den Dank für diesen Gesetzentwurf schließe ich auch Finanzminister Linssen und Innenminister Wolf ein. Mehr Geld für die Kommunen 2009 – das ist eine gute Botschaft! – Ich danke Ihnen. (Beifall von FDP und CDU) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Abgeordneter Engel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Abgeordnete Becker. Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder 11540 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 eindrucksvoll, wenn Herr Lux die Verlässlichkeit beschwört und Herr Engel das liberale Credo vorträgt. Führt man sich dann aber die Wirklichkeit vor Augen, wie man sie aus den kommunalen Spitzenverbänden und aus den Klagen von Landräten, Bürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern kennt, finde ich es ausgesprochen schwierig, diese Erfahrungen aus der kommunalen Praxis mit Ihren Ausführungen in Einklang zu bringen. Das ist nur zu verstehen, indem man sagt: Sie färben sich die Wirklichkeit, aber Sie haben damit, wie sie sich in den Kommunen abspielt, immer weniger zu tun. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Meine Damen und Herren, wer heute Morgen die Debatte aufmerksam verfolgt hat – die Kollegin Löhrmann hat das an anderer Stelle schon erwähnt –, konnte die Vorboten für die Erklärungen der nächsten Jahre wahrnehmen, warum sich der Haushalt und die Zuweisungen für die Kommunen verschlechtern werden. Der Kollege Lux hat heute gesagt: Die Zuweisungen in Höhe von 23 % seien nicht gottgegeben, und sie stünden in keinem Gesetz; aber das hat auch niemand behauptet. (Rainer Lux [CDU]: Doch!) – Niemand hat behauptet, dass Sie gottgegeben seien. – Vor diesem Hintergrund muss man sich fragen, warum Sie das heute betonen; selbstverständlich habe ich einen Eindruck davon, warum Sie das tun. Ich habe Ihnen im letzten Jahr vorhergesagt, wie Sie auf der Strecke arbeiten. Sie arbeiten ganz offensichtlich so, dass Sie an verschiedenen Stellen mit Verzögerungen wie zum Beispiel beim ifo-Gutachten – darauf gehe ich gleich noch ein – über das Kommunalwahljahr 2009 kommen wollen. Danach verschlimmert sich erst recht die schon jetzt angebrochene schlechte Zeit für die Kommunen. (Bodo Löttgen [CDU]: Oh!) – Da können Sie abwinken, wie Sie wollen: Das ist Ihre Strategie. Selbstverständlich verzögern Sie unter anderem die Umsetzung des ifo-Gutachtens deswegen, weil Sie auf der einen Seite den ländlichen Kommunen versprochen haben, für sie mehr im GFG herauszuholen, und weil Sie auf der anderen Seite selbstverständlich das Problem mit den großen Städten haben. Dieses Problem wollen Sie nicht vor der Kommunalwahl 2009 lösen, sondern Sie wollen es aussitzen. Landtag Nordrhein-Westfalen Sie wollen 2009 an der kommunalpolitischen Front noch ein bisschen Ruhe haben, um im Jahr 2010 bei einer sich offensichtlich abzeichnenden schwächeren Konjunktur wieder einmal zulasten der Kommunen zuzuschlagen. Herr Innenminister – Herr Finanzminister ist leider nicht mehr anwesend –, darauf möchte ich noch eingehen. Wenn Herr Lux vorträgt, es gäbe keine Belastung der Kommunen in Höhe von 1,1 Milliarden €, ist das natürlich wieder einmal bewusst und vorsätzlich oberflächlich. Denn es gibt sie selbstverständlich strukturell, weil wir sowohl die entgangenen Einnahmen, die sie nach den alten GFG-Methodiken von Rot-Grün bekommen hätten, als auch die zusätzlichen Belastungen berücksichtigen müssen. Wer die zusätzlichen Belastungen nicht sehen will, hat die Wirklichkeit nicht wahrgenommen oder ein Stück weit verpasst. Denn ich frage Sie umgekehrt: Warum klagen denn Kommunen gegen die Mehrbelastungen zum Beispiel aus der Verwaltungsstrukturreform? Warum klagen denn Kommunen gegen die Mehrbelastungen aufgrund Ihrer Strukturreform im Umweltbereich? (Beifall von GRÜNEN und SPD) Das sind keine wild gewordenen schwarzen Handfeger, sondern das sind Ihre Parteifreundinnen und Ihre Parteifreunde, die Ihnen durch die Bank unisono vorwerfen, Sie hätten sich zulasten der Kommunen einen schlanken Fuß gemacht. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir noch einige Hinweise, wie das mit der Wirklichkeit ist, Herr Lux und Herr Wolf. Die Wirklichkeit sieht so aus, dass die Bertelsmann-Studie, die Anfang Juli vorgestellt worden ist, den Kommunen in NRW nach den Kommunen im Saarland und im Schlusslicht Mecklenburg-Vorpommern die bundesweit höchste Pro-Kopf-Verschuldung bescheinigt hat. Herr Engel, völlig unerheblich ist, ob meine Zahl 13,8 Milliarden € stimmt – das glaube ich – oder ob Ihre Zahl 13,6 Milliarden € stimmt – das glaube ich nicht. Bildlich gesprochen schenke ich Ihnen 0,2 Milliarden €. Aber Tatsache ist: In den letzten drei Jahren hat sich dieser Betrag unter Ihrer Ägide von 10,0 auf 13,6 bzw. 13,8 Milliarden € erhöht. Das ist Ihre Politik! (Beifall von GRÜNEN und SPD – Bodo Löttgen [CDU]: Das ist Schwachsinn!) Meine Damen und Herren, das ist eine Politik in Zeiten glänzender Steuereinnahmen, derer Sie 11541 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 sich in den letzten zwei Jahren gerühmt haben! Sie haben unisono und quer durch die Bank so getan, als hätten die etwas mit dem leuchtenden Erscheinen Ihrer Mehrheit in diesem Haus zu tun. Wenn man Sie heute hört, fangen Sie an, vorsichtig von Konjunkturdämpfung zu reden: Man müsse noch einmal schauen. Die 23 % seien nicht gottgegeben. Im nächsten Jahr könnten wir, wenn die Wahlen vorbei sind, nachschauen, ob wir das nachjustieren müssten. – Damit bauen Sie für die Zeiten des konjunkturellen Abschwungs vor, von denen wir wissen, dass sie kommen. Auch dabei werden Sie die Kommunen wieder im Stich lassen. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Meine Damen und Herren, aber auch an anderen Stellen, etwa bei den Einheitslasten – ich habe das Stichwort eben genannt –, arbeiten Sie nach dieser Methodik. Die Methodik „Lenk-Gutachten“ ist äußerst fragwürdig. Sie geben ein Gutachten in Auftrag, nachdem Sie einen Prozess vor dem VGH verloren haben, bei dem Sie im Sachvortrag bereits darauf abgehoben haben, dass Sie den Kommunen zusätzliche Lasten deswegen aufbürden könnten, weil Ihnen durch den bundesweiten Finanzausgleich zusätzliche Zuweisungen auf der Bundesebene entgangen seien, seitdem es die Einheit gibt. Mit dieser Argumentation sind Sie vor dem Gericht faktisch gescheitert. Sie scheuen Sie nicht, über das Lenk-Gutachten genau diese Argumentation durch die Hintertür wieder einzuführen. Sie wissen ganz genau, dass die Kommunen das nicht wollen. (Zuruf von Volkmar Klein [CDU]) Keine Frage ist, wie Sie vorgehen. Sie haben die 650 Millionen € immerhin zahlen müssen; Sie haben Sie nicht freiwillig gezahlt – auch wenn Sie das immer behaupten. Hinter den Kulissen höre ich, dass den Kommunen signalisiert wird, wenn sie das bis zur Wahl so ließen, dürften sie die 650 Millionen € behalten. Ansonsten würde man versuchen, sie den Kommunen wegzunehmen. Man wird sehen, ob der Druck vor der Kommunalwahl so hoch ist, dass man sich parteipolitisch ein Stück weit in Ihren Reihen einigt – noch haben Sie in vielen Kommunen die Mehrheit –, (Volkmar Klein [CDU]: Keine Sorge, das bleibt auch so!) oder ob sich die bestehende Not in vielen Kommunen durchsetzt. Ich bin der Auffassung: Ganz so einfach, wie Sie es im Moment versuchen, Landtag Nordrhein-Westfalen werden Sie es nicht haben. Wir werden Ende September, wenn das Gesetz für das Jahr 2006 einzubringen ist, sehen, wie Sie vorgehen wollen. Herr Lux, Herr Wolf und Herr Engels, ich behaupte, das alles hat mit kommunaler Verlässlichkeit so wenig zu tun wie eine ausführliche und ordentliche Sachdebatte mit der Einbringungsrede des Innenministers, der vier Minuten zur Lage der Kommunen gesprochen hat. (Beifall von den GRÜNEN) Genauso wenig hat das miteinander zu tun: nämlich nichts. – Das passt in den Kontext Ihres Vorgehens der letzten drei Jahre. Es war nicht nur ein Vorgehen gegen die Kommunen im Zusammenhang mit den Finanzen. Es war selbstverständlich auch ein Vorgehen gegen die Kommunen im Zusammenhang mit § 107. In der von Ihnen verabschiedeten Form schadet er den Kommunen. Daran muss an der Stelle noch einmal erinnert werden. Es ist auch ein Vorgehen gegen die kommunale Demokratie als Raubzug von Schwarz-Gelb: Der eine trennt die Wahlen, weil er es gerne so will. Der andere streicht die Stichwahlen, weil er dies so will. – So wie mit kommunaler Demokratie gehen Sie mit kommunalen Finanzen um. Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal darauf hinweisen, mit welchen kleinen und feinen Tricks Sie arbeiten, wenn Sie sagen, alles sei so wie im letzten Jahr. Ich habe Ihnen eben gesagt, wie es mit dem Lenk-Gutachten aussieht. Ich sage Ihnen, wie Sie an der Stelle arbeiten: Sie verändern den Text für die Einheitslasten. – Sie tun dies aus der Perspektive, die ich Ihnen eben vorgehalten habe. Nach den Kommunalwahlen wollen Sie entsprechende Schweinereien begehen. In der neuen Formulierung der Definition heißt es in § 2, bei der Ermittlung der Finanzausgleichsmasse wird nicht mehr das ermittelte gesamte Aufkommen der Gemeinschaftssteuern – bereinigt um die Einnahmen und Ausgaben des Landes – im Länderfinanzausgleich zugrunde gelegt, sondern es wird auf die sogenannten finanziellen Belastungen des Landes aus der deutschen Einheit abgestellt. Das bedeutet, Sie bereiten den Betrug von morgen im Text vor, behaupten aber, Sie wollten ein verlässlicher Partner der Kommunen sein. Zusammengefasst kann man nur sagen, Sie haben in Zeiten, in denen es dem Land von den Steuereinnahmen her glänzend gegangen ist und noch eine kurze Weile gehen wird, den Kommunen ihren Anteil vorenthalten. Durch die von Ihnen 11542 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 zu verantwortende Politik haben Sie für eine dramatische Steigerung der Kassenkredite gesorgt. Darüber, ob sie um 38,6 % oder um 38,8 % gestiegen sind, mag ich mit Ihnen gar nicht streiten, Herr Engels. In Zeiten niedriger Zinsen hatten Sie gleichzeitig nicht den Mumm, den Kommunen, die keine Chance haben, diese Schulden im Moment abzutragen, eine Umschuldung von kurzfristig laufenden Kassenkrediten in langfristige Kredite zu günstigen Zinsen zu gestatten. Als Folge werden die Kassenkredite bei dramatisch steigenden Zinsen jetzt absehbar dramatisch steigen. All das ist Ergebnis Ihrer Politik. Zu diesem Ergebnis gehört auch, dass Sie sich bis heute darum drücken, den eigentlich seit November letzten Jahres fälligen Bericht zur kommunalen Finanzlage vorzulegen. Sie sagten, Sie legen ihn im Mai vor. Sie haben ihn bis heute nicht vorgelegt. Sie drücken sich aus einem für Sie guten Grund davor. Es ist ein Zeichen einer kommunalfeindlichen Politik. Sie hinterlassen ein großes Vakuum. Herr Lux, ich kann verstehen, dass Sie darüber beunruhigt sind, dass andere diese Vakuum mit einer ordentlichen, kommunalfreundlichen Politik auffüllen wollen. Wir lassen uns von Ihnen aber nicht davon abhalten. – Schönen Dank. (Beifall von den GRÜNEN) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Jetzt hat der fraktionslose Abgeordnete Sagel das Wort. *) Rüdiger Sagel (fraktionslos): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Was man im Landeshaushaltsentwurf für das Jahr 2009 insgesamt feststellen kann, kann man natürlich auch im Gemeindefinanzierungsgesetz feststellen. Die Politik des Tricksens, Täuschens und Tarnens wird auch hier wieder realisiert. Zu Recht ist vorhin auf die Verschuldung der Kommunen in NRW in Höhe von 13 Milliarden € hingewiesen worden. Im letzten Jahr hat der Städte- und Gemeindebund bei der Anhörung sehr deutlich beklagt, dass den Kommunen 900 Millionen € vorenthalten werden. Dieses Jahr ist es über 1 Milliarde €. Das ist Ihre reale Politik für die Kommunen. Wir gehen jetzt langsam in die Auseinandersetzungen um die Kommunalwahlen. Die Sünden der Vergangenheit werden an die Oberfläche kommen. Sie werden Ihnen jetzt schon interessanterweise von Ihren eigenen, schwarzen Leuten in Landtag Nordrhein-Westfalen den Städten und Gemeinden vorgehalten. Die drei zu Recht vor dem Verwaltungsgericht in Münster anhängigen Klagen machen sehr deutlich, wie groß die Unzufriedenheit mit der Landespolitik ist. (Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis) Insgesamt müssen wir feststellen, dass 129 Kommunen in Nordrhein-Westfalen weiterhin mit Nothaushalten ausgestattet sind. Das mussten Sie heute Morgen selbst zugestehen. Diese Kommunen können gerade noch das Notwendigste machen und sind höchst verschuldet. Teilweise gibt es sogar Sparkommissare. Das ist zum Beispiel in Waltrop der Fall. In der nördlichen Ruhrgebietszone gibt es besondere Probleme. All diese Dinge werden von Ihnen verantwortet. Hinzu kommt das Sparkassengesetz, welches uns in den nächsten Monaten noch beschäftigen wird. Es ist ebenfalls gegen die Kommunen gerichtet. Gemeinnützige Einrichtungen werden eine Menge Geld verlieren, wenn die Privatisierung tatsächlich in der Form kommen wird, wie Sie sie vorhaben. Derzeit werden mehr als 150 Millionen € ausgeschüttet. Das ist das, was Sie konkret machen. Ich kann nur sagen: Das geschieht nicht mit der Linken. Wir werden gegen Ihre Haushaltspolitik stimmen. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Sagel. – Wenn ich es richtig sehe, liegt von der Landesregierung keine Wortmeldung vor. Dann ist Herr Kollege Körfges an der Reihe. Bitte schön. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11543 (Beifall von SPD und GRÜNEN) Dies geschieht unstreitig auch mit Taschenspielertricks. Wir freuen uns alle darüber, dass die öffentlichen Einnahmen gestiegen sind. Die 7,7 Milliarden €, die Sie in Ihrer Pressemitteilung in den Mittelpunkt der Erwägungen stellen, sind wirklich eine stattliche Summe. Aber um glaubwürdig und ehrlich zu bleiben, meine Damen und Herren, muss man die Relation zu den Steuereinnahmen des Landes sehen. Dann merkt man, dass Sie auch an dieser Stelle im Prinzip bei den Kommunen abgekocht haben. (Zuruf von der CDU) Im Augenblick sind es – ich will mich nicht um 100.000 € nach oben oder unten streiten – mindestens 1,7 Milliarden € aus den letzten Jahren, die Sie den Kommunen vorenthalten haben. Vergleicht man den Zuwachs der Steuereinnahmen des Landes mit der Steigerung der Finanzmasse für die Schlüsselzuweisungen, wird klar, wie Sie tatsächlich mit dem Thema Kommunalfinanzen umgehen: Die Steuereinnahmen des Landes sind um 3,9 % gestiegen, die Schlüsselmasse lediglich um 2,1 %. Erklärung gefällig? Man kann es zum Beispiel mit der Herausnahme der Grunderwerbsteuer und ähnlicher Anschläge erklären, die Sie in diesem Bereich gemacht haben. Darüber hinaus haben Sie den Kommunen auch tüchtig in die Tasche gegriffen; darauf ist verschiedentlich eingegangen worden. Hans-Willi Körfges (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch bei der Einbringung durch den Innenminister war eine gewisse Sprachlosigkeit zu erkennen. Von daher liegt die Tatsache, dass sich Herr Dr. Wolf nicht mehr zu Wort gemeldet hat, durchaus in der Tendenz des heutigen Tages. Wenn der verehrte Kollege Lux sagt, wir geben euch eure Städte zurück, ist das zum einen inhaltlich falsch, weil wir die kommunale Selbstverwaltung haben. Zum anderen wären die Kommunen besser bedient, Herr Lux, wenn Sie ihnen ihr Geld zurückgeben würden. Herr Dr. Wolf, nach Ihren einleitenden Worten und insbesondere nach der Pressemitteilung könnte man aber glauben, diese Landesregierung hätte ein Füllhorn von Wohltaten über die kommunale Familie ausgeschüttet. Zudem höre ich voller Erstaunen, dass die 23 % Ihrer Aussage nach nicht die Zehn Gebote bzw. kein Verfassungsgrundsatz seien. Was soll der geneigte Hörer sich nach dieser Ankündigung denken, Herr Lux? Zuerst gehen Sie an die Schlüsselmasse, und dann stellen Sie die Prozente für die Zukunft zur Disposition. Das kann doch alles nicht wahr sein. (Horst Becker [GRÜNE]: Die versteht das nur nicht!) Die bedankt sich aber nicht bei Ihnen. Der Jubel will keinen Anfang nehmen. Im Gegenteil: Die kommunalen Spitzenverbände sind unisono mit der Opposition einer Meinung. Sie ziehen die Städte und Gemeinden in unserem Lande seit Ihrem Regierungsantritt über den Tisch, meine Damen und Herren. (Beifall von SPD und GRÜNEN) (Zuruf von Horst Becker [GRÜNE]) Wenn Kollege Engel von der FDP-Fraktion die Verlangsamung des Anstiegs der Kassenkredite angesichts der allgemeinen Konjunkturlage zu einem Markenzeichen für kommunalfreundliche Landespolitik macht, zeigt das eindeutig: Landtag Nordrhein-Westfalen (Zuruf von Horst Becker [GRÜNE]) Sie sind in der falschen Veranstaltung, insbesondere als kommunalpolitischer Sprecher. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Besonders bezeichnend – allerdings würde ich dazu ein internes Gespräch vorschlagen – finde ich den Hinweis auf die zahlreichen Kommunen, die sich nicht mehr in der Haushaltssicherung befinden. Das ist richtig. Wenn der Hintergrund eine strukturelle Verbesserung wäre, könnte man sich darüber tatsächlich freuen. Herr Kollege Engel, an diesem Punkt bin ich ganz nah bei Ihnen: Das ist im Zusammenhang mit dem Umstieg auf NKF zu sehen. Wenn der Innenminister als Antwort auf die strukturelle Notlage von Kommunen zusätzliche Sparsamkeit – darüber kann man immer diskutieren – und die Veräußerung von kommunalem Eigentum empfiehlt, zeigt das zwei Dinge: Erstens. Die Kommunen stehen nicht im Mittelpunkt Ihrer Erwägungen. Zweitens. Sie haben die Systematik nicht verstanden. Denn wenn Sie das Eigentum aus der Bilanz herausrechnen, haben Sie im Prinzip nichts verbessert. Gehen Sie daher in sich und überprüfen Sie einmal, ob es eine Jubelmeldung wert ist, dass die NKF-Systematik dazu führt, dass sich einige Kommunen nicht mehr im Nothaushaltsrecht befinden! Nun möchte ich zum Lenk-Gutachten und zu weiteren Leistungen dieser Landesregierung kommen. Was Sie mit der Rückzahlung der überzahlten Solidarbeiträge der Kommunen aufführen, übertrifft eine Echternacher Springprozession bei Weitem. Erster Akt: Es gibt eine schallende Ohrfeige des Verfassungsgerichtshofs. Zweiter Akt: Sie machen sich das Ergebnis insoweit zu eigen, dass Sie ein nicht gut gemachtes, aber immerhin von einer guten Absicht getragenes Abschlagsgesetz auf den Weg bringen. Im Detail haben wir sicherlich das eine oder andere dagegen gesagt. Dritter Akt: Sie berufen sich auf das Lenk-Gutachten, obwohl es Fehler wiederholt, die das Verfassungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen schon erkannt und ausgeräumt hatte, und sagen den Kommunen: Nicht ihr habt von uns etwas zurückzubekommen – im Gegenteil, es ist in die andere Richtung überzahlt worden. Wer so mit Kommunen umgeht, darf sich erstens nicht der Kommunalfreundlichkeit rühmen und 11544 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 muss zweitens sein grundsätzliches Verhältnis zum Thema überprüfen. (Beifall von den GRÜNEN) Es gibt noch eine weitere Feststellung. Das ist eine interessante Spur, Herr Kollege Lux, in Bezug auf die Frage, wie es mit den Kommunalfinanzen weitergeht; Kollege Becker hat darauf hingewiesen. Im Begründungsteil ziehen Sie ganz deutlich die Karte Lenk-Systematik nach dem Motto: Liebe Kommunen, viel Vergnügen. Wir zeigen euch schon einmal, was in den kommenden Jahren auf euch zukommt. Meine Damen und Herren, die Kommunen haben im wahrsten Sinne des Wortes bei dieser Landesregierung eine Menge zu klagen. Der Verfassungsgerichtshof empfindet Ihre Form der Landesregierung zwischenzeitlich als zwangsweise aufgedrängtes Beschäftigungsprogramm. Ich kann Ihnen nur eines sagen: Wenn Sie über Kommunalfreundlichkeit reden und Ihnen die Kommunen beim Verfassungsgerichtshof zum wiederholten Male nachweisen, dass Sie sie zum Beispiel in Fragen der Konnexität übervorteilen, kann doch an Ihrer übertriebenen Selbstbelobigung irgendetwas nicht richtig sein. Und all das geschieht vor dem Hintergrund sprudelnder Steuereinnahmen. Ich kann nur im Interesse der Kommunen hoffen, dass der Weltuntergangsprophet, der im Augenblick den Ministerpräsidenten gibt, mit seinen Prognosen zur Konjunktur nicht richtig liegt. Denn die Wahrheit wird bei sinkenden Steuereinnahmen sehr deutlich werden: Sie haben die Kommunen in unserem Land über den Tisch gezogen. – Vielen Dank. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Für die Landesregierung spricht Herr Innenminister Dr. Wolf. Dr. Ingo Wolf, Innenminister: Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist doch immer gut, wenn man den geballten Sachverstand der SPD-Fraktion erst zur Kenntnis nehmen kann, um darauf zu replizieren. Ich möchte dieser Crew der Verunsicherung und Vertuschung gerne noch einmal die eigenen Leistungen vor Augen halten, die dazu geführt haben, dass wir in diese Misere geraten sind. Es ist nicht nur so, wie heute Morgen dargestellt worden ist, dass Sie den Landeshaushalt vor die Wand gefahren haben. In Ihrer Zeit haben sich all Landtag Nordrhein-Westfalen 11545 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 die Probleme aufgehäuft. Ich hatte in einer früheren Debatte schon einmal dargestellt, wie sich auch die Verschuldung in den Kommunen aufgebaut hat. Es ist doch völlig klar, dass wir solche Dinge nicht in wenigen Jahren abbauen können. Im Gegenteil ist hier eine langfristige Konsolidierung angesagt. auch Kommunen gibt, die den Kopf ein Stück oberhalb der Wasserlinie bekommen haben, was uns sehr erfreut. Natürlich wollen wir das konsolidieren. Alle gemeinsam müssen wir daran arbeiten, dass wir eine Wirtschaftspolitik haben, die auch nachhaltig Wachstum befördert. Dann sind alle, Land und Kommunen, daran beteiligt. Die Landesregierung hat ihrerseits alles getan. Kollege Lux hat es genauso wie Herr Engel sehr deutlich gesagt: Wir stehen zu den 23 % in dieser Legislaturperiode. Das ist völlig klar von uns definiert worden. Wir sind für diese Legislaturperiode gewählt worden; deswegen sagen wir das auch gerne zu. Alles andere, was Sie gesagt haben, ist von daher völlig nebulös. Es ist ein selbst angerührter Zahlensalat, in dem Sie sich immer wieder selber verfangen. Eine besondere Qualität der Filibusterei haben Sie natürlich wieder beim Thema Lenkgutachten an den Tag gelegt. Meine Damen und Herren, ich empfehle insbesondere dem ausgebildeten Juristen in der SPD-Fraktion, sich den Urteilstenor einmal genau anzuschauen und durchzulesen. Herr Körfges, dort steht ganz klar, dass sozusagen eine Ermittlung vonnöten ist. Diese Ermittlung von Einheitslasten – das müssen Sie sich nun anhören; ich habe Ihnen ja auch sehr ruhig zugehört – hat Herr Professor Lenk vorgenommen, der von den kommunalen Spitzenverbänden vorgeschlagen wurde. Inklusive der Fragen, die zwischen Land und Kommunen abgesprochen waren, ist das ein Gutachten, das ein hohes Maß an Neutralität hat. Dieses ist nun zu diskutieren. Meine Damen und Herren, einige Punkte möchte ich noch einmal aufgreifen: Wir haben sehr deutlich festzustellen, dass es eine drastische Steigerung der Einnahmen der Kommunen gibt. Genauso wie das Land von den Mehreinnahmen profitiert, tun dies auch die Kommunen. Mit Blick auf den 23-%-Anteil ist es völlig klar, dass wir eine faire Beteiligung nach dem, was die Verfassung Nordrhein-Westfalens gebietet, auch vorgenommen haben – immer in der Abwägung von Landes- und Kommunalfinanzen. Wir haben heute Morgen hier diskutiert, welche Erblast Sie uns hinterlassen haben und was wir auf Landesseite an Konsolidierung tun müssen. Genau das Gleiche muss man natürlich auch auf der anderen Seite bei den Kommunen einfordern. Es ist also ein schwieriger Abwägungsprozess. Die sprudelnden Einnahmen, die Sie hier immer beschwören, sind doch letztendlich auch bei uns zu 90 % zur Herabsetzung der Nettokreditaufnahme eingesetzt worden. Damit ist nicht irgendwo draußen groß Geld ausgegeben worden, (Britta Altenkamp [SPD]: Wer bestätigt Ihnen das denn? Der Finanzminister?) sondern wir haben letztendlich das Geld nicht ausgegeben, das wir, wenn wir Ihre Politik verfolgt hätten, weiterhin aus Krediten hätten geben müssen. Wir haben uns davon abgewandt. Wir haben einen neuen Weg der Konsolidierung eingeschlagen, der nun Früchte zeigt. Wenn Sie meine Rede heute Morgen richtig gehört haben, habe ich sehr wohl auch kritische Untertöne angeschlagen. Zum Rückgang der HSKund Nothaushaltskommunen habe ich sehr wohl gesagt, dass es das eine oder andere Mal durchaus am NKF liegen kann, dass es aber natürlich Wenn dann der eine oder andere Abgeordnete meint, wir wollten da nicht schneller ran, kann ich nur entgegnen: Wir sind im Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden, die gebeten haben, dieses Gutachten intensiv zu prüfen. Wir haben allen Grund – in der bekannten Fairness, die wir an den Tag legen –, ihnen diese Zeit auch zu geben. Ich sagte vorhin schon: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Das sind alles hochkomplexe, hochkomplizierte Fragestellungen – bis hin zu dem, was wir aus dem ifo-Gutachten machen – beim Thema GFG der nächsten Jahre, vielleicht sogar des nächsten Jahrzehnts. Meine Damen und Herren, tun Sie bitte nicht so, als ob Sie eine Lösung hätten, wie wir das kurzerhand lösen könnten. Ansonsten nehmen wir gerne Ihren Vorschlag entgegen und können ihn dann debattieren. Sich nur hierhin zu stellen und zu sagen, Sie wüssten alles besser, und uns der Verzögerung zu zeihen, das taugt nicht. Wir gehen im Schulterschluss mit den kommunalen Spitzenverbänden diese Probleme an und müssen versuchen, die schwierigen Fragen gemeinsam in der nächsten Zeit zu lösen. Wir stehen an dieser Stelle nicht an, ganz klar zu sagen: Nur diese Regierung hat erstmals den Begriff Kommunalfreundlichkeit verdient. Über das, was Sie damals alles angerichtet haben, kann man nur den Mantel des Schweigens decken. Wir gehen mit einem Höchstbetrag an GFG-Zuweisungen – mit einer Milliarde € mehr als 2005 – an den Start. Dass daneben auch noch die Gewerbesteuerein- Landtag Nordrhein-Westfalen nahmen gestiegen sind, ist ein weiteres positives Signal an die Kommunen. – Vielen Dank. (Beifall von CDU und FDP – Lutz Lienenkämper [CDU]: So ist das!) Vizepräsident Oliver Keymis: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich noch einmal Herr Kollege Becker zu Wort gemeldet. Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer spannend und ich hätte mich nicht gemeldet, Herr Innenminister, wenn Sie nicht darauf abgehoben hätten, dass Sie das Land – wie Sie es immer darstellen – sanieren müssten. Sie führen an, dass das, was Sie den Kommunen vorenthalten – Sie enthalten ihnen gegenüber dem, was ihnen früher zugestanden hat, von den Steuermehreinnahmen eine Menge vor –, nötig gewesen sei, um den Landeshaushalt zu konsolidieren. Nun mag man ja darüber streiten, ob das nötig und der richtige Weg ist. Das ist eine Sache, die das Parlament diskutieren kann. Was man nach meiner Ansicht nicht machen kann – und das sollten wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen –, ist, wissend, wie die Situation im Land ist, vor den Wahlen 2005 zu versprechen, den Kommunen ginge es besser, wenn Sie an die Regierung kommen, und nach den Wahlen so zu tun, als seien Sie von der gesamtwirtschaftlichen und der gesamtfinanziellen Lage des Landes überrascht. Vor dem Hintergrund rasant steigender Steuereinnahmen geben Sie den Kommunen nicht das, was ihnen zusteht, und tragen dazu bei – ich betone das an dieser Stelle –, dass die Kassenkredite explodieren. Innerhalb von drei Jahren haben sich die Kassenkredite von 10 Milliarden € auf 13,6 oder 13,8 Milliarden – darüber will ich gar nicht mehr streiten – erhöht. Das ist es eine dramatische Steigerung von mehr als einem Drittel. Und es sind Kredite auf der kommunalen Seite, die hoch zinsanfällig sind. Sie bauen im Land die Neuverschuldung zulasten der Kommunen ab, die dann sehr teure Kassenkredite aufnehmen müssen, weil sie keine andere Möglichkeit mehr haben. Das ist gesamtwirtschaftlich, volkswirtschaftlich und gesamtstaatlich ein hoch gefährlicher und ein absolut zu verurteilender Kurs. Denn in letzter Konsequenz werden die Bürgerinnen und Bürger zwischen den Kosten, die auf sie zukommen, weil es Kassenkredite bei den Kommunen sind, oder Kreditkosten beim Land überhaupt nicht unterscheiden können und wollen. Sie werden die Kosten zu tragen haben. Die Kosten für Kassenkredi- 11546 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 te sind die höchsten, die teuersten und sind vor dem Hintergrund der Gefahr der steigenden Zinsen – sie sind ja in den letzten drei Monaten schon erheblich gestiegen – die mit Abstand gefährlichsten. Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Löttgen? Horst Becker (GRÜNE): Aber immer. Bodo Löttgen (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege Becker. Sie beklagen jetzt bereits mehrfach, dass der Anstieg von 10 auf 13 Milliarden € – also um gut ein Drittel – unter unserer Verantwortung dramatisch sei. Würden Sie den Kolleginnen und Kollegen kurz erläutern, wie der Anstieg der Kommunalkredite im Zeitraum 2001 bis 2005, das heißt in vier Jahren Ihrer Verantwortung, war? Horst Becker (GRÜNE): Ja, das kann ich gerne machen. Mal abgesehen davon, dass auch die Kommunen, die von Ihrer Partei regiert werden, immer wieder gesagt haben, dass da genauso gearbeitet worden ist, nämlich kreditiert worden ist, während das jetzt bestritten wird, kann ich Ihnen sagen, dass damals die Steuereinnahmen ganz andere waren. Sie wissen, die Steuereinnahmen in den Kommunen waren ganz andere, und die Steuereinnahmen im Land waren ganz andere. Vor diesem Hintergrund mache ich ja die Ausführungen. Das müssten Sie doch ehrlich einräumen. Sie rühmen sich doch alle nasenlang der hohen Steuereinnahmen, obwohl Sie gar nichts dafür können. Für die können nämlich ganz andere etwas. Ich sage es Ihnen gerne noch einmal, damit Ihre Heiterkeit steigt: Die jetzigen Steuereinnahmen bundesweit haben wesentlich etwas mit den Reformen zu tun, die die rot-grüne Bundesregierung bis 2005 über die Bühne bringen musste und für die Sie hier und an anderen Stellen die Opposition gespielt haben. Das ist der Punkt. Sie haben diese Steuereinnahmen nicht genutzt, um den Kommunen etwas davon zu geben, sondern in dieser kurzen Zeit ist der Kassenkreditstand tatsächlich um fast 40 % gestiegen. Ich finde, das ist für zweieinhalb Jahre eine Rekordleistung. Darauf können Sie sich schon etwas einbilden. (Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE]) Herr Innenminister, ich würde auch gerne zum ifoGutachten und zum Lenk-Gutachten etwas sagen. Landtag Nordrhein-Westfalen An all diesen Stellen haben Sie Ihre eigenen Versprechungen nicht eingehalten. Wenn man sich ansieht, wie Sie damit umgegangen sind: Das ifoGutachten war uns mehrfach versprochen und ist mehrfach verzögert worden, und es ist eben kein Zufall, dass es jetzt erst gekommen ist. Es ist auch kein Zufall, dass Sie die Beratungen hinter die Kommunalwahl 2009 ziehen. Herr Kollege Löttgen, ich will Ihnen an der Stelle auch ganz deutlich sagen: Es ist ebenfalls kein Zufall, dass Sie alle jetzt im ländlichen Raum immer noch so tun, als ob Sie für den ländlichen Raum eine Verbesserung schaffen würden. Im nächsten Jahr werden Sie ja irgendwann das ganze Elend zeigen müssen, das Sie verursachen. Deswegen machen Sie das erst nach der Kommunalwahl und nicht vor der Kommunalwahl. Das ist völlig klar, das ist Ihre Strategie, und deswegen legen wir auch den Finger in die Wunde. Zum NKF, Herr Innenminister, haben Sie eben gesagt: Es mag auch am NKF liegen, dass einige Kommunen aus den Nothaushalten herausgekommen sind. Herr Innenminister, ich habe Sie in den entsprechenden Sitzungen zweimal danach gefragt, auch Anfragen dazu gestellt, und ich sage Ihnen noch einmal ganz deutlich: Ausweislich Ihrer eigenen Auskünfte muss man den Eindruck haben, es sind nur NKF-Kommunen, die aus den Nothaushalten herausgekommen sind. (Beifall von Hans-Willi Körfges [SPD]) Es dreht sich ausdrücklich um Kommunen, die in das Neue Kommunale Finanzmanagement eingestiegen sind, vorübergehend die Ausgleichsrücklage geltend machen können und innerhalb kürzester Zeit die Ausgleichsrücklage aufgebraucht haben werden. Noch ein letzter Satz, um Ihre Aufmerksamkeit noch ein wenig zu erheischen: Bis heute haben Sie noch nicht einmal ein Konzept für die Kommunen vorgelegt, die nach NKF eine negative Eröffnungsbilanz vorlegen müssen. Auch davor drücken Sie sich, davor drückt sich diese Landesregierung mit diesem Innenminister, mit diesem vermeintlichen Kommunalminister bis heute, weil Sie kein Konzept für diese Problematik haben. Deswegen sind Sie alles andere als eine Kommunalpartei, Sie sind eine kommunalfeindliche Regierung und eine kommunalfeindliche Regierungsfraktion. – Schönen Dank. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Der Herr Minister hat sich noch 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11547 einmal gemeldet. Bitte schön, Herr Minister Dr. Wolf, Sie haben noch einmal das Wort. Dr. Ingo Wolf, Innenminister: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, dass ich noch einmal zur Aufklärung beitragen muss, weil Herr Becker auch im dritten oder vierten Versuch nicht einsehen wird, wo das Fehlverhalten liegt. Ich danke Herrn Kollegen Löttgen sehr für seine Nachfrage, die Herrn Becker ja erkennbar ins Schleudern gebracht hat; man hat es gemerkt. Nur für Sie zum Nachhalten, Herr Becker: Im Jahre 2000 – da waren die Grünen unstreitig in der Regierung, leider, aber es war so –betrugen die Kassenkredite 2,465 Milliarden €, und im Jahre 2005, als Sie abgewählt wurden, 10,67 Milliarden. Das nur einmal so, damit wir keine Geschichtsklitterung betreiben. Das macht sehr deutlich, was die frühere Landesregierung für Kommunen getan hat. Wir haben festzustellen, dass im Jahre 2007 der Finanzierungssaldo, über alle Kommunen gesehen, erstmals positiv war. Ich habe das beschrieben: Die Lage ist nicht rosig; aber es gibt einen Lichtstreif am Horizont. Wir versuchen, den Kommunen im Rahmen des Möglichen und des verfassungsmäßig Gebotenen zu helfen. Ich habe sehr deutlich gesagt, dass NKF dazu beigetragen haben kann, aber natürlich können auch die besseren Einnahmen dazu beigetragen haben, sodass die positive Entwicklung in den Kommunen, die sich ins NKF bewegt haben, natürlich auch eine Rolle gespielt hat. So, wie es häufig ist, gibt es manchmal mehrere Ursachen. Zum Lenk-Gutachten werden Sie nicht einsichtig werden, Herr Becker. Fragen Sie die kommunalen Spitzenverbände! Wir haben feste Verabredungen mit denen, dass die ihre Prüfung vornehmen können. Sie selber sind offensichtlich nicht in der Lage, ein Urteil über dieses Gutachten abzugeben. Da werden nur nebulöse Äußerungen getan. Wir wissen, dass es eine schwierige Materie ist und dass die Kommunen, bevor sie in weitere Gespräche mit uns eintreten, ihrerseits fachlichen Rat suchen. Das halte ich nur für fair und anständig. Wir gehen jedenfalls auf diesem konsensualen Wege mit den kommunalen Spitzenverbänden weiter. – Vielen Dank. (Beifall von der CDU) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit sind wir am Schluss der Beratung. Landtag Nordrhein-Westfalen Wir kommen zur Abstimmung über das Haushaltsgesetz 2009 Drucksache 14/7000 und die Finanzplanung des Landes Nordrhein-Westfalen Drucksache 14/7001. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung der vorgenannten Haushaltsvorlagen an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend – sowie die zuständigen Fachausschüsse mit der Maßgabe, dass die Beratung des Personalhaushalts einschließlich aller personalrelevanten Ansätze im Haushalts- und Finanzausschuss unter Beteiligung seines Unterausschusses „Personal“ erfolgt. Wer ist für diese Überweisungsempfehlung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen. Wir kommen zum Zweiten zur Abstimmung über den Gesetzentwurf zur Regelung der Zuweisungen des Landes Nordrhein-Westfalen an die Gemeinden und Gemeindeverbände im Haushaltsjahr 2009 Drucksache 14/7002. Auch hier empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung des Gemeindefinanzierungsgesetzes an den Haushaltsund Finanzausschuss – federführend – sowie den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Wer ist für diese Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist auch diese Überweisung einstimmig beschlossen. Ich rufe auf: 3 Fragestunde Drucksache 14/7360 Mit der Drucksache liegen Ihnen die Mündliche Anfrage 220 aus der letzten Fragestunde sowie die Mündlichen Anfragen 223 bis 234 vor. Ich rufe die Mündliche Anfrage 220 der Frau Kollegin Dr. Boos von der Fraktion der SPD aus der letzten Fragestunde auf: Stipendien aus Studiengebühren Vor nicht allzu langer Zeit – vor der Einführung der Studiengebühren – wurde vonseiten der Befürworter der Studiengebühren immer wieder angekündigt, dass zur sozialen Abfederung massiv Stipendienprogramme eingeführt werden sollten. Das Problem war nur, dass diese immer jemand anderes finanzieren sollte. Die Politik forderte die Unternehmen auf, die Unternehmen forderten das Land auf, der Landesminis- 11548 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 ter forderte den Bund auf, der Bund die Unternehmen usw. Am Ende wurden bisher in NRW nur Stipendienprogramme eingeführt, die sich aus der Geldquelle speisen, die sich von Anfang an nicht dagegen wehren konnte: den Studierenden. Sie finanzieren an mehreren Standorten über ihre Studiengebühren Stiftungen, welche Stipendien vergeben. Die Studierenden dieser Hochschulen sehen in diesen Stiftungen nur ein weiteres Beispiel dafür, dass die sowieso ungewollten Studiengebühren alles andere als zeitnah in der Lehre eingesetzt werden. Zudem sind die Konstruktion der jeweiligen Stiftungen und die Stipendienvergabe für die beteiligten Studierenden oftmals intransparent, sodass vor Ort davon ausgegangen wird, dass von den Stipendien eben nicht einkommensschwächere Studierende profitieren. Sind der Landesregierung Daten über die soziale Zusammensetzung dieser Stipendiaten bekannt? Ich bitte Herrn Minister Dr. Pinkwart um Beantwortung. Herr Minister, bitte schön. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr geehrter Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Frau Dr. Boos, ich könnte die in der Mündlichen Anfrage gestellte konkrete Frage zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit einem Nein beantworten. Ich möchte dies gleichwohl nicht tun. Der ganze Duktus der Mündlichen Anfrage zeigt nämlich das große Misstrauen, welches anscheinend gegen Stipendienmodelle bei Ihnen gehegt wird, die eine auch privat finanzierte Komponente aufweisen. Darüber hinaus wird anscheinend versucht, die soziale Komponente und den Leistungsgedanken gegeneinander ausspielen zu wollen. Beides, das primär ideologisch motivierte Misstrauen gegen eine private Kofinanzierung von Stipendien und die Abwertung des Leistungsgedankens, führt meines Erachtens in die Irre. Ich habe kürzlich den Anstoß für die Schaffung eines nationalen Stipendiensystems gegeben. Hierüber wird derzeit zwischen Bund und Ländern diskutiert. Ein solches nationales Stipendiensystem soll sich an besonders begabte Studierende richten und je zur Hälfte aus öffentlichen und privaten Mitteln gespeist werden. Die Hochschulen sollen Stipendienmittel aus der Wirtschaft und von Privaten einwerben können, die durch staatliche Mittel im Verhältnis 1:1 aufgestockt werden. Landtag Nordrhein-Westfalen 11549 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Mein Vorschlag sieht eine Stipendienhöhe von 300 € im Monat vor und strebt stufenweise einen Ausbau des Stipendienwesens auf bis zu 10 % der Studierenden an – heute erhalten nicht einmal 2 % aller Studierenden in Deutschland ein Stipendium –, wobei diese 300 € nach dem Vorschlag einkommensunabhängig ausgezahlt würden. Das heißt, ein BAföG-Empfänger würde zusätzlich zu seinem BAföG 300 € erhalten können und jener oder jene Studierende, der oder die aufgrund des elterlichen Einkommens knapp keinen BAföGAnspruch hat, würde auch einkommensunabhängig 300 € zusätzlich erhalten können. gen leisten einen wertvollen Beitrag zur sozialen Förderung der Studierenden. Ein derartiges nationales Stipendiensystem wäre ein Quantensprung in der Studienfinanzierung. In einem derartigen System könnten sehr viel mehr leistungsstarke Studierende finanziell gefördert werden, als dies derzeit der Fall ist. Im Übrigen haben alle 16 Bundesländer und auch die Bundesbildungsministerin in der GWK Handlungsbedarf auf diesem Feld eingeräumt. Auch hier wieder deckt sich der Duktus der Mündlichen Anfrage nicht mit der Realität an unseren Hochschulen. Man sollte deshalb gar nicht erst versuchen, das nationale Stipendiensystem schlechtzureden. Man schadet damit letztlich nur den Studierenden und hilft niemandem. Es gibt auch Beispiele, die bereits jetzt schon zeigen, dass wir auf einem guten Weg sind. Der Studienfonds Ostwestfalen-Lippe, ein gemeinnütziger Verein – ein Zusammenschluss von fünf Hochschulen der Region Ostwestfalen-Lippe –, wirbt Spendengelder ein und vergibt Stipendien sowohl an besonders Begabte als auch an finanziell bedürftige Studierende. Der Studienfonds OWL fördert mittlerweile knapp 160 Studierende mit Stipendien in Höhe von 1.000 bis 4.000 € pro Jahr. 10 % der Stipendien werden explizit nach dem Kriterium sozialer Bedürftigkeit vergeben. Mittlerweile liegen nach Auskunft des Fonds Spenden und Spendenzusagen in Höhe von 900.000 € vor. Es gibt eben sehr wohl die Bereitschaft in unserer Gesellschaft und auch der Wirtschaft, etwas für die finanzielle Förderung unserer Studierenden zu tun. Man muss versuchen, diesen Schatz zu heben und ihn nicht zu diskreditieren. Wir dürfen nach meiner festen Überzeugung keine Chancen vertun. Durch Studienbeiträge gespeiste Stiftungen der Hochschulen gibt es derzeit an drei Hochschulen, nämlich an der Universität Duisburg-Essen und an den Fachhochschulen Bochum und Münster. An der Fachhochschule Köln und an der Technischen Universität Dortmund laufen die stiftungsrechtlichen Anerkennungsverfahren. Alle diese Stiftun- So fördert die Münsteraner Fachhochschulstiftung „Qualität in Studium und Lehre“ begabte Studierende und Nicht-EU-Ausländer mit ausgezeichneten Leistungen. Hier war es ein dringender Wunsch der Studierenden, dass nur leistungsfähige Studierende aufgrund nachgewiesener Leistungen gefördert werden. Die Vergabe der Stipendien erfolgt hier transparent und aufgrund einer klar definierten Ausschreibung im Rahmen klarer Förderrichtlinien. Außerdem ist mir wichtig, Folgendes zu betonen – ich habe das schon mehrfach getan und bin gerne bereit, es noch einmal zu unterstreichen –: Unser nordrhein-westfälisches Studienbeitragsmodell ist das am weitesten sozial abgefederte Modell aller Bundesländer. Studienbeiträge brauchen niemanden vom Studium abzuschrecken, weil es das Studienbeitragsdarlehen und eine Deckelung in der Rückzahlung gibt, die annähernd zwei Drittel unserer BAföG-Empfänger am Ende des Bildungsweges beitragsfrei stellt. Gerade deshalb flankieren unter sozialen Gesichtspunkten Stipendien das Studienbeitragsmodell allenfalls. Angesichts der weitreichenden sozialen Absicherung der Studienbeiträge sind Stipendien für das Beitragssystem aber nicht essenziell. Gerade deshalb ist es mir auch wichtig, die Vergabe von Stipendien mit dem Leistungsgedanken zu verknüpfen. Letztlich kommen im Studienbeitragsmodell so soziale Fairness und Leistung zusammen. – Vielen Dank. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Es liegen bisher zwei Fragen vor. Bitte schön, Frau Seidl. Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Herr Minister, Sie haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten sehr für dieses nationale Stipendiensystem eingesetzt und haben es beworben. Wir haben alle sehr gespannt darauf gewartet, welches Ergebnis diese letzte GWK-Sitzung bringen würde. Deswegen haben wir uns gewundert und gefragt, wie es kommt, dass Ihr Vorschlag für dieses bundesweite Stipendienmodell in der letzten GWKSitzung bei Ihren Länderkollegen, unter anderem auch bei Frau Schavan, eben nicht auf Zustim- Landtag Nordrhein-Westfalen mung gestoßen ist und damit diese Pläne quasi gescheitert sind. Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, bitte schön. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Seidl, ich weiß nicht, aus welchen Quellen Sie diese Schlussfolgerung ableiten wollten. Denn bemerkenswert ist, dass die GWK auf Antrag Nordrhein-Westfalens die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beschlossen hat, die – aufsetzend auf unseren Vorschlag – genau das Thema zum Gegenstand hat, ein solches nationales Stipendiensystem zu entwickeln. Im Übrigen hat den Vorsitz dieser Arbeitsgruppe das Land Nordrhein-Westfalen. Der Bund und auch A- und B-Länder wirken mit. So zügig, wie wir ansonsten auch zu arbeiten pflegen, haben wir auch hier wieder gearbeitet; denn die Arbeitsgruppe hat schon getagt. Sie wird ein weiteres Mal tagen. Wir sind zuversichtlich, dass wir rechtzeitig zum Bildungsgipfel – das ist jedenfalls das Ziel der nordrhein-westfälischen Landesregierung und auch unser Ziel in der Arbeitsgruppe – mit Ergebnissen auch in dieser Frage aufwarten können. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Dr. Boos hat eine Frage. Bitte schön. Dr. Anna Boos (SPD): Ich bedanke mich ganz herzlich für Ihre ausführliche Antwort. Ich möchte für meine Fraktion sagen, dass wir keinerlei Misstrauen gegen Stipendien haben. Ansonsten finde ich es etwas irritierend, wenn Sie den Duktus der Anfrage in den Raum stellen. Nichtsdestotrotz möchte ich jetzt weiter fragen, denn ich weiß, dass das Rektorat der Fachhochschule Münster, bevor die Stiftung eingerichtet wurde, rechtliche Bedenken geäußert hatte. Sie wurden dann vom Wissenschaftsministerium ausgeräumt. Die Bedenken lauteten, es würden hier Studierende und Eltern zu Zahlungen herangezogen, um dann letztendlich für andere aus dieser Stiftung Studiengebühren zu zahlen. Warum hatte das Ministerium an dieser Stelle keine Bedenken? Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Frau Boos, ich kann den Vorgang weder bestätigen noch sonstwie kommentieren. Stipendienge- 11550 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 bühren kenne ich schon von der Begrifflichkeit her nicht. Wenn Sie meinen, dass die Möglichkeit gegeben wäre und das möglicherweise kritikwürdig sei, dass auch aus Studienbeitragseinnahmen studienbeitragsbezogene Stipendien gewährt werden, dann empfehle ich einen Blick in das vom Landtag beschlossene Studienbeitragsgesetz. Denn das ist die Rechtsgrundlage für das Handeln der Hochschulen, die ich eben genannt habe, also auch für Münster, die auf studienbeitragsbezogene Stipendien abstellen. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Kollegin Gebhard stellt die nächste Frage. Bitte schön. Heike Gebhard (SPD): Herr Minister, ich würde gerne auf diese rechtliche Frage zurückkommen. Es ist die spannende Frage, welcher Anteil von Studiengebühren einer Hochschule in eine solche Stiftung fließen darf, um daraus anschließend Stipendien zu zahlen. Normalerweise sind die Studiengebühren, die Sie Beiträge nennen, dazu da, unmittelbar die Situation in Studium und Lehre zu verbessern. Dieses hier allerdings kommt nur einigen wenigen Personen zugute, aber nicht der Mehrheit der Studierenden. Von daher wäre die spannende Frage: Wie viel Prozent der Studiengebühren dürfen maximal in diese Stiftung fließen? Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, bitte schön. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Gebhard, auch hier kann ich ähnlich lautend antworten: Auch das ist im Gesetz, konkret in der Begründung des Gesetzes, schon verankert. Denn dort steht, dass bis zu 20 % der Studienbeitragseinnahmen für den Aufbau eines Stipendienwesens genutzt werden können. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. Zu ihrer zweiten und letzten Frage hat sich Frau Dr. Seidl gemeldet. Bitte schön, Frau Dr. Seidl. Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister Pinkwart, noch eine Nachfrage zu dem nationalen Stipendiensystem. Mich interessiert vor dem Hintergrund, dass die Wirt- Landtag Nordrhein-Westfalen schaft innerhalb des Stipendiensystems einen großen Beitrag leisten muss: Welche konkreten Zusagen aus der Wirtschaft haben Sie zur Finanzierung Ihres Stipendienmodells? Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, bitte. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Seidl, wir haben natürlich auch aus der Wirtschaft ein Echo erhalten. Ich habe selbst beim Stifterverband der Deutschen Wissenschaft dazu vortragen können. Der Verband hat sich wie auch die anderen Verbände der deutschen Wirtschaft nachhaltig positiv gegenüber der GWK, die dazu eine Abfrage vorgenommen hatte, geäußert. Hier gibt es eine hohe Bereitschaft, allerdings gekoppelt an die Forderung nach einer dezentralen Ausgestaltung eines solchen Systems. Sprich: Es gibt keine erkennbare Bereitschaft, in einen anonymen Fonds einzuzahlen, der dann von der Politik verwaltet wird. Das wäre eine Art zweiter Steuer, die man dann erheben würde. Deswegen unser Ansatz: dezentrale Einwerbung über die Hochschulen. Dann herrscht eine hohe Bereitschaft, sich zu engagieren. Wir müssen natürlich auch die Voraussetzung dafür schaffen. Ich hatte das Beispiel OWL genannt. Hier ist OWL mal wieder – ich darf das als Rheinländer mit hoher Anerkennung sagen – vorangegangen. Die OWLer haben aus eigener Initiative ein System aufgebaut – mit vielen kleinen Unternehmen und Privatleuten, die dort als Initiatoren aufgetreten sind. Da ist schon einiges zusammengekommen, was weiter aufwachsen wird. Wenn es dazu einen zusätzlichen Anreiz, wie wir uns ihn vorstellen, gibt, dann erwarten wir, dass endlich die in Sonntagsreden immer gerne eingeforderte Mobilisierung erreicht wird. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Dr. Boos hat sich zu einer zweiten Frage gemeldet. Bitte, Frau Kollegin. Dr. Anna Boos (SPD): Wir haben gehört, dass die Möglichkeit der Stiftung im Gesetz verankert ist. Ist aber nicht grundsätzlich die Konstruktion der Stiftung problematisch, wenn im Gesetz auch steht, dass die Gelder zeitnah zur Verbesserung der Studienbedingungen herangezogen werden müssen? 11551 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Herzlichen Dank, Herr Präsident! Liebe Frau Boos, meine Damen und Herren, natürlich setzt eine solche Stiftung dann, so wie es der Gesetzgeber formuliert hat, voraus, dass die Stipendien auch zeitnah gewährt werden. Das heißt, soweit Mittel da sind, sollen sie auch zur Stipendienvergabe genutzt werden. Stipendien würden in dem konkreten Fall etwa mit Blick auf die Bedingungen, die ich am Beispiel Münster eben genannt hatte, die Studiermöglichkeiten verbessern. Wir liegen damit genau im Geiste des Studienbeitragsgesetzes. Die andere Möglichkeit sind Befreiungstatbestände. Das ist der andere Weg. Sie haben gefordert, wir müssten noch mehr Befreiungstatbestände schaffen. Eine Menge solcher Tatbestände finden sich schon im Gesetz. Darüber hinaus haben wir den Hochschulen die Freiheit eingeräumt, noch eigene Befreiungstatbestände zu benennen. Das heißt, dort verzichtet man gänzlich auf einen Beitrag von Studierenden, obwohl sie die Vorteile, die Studienbeiträge der anderen Kommilitonen für die Hochschule erbringen, mit in Anspruch nehmen. Das möchte ich auch noch einmal gerne erwähnen. Regelungen, um besondere, auch soziale Härtefälle zu berücksichtigen, sind im Gesetz verankert. Die Hochschulen können sie selbst weiter ausgestalten. Und zusätzlich ist die Möglichkeit eröffnet, ein Stipendienmodell zu realisieren. Das halten wir auch für sehr sachgerecht. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Kollegin Hendricks hat eine Frage. Bitte schön, Frau Kollegin. Renate Hendricks (SPD): Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben gerade die Frage von Frau Dr. Seidl nach der Größenordnung sowie danach, wer bisher als Spender oder Stifter infrage gekommen sei, sehr ausweichend beantwortet. Da Sie als Beispiel für regionale Aktivitäten auf Münster verwiesen haben, möchte ich von Ihnen wissen, ob Sie uns einmal eine Größenordnung auch im Hinblick auf die Zeitschiene nennen können, damit wir eine Vorstellung bekommen, welche Zusagen in einer Region dieses Landes bisher vorliegen. Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, bitte schön. Landtag Nordrhein-Westfalen 11552 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Hendricks, wir haben in Deutschland schon sehr lange über Stipendien geredet. Wer sich einmal die Stipendienbilanz ansieht, stellt fest, dass es deutlich zu wenige sind. mittlerweile schon recht erfolgreich geworden; aber auch diese haben ihr Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Wir erhoffen uns, dass das noch stärker Platz greift, und versuchen, hierfür bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich bin da ganz zuversichtlich. Im Hinblick auf die Frage, welchen Beitrag die Länder leisten, die – erst recht nach der Föderalismusreform – eigentlich die Hauptzuständigkeit haben, stelle ich fest, dass die Länder bislang auf dem Gebiet der Stipendien so gut wie nichts leisten; es sind weniger als 5 %. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Ihre zweite und letzte Frage stellt jetzt Frau Kollegin Gebhard. Die Hauptlast trägt der Bund. Er hat in den letzten Jahren etwas mehr getan; das muss man anerkennen. Sieht man von Sonntagsreden ab, sind seitens der Politik aber keine Anstrengungen unternommen worden, nach Konzepten und Anreizmechanismen zu suchen, um überhaupt private Stärke in dieses Stipendienwesen einzubinden und den Kuchen so groß zu machen, dass wir mehr jungen Leuten, die es verdient hätten, ein solches Stipendium auch gewähren könnten. Das wird ein schwieriger Weg werden; dessen bin ich mir völlig bewusst. Aber wir arbeiten erstmalig in Deutschland daran. Ich freue mich darüber, dass Bundesbildungsministerin Frau Schavan dies ebenso wie die Länder unterstützen und wir endlich konstruktiv darangehen können. Es gibt positive Stimmen aus der Wirtschaft – das habe ich dargelegt –, und die Wirtschaft und die Hochschulen erwarten, dass die Politik jetzt klärt, wie sie sich das vorstellt. Wir arbeiten daran, dass in den nächsten Jahren – das ist unsere Vorstellung – ein Aufwuchs von heute knapp 2 % bis auf 10 % der Studierenden nach diesem Mechanismus schrittweise Platz greifen kann. Dabei bin ich besonders zuversichtlich, dass Hochschulen, die wie in Nordrhein-Westfalen über neue Eigenständigkeiten verfügen, es in besonderer Weise schaffen können, die Großen in der Wirtschaft, die regionale Wirtschaft, aber auch die Ehemaligen und die Bürgerinnen und Bürger in der Region für so etwas zu gewinnen. Dafür gibt es eine wachsende Bereitschaft, vor allen Dingen dann, wenn man sich mit der Hochschule identifizieren kann. Dabei bauen wir erstmalig – das ist ja noch ganz jung in Deutschland – darauf, dass Hochschulen auch konzeptionell solche Möglichkeiten des Hochschulsponsorings entwickeln. Einige wie die RWTH Aachen oder die TU München sind hier Heike Gebhard (SPD): Vielen Dank. – Herr Minister, ich möchte auf die Problematik zurückkommen, dass Stipendienprogramme aus Studiengebühren finanziert werden, obwohl die Pflicht besteht, dass die Beträge aus Studiengebühren zeitnah ausgezahlt werden. Nun kommen sie in Fonds mit dem Konstrukt einer Stiftung. Es ist aber das Wesen einer Stiftung, dass sie nicht ihre Einlagen, sondern nur ihre Überschüsse auszahlt. Das heißt, die Stiftungseinlage von Dritten müsste so groß sein, dass das, was die Stiftung ausschütten kann, mindestens dem entspricht, was an Studiengebühren hereinkommt. Andernfalls könnte sie die zeitnahe Auszahlung nicht sicherstellen. Ist dies gewährleistet, kontrollieren Sie mit Ihrem Haus bei der Zulassung der Stiftungen, dass dies erfolgt? Anderenfalls sähe ich doch für die inzwischen eingereichte Klage einen sehr großen Erfolg und die Gefahr, dass die Stiftung an dieser Stelle scheitert. Vizepräsident Oliver Keymis: Der Minister nickt schon mit dem Kopf. – Bitte schön, Herr Minister. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Frau Gebhard! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren jetzt parallel: Die Fragestunde bezieht sich auf eine konkrete Frage, und wir diskutieren parallel ein weiteres Thema. Bei dem zweiten Thema geht es darum, was im Rahmen des Studienbeitragsgesetzes rechtlich möglich ist, um Stipendien für einen Studienbeitrag zu gewähren. Es geht nicht um ein Lebenshaltungsstipendium – damit hier keine Missverständnisse aufkommen –, sondern darum, dass Stipendien ausgereicht werden können, die den Studienbeitrag ersetzen. Das ist im Rahmen des Studienbeitragsgesetzes geregelt, und das haben wir natürlich, Frau Gebhard, wie Sie gefragt haben, bei jeder Stiftung rechtlich geprüft. So, wie die Dinge uns dort vorgelegt und endgültig geregelt worden sind, bewer- Landtag Nordrhein-Westfalen ten wir sie als rechtmäßig. Dass es im Rahmen unserer Rechtsaufsicht in der laufenden Umsetzung jeweils weiterverfolgt wird, ist selbstverständlich. Das andere ist das, worüber wir durch die Frage von Frau Seidl im Rahmen dieser Fragestunde eigentlich diskutieren: mein Vorschlag eines nationalen Stipendiensystems, 300 € pro Monat. Dies würde nicht aus Studienbeitragseinnahmen finanziert werden können, sondern hier ginge es um ein eigenständiges Stipendienwesen, das wir dadurch aufbauen, dass Private und nicht Studienbeiträge die Kofinanzierung stellen. Das wollte ich hier nur noch einmal klarstellen und der guten Ordnung halber abgegrenzt haben. Aber die rechtlichen Fragen haben wir natürlich geklärt, und die Konstruktionen sind jeweils mit dem Studienbeitragsgesetz als vereinbar festgestellt worden. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Für eine dritte und letzte Frage hat sich Frau Kollegin Dr. Boos gemeldet. Dr. Anna Boos (SPD): Das wäre fast meine Frage gewesen. Vielleicht kann ich noch einmal deutlich erklärt bekommen, wie diese beiden Stränge zusammenlaufen. Es geht darum, ob die Stiftungen zur Kofinanzierung von Stipendien herangezogen werden, wenn die geplanten Stipendienprogramme von der Landesregierung finanziert werden müssen. Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister, bitte schön. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Herr Präsident! Liebe Frau Boos! Meine Damen und Herren! Absolut nein, weil sie getrennt zu betrachten sind. Das eine, dass also ein Stipendium in Höhe des Studienbeitrags gewährt werden kann, ist schon nach Studienbeitragsgesetz möglich. Dafür kann man Stiftungen einrichten. – Das ist das, was schon geht. Das andere wollen wir gerne aufbauen. Das ist unabhängig von Studienbeiträgen zu betrachten. Die Kofinanzierung, die wir uns von Privaten für das nationale Stipendienprogramm erwarten, darf nicht aus Studienbeitragsstiftungen kommen. Das würde im Widerspruch zum Studienbeitragsgesetz stehen. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11553 Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Fragen zur Mündlichen Anfrage 220 liegen nicht vor. Ich rufe auf die Mündliche Anfrage 223 der Abgeordneten Steffens von der Fraktion der Grünen im Landtag NRW: „Personalrat wirft Rüttgers Outsourcing vor“, lautet die Überschrift eines Artikels im „Kölner Stadt-Anzeiger“ am 19. August 2008 In dem Beitrag ist die Rede von einem Brief des Personalrates der Staatskanzlei an den Ministerpräsidenten, in dem der Vorwurf erhoben worden sei, es bestünde die Absicht, Botendienste und Pfortendienst sowie die Druckerei aus der Staatskanzlei outsourcen zu wollen. Und dies entgegen den von dem Ministerpräsidenten bei Unternehmen eingeforderten Tugenden, die mit solchen Absichten nicht vereinbar sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Ministerpräsidenten: Hat Outsourcing gerade bei Boten- und Pfortendiensten einen anderen Zweck, als über niedrigere Löhne der Beschäftigten Einsparungen zu erzielen? Ich bitte Herrn Minister Krautscheid um Beantwortung. Bitte schön, Herr Minister. Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Steffens, zunächst einmal danke schön, dass wir die Reihenfolge der Beantwortung der Fragen umdrehen konnten. Ich saß noch in einem Gespräch, weil wir vor der Zeit sind. Frau Abgeordnete, die Landesregierung hat sich bekanntlich zum Ziel gesetzt, im Rahmen ihrer Haushaltskonsolidierung die bestehenden kwStellen konsequent abzubauen. Betroffen von diesem Abbau sind sämtliche Arbeitsbereiche, auch sehr kleine Arbeitsbereiche. Ihre Frage liegt in Teilen etwas außerhalb dieses Themas. Sie haben in Ihrer Anfrage ja drei Arbeitsbereiche der Staatskanzlei angesprochen. Zum einen geht es um die Druckerei, die bislang vorgehalten worden ist. Die Schließung der Druckerei ist die Folge der Digitalisierung. Die „Presseschau“ wird, wie die meisten von Ihnen sicherlich gemerkt haben, mittlerweile nicht nur digital erstellt, sondern auch digital versandt, sodass die Landtag Nordrhein-Westfalen 11554 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Druckerei überflüssig geworden ist. Dieser Stellenabbau ergibt sich übrigens erstmalig aus einem Organisationsgutachten aus dem Jahr 2000. Die damalige Vorgängerregierung hat genau dieses empfohlen, sprich: Digitalisierung der Presseschau, Schließung der eigenen Druckerei. innerhalb der Staatskanzlei deutlich zu machen, im Pfortendienst zwei Mitarbeiter. Diese haben bereits Angebote zur Weiterbeschäftigung im Hause bekommen. Ich weise darauf hin, dass eine Mitarbeiterin mit Unterstützung und Förderung in der Bibliothek beschäftigt wird. Der zweite und dritte Bereich, die Sie ansprechen, sind der Botendienst und der Pfortendienst. Hier ist schlicht zu beobachten, dass, wenn auch in diesen Bereichen, wie vorgesehen und vom Parlament gewünscht, kw-Stellen abgebaut werden, diese sehr, sehr kleinen Bereiche nicht mehr funktionstüchtig sind, weil dann eigenes Personal dann nicht mehr in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen würde, ohne neue Mitarbeiter einzustellen. Da dies kontraproduktiv wäre, ist entschieden worden, diese Bereiche in private Hände zu übergeben. Die Einsparung von Kosten ist nicht das Ziel dieser Übung. Wir rechnen nicht mit einer Senkung der Kosten in dem Bereich. Ziel des Outsourcing ist es nicht, durch niedrigere Löhne Einsparungen zu erreichen, denn die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden an anderer Stelle, zum Teil in der Staatskanzlei, weiterbeschäftigt. Die Staatskanzlei wird bei der Beauftragung von externen Dienstleistern besonderen Wert auf eine tarifliche Bezahlung dieser neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter legen. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Steffens hat sich für eine erste Nachfrage gemeldet. Bitte schön, Frau Kollegin Steffens. Barbara Steffens (GRÜNE): Herr Minister, ich möchte es am Beispiel der Pforte deutlich machen: An der Pforte wird das Personal benötigt. Es gab vorher Personal, das nach dem Tarif des Hauses bezahlt worden ist. Wenn man outsourct, kommt ein Unternehmen, das andere Tarife zahlt. Das heißt, die Einsparung – das ist der einzige Sinn und Zweck eines Outsourcing – findet auf Kosten der Beschäftigten statt. Das passt für mich nicht mit den Erwartungen zusammen – das müssten Sie mir noch einmal erklären –, die der Ministerpräsident an die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen gerichtet formuliert. Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister. Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Verehrte Abgeordnete Steffens, Sie haben es vom Ablauf her falsch verstanden. Es geht nicht darum, diese Mitarbeiter sozusagen an einen Privaten weiterzureichen. Betroffen sind, um die Größenordnung Es geht vielmehr darum, dass, wenn man in sehr kleinen Bereichen kw-Stellen realisiert, man den Leistungsumfang nicht mehr aufrechterhalten kann. Das können Sie ganz einfach an Folgendem erkennen: Wenn man nur zwei Leute hat und man das Personal weiter reduziert, dann kann man zum Beispiel nicht mehr einen bestimmten Umlauf an Botengängen vorhalten und bestimmte Schließdienste erfüllen. Wenn aber auch in diesem Bereich kw-Stellen realisiert werden sollen – das ist der Fall –, kann eine Aufrechterhaltung der Dienstleistungsfähigkeit nur durch eine Abgabe der Aufgabe an einen Dienstleister erreicht werden. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Töns hat eine Frage. Bitte schön, Herr Kollege. Markus Töns (SPD): Herr Minister, ich frage Sie: Was meinen Sie, wie sich die Boten und Pförtner fühlen, die in der Zeitung lesen dürfen, dass sie samt Stellen ausgelagert, outgesourct werden, während am oberen Ende in der Staatskanzlei neue hochdotierte unbefristete Stellen geschaffen werden? Meine Frage zielt also insbesondere auf das Betriebsklima ab. Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister. Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Ich glaube, die Betroffenen – ich kann Ihnen nachweisen, dass das im Einzelnen so gehandhabt worden ist – werden sich mit dieser Abfolge ausgesprochen wohlfühlen, weil sie in keiner Weise eine Verschlechterung erfahren sollen. Ich habe eben ein Beispiel genannt, wo jemand, der bis jetzt im Botendienst gearbeitet hat, zukünftig in der Bibliothek eingesetzt wird. Daneben gibt es Mitarbeiter aus der Druckerei, die sehr erfolgreich an andere Stellen in der Landesverwaltung vermittelt worden sind. Es hat also für die Betroffenen keinerlei Folgen, die in dem von Ihnen beschriebenen Kontrast spürbar werden. Landtag Nordrhein-Westfalen Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Frau Kollegin Steffens hat eine zweite Nachfrage. Barbara Steffens (GRÜNE): Ich habe das Gefühl, dass Sie meine Frage nicht verstanden habe. Es gab vorher Leute, die an der Pforte saßen, und es gibt jetzt Leute, die an der Pforte sitzen. Im Gegensatz zu der klassischen kw-Stelle fällt ja hier die Aufgabe nicht weg, sondern die Aufgabe der Pforte besteht weiter. Die Menschen, die demnächst an der Pforte sitzen, bekommen ein anderes Gehalt als diejenigen, die bisher da saßen, weil sie outgesourct über ein externes Unternehmen beschäftigt sind. Das genau aber ist die Forderung des Ministerpräsidenten Unternehmen gegenüber, dass Firmen nicht ihr Personal abbauen sollen, um über externe, sozusagen outgesourcte Unternehmen die Lohnkosten zu drücken. Wie passt das zusammen? Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister. Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Wir haben ein kleines Kommunikationsproblem. Sie glauben, dass ich Sie falsch verstanden habe, und ich glaube, dass Sie mich falsch verstehen. Das ist jetzt schwer auflösbar. Ich versuche es trotzdem noch einmal. Ich würde Ihnen sofort beipflichten, wenn es durch diese Maßnahmen zu persönlicher Betroffenheit – entweder durch Freisetzung von Personal oder durch Schlechterstellung von Personal – käme. Dies geschieht ausdrücklich nicht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jetzt entweder Botendienste versehen oder an der Pforte arbeiten, werden an anderen Stellen weiterbeschäftigt. Stattdessen kommt dort Personal von privater Seite zum Einsatz, wobei wir keine Kostenreduzierung anstreben und erwarten. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Kutschaty hat eine Frage. Bitte schön, Herr Kollege. Thomas Kutschaty (SPD): Vielen Dank. – Mich interessiert, welche Unternehmen es denn sind, die diese zukünftig privaten Stellen mit Mitarbeitern besetzen werden. Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister. 11555 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Danke schön. – Für den Botendienst wird im Moment die Ausschreibung vorbereitet. Insofern kann ich Ihnen da noch keine Firmen nennen. Es soll vergleichbar gehandelt werden wie bei einem Pilotprojekt, das im Ministerium für Bauen und Verkehr durchgeführt worden ist. Kriterien bei der Ausschreibung sind die tarifliche Bezahlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und natürlich auch Sicherheitsfragen bei den Dienstleistungen sowie eine entsprechende Präsenz einer gewissen Anzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Bei dem Pfortendienst gibt es bereits einen Rahmenvertrag für Nacht- und Wochenenddienstbewachung des Stadttores. Wir gehen davon aus, dass wir von dem Personal, das bereits im Stadttor tätig ist, weitere Dienstleistungen beziehen können. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Kollege Trampe-Brinkmann hat sich gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege. Thomas Trampe-Brinkmann (SPD): Herr Minister, Sie haben gerade gesagt, dass das Personal aus dem Pfortendienst bzw. aus dem Botendienst an andere Stellen der Landesverwaltung versetzt wurde. Handelt es sich bei den Stellen, die von diesen Mitarbeitern dort jetzt übernommen wurden, um neu eingerichtete Stellen? Oder hatten diese Stellen einer höherwertigen Tätigkeit auch bisher in der Landesverwaltung schon Bestand und mussten neu besetzt werden? Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister. Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Nach den Fakten und Erkenntnissen, die mir vorliegen, sind es keine zusätzlichen oder neuen Stellen. Das lasse ich aber gerne prüfen. Ich würde Ihnen die Antwort gerne schriftlich nachreichen; denn nach den Unterlagen, die ich hier habe, kann ich mich jetzt nicht festlegen. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Zweite und letzte Frage von Herrn Kollegen Töns. Bitte schön, Herr Kollege. Markus Töns (SPD): Herr Minister, wenn ich das jetzt richtig verfolgt habe, haben Sie noch keine konkreten Zahlen genannt. Können Sie genau sa- Landtag Nordrhein-Westfalen gen, um wie viele Stellen es sich in diesem Fall handelt? Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Minister. Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Für zwei Bereiche hatte ich Zahlen genannt, nämlich für die Botenmeisterei und die Pforte. Dort sind es jeweils zwei. In der Druckerei – wie gesagt, unter der Überschrift der Empfehlung, die Druckerei wegen der Digitalisierung aufzugeben – sind es fünf. Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Priggen hat sich gemeldet. Bitte schön, Herr Priggen. Reiner Priggen (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Herr Minister, dass die Arbeit der Druckerei in den Landtag verlagert werden soll, leuchtet mir völlig ein. Die Digitalisierung hat da in der Tat Effekte. Es ist auch erfreulich, dass Sie die dort Beschäftigten dann im Haus übernehmen können. Trotzdem entsteht an dieser Stelle ein bestimmter Eindruck. Es sind ja recht einfach bezahlte Stellen. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als wir öfter dort oben waren. Das ist nichts besonders gut Bezahltes. Sie nehmen den dort beschäftigen Leuten jetzt ihren Sicherheitsstatus. Sie waren vorher Angestellte der Staatskanzlei mit einfacheren Tätigkeiten. Das ist auch ein Stück Sicherheit. Das Ganze wird in der üblichen rabiaten Methode durch Outsourcing ersetzt. Die auf diesen Arbeitsplätzen Beschäftigten verlieren ein Stück weit an Sicherheit. Oben im Haus bedienen Sie sich hingegen mit Stellen. Dort oben wird zu besseren Konditionen eingestellt, während die Arbeitsplätze für die einfachen Leute unten über Ausschreibungen an andere abgegeben werden – mit all den Wechseln, wie wir sie hier auch manchmal erleben. Können Sie nachvollziehen, dass dieser Eindruck entsteht? Vizepräsident Oliver Keymis: Danke, Herr Priggen. – Herr Minister, bitte. Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Nein. Diese Frage ist – Entschuldigung – ideologisch vorbelastet, und sie ist nicht sauber gestellt, Herr Priggen. Sie kombinieren zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben. Die eine Frage ist, ob kw-Stellen in allen Bereichen abgebaut werden. Ja, das ist der Fall; auch in diesen Bereichen. Man hat festgestellt – das ist völlig klar –, dass 11556 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Sie dann, wenn Sie in einem Bereich, der mit zwei Personen besetzt ist, eine kw-Stelle realisieren, den Leistungsstandard natürlich nicht aufrechterhalten können. Deswegen hat man diesen Mitarbeitern andere Stellen angeboten. Sie unterstellen, dass dies zu deutlich schlechteren Konditionen erfolgt. Das ist nicht der Fall. Diese Mitarbeiter werden ja nicht an irgendeinen Privaten abgedrängt, der sie schlechter bezahlen würde, sondern finden an anderen Stellen in der Landesverwaltung ihre Aufgabe. Ich habe eben Beispiele genannt, wo dies sogar mit einer Verbesserung für einzelne Beteiligte verbunden gewesen ist. Deswegen finde ich es nicht in Ordnung, wenn Sie aus Ihrer Sicht die einfacher bezahlten oder schlechter bezahlten Mitarbeiter mit bestimmten Tätigkeiten gegen andere ausspielen. Das ist nicht unsere Absicht, und das geschieht auch nicht. Vizepräsident Oliver Keymis: Danke, Herr Minister. – Frau Steffens mit ihrer dritten und letzten Frage. Bitte schön, Frau Steffens. Barbara Steffens (GRÜNE): Danke schön, Herr Präsident. – Herr Minister, könnten Sie uns bitte gegenüberstellen, welchen Lohn, als Stundenlohn umgerechnet, die Mitarbeiter an der Pforte im bisherigen Dienst erhalten haben und welchen Stundenlohn die Einzelnen zukünftig von der beauftragten Firma erhalten werden? Ich spreche also nicht von dem, was an die Firma gezahlt wird, sondern vom Stundenlohn der Betroffenen. Ebenso bitte ich Sie um eine Gegenüberstellung der Urlaubsregelungen, der Kündigungsschutzbestimmungen, der vertraglichen Regelungen, der Nacht- und Feiertagszuschläge. (Vorsitz: Vizepräsidentin Angela Freimuth) Dann kann man nämlich erkennen: Wird diese Stelle wirklich mit genau denselben Rahmenbedingungen wie bisher fortgeführt? Oder ist es eine Schlechterstellung? Und wenn es keine Schlechterstellung ist, stellt sich für mich die Frage, warum man dann eine kw-Stelle an einer Stelle umsetzt, wo eine Stelle nicht ersetzbar ist. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte. Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Danke schön. – Noch einmal zur Klarstellung: Wie ich Ihnen eben gesagt habe, läuft die Ausschreibung jetzt erst an. Landtag Nordrhein-Westfalen Insofern kann ich Ihnen natürlich noch nicht mitteilen, wer dort zu welchen Konditionen anbietet und letztlich den Zuschlag erhält. Ich habe Ihnen nur die Rahmenbedingungen für diese Ausschreibung genannt. Zu einem späteren Zeitpunkt können wir das aber sicherlich einmal nachliefern. In Ihrer Frage war aber auch wieder eine leichte Verdrehung meiner letzten Antwort enthalten. Ich habe nicht behauptet, dass diese Stelle von einem privaten Dienstleister zu den gleichen Konditionen – Sie haben Urlaubsregelungen und sonst etwas genannt – besetzt wird, sondern ich habe gesagt, dass unsere Mitarbeiter, die derzeit auf diesen Stellen arbeiten und an anderer Stelle in der Landesverwaltung – im Haus oder in anderen Bereichen der Landesverwaltung – eingesetzt werden, sich nicht verschlechtern werden. Ich habe dazugesagt, dass unsere Zielsetzung nicht ist, durch diese Ausschreibung Kosten einzusparen. Die Information, wer am Schluss zu welchen Bedingungen den Zuschlag erhalten hat, liefere ich Ihnen gerne nach, wenn diese Ausschreibung beendet ist. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Nächster Fragesteller ist Herr Kollege Schmeltzer. Rainer Schmeltzer (SPD): Herr Minister, wie Sie gerade noch einmal wiederholt haben, streben Sie keine Kostenreduzierungen an und erwarten auch keine Kostenreduzierungen. Wenn früher ein Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes eine solche Stelle bekleidet hat, die Sie jetzt ausschreiben – unter anderem haben Sie bei den Kriterien die Bezahlung nach Tarifvertrag aufgezählt; übrigens handelt es sich bei allen von Ihnen aufgezählten Kriterien um Kriterien nach dem ursprünglichen Tariftreuegesetz; dass Sie das so machen, ehrt Sie –, dann haben Sie auch eine Grundlage dessen, was bezahlt wird. Jetzt haben Sie diese Stellen kw gestellt und wollen die neuen Stellen outsourcen. Ist es dann so, dass diese Stellen bei Ihnen haushalterisch ausschließlich in Ihrer Positivbilanz des Stellenabbaus auftauchen, Sie aber gleichwohl Kosten im Niedriglohnbereich haben, weil beim Outsourcen nämlich niedrigere Löhne gezahlt werden? Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Sie unterstellen schon wieder Niedriglöhne. 11557 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 (Rainer Schmeltzer [SPD]: Das muss so sein nach Ihrer Rechnung! – Heike Gebhard [SPD]: Das macht ja keinen Sinn!) – Sorry! Der Sinn liegt nicht im Einsparen – auch wenn Sie das nicht verstehen wollen –, sondern im Abbau und der Realisierung von kw-Stellen in diesem Bereich. Deswegen haben Sie von der Logik her natürlich vollkommen recht: Es taucht zwar beim Abbau der kw-Stellen auf, nicht aber sozusagen auf der Kostenseite. Völlig klar! Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Beer. Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Minister, der Ministerpräsident sieht sich gerne in einer gewissen Tradition sozialpolitischer Verantwortung. In der Tat hält er den Unternehmen vor, dass sie sozialpolitische Tugenden entwickeln können. Angesichts der Schuhe, in die er gerne hineinwachsen möchte, frage ich Sie: Sind Sie der Meinung, dass Johannes Rau solche Manöver auch durchgeführt hätte? Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister. Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Ich glaube, dass es ziemlich geschmacklos ist, einen verstorbenen Ministerpräsidenten für eine solche Frage zu instrumentalisieren. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Als nächster Fragesteller hat der Kollege Priggen für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege. Reiner Priggen (GRÜNE): Herr Minister, ich will Ihnen ganz kurz widersprechen. Ich finde es überhaupt nicht geschmacklos, zu fragen, wie man mit Leute in den einfachsten Stellenbereichen umgeht. Meine Anerkennung dafür, dass die, die im Moment diese Stellen besetzen, im Haus versorgt werden. Das ist akzeptiert und längst verstanden. Sie haben selber gesagt, dass die Ausschreibungen noch laufen. Unsere ganze Lebenserfahrung sagt doch, dass Outsourcen dazu führt, dass Unternehmen die Stellen schlechter bezahlen, einen geringeren Sicherheitsstatus vorhalten als die Beschäftigten, die dort im Moment arbeiten. Landtag Nordrhein-Westfalen (Minister Andreas Krautscheid: Das mag sein! Ich kenne das Ergebnis der Ausschreibung genauso wenig wie Sie!) – Das Ergebnis dieser konkreten Ausschreibung können wir noch nicht kennen. Sie läuft ja noch. Das ist völlig klar. Nur ist es bisher immer so gewesen. Sagen Sie mir doch einmal, was eigentlich Ihr Ziel ist, wenn Sie damit kein Geld einsparen wollen. Denn wenn es um die gleichen Löhne und Kosten geht, ist das ganze Manöver doch unsinnig. Dann könnten Sie die Leute auch dort belassen, wo sie sind. Irgendein Ziel müssen Sie doch verfolgen. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Priggen. – Herr Minister, Sie haben das Wort zur Beantwortung. Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Zum dritten Mal: Das Ziel ist nicht die Realisierung geringerer Kosten, sondern der Abbau von kw-Stellen. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Fragesteller ist Herr Kollege Becker. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11558 Nächster Horst Becker (GRÜNE): Herr Minister Krautscheid, darf ich Sie vor dem Hintergrund der Antwort, die Sie gerade dem Kollegen Priggen gegeben haben, dahin gehend interpretieren, dass es nicht darum geht, durch die Realisierung von kwStellen Geld einzusparen, sondern darum, auf dem Papier kw-Stellen tatsächlich abgebaut zu haben? Ist das das alleinige Ziel der Maßnahme? Oder gibt es andere Ziele? Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Wenn ich den Auftrag dieses Hauses und damit des Haushaltsgesetzgebers richtig verstehe, ist der Abbau von kw-Stellen nichts, was bloß auf dem Papier vorgenommen wird. Es ist ein direkter Auftrag an die Landesregierung, solche Stellen abzubauen. Ich würde mich nie erdreisten, den Willen des Haushaltsgesetzgebers so niedrig einzuschätzen, wie Sie ihn gerade beschrieben haben. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Es gibt noch eine weitere Frage von Herrn Kollegen Becker. Bitte schön, Herr Kollege. Horst Becker (GRÜNE): Welchen Sinn hat es denn aus Ihrer Sicht, Herr Minister Krautscheid, kw-Stellen abzubauen? Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Diese Frage von einem Profi überrascht mich. Aber wenn Sie denn beantwortet werden soll – gerne. Personalabbau in einer Landesregierung, die diese Größe hat, auf die sie in den letzten Jahren insbesondere von Ihnen gebracht worden ist, ist in jedem Fall ein sinnvoller und richtiger Zweck und folgt dem Willen des Gesetzgebers in diesem Hause. (Heike Gebhard [SPD]: Auch wenn man keinen einzigen Euro dabei spart?) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Eine weitere Frage von Frau Kollegin Beer, die sie jetzt stellen kann. Bitte schön, Frau Kollegin. Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Minister, danke schön für Ihre Antwort. Ich will dem gerne immer nachgehen, wenn sich der Herr Ministerpräsident mit Herrn Rau vergleicht. Das wird eine interessante Verfolgung Ihres Ansatzes sein, über das Thema „Geschmacklosigkeit“ ganz neu zu diskutieren. Zu meiner Frage. Sie haben eben von den tariflichen Bedingungen gesprochen. Welche Tarife setzen Sie in der Ausschreibung denn an, welche erwarten Sie? Andreas Krautscheid, Minister für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien: Der konkrete Ausschreibungstext liegt mir nicht vor. Ich kann Ihnen den aber gerne zur Verfügung stellen. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Nachfragen zur Mündlichen Anfrage 223 liegen mir nicht vor. Ich danke Herrn Minister Krautscheid für die Beantwortung. Ich rufe die Mündliche Anfrage 224 der Frau Abgeordneten Gebhard von der Fraktion der SPD auf: Warum hat Minister Pinkwart Frau Höhler nicht abberufen? Im April 2007 wurde Frau Prof. Dr. Höhler in den Hochschulrat der Universität Paderborn gewählt und gehört seitdem diesem Gremium an. Kurz darauf geriet sie in die öffentlicher Kritik, nachdem bekannt wurde, dass sie zwei Büroräume in einem ihr gehörenden Haus in Zwickau an den sächsischen NPDLandtagsabgeordneten Peter Klose vermietet hat, der die Räumlichkeiten als Bürgerbüro Landtag Nordrhein-Westfalen nutzt. Höhler bestritt jedoch, vom NPDHintergrund ihres Mieters gewusst zu haben, obschon sie laut Klose den Mietvertrag unterschrieben hatte. Wissenschaftsminister Pinkwart forderte daraufhin Höhler am 22. Juni 2007 dazu auf, von ihrem neuen Amt als Mitglied des Hochschulrats der Universität Paderborn zurückzutreten. Höhler lehnte einen Rücktritt jedoch ab. Sie könne keinen Fehler ihrerseits erkennen, denn die NPD sei eine zugelassene Partei, die dem sächsischen Landtag angehöre. Am 2. Juli 2007 entzog der Hochschulrat der Universität Paderborn Frau Höhler das Mandat in der Findungskommission zur Vorbereitung der Wahl der künftigen Hochschulleitung. Zu einem Rücktritt kam es nicht. Nach Antwort des Ministeriums auf meine Kleine Anfrage (Drucksache 14/7224) vom 28. Juni 2008 wäre es dem Minister aber durchaus möglich gewesen, ein Mitglied eines Hochschulrates abzuberufen. In der Sitzung des Wissenschaftsausschusses vom 14. August konnte er diesen Widerspruch jedoch nicht auflösen. Warum hat Minister Pinkwart Frau Höhler trotz der ihm gegebenen rechtlichen Möglichkeiten nicht abberufen, obwohl er öffentlich ihren Rücktritt forderte? Ich bitte Herrn Minister Dr. Pinkwart um Beantwortung. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Gebhard, in dieser Sache gibt es nichts, was ich nicht schon mehrfach im Plenum und im Ausschuss vorgetragen hätte. Neu ist lediglich Ihre Mündliche Anfrage, die den Eindruck zu erwecken versucht – ich hatte Ihnen das jüngst im Ausschuss schon einmal darlegen können –, ich hätte im genannten Fall darauf verzichtet, gegen das inakzeptable Verhalten eines Hochschulratsmitgliedes vorzugehen, obwohl dazu juristisch die Möglichkeit bestanden hätte. Das ist eindeutig falsch. Dagegen verwahre ich mich auch. Richtig ist – das erläutere ich gerne noch einmal –, dass ich schon im Sommer des vergangenen Jahres sehr klar gesagt habe, dass ich das Verhalten von Frau Höhler für inakzeptabel halte. Daran hat sich nichts geändert. Das Amt eines Hochschulratsmitglieds ist eine höchst verantwortungsvolle Tätigkeit, die hohe Anforderungen an die persönli- 11559 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 chen Fähigkeiten und die Reputation der Persönlichkeit stellt. Ich habe Frau Höhler damals persönlich und auch öffentlich aufgefordert, ihr Amt im Hochschulrat der Universität Paderborn niederzulegen. Daran, wie ich diesen Einzelfall persönlich und politisch bewerte, kann es insofern keinen Zweifel geben. Eine ganz andere Frage ist allerdings, ob das Verhalten von Frau Höhler justiziabel ist. Das ist nicht der Fall. Einschlägig ist hier § 86 Verwaltungsverfahrensgesetz, der sehr spezielle und sehr hohe Hürden für eine Abberufung errichtet. Er lautet – ich zitiere –: Personen, die zu ehrenamtlicher Tätigkeit herangezogen worden sind, können von der Stelle, die sie berufen hat, abberufen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der ehrenamtlich Tätige 1. seine Pflicht gröblich verletzt oder sich als unwürdig erwiesen hat, 2. seine Tätigkeiten nicht mehr ordnungsgemäß ausüben kann. Wie diese Kriterien juristisch zu interpretieren sind – denn hier zählt eben nicht die persönliche oder die politische Auslegung –, dazu liegen zahlreiche Gerichtsurteile vor. Danach rechtfertigt zum Beispiel noch nicht einmal jede Straftat eine Abberufung wegen Unwürdigkeit. Unter dem Strich ergibt sich damit eindeutig, dass ein Fall wie der hier diskutierte nicht justiziabel ist. Soweit ich weiß, ermittelt auch die Staatsanwaltschaft nicht. Das mag man bedauern, dabei sollte man aber nicht vergessen, dass hohe Hürden für den Eingriff des Staates in die verselbstständigten Hochschulen einen guten Grund haben. Andernfalls würden die verselbstständigten Hochschulen nämlich sehr leicht wieder in genau die politischen Kämpfe hineingezogen, aus denen sie durch das neue Hochschulrecht gerade entlassen werden sollten. Es wäre geradezu absurd, wenn sich ausgerechnet dort, wo die wichtigen Entscheidungen für die Entwicklung einer Universität getroffen werden, der Minister oder die Ministerin das letzte Wort gesichert hätte. Ein Durchgriffsrecht des Staates konterkariert die Autonomie der Hochschulen. Im Übrigen hat gerade der Hochschulrat in Paderborn bewiesen, dass er aus Autonomie heraus handlungsfähig ist. Er hat Frau Höhler nahegelegt, ihr Amt niederzulegen, und er hat sie aus der Findungskommission abgezogen, die zur Vorbereitung der Wahl der neuen Präsidiumsmitglieder eingerichtet worden ist. Der Hochschulrat in Paderborn lässt auch ansonsten keinen Zweifel dar- Landtag Nordrhein-Westfalen an, dass er handlungsfähig ist und gute Arbeit leisten kann. Mein letzter Punkt. Zu einer fairen Gesamteinschätzung würde es gehören, zur Kenntnis zu nehmen, dass mittlerweile alle 26 öffentlichrechtlichen Universitäten und Fachhochschulen die Zusammensetzung der neuen Hochschulräte beschlossen haben. Das Ergebnis ist eine beeindruckende Anzahl von Persönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11560 eben in der Beantwortung der Anfrage von Frau Gebhard sowohl im speziellen Fall wie auch in der allgemeinen Begründung zum Ausdruck gebracht. Ich bin gerne bereit, das noch einmal vorzutragen. Ich denke aber, ich habe das in so deutlicher Klarheit und so umfassend dargestellt, dass das nicht noch einmal erforderlich ist. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Beer. Insgesamt sind 216 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und anderen Gesellschaftsbereichen in den neuen Hochschulgremien tätig. 146 kommen von außerhalb der Hochschulen. Mit 67 Persönlichkeiten aus der Wirtschaft sind die Vertreter dieses Bereichs im Übrigen – anders, als immer wieder gerne behauptet – nicht dominant in den Hochschulräten vertreten. Vielmehr ist ihr Anteil ungefähr genauso stark wie der der 64 dort vertretenen Frauen und liegt bei rund 30 %. Was die Frauen betrifft – da würden Sie mir sicher zustimmen –, hatte ich das als ausbaufähig eingeschätzt. – Ich danke Ihnen. Sigrid Beer (GRÜNE): Herr Minister Pinkwart, das Verhalten von Frau Höhler ist in der Tat als unwürdig zu bezeichnen, nicht nur der Vorgang an sich, sondern auch das Verhalten gegenüber der Hochschule, die Auseinandersetzung und die mangelnde Transparenz. Sie haben sich nach meiner Einschätzung als Minister erst relativ spät dazu durchgerungen, sie zum Rücktritt aufzufordern. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt eine Nachfrage von Frau Kollegin Seidl. Bitte schön, Frau Seidl. Ich frage Sie aber, ob Sie vor der Anhörung, auf die sich die Kollegin Gebhard bezieht, jemals die Prüfung nach Verwaltungsverfahrensgesetz vorgenommen haben, ob Ihnen eine Abberufung von Frau Höhler möglich ist. Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Minister, stimmen Sie mir zu, dass die Position der Hochschulräte in NordrheinWestfalen ziemlich einzigartig ist: dass sie weder irgendjemandem rechenschaftspflichtig sind noch abberufen werden können? Ich glaube, Juristen nennen so etwas eine unverantwortete Herrschaft. (Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart) – Prof. Löwer hat das so betitelt. Der kennt sich mit diesen Begrifflichkeiten sicher aus. Wenn Sie juristisch nichts unternehmen können, warum ist dann keine Abberufungsklausel in Ihrem Gesetz vorgesehen? Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Seidl, das habe ich Ihnen schon im vergangen Jahr in Fragestunden wie in der Beratung von Plenaranträgen dargelegt. Ich habe das sehr ausführlich auch (Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart) – Ja, Sie haben sich sehr lange Zeit gelassen. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Beer, ich kann das, glaube ich, sogar mit Rückgriff auf Fragestunden des vergangenen Jahres beantworten. Denn ich hatte Ihnen damals, wenn ich mich recht erinnere – deswegen habe ich mich gewundert, dass es überhaupt noch einmal zu einer solchen Nachfrage kam –, genau die Rechtsauskunft gegeben, die ich Ihnen jetzt auch gegeben habe. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Gebhard. Heike Gebhard (SPD): Wir haben das seinerzeit anders verstanden, nämlich ähnlich, wie das in der Presse dokumentiert ist. (Zuruf) – Wir können das nachvollziehen. Sie haben im Sommer des letzten Jahres in der Tat Ihren Unmut geäußert und Frau Höhler zum Rücktritt auf- Landtag Nordrhein-Westfalen gefordert. In der Presse, beispielsweise in der „Rheinischen Post“, war damals zu lesen: Absetzen kann er die geschäftstüchtige Frau jedoch nicht. (Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Sehr richtig!) Das heißt, es war bei uns der Eindruck entstanden, und zwar mit Rückgriff auf das zurzeit gültige Hochschulgesetz in Nordrhein-Westfalen, dass es eine Möglichkeit der Abberufung durch denjenigen, der eingesetzt hat, nicht gibt. Sie haben damals meiner Erinnerung nach keinen Rückgriff auf das Landesverfahrensgesetz gemacht. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Darf ich Sie bitten, eine Frage zu stellen. Heike Gebhard (SPD): Dieses ist erstmalig in der Anhörung zum Ausdruck gekommen. Das ist die Frage, die hier zu klären ist. Es geht nicht grundsätzlich um die Frage, wie Hochschulräte zusammengesetzt sind, sondern es geht um die Frage: Reicht Ihnen das Landesverfahrensgesetz im Falle eines Falles aus, und warum hat es Ihnen im Fall Höhler nicht ausgereicht, wenn er doch auch aus Ihrer Sicht so unwürdig ist, um das Verfahren der Abberufung einzuleiten? Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Gebhard. – Herr Minister, bitte. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Gebhard, ich versuche es noch einmal. Ich hatte Ihnen im vergangenen Jahr genau das gesagt, was ich Ihnen auch heute gesagt habe. Es gibt keine rechtliche Möglichkeit zur Abberufung. Das habe ich Ihnen so dargelegt. (Heike Gebhard [SPD]: Nach dem Hochschulgesetz!) – Nicht nur nach dem nicht. Wir haben das rechtlich geprüft. Dazu gibt unser Rechtssystem, auch nicht das neue Hochschulrecht, keinen ergänzenden Ansatzpunkt. Ich habe Ihnen auch begründet, warum nicht: weil wir uns eben nicht das Recht geben wollten, aus anderen Erwägungen, als das Verwaltungsverfahrensgesetz sie eröffnet, Zugriff zu nehmen. Das habe ich Ihnen auch damals schon dargelegt. Auch sonst gab es keine rechtliche Möglichkeit. Man kann das wie Frau Beer jetzt natürlich politisch mit irgendwelchen Begriffen belegen. Ich habe gesagt „inakzeptabel“. Sie haben einen an- 11561 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 deren Begriff gewählt. Aber welchen Begriff Sie auch wählen, Sie müssen es justiziabel machen. Ich hatte Ihnen damals dargelegt: Es ist rechtlich nicht möglich. – Das lege ich Ihnen auch heute noch einmal dar. Das ist die Rechtsauffassung, die wir in dem Vorgang über den gesamten Zeitraum vertreten haben. Im Übrigen, wenn ich das noch einmal sagen darf, Frau Beer, hatte ich nicht den Eindruck, dass wir in irgendeiner Weise zeitverzögert reagiert hätten, sondern ich glaube, das lief in aller Klarheit und in großer Zeitnähe zu dem Vorgang ab, der ja auch seine eigene Entwicklung hatte, wo sich einiges über die Zeit entwickelt hatte. – Das ist die Rechtsauffassung. Neben der Rechtsauffassung zu dem einzelnen Vorgang ist mir noch einmal wichtig darauf hinzuweisen, dass die Hochschulräte aus gutem Grund Unabhängigkeit besitzen, eine Unabhängigkeit, wie sie – das habe ich Ihnen auch schon einmal als Parallele hier vorgetragen – etwa auch der Wissenschaftsrat besitzt. Die dort vom Bundespräsidenten berufenen Persönlichkeiten können auch nicht wieder abberufen werden, es sei denn, dieser von mir eben genannte Paragraf wäre einschlägig. Ansonsten sind sie für die Amtszeit berufen. So ist es für diese Gremien auch. Ich halte das gerade mit Bezug auf die Unabhängigkeit, die wir den Hochschulen geben wollen und die Wissenschaft und Forschung auch verdient haben, für absolut begründet. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Boos, bitte. Dr. Anna Boos (SPD): Das Verhalten von Frau Höhler haben Sie ja gerade selbst, Herr Minister Pinkwart, als inakzeptabel bezeichnet. Es ging ja darum, dass eine Wohnung an einen Abgeordneten der NPD vermietet wurde. Mich würde interessieren: Hat Frau Höhler dieses Mietverhältnis mittlerweile aufgelöst? Gibt es da eine neue Erkenntnis? Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, wollen Sie die Frage beantworten? Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Das kann ich gerne versuchen zu klären, soweit mir das möglich ist, und Ihnen mitteilen. (Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie beim letzten Mal! Das ist die gleiche Situation! Sie wussten nicht Bescheid!) Landtag Nordrhein-Westfalen Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Eumann, bitte. Marc Jan Eumann (SPD): Herr Minister Pinkwart, Sie haben jetzt noch einmal ausdrücklich verteidigt, dass Sie mit Hinweis auf die Unabhängigkeit jede Form einer Abberufungsmöglichkeit innerhalb des Hochschulgesetzes für nicht erforderlich halten. Wie schätzen Sie denn die Höhe des Schadens für die Universität durch das Mitglied des Hochschulrates Höhler ein? Glauben Sie nicht auch, dass Sie in der Verantwortung sind, Schaden von der Universität abzuwenden? 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11562 Nachfragewünsche liegen mir nicht vor, sodass ich mich bei Herrn Minister Dr. Pinkwart für die Beantwortung der Mündlichen Anfrage 224 bedanke. Ich rufe die Mündliche Anfrage 225 des Herrn Abgeordneten Schultheis von der Fraktion der SPD auf, der sich durch den Kollegen Eumann vertreten lässt: Privatuniversität Witten-Herdecke Bereits im Mai 2008 hatte ich Minister Pinkwart in der Fragestunde die Frage gestellt, die ich heute wieder stelle. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte. Damals hatte Minister Pinkwart geantwortet: Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter, ich könnte ja jetzt sagen – was nicht meine Art ist –: In der Weise, in der Sie das hier thematisieren, könnten Sie Gefahr laufen, der Hochschule Schaden zuzufügen. „Die Fortsetzung der Landesförderung ist allerdings an Bedingungen gebunden. Sie setzt zwingend eine mittelfristige Finanzplanung voraus, aus der sich ergibt, dass bei dieser Gesamtfinanzierung der wirtschaftliche Fortbestand der Hochschule für die nächsten Jahre realistisch erscheint. Zu dieser Planung muss es eine entsprechende Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers bzw. einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geben. Eine entsprechend testierte Planung einschließlich der erforderlichen Sicherheiten für den dauerhaften Bestand des Hochschulbetriebs liegt der Landesregierung zurzeit noch nicht vor. Sie bleibt vor allen weiter gehenden Entscheidungen zunächst abzuwarten.“ (Beifall von der CDU) Der Schaden selbst, soweit er gegeben sein sollte, ist im vergangenen Jahr eingetreten. Das muss man so sehen. Da gab es sicherlich durch die Personalie auch eine öffentliche Wirkung, die für die Hochschule nicht von Vorteil war. Damit hat die Hochschule aber in exzellenter Weise umgehen können, und zwar der Hochschulratsvorsitzende und die anderen Mitglieder des Hochschulrates. Drei Monate später stellt sich die Situation der Privatuniversität sogar noch dramatischer dar: (Beifall von Dr. Michael Brinkmeier [CDU]) Sie haben ein tolles Präsidium gewählt. Paderborn ist sehr erfolgreich. Auch an dieser Stelle muss man daher sagen – wir werden ja gleich noch eine Debatte zu einer anderen Hochschule haben –: Sosehr Sie sich auch bemühen – das verdient ja eine gewisse Anerkennung –, es gelingt Ihnen nicht und schon gar nicht mit solchen Beispielen, unser Hochschulfreiheitsgesetz auch nur im Ansatz infrage zu stellen. Dafür ist es schlicht und ergreifend zu erfolgreich. Das muss ich „leider“ so sagen. (Beifall von CDU und FDP – Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter: Wieso „leider“? – Gegenruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: Ja, für Sie leider!) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere – Die Akkreditierung durch den Wissenschaftsrat ist weiterhin nicht gesichert. Der Antrag ist beim Wissenschaftsrat wegen der fortlaufenden Schwierigkeiten der Hochschule immer noch nicht abschließend behandelt worden. – Die Finanzierung der Privatuniversität ist weiterhin nicht nachhaltig gesichert. Der Kapitalstock ist dramatisch gesunken und der letzte Großinvestor nunmehr ausgestiegen. – Zudem stellen sich immer wieder neue rechtliche Fragen. Anscheinend hält neuerdings die sogenannte „Allianz für Bildung“ faktisch die Mehrheit an der Privatuniversität und kann den Kurs der Hochschule bzw. den Verkauf ihrer Anteile im Alleingang bestimmen. Landtag Nordrhein-Westfalen Wie wird die Landesregierung vor diesem Hintergrund unter Beachtung der haushaltsrechtlichen Kriterien weitere Förderentscheidungen für die Privatuniversität Witten-Herdecke treffen? Ich darf Herrn Minister Prof. Dr. Pinkwart um Beantwortung bitten. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Eumann, im Mai dieses Jahres hatte ich aufgrund der damaligen Mündlichen Anfrage zu der Privatuniversität Witten-Herdecke bereits ausgeführt, dass sich das Land nach Anhörung der Hochschule beim Wissenschaftsrat für die Verschiebung der Reakkreditierung um zwei Jahre eingesetzt hat. Damit soll der Hochschule ein hinlänglich langer Zeitraum eingeräumt werden, die vom Wissenschaftsrat geforderten Maßnahmen umzusetzen. Der Wissenschaftsrat hat im Juli dieses Jahres einer Verschiebung des Reakkreditierungsverfahrens um zwei Jahre zugestimmt. Damit hat die Hochschule jetzt insbesondere die Chance, ihre Forschungsleistung und die personelle Ausstattung in der Medizin weiter zu verbessern sowie die Klinikkooperation zu aktualisieren. In diesem Kontext erheben Sie – wie bereits in der Mündlichen Anfrage im Mai dieses Jahres – die Frage, wie die Landesregierung unter Beachtung der haushaltsrechtlichen Kriterien weitere Förderentscheidungen für die private Universität Witten-Herdecke treffen wird. Hierzu darf ich noch einmal wie bereits im Mai dieses Jahres ausführen, dass eine Fortsetzung der Landesförderung zwingend eine mittelfristige Finanzplanung voraussetzt, deren Annahmen realistisch erscheinen. Aus der Planung muss sich ergeben, dass bei ihrer Umsetzung die Gesamtfinanzierung und damit der wirtschaftliche Fortbestand der Hochschule für die nächsten Jahre gesichert erscheinen. Darüber hinaus bedarf es einer entsprechenden Stellungnahme eines Wirtschaftsprüfers bzw. einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu dieser Planung. Eine entsprechend testierte Planung einschließlich der erforderlichen Sicherheiten für den dauerhaften Bestand des Hochschulbetriebes liegt der Landesregierung weiterhin noch nicht vor. Sie bleibt vor allen weitergehenden Entscheidungen zunächst abzuwarten. Diese Verfahrenslage hat sich durch die zwischenzeitlich beendete Zusammenarbeit zwischen der Hochschule und einem Förderer nicht verändert. Nach den mir vorliegenden Informatio- 11563 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 nen plant die Hochschule im Übrigen, bis Mitte September dieses Jahres eine testierte Planung vorzulegen. Kurzum: Die Zuwendung wird ausgezahlt, sobald die Hochschule dies beantragt und gleichzeitig nachweist, dass alle zuwendungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Mir liegt eine Nachfrage von Herrn Kollegen Eumann vor. Bitte schön, Herr Kollege. Marc Jan Eumann (SPD): Herzlichen Dank, Herr Minister für die Bewertung. Es ist überraschend, dass Sie die Auswirkungen des Ausstiegs des Investors Droege offensichtlich als nicht so gravierend bezeichnen. Haben Sie nach dem Ausstieg Kontakt gehabt und Informationen über die akute Finanzlage der Universität bekommen? Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Eumann, meine Damen und Herren, ich hatte Ihnen dargelegt, dass uns die Hochschulleitung im Nachgang zur öffentlichen Bekanntgabe des Ausstiegs dieses Förderers von sich aus mitgeteilt hat, dass sie bis Mitte September auf uns zukommen wolle, um die offenen Fragen, die zu klären notwendig sind, um einen entsprechenden Zuwendungsantrag stellen zu können, bei uns einzubringen. Darauf warten wir. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Ich habe noch eine weitere Nachfrage von Herrn Kollegen Eumann, bitte schön. Marc Jan Eumann (SPD): Im Zuge der Berichterstattung war zu lesen, dass die Anteile, die eigentlich die Familie Droege erwerben wollte, durch andere Teilnehmer erworben werden sollen. Sind Ihnen die Namen der voraussichtlichen Spender bekannt? Können Sie das schon einschätzen und bewerten? Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Landtag Nordrhein-Westfalen Herr Eumann, meine sehr verehrten Damen und Herren, das kann ich mit einem klaren Nein beantworten. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11564 malzustandes“ bewegen. Ich glaube jedoch sagen zu dürfen, dass es solche Situationen für Witten/Herdecke wiederholt auch schon weit vor unserer Regierungsübernahme gegeben hat. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Frau Kollegin Gebhard, bitte. Heike Gebhard (SPD): Sie haben gerade ausgeführt, Herr Minister, dass der Wissenschaftsrat für die Akkreditierung der Studiengänge noch zwei Jahre Aufschub gewährt hat. Welche Konsequenzen hat es für die neuen Studentinnen und Studenten, die im Wintersemester beginnen, wenn sie in Studiengängen studieren, die nicht akkreditiert sind? Müssen sie irgendwelche Nachteile im Hinblick auf die Anerkennung ihres Abschlusses befürchten? (Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD]) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Minister. – Weitere Nachfragen liegen mir nicht vor, sodass ich die Mündliche Anfrage 225 an dieser Stelle als beantwortet betrachte. Da wir nun die vorgesehene Stunde großzügig überschritten haben, frage ich den Fragesteller der Mündlichen Anfrage 226, den Kollegen Töns von der Fraktion der SPD, ob er seine Anfrage schriftlich oder in der nächsten Plenarsitzung beantwortet haben möchte. (Markus Töns [SPD]: In der nächsten Plenarsitzung!) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Frau Präsidentin, liebe Frau Gebhardt, meine Damen und Herren, nein, der Wissenschaftsrat hat mit dieser Verschiebung des Akkreditierungsverfahrens, die mit ihm abgestimmt worden ist, auch die Zustimmung gegeben, dass der Studienbetrieb, was die Qualität für die Studierenden betrifft, fortgesetzt werden kann. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Eumann. Marc Jan Eumann (SPD): Wir werden abzuwarten haben, ob Sie das für Mitte September Zugesagte rechtzeitig erreicht. Machen Ihnen die jüngsten Meldungen aus Witten/Herdecke irgendwelche Sorgen oder sind Sie mit der Situation dort aus Sicht des Wissenschaftsministers von Nordrhein-Westfalen glücklich, zufrieden und einverstanden, Herr Pinkwart? (Lachen von Dr. Gerhard Papke [FDP]) – Mündlich in der nächsten Plenarsitzung. Mündliche Anfrage 227 des Kollegen Rudolph für die Fraktion der SPD? – Schriftlich. (Siehe Anlage) Mündliche Anfrage 228 des Kollegen Becker? – Ebenfalls schriftlich. (Siehe Anlage) Mündliche Anfrage 229 des Abgeordneten Becker? – Ebenfalls schriftlich. (Siehe Anlage) Mündliche Anfrage 230 der Frau Abgeordneten Düker? – Schriftlich. (Siehe Anlage) Mündliche Anfrage 231 der Frau Abgeordneten Stotz von der Fraktion der SPD? – Schriftlich. (Siehe Anlage) Mündliche Anfrage 232 der Frau Abgeordneten Beer? – Schriftlich. (Siehe Anlage) Mündliche Anfrage 233 der Frau Kollegin Beer? – Ebenfalls schriftlich. (Siehe Anlage) Mündliche Anfrage 234 des Abgeordneten Sichau von der Fraktion der SPD? (Carina Gödecke [SPD]: Beim nächsten Plenum!) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, bitte. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Eumann, meine Damen und Herren, ich kann nicht ganz so weit in die Jahre der Vorgängerregierung zurückblicken, aber nach meinem Eindruck der letzten drei Jahre und den Informationen, die ich aus der Vergangenheit zur Kenntnis genommen habe, würde ich nicht so weit gehen zu sagen, dass wir uns im Rahmen eines „Nor- – Beim nächsten Plenum mündlich, wie Frau Gödecke in Vertretung von Herrn Abgeordneten Sichau mitteilt. Damit ist die Fragestunde für heute erledigt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich rufe auf: 4 Von Siegen lernen – Hochschulautonomie braucht Hochschuldemokratie Landtag Nordrhein-Westfalen Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/7350 In Verbindung mit: Demokratie an den Hochschulen wieder herstellen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7341 Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion der SPD dem Kollegen Eumann das Wort. Bitte schön, Herr Kollege. Marc Jan Eumann (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen Opfer ihrer eigenen Politik und damit ihrer politischen Ohnmacht geworden sind, hat sich gerade schon bei der Beantwortung der Frage um die Rolle von Frau Dr. Höhler im Hochschulrat von Paderborn gezeigt. Was sich am Hochschulstandort Siegen abgespielt hat, ist allerdings mehr als eine politische Ohnmacht. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie haben es jetzt amtlich. Die Vorgänge rund um die Wahl eines neuen Rektors an der Universität Siegen haben deutlich gemacht: Ihr nordrhein-westfälisches Hochschulgesetz hat der Hochschulautonomie großen Schaden zugefügt. Die Entmachtung der Selbstverwaltungsgremien der Hochschulen gegenüber dem Hochschulrat wurde in Siegen offenkundig. Herr Minister Pinkwart, das haben Sie persönlich politisch zu verantworten. Ohne zeitlichen Vorlauf, ohne Rücksprache mit dem Senat der Hochschule, ohne eine transparente Auswahl von möglichen Kandidatinnen und Kandidaten und unter größtmöglicher Geheimhaltung hat der Hochschulrat der Universität Siegen einen Rektor gewählt. Es ist gut, dass der Senat diesen Vorschlag mit deutlicher Mehrheit abgelehnt hat. Sie haben es aber politisch zu verantworten, dass eine Mehrheit des Hochschulrates das Votum des Senats hätte überstimmen können. Mit einer Zweidrittelmehrheit hätte sich der Hochschulrat über diesen – wie wir meinen skandalösen – Vorgang hinwegsetzen können. Erst dank der massiven öffentlichen Kritik und der Absage des auserwählten Kandidaten Steinbach ist jetzt ein neues Verfahren eingeleitet worden. Sie haben der Hochschulautonomie einen Bärendienst erwiesen. 11565 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Der Senat hat in einer bemerkenswerten Resolution deutlich gemacht, wo die Schwäche Ihrer Konstruktion liegt. Ich zitiere: Der Hochschulrat hat in seiner letzten Sitzung einen externen, innerhalb der Hochschule unbekannten Kandidaten zum Rektor gewählt. Obwohl dieses Verfahren gesetzeskonform ist, verletzt es grundsätzliche akademische Verfahrensweisen, nach denen ein Kandidat vor der Wahl zum Rektor eine breite Basis in der Hochschule haben sollte. Der Senat missbilligt dieses Vorgehen und sieht die Basis der Zusammenarbeit zwischen der Hochschule und dem Hochschulrat beschädigt. Geradezu versöhnlich heißt es weiter, der Senat wünsche sich für die Zukunft eine konstruktivere Zusammenarbeit. Herr Pinkwart, der Anlass dieser Resolution macht deutlich, die Lehrenden, die Mitarbeiter und die Studierenden an den Hochschulen haben durch Ihr Hochschulgesetz an Freiheit verloren. Das ist der politische Vorgang, den man am Beispiel des Hochschulrats Siegen und der Wahl eines Rektors zu thematisieren hat. Dafür tragen Sie – ich wiederhole mich – die Verantwortung. Die akademische Selbstverwaltung haben Sie durch eine zentralistische Struktur ersetzt. Deswegen fordern wir Sie auf, Ihr verfehltes und die Hochschulautonomie beschädigendes Hochschulgesetz zurückzuziehen und endlich ein besseres Gesetz vorzulegen. Wir fordern auch eine angemessene und ausreichende Beteiligung aller Gruppen an der Hochschule. Wir sagen offen, der Hochschulrat der Universität Siegen ist gut beraten, wenn er seinen Hut nimmt – allen voran der Vorsitzende. Nachdem die Vorgänge in Siegen öffentlich bekannt wurden, habe ich mich während der gesamten letzten Wochen gefragt: Wie hätte der Siegener Professor Pinkwart reagiert? Ich hoffe, er wäre genauso entsetzt gewesen wie seine Kolleginnen und Kollegen in seinem Fachbereich. Ich hoffe, er hätte die massive Beschneidung seiner demokratischen Mitspracherechte kritisiert und die Beschlüsse seiner Kolleginnen und Kollegen mitgetragen. Lassen Sie mich abschließend eine für die SPD ganz entscheidende Bemerkung machen. Wir reden nicht abstrakt über ein Gesetz und darüber, was es an einer Hochschule anzurichten vermag. Der Hochschulrat hat billigend in Kauf genommen, dass die hervorragende Arbeit eines amtierenden Rektors auf eine beschämende Art und Weise beschädigt worden ist. Am Ende ist sie auch für Sie Landtag Nordrhein-Westfalen beschämend, Herr Minister Pinkwart. Sie haben Strukturen geschaffen, die ein solches Verfahren erst möglich gemacht haben. Im Namen der SPD-Fraktion stelle ich fest: Wir wissen, welche großen Leistungen Herr Rektor Schnell für die Universität Siegen geleistet hat. Wir konnten uns bei unserem Besuch in Siegen im Frühjahr 2007 persönlich davon überzeugen. Ihre politischen Entscheidungen haben es ermöglicht, dass hier Schaden angerichtet worden ist. Wir bedauern das sehr. Wir wissen um die hervorragende Arbeit von Rektor Schnell. Ich darf mich sehr herzlich für seine Arbeit bedanken. – Ich bedanke mich bei Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Eumann. – Als nächste Rednerin hat für die zweite antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Dr. Seidl das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin. Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Pinkwart! Der Senat der Universität Siegen hat uns heute in einem offenen Brief noch einmal aufgefordert – ich zitiere –, das Ungleichgewicht zwischen Hochschulrat und gewählten Gremien der Universität bei der Rektorwahl zu mildern, größere Verfahrensklarheit herzustellen und dafür im Gesetz eine entsprechende Abhilfe zu schaffen. – Dieser Brief ist eben bei uns eingegangen. Sie wissen, auch aus unserer Sicht besteht dringender Handlungsbedarf, um die Demokratie und die Mitbestimmung an den Hochschulen wieder herzustellen. Ich habe es schon in der letzten Sitzung des Wissenschaftsausschusses sehr deutlich gemacht. Herr Minister Pinkwart, wir haben das in der Vergangenheit nicht nur mehr als einmal gesagt, wir haben mit unserem Entwurf für ein Hochschulratskorrekturgesetz auch einen ganz konkreten Lösungsvorschlag auf den Tisch gebracht. Wenn wir rückblickend die Umsetzung des Hochschulfreiheitsgesetzes betrachten, dann war das keine Erfolgsstory. Wir haben eben schon darüber diskutiert. Sie haben den Fall Höhler kurz nach dem Inkrafttreten des Gesetzes nicht in den Griff bekommen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb. Das Chaos, das wir nun in Siegen haben, hätten Sie beinahe verschlafen, wenn der grüne Wecker Sie nicht wach geklingelt hätte. Wir schlagen heute noch einmal Alarm, damit endlich etwas in der nordrhein-westfälischen 11566 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Hochschullandschaft geschieht, die mit Ihrem sogenannten Hochschulfreiheitsgesetz in die Abhängigkeit eines extern dominierten Hochschulrats geraten ist, der die Geschicke der Hochschule nun von außen lenken soll. Sie nennen Ihr Gesetzeswerk das mit Abstand freiheitlichste Hochschulrecht, Herr Minister Pinkwart. Ich stimme Ihnen dann zu, wenn man Freiheit zum Synonym für Unternehmensfreiheit macht. (Widerspruch von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart) Denn beim Hochschulfreiheitsgesetz sind Name und Inhalt zweierlei. Es ist sozusagen ein trojanisches Pferd: Man muss sich fragen, was Freiheit ohne die Möglichkeit nutzt, sie zu leben. Gerade ist wieder ein Hilferuf gekommen: Der Senat der Hochschule fühlt sich an der Stelle eben nicht frei. Diese Möglichkeit verweigern Sie den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen. Sie wollen die Hochschulen befähigen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, zerschlagen aber demokratische Strukturen und verordnen den Mitgliedern an den Hochschulen genau das Gegenteil, nämlich Unfreiheit. Wir fordern daher von Ihnen: Stellen Sie die Demokratie an den Hochschulen wieder her! Mit unserem Gesetzentwurf haben wir einen Vorschlag gemacht, wie Sie Ihren Fehler korrigieren können. Greifen Sie diesen Vorschlag auf, der auch von sehr vielen Expertinnen und Experten bei der Anhörung hier im Landtag als ein guter Ansatz für die Lösung dieser Probleme angesehen worden ist. Verabschieden Sie sich von der zentralistischen Managementstruktur, von der machtvollen Position eines aufsichtsratsgleichen Hochschulrats und von einem Senat, der ihm quasi machtlos gegenübersteht! Für eine adäquate Hochschulstruktur braucht man Aushandlungsformen, die Transparenz, Legitimation und demokratische Mitbestimmung mit der Förderung wissenschaftlicher Erkenntnisse verbinden. Dazu ist Ihr Hochschulrat in keinem Fall geeignet. Denn in Ihrem Gesetz ist die politische Balance zwischen Senat und Hochschulrat zweifellos nicht richtig austariert. Die Entscheidungskompetenzen dieses externen Gremiums sind derart weitgehend, dass sie die Selbstverwaltungsgarantie der Hochschulen einschränken, was ohne Frage gegen die in der Verfassung garantierte Freiheit von Forschung und Lehre verstößt. Wenn ich den Hamburger Rechtswissenschaftler Prof. Fehling in der Anhö- Landtag Nordrhein-Westfalen rung richtig verstanden habe, ist die nordrheinwestfälische Hochschulratskonstruktion genau in diesem Sinne nicht mehr verfassungskonform. (Dr. Michael Brinkmeier [CDU]: Dann klagen Sie doch!) Sie haben die Hochschulen vom Staat befreit, Herr Minister Pinkwart, aber gleichzeitig neue Abhängigkeiten geschaffen, die für eine Wissenschaftseinrichtung eben nicht förderlich sind. Wenn allein der Wettbewerb beispielsweise über die besten Studienangebote entscheiden soll, prophezeie ich Ihnen, wird die thematische Breite des wissenschaftlichen Angebots eingeschränkt und damit der gesamtgesellschaftliche Nutzen verringert. Die ersten Vorboten solcher Konzentrationsprozesse machen sich an den Hochschulen an vielen Orten bemerkbar. An einem solchen Hochschulsystem besteht kein öffentliches Interesse. Sie haben Ihre Verantwortung mit dem Hochschulfreiheitsgesetz auf die externen Hochschulräte übertragen. Spinnen wir den Ansatz des New-Public-Managements weiter, müssten Sie sich eigentlich selbst durch ein erfolgversprechendes externes Gremium ersetzen und ablösen, verehrte Landesregierung und Regierungsfraktionen, wenn Sie Ihre Ideologie konsequent verfolgen. Das wollen selbst wir nicht, lieber Herr Pinkwart. Wir fordern Sie deshalb auf, das Gesetz so rasch wie möglich zu ändern und sich gegenüber den Hochschulräten dafür einzusetzen, dass bis zum Abschluss einer solchen Novelle keine Hochschulleitungen mehr ernannt werden, die nicht von einer Mehrheit in den jeweiligen Senaten getragen werden. – Vielen Dank. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Seidl. – Als nächster Redner hat für die CDU-Fraktion der Kollege Dr. Brinkmeier das Wort. Bitte schön, Herr Kollege. Dr. Michael Brinkmeier (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Antrag der SPD-Fraktion findet sich die Forderung, dass der Hochschulrat der Universität Siegen zurücktreten soll. Im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen steht – Sie haben es gerade gesagt, Frau Seidl –, dass bis auf Weiteres keine Hochschulleitungen ernannt werden sollen, wenn es keine Senatsmehrheit gibt. Beide fordern Sie natürlich wie auch schon in den letzten Monaten und Jahren, dass das Hochschul- 11567 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 freiheitsgesetz derart geändert werden soll, dass der Hochschulrat die durch dieses Gesetz erhaltenen Ermächtigungen wieder verlieren soll. Heute ist ein Schreiben des Senats der Universität Siegen eingetroffen, der wieder mehr gesetzlich festgelegten Einfluss der Senate fordert. Meine Damen und Herren, ich möchte hier keine Generaldebatte führen, die wir in den letzten Wochen nicht zuletzt aufgrund des Gesetzentwurfs der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen intensiv geführt haben; auch eine Anhörung wurde durchgeführt. Aus unserer Sicht gibt es keinen Anlass zur Änderung des Hochschulfreiheitsgesetzes. (Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD]) Vielmehr gibt das Hochschulfreiheitsgesetz auch in Konfliktfällen einen Handlungsrahmen vor. (Zuruf von Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]) Ich will zugestehen – wir müssen nicht um den heißen Brei herumreden –, dass die Art uns Weise, wie der Konflikt in Siegen stattgefunden hat, sicherlich niemand von uns wünscht. (Marc Jan Eumann [SPD]: Aber Sie haben es doch möglich gemacht!) – Den Einwurf höre ich gerne, Herr Eumann. Sie unterstellen nämlich, dass es durch das Hochschulfreiheitsgesetz zu intensiveren oder häufigeren Konflikten bei der Ernennung von Hochschulleitungen gekommen ist als vorher. Das glaube ich nicht. Sie verschweigen nämlich geflissentlich, dass es bei all den Besetzungen der Hochschulräte und den damit verbundenen Änderungen bei der Ernennung der Hochschulleitungen wirklich gut gelaufen ist. Das sollten wir hervorheben. (Beifall von der CDU – Marc Jan Eumann [SPD]: Reicht Ihnen Siegen nicht?) Ich möchte mal sehen, wo Sie noch weitere Konflikte anmahnen. Wo waren Sie denn zu Ihrer Regierungszeit, als es hier und da zu Querelen an anderen Hochschulen kam? Haben Sie dazu etwas gesagt? Sie wollen doch nicht etwa behaupten, dass es vorher nie Querelen gegeben hat. (Dr. Ruth Seidl [GRÜNE]: Werden Sie doch mal konkret!) Wir können das gerne im Ausschuss vertiefen; damit habe ich überhaupt kein Problem. (Zuruf von Marc Jan Eumann [SPD]) Landtag Nordrhein-Westfalen Dann können wir versuchen herauszufinden, ob das Hochschulfreiheitsgesetz etwas verschlimmert oder verbessert hat. Es lohnt sich, der Frage stärker nachzugehen. Konkret zu Siegen: Ich kenne mich nicht so gut in der Vorgeschichte aus, aber ich habe die große Hoffnung, dass die vorangegangenen Besetzungen der Hochschulleitungen, die es an dieser Universität und anderswo gab, möglichst querelenfrei abgelaufen sind. Denn das würde das Argument verstärken, dass man die Menschen mitnehmen sollte. Das ist mir sehr ernst. Natürlich lernen wir aus diesem Vorgang, dass es ist immer tunlichst geboten ist, entsprechend die Menschen, die Institutionen oder Gremien mitzunehmen. Aber fordern Sie denn konkret, dass man das wieder im offiziellen Status machen soll? Wir sehen ja gerade dadurch, dass der letzte Hebel der Konfliktfallregelung nicht genutzt worden ist, dass das Mitnehmen eine wichtige Tatsache ist. (Marc Jan Eumann [SPD]: Wenn das Porzellan zerschlagen ist!) Das werden nicht nur die Siegener lernen, sondern das ist eine allgemeine Feststellung. Von daher habe ich größtes Vertrauen darin, dass wir nicht die Sorge haben müssen, dass wir ein strukturelles Problem haben. Deswegen wiederhole ich unsere Aussage: kein Änderungsbedarf am HFG. (Beifall von der CDU – Marc Jan Eumann [SPD]: Wer sich nicht verändert, wird verändert!) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Dr. Brinkmeier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Remmel? – Nein. (Johannes Remmel [GRÜNE]: Wildester Föderalismus!) Als nächster Redner hat nun für die FDP-Fraktion der Kollege Lindner das Wort. Christian Lindner (FDP): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Offensichtlich ist bei den Oppositionsfraktionen immer noch nicht verstanden worden, welchen Charakter der Hochschulrat hat. (Johannes Remmel [GRÜNE]: Oberlehrer kann man sich schenken!) Der Hochschulrat ist mitnichten ein hochschulfremdes Gremium, sondern es ist vielmehr ein neues Leitungsgremium, dessen Bestellung sich mit zurückführen lässt auf den Senat und dadurch 11568 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 auch auf die Gruppen, die in der Hochschule vertreten sind. (Johannes Remmel [GRÜNE]: Ständestaat ist das!) Sie wissen, dass nur auf der Basis einer gemeinsamen Findungskommission der Minister die Mitglieder des Hochschulrates bestellt. Es ist ein demokratisch legitimiertes Gremium, an dessen Bildung auch der Senat mitwirkt. Deshalb läuft Ihr Vorwurf ins Leere, der Hochschulrat sei nicht hinreichend demokratisch legitimiert. Er ist es! Er ist ein Gremium der Hochschule. Er ist demokratisch legitimiert. (Beifall von FDP und CDU) Jetzt hat man in Siegen gesehen, dass es auch in der Praxis Fälle geben kann, wo es zu Machtauseinandersetzungen oder zu Richtungsauseinandersetzungen in einer Hochschule kommen kann. (Zuruf von den GRÜNEN) Ich will Sie fragen: Ist das denn jetzt plötzlich ein Umstand, der mit dem Hochschulfreiheitsgesetz verbunden ist? Das müsste ja bedeuten, dass es früher nie Diskussionen, nie harte Auseinandersetzungen, nie Ringen um Personalien an Hochschulen gegeben hat. (Marc Jan Eumann [SPD]: Wir reden über Ihr Gesetz!) Dabei wissen doch gerade Sie, Herr Remmel – Sie kommen doch aus Siegen –, dass es gerade in Siegen auch unter dem Regime des alten Hochschulrechtes regelmäßig Auseinandersetzungen um die Leitung der Hochschule gegeben hat. Das, was in Siegen etwa mit den neuen Gremienstrukturen zusammenhängt, ist doch nicht ganz neu. Nein, das sind Lebenssachverhalte, die nun einmal in jeder Hochschule – unabhängig vom Rechtsrahmen – gelöst werden müssen. Hier glauben wir, dass wir mit dem Hochschulfreiheitsgesetz Mechanismen entwickelt haben, die geeignet sind, solche Konflikte zu bewältigen. (Marc Jan Eumann [SPD]: Quatsch!) Selbst die Ultima Ratio, die es noch gegeben hätte, ist hier gar nicht eingesetzt worden, weil ein Hochschulrat, der seine Legitimität auch mittelbar auf den Senat zurückführen kann, festgestellt hat, dass er ebenfalls eine einvernehmliche Bestellung wünscht und deshalb auch den Schulterschluss mit diesem Gremium sucht. Landtag Nordrhein-Westfalen Im Übrigen ist es falsch, dass Sie hier den Eindruck erwecken, der Hochschulrat habe quasi gegen den ganzen Senat eine Entscheidung durchdrücken wollen. Sie unterschlagen, dass das Abstimmungsergebnis im Senat bei den einschlägigen Entscheidungen 14:9 war. Man kann also nicht davon reden, dass hier der Senat geschlossen gegen einen Hochschulrat votiert hätte. Deshalb ist das, was Sie hier am Beispiel Siegen, aber insgesamt die neuen Leitungsstrukturen meinend, veranstalten, schädlich. Die Argumentation, die hier aufgebaut wird, es bestünde eine Abhängigkeit von Unternehmen, ist schädlich. Es passt auch nicht zu der Linie, die Sie an anderen Stellen vertreten. Da stellt sich die SPD breitbeinig hin und sagt: Wir müssen auch mehr tun für die Verwertung von Patenten, mehr tun für den Transfer von Wissen aus Hochschulen in Unternehmen. (Marc Jan Eumann [SPD]: Das ist ja auch richtig!) Und wenn Unternehmensvertreter Mitverantwortung für eine Hochschule übernehmen und dort im Detail mitarbeiten, dann werden sie hier diskreditiert als Vertreter von Shareholder-Value-Interessen, die nur ihre eigenen Pfründe in Hochschulen sichern wollen. (Johannes Remmel [GRÜNE]: Ein Ständestaat ist das!) So haben Sie doch argumentiert. So haben Sie doch mit ganz konkretem Blick auf das Beispiel Siegen argumentiert und auch reputierte, mittelständische Unternehmer diskreditieren wollen. (Marc Jan Eumann [SPD]: Mit Verlaub, Ihre Argumentation ist falsch!) Da machen wir nicht mit. Wir betrachten es als einen Gewinn, dass Persönlichkeiten aus Kultur, aus Wissenschaft und aus der Wirtschaft jetzt Mitverantwortung für unsere Hochschulen übernehmen und in den Hochschulen auch den Kurs der Standorte mitprägen, am Profil mitarbeiten. Das ist ein Gewinn für unsere Hochschullandschaft und keine Gefahr. Sie können, verliebt in das Gestern wie Sie sind, das weiter kritisieren. Wir denken, dass der Kurs richtig ist, und wir fühlen uns jetzt durch die ersten Ergebnisse auch in diesem Kurs bestätigt. – Schönen Dank. (Beifall von der FDP) Vizepräsidentin Angela Freimuth: Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Landesregierung 11569 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 hat nun Herr Minister Prof. Dr. Pinkwart das Wort. Bitte schön. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Anträge geben mir erneut Gelegenheit, dem Hohen Haus an einem konkreten Fall zeigen zu dürfen, wie sich wieder einmal die Schreckensszenarien der Opposition komplett auflösen, sich sogar in ihr Gegenteil verkehren, sobald man sich näher mit ihnen auseinandersetzt. Anlass der Anträge sind die jüngsten Geschehnisse an der Universität Siegen. Der Siegener Hochschulrat hat eine Persönlichkeit zum Rektor gewählt, dem dann im weiteren Verfahren die Bestätigung durch den Rat versagt geblieben ist. Darauf hin hat der Hochschulrat das laufende Verfahren zur Wahl des Rektors beendet und ein neues Verfahren eingeleitet. Er will die Position des Rektors im Januar 2009 neu ausschreiben und die Zeit bis dahin nutzen, konstruktive Gespräche zwischen allen Beteiligten zu führen. Der Hochschulrat hat dabei klar und deutlich unterstrichen, dass er den Senat von Beginn an in das Wahlverfahren einbeziehen will. Ganz anders als es die antragstellenden Fraktionen jetzt gerne darstellen möchten, kommentierte beispielsweise die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 19. August dieses Jahres die Vorgänge. Dort heißt es – ich darf mit Genehmigung der Präsidentin zitieren –: Das Schreckgespenst der Entdemokratisierung wurde durch eine vorbildliche Konsensbildung innerhalb der Hochschule gebannt. Der Fall Siegen wird so vor allem zu einem starken Plädoyer für die Tradition der akademischen Kommunikation. Ich ergänze: Wer den Fall exemplarisch nehmen möchte, dem zeigt er, dass die neue Hochschulverfassung funktioniert. (Johannes Remmel [GRÜNE]: Ach!) Sie hat sogar einen Härtetest bestanden. Auch wenn man über Siegen hinausschaut, gibt es keinen Anlass zur Sorge, ganz im Gegenteil. Insgesamt hat es seit der neuen Hochschulverfassung bisher in den nordrhein-westfälischen Hochschulen zwölf Wahlen von Präsidiumsmitgliedern gegeben, die – das unterstreiche ich und darf das mit Freude dem Hohen Haus berichten – alle einvernehmlich zwischen dem jeweiligen Hochschulrat und dem jeweiligen Senat verliefen. Ich darf wiederholen: Alle bisherigen Wahlen nach Landtag Nordrhein-Westfalen neuem Hochschulrecht zur Hochschulleitung in zwölf Fällen – zehn Rektoren oder Präsidenten, zwei Kanzler – sind einvernehmlich erfolgt. Das ist ein großer Erfolg und verdient auch die Anerkennung des Hohen Hauses für die dort handelnden Persönlichkeiten an unseren Hochschulen. Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Minister, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Remmel? Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Herr Remmel hätte für seine Fraktion auch reden können. Ich würde das gerne zu Ende führen wollen. Ich möchte noch kurz auf die Frage der Legitimation des Hochschulrats eingehen und Folgendes klarstellen: Der Hochschulrat ist ein demokratisch hinreichend legitimiertes Gremium, weil er erstens vom Senat bestätigt werden muss. Die Mitglieder der Hochschule stehen also hinter dem Hochschulrat. Der Rat ist zweitens demokratisch legitimiert, weil er zudem vom Ministerium bestellt werden muss. Außerdem sind die Mitglieder des Hochschulrates gleichzeitig auch Mitglieder der Hochschule und damit in das Gefüge mitgliedschaftsrechtlicher Rechte und Pflichten eingebunden. Früher nahm übrigens das Ministerium die Funktion des Hochschulrats wahr. Heute können alle Hochschulmitglieder über ihre Vertretung im Senat die Zusammensetzung des Hochschulrats bestimmen. In dem konkreten Fall in Siegen sind fünf Mitglieder ehemalige oder aktive Professoren der Hochschule. Davon sind vier noch aktiv, und einer, nämlich der Bundesbankpräsident Weber, hat nicht nur in Siegen promoviert und habilitiert, sondern zählt zu den international angesehensten Nationalökonomen und hat sich dankenswerterweise ehrenamtlich in den Dienst gestellt, im Hochschulrat Siegen mitzuwirken. Solche Persönlichkeiten, vom Senat bestätigt, wirken dort mit. Ich finde, das ist ein eindeutiger Gewinn an demokratischer Partizipation. (Vorsitz: Präsidentin Regina van Dinther) Es wird Sie also nicht wundern, wenn ich das Fazit ziehe, dass die angebliche Sorge um die Hochschulautonomie, die Sie für sich in Anspruch nehmen, letztlich nur vorgeschoben ist. In Wirklichkeit misstrauen Sie der akademischen Gestaltungsfreiheit, die das neue Hochschulrecht gegeben hat. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11570 (Beifall von der CDU – Marc Jan Eumann [SPD]: Das ist wirklich Quatsch!) In besonderem Maße zeigt sich dies an Ihrem Wunsch nach einer weitgehenden Kontrolle des Hochschulrats. In dieser Logik müssten Sie allerdings auch fragen: Wer kontrolliert dann den Senat? Wollen Sie den auch zusätzlich kontrollieren lassen? Dass Sie das nicht tun, ist ein weiterer Punkt, der verdeutlicht, dass Ihr kompletter Denkansatz nicht nur wenig mit der Realität in Hochschulen zu tun hat, sondern auch gedanklich in sich nicht stimmig ist. Daraus den Bedarf für eine gesetzliche Änderung abzuleiten, gelingt nach meiner festen Überzeugung beim besten Willen nicht. – Ganz herzlichen Dank. (Beifall von CDU und FDP) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Minister Pinkwart. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Wir sind am Schluss der Beratung. Die antragstellenden Fraktionen haben direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen erstens über den Inhalt des Antrags der SPD Drucksache 14/7350 ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Herr Sagel. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Damit ist der Antrag abgelehnt. Wir stimmen zweitens über den Inhalt des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/7341 ab. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Herr Sagel. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Die SPD. Damit ist der Antrag abgelehnt. Ich rufe auf: 5 Gesetz zur Ratifizierung des Staatsvertrages über die Errichtung einer gemeinsamen Einrichtung für Hochschulzulassung vom 5. Juni 2008, zur Errichtung einer Stiftung „Stiftung für Hochschulzulassung“ und über die Zulassung zum Hochschulstudium in Nordrhein-Westfalen sowie zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften (Hochschulzulassungsreformgesetz) Gesetzentwurf der Landesregierung und Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag gemäß Art. 66 Satz 2 der Landesverfassung Drucksache 14/7318 Landtag Nordrhein-Westfalen erste Lesung Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Pinkwart das Wort. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unsere Hochschulen sollen für Studienbewerberinnen und –bewerber von Anfang an ein Höchstmaß an Attraktivität bieten. Deshalb legt Ihnen die Landesregierung den Entwurf des Hochschulzulassungsreformgesetzes vor. Mit dem Gesetz werden die Grundlagen für die Umwandlung der ZVS in eine Servicestelle gelegt. Dies nutzt sowohl den Hochschulen als auch den Studienbewerberinnen und -bewerbern. Bisher führen Mehrfachbewerbungen um Plätze in Orts-NC-Studiengängen dazu, dass ein Großteil der seitens der Hochschulen angebotenen Studienplätze von den Bewerberinnen und Bewerbern letztlich abgelehnt werden, weil diese zwischenzeitlich von anderen Hochschulen einen Studienplatz erhalten und angenommen haben. Es kommt deshalb zu mehrstufigen Nachrückverfahren und damit zu erheblichen Verzögerungen für die Bewerberinnen und Bewerber sowie für die Hochschulen. Die Einführung eines effizienten Zulassungssystems ist deshalb notwendig. Die Servicestelle in der Rechtsform einer öffentlich-rechtlichen Stiftung soll nach den Wünschen der Hochschulen die Bewerberdaten aufbereiten, Mehrfachbewerbungen abgleichen und Studienplätze an die richtigen Bewerberinnen und Bewerber vermitteln. Ich bin froh, dass auch die Hochschulrektorenkonferenz hinter den bis jetzt erarbeiteten Grundsätzen eines Serviceverfahrens steht, (Beifall von der CDU) das nun von den Experten im Detail weiter ausgearbeitet werden muss. Es wird angestrebt, dass das Verfahren künftig nach rund zwei Monaten beendet ist. Das würde bedeuten, dass die Studienplätze eines Wintersemesters bei einer einheitlichen Bewerbung zum 15. Juli eines Jahres bereits Ende September restlos besetzt sind. Das kann natürlich nur dann gut funktionieren, wenn möglichst alle Hochschulen im Land mitmachen. Die Landesregierung vertraut darauf, dass sich gute Ideen von selbst durchsetzen. 11571 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Neben diesen Serviceaufgaben soll die künftige Stiftung die bundesweite zentrale Vergabe von Studienplätzen in den „harten“ NC-Studiengängen, wie Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie, leisten. Vor der Vermittlung der Studienbewerberinnen und -bewerber zu den geeigneten Studienplätzen der Hochschulen muss eine kompetente Information über die Studienmöglichkeiten und die entsprechende Voraussetzung zur Aufnahme eines Studiums stehen. Die Ergänzung des jetzt eingeschlagenen Weges um ein entsprechendes nationales Bildungsportal ist in dem vorgelegten Gesetzentwurf angelegt. Das Hochschulzulassungsreformgesetz hat nicht allein die nationalen Reformschritte hinsichtlich der Umwandlung der ZVS im Blick. Neben dem Artikel 1, der einer Ratifizierung des Staatsvertrages dient, und dem Artikel 2, der auf die Konstituierung der Stiftung zielt, beinhaltet Artikel 3 des Gesetzentwurfes einige Reformschritte, die wir im Bereich der örtlichen Zulassungsverfahren unserer nordrhein-westfälischen Hochschulen gehen wollen. Lassen Sie mich einige Neuerungen hervorheben. Künftig sollen bei den Orts-NC-Studiengängen drei Fünftel der Studienbewerberinnen und -bewerbern nach speziellen Kriterien der jeweiligen Hochschulen ausgewählt werden können. Der Gesetzentwurf enthält Bestimmungen für die Auswahl von Bewerbern zu Masterstudiengängen, zu internationalen Studiengängen, die eine Hochschule gemeinsam mit einer ausländischen Universität oder Fachhochschule betreibt, sowie zu profilbildenden Möglichkeiten der Hochschulen, Spitzensportlerinnen und -sportler auszuwählen. Als Annex zur Hochschulzulassungsmaterie enthält der Entwurf Bestimmungen zur Änderung des Hochschul- und des Kunsthochschulgesetzes, mit denen die Vorbereitung ausländischer Studieninteressenten auf ein Studium in NordrheinWestfalen neu gestaltet werden soll. Außerdem – das hat schon in den letzten Wochen eine bemerkenswerte, nicht nur NordrheinWestfalen betreffende, sondern auch nationale Aufmerksamkeit erfahren – soll mit dem Gesetz der Vergaberahmen abgeschafft werden. Im Wettbewerb um die besten Köpfe sollen die Hochschulen die Möglichkeit haben, über das reine Personalbudget hinaus Mittel aus deren Gesamtbudget einzusetzen. Ich darf dem Hohen Hause mitteilen – darüber habe ich mich sehr gefreut –, dass der scheidende Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Landtag Nordrhein-Westfalen Herr Ronge, mir dieser Tage ein Petitum der Landesrektorenkonferenz, ausgearbeitet vom Rektor Freimuth aus Köln, zugeleitet hat, in dem die Landesrektorenkonferenz genau die Abschaffung des Vergaberahmens vorträgt und die Landesregierung bzw. den Landtag bittet, dieses zu beschließen. Ich freue mich, dass wir dieses hier heute einbringen können. Wir sind das erste Bundesland in Deutschland, das einen so weit reichenden Vorschlag macht. Ich darf mich insbesondere beim Kollegen Linssen dafür bedanken, dass wir seitens der Landesregierung diesen Durchbruch in dieser Form ermöglichen können. (Beifall von CDU und FDP) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat den Entwurf des Hochschulzulassungsreformgesetzes vorgelegt. Es obliegt nun Ihnen, den Entwurf zu beraten. Ich freue mich auf den Gedankenaustausch im Plenum und bei der weiteren Beratung im Innovationsausschuss. – Herzlichen Dank. (Beifall von CDU und FDP) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Minister Pinkwart. – Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Dr. Boos. Dr. Anna Boos (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sympathiepreise hat die ZVS in ihrer 35-jährigen Geschichte nie gewonnen. Generationen von Studierenden – viele der Anwesenden eingeschlossen – standen ihr eher ablehnend gegenüber. Schließlich war es diese Institution, die über die Vergabe von Studienplätzen entschied und damit die Weichen über das Wohl und Wehe einer Studienaufnahme gestellt hat. 2005 wurde dann vonseiten der CDU und FDP schon das Begräbnis für die ZVS bestellt. Ein wenig vorschnell, wie wir heute wissen. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Im Zusammenhang mit einem bemerkenswerten Antrag, über den gleich noch mehr zu sagen sein wird, sind einige auch drei Jahre später noch sehr interessante Zitate entstanden, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. So hat der Kollege Lindner damals die Abschaffung der ZVS als „qualitativen Quantensprung im Interesse auch der Studierenden“ bezeichnet. (Christian Lindner [FDP]: Richtig so!) Ebenso sehr deutlich wurde Kollege Dr. Brinkmeier. So ist im Protokoll folgende Aussage nachzulesen: 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11572 Wenn wir in dem neuen System arbeiten – das streben wir an –, dann brauchen wir keine ZVS mehr, dann haben die Hochschulen die Freiheit. Nun, Totgesagte leben bekanntlich länger. So ist es dann wohl auch mit der ZVS. In dem Staatsvertrag, über dessen Ratifizierung wir hier heute reden, ist von einer Abschaffung der ZVS keine Rede mehr. Die Koalition hat ihre Position um 180 Grad gedreht. Somit ist sie spannenderweise da angekommen, wo wir Sozialdemokraten schon im Jahr 2005 waren. Unser erster Antrag in dieser Legislaturperiode, im Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie, drehte sich nämlich genau um dieses Thema: die Weiterentwicklung der ZVS. (Beifall von der SPD) Denn schon damals war absehbar, dass die Hochschulen durch ein alleiniges Vergaberecht der Studienplätze völlig überlastet würden. Die Zahlen, die man damals als Resultat der Hochschulpolitik des Landes in den vergangenen drei Jahren präsentieren kann, sind auf jeden Fall verheerend: 15 % der Studienplätze bleiben unbesetzt, 15 % Leerstand müssen trotzdem vom Steuerzahler finanziert werden. Über ca. 20.000 Neueinschreibungen pro Jahr wird heute vor Gericht entschieden. Das ist eine Katastrophe insgesamt, aber vor allem für diejenigen jungen Menschen, die auf die Studienplätze warten. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Dazu stellt sich an mehreren Stellen die Frage der Chancengerechtigkeit. Ein solches Gerichtsverfahren kostet im Schnitt ca. 5.000 €. Das ist für viele Studienanfänger und ihre Eltern nicht bezahlbar. Das derzeitige Verfahren führt also im Endeffekt zu mehr sozialer Selektion; es führt dazu, dass Kinder aus bildungsfernen Schichten noch weiter als ohnehin schon vom Studium ferngehalten werden. (Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart) – Wir haben 2005 direkt dafür plädiert, dass es reformiert wird. (Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart) – Ja, genau. Wir hätten es getan, Herr Pinkwart. Transparent, rechtssicher, ressourcenschonend und bewerberfreundlich sollten die Zulassungsverfahren verlaufen. (Beifall von der SPD) Landtag Nordrhein-Westfalen Das haben Sie verkündet. Nun sind drei Jahre auf jeden Fall vorbei. Wir freuen uns, dass dieser Prozess endlich eingeleitet ist. Aber wir wundern uns, dass es wirklich so lange gedauert hat. Meine Kollegin Ulrike Apel-Haefs hat im Laufe der Diskussion sehr treffend formuliert – ich zitiere –: Die Vorteile einer reformierten ZVS für die Hochschulen sind evident: Entlastungen von administrativem Aufwand unter Beibehaltung der Freiheit, einige standortspezifische Zulassungskriterien zu definieren. Dass ein solcher Service für die Hochschulen nicht kostenneutral sein wird, ist diesen bewusst und wird auch akzeptiert. Wir gehen jedenfalls davon aus, dass die Grundfinanzierung der ZVS aus öffentlichen Mitteln zu erfolgen hat und dass die gerade erst im Staatsvertrag beschlossene Rechtslage Bestand hat. So weit meine Kollegin Frau Apel-Haefs. Das durch die Politik der Landesregierung entstandene Chaos muss beseitigt werden. Das ist im Interesse der Studierenden genauso wie im Interesse der Hochschulen. Schön, dass deshalb jetzt endlich der Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt. Die Reform der ZVS ist nun endlich auf dem Weg; schade, dass es so lange gedauert hat. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Weitere Themen in diesem Gesetzentwurf – hier nenne ich besonders die Besoldung von Hochschullehrern – werfen für uns viele Fragen auf. Hier werden wir ganz genau hinschauen und den Gesetzentwurf äußerst kritisch begleiten. – Vielen Dank. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Dr. Boos. – Für die CDU spricht nun Herr Kollege Kuhmichel. Manfred Kuhmichel (CDU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich verweise zunächst einmal auf das, was Minister Pinkwart gerade gesagt hat. Es war okay. Wir stehen dahinter. Das schützt auch vor Wiederholungen, jetzt schon am frühen Abend. Aber noch etwas Ergänzendes dazu: Für jemanden wie mich und meine langjährigen Kollegen von der CDU-Fraktion, die sich hier seit 1995 hingestellt haben und gesagt haben, das Monopol der staatlichen Studienplatzvergabe müsse aufgehoben werden, wir müssten die ZVS zu einer Serviceeinrichtung hin entwickeln – das können Sie im Protokoll vom 22.11.1995 nachlesen –, ist das ein Tag der Freude und Genugtuung. Deswe- 11573 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 gen begrüßen wir diesen Gesetzentwurf und den Antrag der Landesregierung sehr. Wir haben uns immer dafür verwendet zu einer Zeit, in der Sie immer noch am bürokratischen Monstrum der Studienplatzvergabe festgehalten haben. Wir haben jetzt Gott sei Dank durch ein neues freiheitliches Hochschulsystem, eine neue freiheitliche Hochschulpolitik eine Situation erreicht, in der sichergestellt ist, dass Entstaatlichung und Entbürokratisierung greift. Dieses neue Gesetz dient den Studierenden und hilft den Hochschulen bei der Vergabe von Studienplätzen. Deswegen ist es ein gutes Gesetz. Dem stimmen wir auch zu. – Schönen Dank. (Beifall von CDU und FDP) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Kuhmichel. – Für die FDP spricht nun Herr Kollege Lindner. Christian Lindner (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Dieser Gesetzentwurf, die Veränderung der ZVS in Richtung einer Stiftung Hochschulzulassung, steht in einer direkten Kontinuität der Hochschulpolitik von CDU und FDP in diesem Land, nicht nur in dieser Legislaturperiode. Wir haben immer unterstrichen: Wir wollen das Selbstauswahlrecht der Hochschulen stärken, und wir wollen Studierende nicht mit einer Art Kinderlandverschickung auch gegen ihren Willen an eine Hochschule delegieren, sondern wir wollen ihre Wünsche, ihre Prioritäten berücksichtigen. Ein solches freiheitliches System braucht aber auch eine zentrale Koordination aus ganz pragmatischen Gründen. Da geht es nicht um behördliche Akte, sondern es geht darum, die unterschiedlichen Wünsche von Studierenden, die Möglichkeiten von Hochschulen und ihre Kriterien miteinander in Übereinstimmung zu bringen, und zwar in einer Weise, dass alle Studienplätze besetzt werden und zeitnah eine Entscheidung über die Aufnahme an einer Hochschule getroffen werden kann. Deshalb gibt es eine veränderte, auf neue rechtliche und organisatorische Grundlage gestellte Institution, eine Stiftung im Übrigen, keine Behörde mehr. Das ist ein qualitativer Quantensprung genauso, wie ich das damals vor drei Jahren bei anderer Gelegenheit gesagt habe. Wir können jetzt von Glück sagen, dass dieser Prozess mit diesem Gesetzentwurf, mit diesem Staatsvertrag endlich abgeschlossen worden ist. Es ist im Übrigen ein Prozess, der wesentlich von Nordrhein-Westfalen Landtag Nordrhein-Westfalen in einem Arbeitskreis innerhalb der Kultusministerkonferenz mit gestaltet worden ist. Es wäre aller Ehren wert – es würde Ihnen keinen Zacken aus der Krone brechen –, wenn Sie auch anerkennen könnten, dass der Koalition ein Erfolg gelungen ist. – Schönen Dank. (Beifall von FDP und CDU) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Lindner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Dr. Seidl. Bitte schön. Dr. Ruth Seidl (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kuhmichel, Herr Lindner, fünf Jahre haben Sie uns mit dem „ideologischen Monstrum“, mit der Abschaffung der ZVS gequält. Fünf Jahre lang. Deswegen kann ich Ihnen auch ein Zitat aus der letzten Legislaturperiode nicht vorenthalten. Ich zitiere: Der Wegfall der ZVS für die Studienplatzzuweisung in NRW ist eine Grundbedingung für Freiheit in Lehre und Studium und mehr Wettbewerb an den Hochschulen. Demnach sollen sich Studienbewerber für alle Fachbereiche direkt bei der Universität ihrer Wahl bewerben können. Die Hochschulen erhalten im Gegenzug das Recht, sich unter den Bewerbern die Geeigneten auszusuchen. Kommt Ihnen das vielleicht bekannt vor, liebe Kolleginnen und Kollegen? Falls nicht, fragen Sie doch einmal bei Herrn Lindner nach. Denn gerade in der letzten Legislaturperiode haben Sie solche zukunftsweisenden Vorschläge wie eine Monstranz vor sich hergetragen, zusammen mit der FDP-Fraktion. Und er war damit wahrlich nicht alleine. Herr Kuhmichel, jetzt würde ich Sie gerne angucken, aber Sie sind leider nicht da. – Er hat sich wohl schon verdrückt; ich zitiere ihn aber trotzdem an der Stelle: Die ZVS steht echter Autonomie und wirklichem Wettbewerb der Hochschule entgegen. Die Hochschulen müssen selbst die Auswahl ihrer Studierenden treffen können. Umgekehrt müssen alle Studierenden in der Lage sein, an die Hochschule ihrer Wahl zu gehen. Mit diesen Worten haben Sie in der letzten Legislaturperiode einen CDU-Antrag zur Abschaffung der ZVS begründet. Und das war bei weitem nicht der einzige Antrag, in dem Sie die Abschaffung der ZVS gefordert haben. Sie haben uns geradezu mit Ihrer Forderung bombardiert, die ZVS plattzumachen. 11574 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Da hilft es auch gar nichts, wenn Sie, Herr Kuhmichel, hier und heute diesen Gesetzentwurf als einen großen Erfolg begrüßen. Tatsache ist, dass es das erklärte Ziel von FDP und CDU war, die ZVS abzuschaffen und die Studienplatzvergabe dem freien Markt zu überlassen. Tatsache ist auch, dass Sie damit gescheitert sind, weil die Praxis längst belegt hat, dass diese sogenannte Freiheit nur zu Chaos und Ungerechtigkeit führt. Wenn selbst Herr Pinkwart gegenüber dpa erklärt, die Hochschulen sollten den Studierenden und sich selbst das extrem zeitaufwendige Verfahren nicht länger zumuten, dann spricht dies doch Bände, liebe Kolleginnen und Kollegen. Schade nur, Herr Minister, dass Sie nicht einfach einräumen können, dass Sie sich geirrt haben. Geben Sie doch einfach zu, dass es ein Fehler war, sich für die Abschaffung der ZVS einzusetzen und damit den Prozess des Umbaus länger als notwendig hinauszuzögern! Das wäre im Sinne von ehrlicher Politik ein Schritt nach vorn. Wir begrüßen es jedenfalls, dass die Umstrukturierung der ZVS, die ja keineswegs erst seit einem Jahr, sondern schon viel länger läuft, jetzt endlich zu einem Abschluss kommt. Schon im November 2005 hat eine Amtschefkonferenz der KMK einen Beschluss für eine entsprechende Reform der ZVS gefasst. Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Minister Pinkwart, wenn Sie uns erläutern könnten, woran es denn gelegen hat, dass es nach diesem Beschluss noch fast drei Jahre gedauert hat, bis uns hier und heute dieser Gesetzentwurf vorliegt. Wer hat denn da den Prozess blockiert und verzögert, und warum musste es erst zu diesen chaotischen Zuständen – unbesetzten Studienplätzen, aufwendigen Nachrückverfahren während der schon laufenden Vorlesungszeit und bürokratischem Mehraufwand für Hochschulen und Studienanfänger -kommen, die Sie jetzt beklagen? Ich hoffe nur, dass die Einsicht bei den anderen negativen Folgen Ihrer hochfliegenden Hochschulfreiheitspläne nicht weitere Jahre auf sich warten lässt; denn die Hochschulzulassung ist nicht das einzige Feld, auf dem Sie sich offensichtlich verrannt haben. Gerade eben haben wir noch über die Probleme gesprochen, die Sie mit Ihrer Konstruktion der Hochschulräte an einigen Hochschulen provoziert haben. Aber hier war von Einsicht leider bisher wenig zu vernehmen. Gleiches gilt auch für die Studiengebühren. Sie mögen es nicht mehr hören wollen, Herr Minister Pinkwart, aber Ihre Studiengebühren halten junge Menschen von der Aufnahme eines Studiums in diesem Lande ab. (Beifall von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]) Landtag Nordrhein-Westfalen Dies belegen die HIS-Studie, die wir bereits im Februar hier im Landtag diskutiert haben, und die aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes. Aber auch hier ist von Einsicht keine Spur, geschweige denn von neuen Vorschlägen. Deshalb freue ich mich heute, dass sich im Falle der ZVS letztlich die Vernunft gegen die Freiheit des Marktes durchgesetzt hat. (Dr. Michael Brinkmeier [CDU]: Ach Gott!) – Ja, das war auch nötig, und zwar vor allem für unsere Hochschulen und unsere Studierenden. Aufatmen können wir deshalb aber noch lange nicht; denn solange Sie aus rein ideologischen Gründen und entgegen jeglicher Vernunft an Ihrer sogenannten Hochschulfreiheit festhalten, wird weiterhin – so befürchte ich – das Chaos an unseren Hochschulen herrschen. – Herzlichen Dank. (Beifall von den GRÜNEN) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Dr. Seidl. – Herr Minister Pinkwart hat noch einmal das Wort. Bitte schön. Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Blick auf die Beiträge von Frau Boos und vor allen Dingen von Ihnen, Frau Seidl, möchte ich doch noch einmal das Wort nehmen, da Sie gerade von Chaos und Verantwortlichkeiten sprachen. Der Grund für die heutige Situation, die wir beklagen, ist der Rechtsrahmen, den Sie uns aus Ihrer Zeit der Regierungsverantwortung hinterlassen haben, wissend darum, dass es mit Einführung von Bachelor/Master-Studiengängen, die Sie gerade in Nordrhein-Westfalen forciert zum Einsatz gebracht haben, zu einer verschärften Einführung von Orts-NCs gerade an Universitäten kommen musste, um überhaupt die Studierenden mit hinreichenden Betreuungsrelationen versorgen zu können. Das heißt: Sie hätten frühzeitig sehen können, welche Anforderungen auf die Hochschulen zukommen. Aber Sie haben nichts unternommen, um entweder Ihre ZVS weiterzuentwickeln, wie Sie es vor drei Jahren beantragt haben, oder um so zu handeln, wie es Herr Kuhmichel und Herr Lindner hier dargestellt haben, nämlich endlich eine Servicestelle zu schaffen, die im Sinne der Hochschulen so arbeitet, dass die Studierenden die Hochschule ihrer Wahl finden und die Hochschulen die Studenten finden, mit denen sie gerne 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11575 zusammenarbeiten wollen, und dies so servicefreundlich und schnell wie möglich. Dies haben wir erst in Angriff nehmen dürfen. Wir haben es so schnell umgesetzt, wie es in einem föderalen System möglich ist. Es hätte aber längst vorher geschehen müssen. Das muss ich Ihnen leider mit Blick auf die von Ihnen mitgetragene Vorgängerregierung entgegenhalten. – Danke schön. (Beifall von CDU und FDP) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Minister. – Leider habe ich die Wortmeldung zu spät gesehen. Gibt es noch einen Wunsch zu reden? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zum Schluss der Beratung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/7318 an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Es ist einstimmig so beschlossen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 6 Für bessere Bildung und mehr Chancengleichheit an unseren Schulen – 5-PunkteSofortprogramm auf den Weg bringen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7343 Ich eröffne die Beratung und gebe Frau Löhrmann von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Sylvia Löhrmann (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß ja nicht, was Barbara Sommer zu unserem Antrag empfiehlt. Ich kann Ihnen aber sagen, was der Verband Bildung und Erziehung zu diesem Antrag empfiehlt: Zustimmung, weil es ein Antrag mit fünf pragmatischen Schritten für gutes Regierungshandeln im Gegensatz zu dem Chaos ist, was Sie vor der Sommerpause angerichtet haben. Der Start nach den Ferien ist ja auch nicht besonders gelungen. Ich zitiere aus der Pressemitteilung des Verbandes Bildung und Erziehung in NordrheinWestfalen: VBE: Grüne zeigen Lösungswege auf „Der VBE hält das heute von der Fraktion der Landtag Nordrhein-Westfalen Grünen vorgestellte 5-Punkte-Programm für mehr als bemerkenswert“, so Udo Beckmann, Vorsitzender des VBE NRW. „Die Grünen zeigen für einige strittige Fragen in der Schulpolitik umsetzbare Lösungswege auf, die auf Akzeptanz bei Schülern, Eltern und Lehrern stoßen könnten.“ Was will man eigentlich mehr, Frau Ministerin, als eine Opposition, die Ihnen so gute Vorschläge auf dem Silbertablett serviert, während Sie schon mit Herrn Wüst Wahlkampfplakate aufhängen? Sie machen Wahlkampf, wir machen gute Regierungsvorschläge. (Beifall von den GRÜNEN) Ich nenne diese Punkte nur ganz kurz; Frau Beer wird gleich noch genauer auf das eine oder andere eingehen. Erstens. Vernünftige Rückmeldekultur einführen – Kopfnotenzwang beenden. Zweitens. Wir lassen die Schule im Dorf. Angesichts der demografischen Entwicklung Gemeinschaftsschule ermöglichen. Um der FDP ein bisschen auf die Sprünge zu helfen, möchte ich Ihnen aus einem Antrag der FDP-Fraktion leider nicht aus NRW, sondern aus dem Sächsischen Landtag, und zwar aus der vierten Wahlperiode, vortragen: Thema: Längeres gemeinsames Lernen ermöglichen – Klare Rahmenbedingungen für Gemeinschaftsschulen schaffen Der Landtag möge beschließen, die Staatsregierung zu ersuchen, 1. die Schulen und Schulträger über das Antragsverfahren und die Mindeststandards, die aus schulrechtlicher und pädagogischer Sicht für Schulversuche mit dem Ziel eines längeren gemeinsamen Lernens erforderlich sind, zu informieren, 2. den Schulen und deren Schulträgern bei der Umsetzung des Schulversuches die schulrechtlich und pädagogisch größtmöglichste Freiheit zu lassen und den Schulversuch mit dem Ziel eines längeren gemeinsamen Lernens aktiv zu unterstützen, 3. die Voraussetzungen zu schaffen, dass ab dem Schuljahr 2006/2007 – wir müssen es natürlich anpassen – Schulversuche mit dem Ziel eines längeren gemeinsamen Lernens beginnen können. 11576 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Anschließend folgt die Begründung – es ist wunderbar, denn es ist bei SPD und Grünen abgeschrieben –: Die Schulversuche mit dem Ziel eines längeren gemeinsamen Lernens sind ein wichtiger Beitrag zur zukünftigen Gestaltung des sächsischen Bildungssystems. Ohne ideologische Barrieren sollen verschiedene Modelle erprobt werden können. (Beifall von den GRÜNEN) Wunderbar, was Ihre Kollegen im Sächsischen Landtag hinkriegen. Hier sind Sie dazu nicht in der Lage Drittens. Ganztagsschulen ausbauen – Druck aus dem Turbo-Abi nehmen. Auch das ist wieder ein riesiges Paket, das die Schulen und Schulträger erreicht, um Ihr 175-Millionen-€-Programm umzusetzen. Wir schlagen vor, die Mittel zu pauschalieren und die Mittel an die Kommunen zu geben. Vor Ort weiß man besser, an welcher Stelle man was braucht. Und hören Sie endlich auf, die Gesamtschulen zu diffamieren, Frau Sommer. Zu dem Punkt gibt es ja noch Gespräche. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Viertens. Lernen macht hungrig – Recht auf warmes Schulessen für alle. Auch hier muss es weitergehen. Man darf nicht nur mit ein paar Sonderprogrammen Almosen verteilen, sondern hier muss geklotzt statt gekleckert werden. Der letzte Punkt benennt ein Ärgernis, da immer noch nichts geschehen ist, obwohl Sie es seit Langem versprochen haben: Chancengleichheit ermöglichen – Lernmittelfreiheit schaffen. Wir wissen, es wäre gut, wenn Kinder aus armen Verhältnissen am Schulleben umfassend teilnehmen könnten und die Lernmittel zur Verfügung gestellt bekämen. Also ein Programm nach dem Motto praktisch, pragmatisch, gut. Zustimmung wäre gut für die Schulen und würde Ihnen viel Kummer vom Hals halten. Sie sehen, wir denken auch an Sie. – Herzlichen Dank. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Löhrmann. – Für die CDU spricht der Kollege Klaus Kaiser. Klaus Kaiser (CDU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Löhrmann, Ihre Euphorie kann ich bei Weitem nicht teilen. Zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Landtag Nordrhein-Westfalen Grünen fallen einem eigentlich nur zwei Bezeichnungen ein: kalter Kaffee und bekannte Klischees. Wenn das, was Sie hier beschreiben, die dringendsten Probleme unseres Bildungssystem sein sollen, dann merkt man, wie weit weg Sie von jeder Regierungsfähigkeit sind und – das ist wichtiger – wie wenig Sie die Realität in den Schulen wahrnehmen. (Beifall von der FDP – Zuruf von Horst Becker [GRÜNE]) – Herr Becker ist wach, wunderbar. – Die von Ihnen vorgelegten fünf Punkte sind nichts anderes als ein erneuter Aufschlag all Ihrer Forderungen, die hinlänglich bekannt sind und bereits Gegenstand von Anträgen im Plenum waren. Sie können sich aus Ihrer eigenen Begrenztheit eben nicht befreien. Das als Sofortprogramm zu titulieren, ist ein Euphemismus, der zeigt (Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]) – noch schlimmer –, dass es Ihnen um publizistische Effekte und nicht um die Umsetzung nachhaltiger bildungspolitischer Ziele geht. So einfach ist das. (Beifall von der FDP) Man kann es eigentlich in der Sache recht kurz machen: Der erste Punkt ihres Programms ist das, was Sie bei jeder Fragestunde, in jeder Plenarsitzung und möglichst auch in jeder Ausschusssitzung präsentieren, nämlich eine neue Variante gegen die Kopfnoten, also nichts intelligent Neues, nicht eine neue Idee. Zur Klärung der Sache so viel: Zu der Abfolge weiterer Entscheidungen nach der Evaluation der Kopfnoten hat die Schulministerin Frau Sommer alles Notwendige gesagt. Warten Sie es ab und seien Sie sicher: Die Kopfnoten werden nicht infrage gestellt und bleiben verbindlich. Bei Ihrem zweiten Punkt wird es ganz holprig, weil schon die Überschrift schlichtweg Quatsch ist. Denn die Frage der Schule im Dorf als ortsnahe Schule betrifft den Grundschulbereich und nicht den Sekundarbereich. (Zuruf von Ute Schäfer [SPD]) – Nein! – Die CDU-Fraktion steht für die wohnortnahe Grundschulversorgung und hat im Schulgesetz das Notwendige festgelegt. Schulverbünde gibt es ausreichend. Die weiterführende Schule im Dorf aber gibt es schon seit ewigen Zeiten nicht mehr. Was Sie hier als Sofortprogramm vorschlagen, ist nur eine neue Variante von Einheitsschu- 11577 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 le. Aber die Einheitsschule ist eben keine Antwort auf die Herausforderungen für die kleineren Gemeinden und Städte von 8.000 bis 12.000 Einwohner, die Sorge um die Erhaltung ihres Schulstandortes haben. Ihr Ansatz kann zum einen nicht kurzfristig umgesetzt werden und führt zum anderen zu einer Rivalität der Kommunen untereinander, nämlich zu Schulkannibalismus. Das muss man wissen. (Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE]) Die Realität ist doch, mit Hilfe des Schulministeriums sind bisher im Rahmen des neuen Schulgesetzes zukunftsweisende und stets tragfähige Konzepte gefunden worden. Die Einheitsideologie hilft eben nicht weiter. Ihr dritter Punkt, nämlich den Ganztag auszubauen, ist für mich schlicht unglaublich. Ihre Koalition von Rot-Grün hat im Bereich der weiterführenden Schulen von 1993 bis 2005 nicht eine gebundene Ganztagsschule genehmigt. (Beifall von CDU und FDP) Und da haben Sie hier die Stirn, zu behaupten, hier müsse mehr geschehen, Frau Löhrmann?! Das ist – bei aller Seriosität – eigentlich vollkommen unter Ihrem Niveau. Das ist schier unglaublich. (Zuruf von den GRÜNEN) Ehrlich gesagt fällt mir dazu nichts mehr ein. Unter keiner Regierung zuvor hat es einen so massiven Ausbau im Bereich der Ganztagsschulen gegeben wie unter dieser Landesregierung. Unter keiner anderen Landesregierung wurde es möglich, Ganztagsrealschulen und Ganztagsgymnasien in einer solchen Vielzahl einzurichten. (Ute Schäfer [SPD]: Warten wir mal ab!) Wir geben dazu 170 Millionen € zusätzlich. Das haben Sie ja eben so lapidar nebenbei erwähnt. Wenn Sie in Ihrer Regierungszeit 170 Millionen € zusätzlich für Bildung mobilisiert hätten, dann hätten wir eine ganz andere Achtung vor Ihnen gehabt. Sie waren dazu nicht in der Lage. Sie haben nur rumgekürzt und die Lehrerarbeitszeit verlängert. (Beifall von der CDU – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]) Diese 170 Millionen € sind angesichts der Haushaltssituation ein einmaliger Kraftakt. Dann ist es doch nur natürlich, dass die Landesebene darauf achtet, dass diese Beträge wirklich für den Ganztag genutzt werden. Dies ist eine vorbildliche Leistung der Landesregierung. Deshalb: Dank an den Landtag Nordrhein-Westfalen Ministerpräsidenten, Dank an Frau Sommer und – Frau Sommer wird es verzeihen – auch Dank an den Finanzminister, der die entsprechenden Mittel bereitgestellt hat, weil das uns allen nutzt. (Beifall von Ministerin Barbara Sommer) Außer mit der Einrichtung des Ganztags befassen Sie sich ja auch mit der Schulzeitverkürzung im Gymnasium. Neben dem gebundenen Ganztag gibt es dort weiterhin die Möglichkeit, innerhalb des neuen Ganztagsprogramms auch einen offenen Ganztag zu organisieren und die Mittagsbetreuungszeiten auszuwählen. Damit werden flexible und innovative Möglichkeiten für alle Gymnasien geschaffen, die nicht sofort in den gebundenen Ganztag gehen wollen. Allerdings gibt es auch sehr positive Rückmeldungen von Gymnasien, die den gebundenen Ganztag sofort einführen möchten. Für alle Gymnasien und anderen Schulformen haben wir also entsprechend flexible Möglichkeiten geschaffen. Ich kann mich nicht erinnern, dass von der Vorgängerregierung einmal in ähnlicher Weise flexibel und zügig reagiert worden wäre. Im Zusammenhang mit den Problemen, die in Bezug auf die Verkürzung der Zeiten am Gymnasium bis zum Abitur – Stichwort: „G 8“ – genannt worden sind, muss man der Vollständigkeit halber auch Folgendes erwähnen: Dadurch, dass die Landesregierung einen runden Tisch gebildet hat, um die Probleme zu besprechen, sind alle Beteiligten eng zusammengekommen. Das zeigt, wie schnell und flexibel man reagieren kann. Ich erinnere mich sehr wohl an das, was Sie in Ihrer Zeit im Bildungsbereich gemacht haben. Sie haben nämlich gekürzt. Das genaue Gegenteil ist heute der Fall. Alleine von 2008 auf 2009 steigen die Ausgaben im Bildungsbereich um fast 700 Millionen €. Der Ministerpräsident hat Ihnen das heute Mittag ebenfalls gesagt. Seit 2005 sind sie insgesamt um über 2 Milliarden € gestiegen. Wenn das nichts ist! Im vierten Punkt Ihres Antrags legen Sie wieder einen aufgewärmten Antrag vor. Gerade sind Sie im Plenum mit Ihrem Ansinnen auf eine warme Mahlzeit für alle gescheitert. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Der Gesetzentwurf ist doch noch gar nicht abgestimmt!) Nebenbei: Es sollte ja 150 Millionen € kosten. – Jetzt versuchen Sie, das gleiche Thema unter neuer Überschrift erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Zum einen ist das wenig fantasievoll. Zum anderen hat sich in der Sache bis heute auch nichts geändert. 11578 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Stellen Sie sich doch nur einmal vor, Ihr Anliegen – so viel auch zum Sofortprogramm – würde über Nacht umgesetzt. Wie sollen denn plötzlich alle Schulen über Nacht eine warme Mahlzeit für alle zur Verfügung stellen – allein logistisch? Das ist praktisch doch gar nicht möglich. Von daher geht es Ihnen nur um die Pressemeldungen und nicht um die Umsetzung. Die Umsetzung Ihrer Forderung mit einem Sofortprogramm bedeutet doch Chaos an fast allen Schulen im Lande – unabhängig davon, dass das Geld dafür nicht bereitsteht. Ein solches Chaos, wie es mit Ihrer jetzigen Forderung verbunden wäre, haben Sie ja nicht einmal in Ihrer Regierungszeit an den Schulen verursacht. Das heißt: Sie sind vollkommen von der Realität dessen entfernt, was umsetzbar und machbar ist. (Beifall von CDU und FDP) Unter sozialen Gesichtspunkten möchte ich Ihnen auch noch einmal Folgendes sagen: Ich persönlich hielte es für höchst unsozial, wenn der Staat für meine Tochter das warme Mittagessen bezahlte, statt dieses Geld für mehr und besseren Unterricht zu verwenden. (Beifall von CDU und FDP) Die Initiative des Ministerpräsidenten „Kein Kind ohne Mahlzeit“ ist die bedarfsgerechte Antwort für alle, die es sich nicht leisten können, jeden Tag ein warmes Mittagessen für ihre Kinder zu bezahlen. Das ist auch richtig so. Aufgrund des Erfolgs dieses Programms habe ich auch keine Zweifel daran, dass das Programm fortgesetzt wird – und zwar aus zwei Gründen: erstens, weil es richtig und erfolgreich ist, und zweitens, weil diese Regierung 2010 im Amt bestätigt wird und das Programm damit fortgeführt wird. (Beifall von der CDU – Ute Schäfer [SPD]: Tosender Beifall!) – Wir sind ja nicht alle im Wahlkampf. Wir stellen hier ja nicht solche Showanträge, wie Sie das jetzt getan haben. – Von daher müssen wir uns jetzt einmal damit auseinandersetzen. Das ist ja auch schon die Blaupause für die nächsten 20 Anträge. Dann braucht man immer nur die entsprechenden Textbausteine einzusetzen. Das ist der Vorteil bei Ihrer Antragstellung. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Sie haben Ihre Textbausteine nicht überall ausgewechselt! Das merkt man! – Sigrid Beer [GRÜNE]: Seit drei Jahren nichts Neues!) Landtag Nordrhein-Westfalen – Frau Beer, Sie könnten es doch eigentlich besser. Sie müssen einmal ein bisschen kreativer werden. Zum letzten Punkt, der Lernmittelfreiheit, sei kurz angemerkt, dass die Eigenleistung der Eltern insgesamt in diesem Jahr reduziert wurde. Mir ist auch kein Fall von Kindern aus ALG-II-Familien bekannt, die keine Schulbücher erhalten hätten. Natürlich ist eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene wünschenswert und unterstützungswürdig. Für mich ist aber gerade die Regelung bezüglich der Schulbücher ein Zeichen dafür, wie flexibel und intelligent Schulträger und Schulen diese Frage vor Ort lösen. In diesem Zusammenhang ist zu begrüßen, dass der Ministerpräsident das Thema Kostenübernahme beim Bildungsgipfel in Berlin besprechen will, womit es auf der bundespolitischen Agenda bleibt. Bekanntlich sind die Hartz-Gesetze in Berlin aber unter Rot-Grün beschlossen worden – nur der Vollständigkeit halber. (Beifall von der CDU) Zusammengefasst heißt das: Dieses Sofortprogramm ist umsetzungsuntauglich, ideologiegefärbt, nicht durchfinanziert und nicht nachhaltig. Es hat eigentlich nur einen Hinweis verdient: Sofort in den Papierkorb. Dafür werden wir sorgen; denn eine ernsthafte Befassung im Ausschuss ist wirklich überflüssig – was ich bekanntlich nicht über alle Anträge der Grünen sage. Um Ihnen das noch einmal zu verdeutlichen, mache ich Sie auf fünf wichtige Punkte unserer Bildungspolitik aufmerksam. Erstens: weniger Unterrichtsausfall. Zweitens: mehr Geld für Bildung; mehr Lehrer. Drittens: mehr sozialer Aufstieg durch mehr individuelle Förderung und Sprachförderung sowie Ganztag. Viertens: bessere Steuerung der Schulen durch mehr Eigenverantwortung, regionale Bildungsnetzwerke und neue Fortbildung. Fünftens: bessere Erfolge durch klare Qualitätsstandards und zentrale Prüfungen. Darum geht es. Das ist kein verquastes Sofortprogramm – ein Sofortprogramm ist dazu auch nicht erforderlich –, sondern ein nachhaltiges Programm zur Verbesserung der Bildung in Nordrhein-Westfalen. Dafür stehen Frau Sommer und die Landesregierung. – Herzlichen Dank. 11579 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 (Beifall von CDU und FDP) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Herr Kaiser. – Für die SPD spricht nun Frau Schneppe. Petra Schneppe (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bessere Bildung und Chancengleichheit an unseren Schulen ist eine Forderung, die die Grünen eben vorgetragen haben und die wir seitens der SPD unterstützen. Die CDU/FDP-Regierung schlägt bildungspolitisch exakt die falsche Richtung ein, und das zum Nachteil unserer jungen Generation, meine Damen und Herren. Das Kopfnotenchaos muss tatsächlich schnellstmöglich beendet werden. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Das unausgegorene Konzept der Landesregierung zur Bewertung von Arbeits- und Sozialverhalten durch Schulnoten bereitet gerade auf Abschlusszeugnissen große Probleme und kann zu erheblichen Nachteilen führen. Die Art und Weise der Notenvergabe führt zwangsläufig zu Ungerechtigkeit und Klagewellen. Für uns Sozialdemokraten steht fest: Das Arbeitsund Sozialverhalten sollte zweifellos ein Bestandteil der Zeugnisse sein, allerdings in textlicher Form als Beurteilung, nicht als Ziffer. Es kann außerdem nicht angehen, dass die öffentlichen Schulen Kopfnoten vergeben müssen, die kirchlichen Schulen aber nicht. An der Stelle kann ich dem Antrag der Grünen nur zustimmen, meine Damen und Herren: Dieses Zwei-Klassen-System muss vom Tisch. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Bestätigen, ja sogar bekräftigen kann man im Übrigen auch die Forderung der Kolleginnen und Kollegen zu den Anmeldezahlen. Mangelnde Anmeldezahlen zwingen zu Verbünden, und das nicht nur im ländlichen Raum. Auch in Großstädten werden aufgrund sinkender Schülerzahlen Haupt- und Realschulen einzügig oder können gar nicht gehalten werden. Hier ist die Ignoranz der Koalitionsfraktionen nicht zu überbieten, wenn es darum geht, Konzepte – sprich Horstmar/Schöppingen – anzuerkennen und endlich, zum jetzigen Zeitpunkt, die längst fällige Umstrukturierung unserer Schullandschaft vorzunehmen. Aber dazu fehlt Ihnen ja leider der Mut, meine Damen und Herren. Wir brauchen ein Schulsystem, das niemanden zurücklässt, ein Bildungssystem, das unsere Kinder nicht aussortiert oder in Sackgassen lenkt. Ein Landtag Nordrhein-Westfalen Bildungssystem muss her, das unsere Kinder nicht zu Verlierern abstempelt. Die kürzlich veröffentliche Bertelsmann-Bildungsstudie gibt uns natürlich recht. Laut Umfrage hält fast die Hälfte der befragten Bundesbürger das deutsche Bildungssystem für überholt und ungerecht. Die Mehrheit der Befragten sprach sich für ein längeres gemeinsames Lernen aus. Halbherzigkeit und fehlender Mut seitens der CDU/FDP-Regierung, das System den Gegebenheiten anzupassen, erweisen sich auch beim Ausbau der Ganztagsschulen – oder soll ich sagen: im Nichtausbau der Ganztagsschulen. Denn nach dem jetzigen Ganztagsprogramm der Landesregierung würde es wohl bis 2020 dauern, ehe auch die letzte Realschule und das letzte Gymnasium in eine Ganztagsschulform umgewandelt worden wären, und das auch nur dann, werte Kolleginnen und Kollegen, wenn die Finanzierung durch das Land konsequent durchgezogen würde. Den Ganztag für nur ein Gymnasium plus eine Realschule pro Kommune pro Jahr vorzusehen, reicht beileibe nicht aus. Wo, bitte, bleiben denn die Großstädte? Das Investitionsprogramm ist unzureichend. Es ist realitätsfern und wird sich zu einer schweren Belastung für die Kommunen entwickeln. Wir werden es erleben. Im Gegensatz zum IZBB-Programm, das einen Eigenanteil der Kommunen von nur 10 % vorsah, müssen die Kommunen nun mindestens 50 % übernehmen. Pro Schule stellt die Landesregierung maximal 100.000 € bereit. Das ist eine völlig realitätsferne Summe, da Fachleute zum Beispiel den Bau einer Mensa ohne eigene Küche mit rund 750.000 € bis zu 1,5 Millionen € beziffern. Die Begrenzung des Investitionsprogramms auf zwei Jahre wird dem bestehenden und noch erwachsenden Bedarf in keiner Weise gerecht. Kommen wir zum wichtigen Thema „Schulmittagessen“: In der Praxis sieht es so aus, dass es Kinder erster und zweiter Klasse gibt, nämlich diejenigen, die sich das Essen leisten können, und diejenigen, bei denen das nicht der Fall ist. Nicht wenige Kinder verlassen vor dem Mittagessen die Schule, kommen dann aber zur nachmittäglichen Betreuung wieder. Ich brauche Ihnen, meine Damen und Herren, sicherlich nicht zu schildern, welchen Druck diese Situation auf die Kinder ausübt, zumal in 98 % der Fälle davon ausgegangen werden kann, dass diese Kinder auch zu Hause kein Mittagessen bekommen und mit hungrigem Magen in die Schule zurückkehren. Wenn es der Landesregierung wirklich so ernst ist, dass jedes 11580 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Kind ein warmes Mittagessen bekommt, muss sie auch die wirklich notwendigen finanziellen Investitionen tätigen. Was passiert, wenn der Landesfonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ nach zweijähriger Laufzeit eingestellt wird? Wie sieht die Anschlussregelung aus, meine Damen und Herren? Es ist nicht damit getan, plakativ sozial zu argumentieren, aber in der Umsetzung jegliche soziale Verantwortung vermissen zu lassen. Abschließend möchte ich betonen, dass meine Fraktion dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zustimmen wird. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Schneppe. – Für die FDP spricht nun die Kollegin Frau Pieper-von Heiden. Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Frau Löhrmann, Frau Beer, das ist der ich weiß nicht wie vielte Aufguss, den Sie uns liefern. Aber es ist wirklich kalter Kaffee. In der Sommerpause ist Ihnen wohl nichts anderes eingefallen. Noch dazu sind Sie zu spät zurückgekehrt, denn irgendwie haben Sie nicht mitbekommen, dass Frau Ministerin Sommer erklärt hat, dass es noch im Laufe des Monats September die Evaluation der Kopfnoten geben und anschließend zügig eine Neuregelung nach einer sehr verantwortungsvollen Evaluation noch im laufenden Schuljahr umgesetzt wird. Dies nur zu Ihrer Information. Interessant ist doch zu lesen, dass Sie irgendwie nicht so recht wissen, was Sie wollen. Das wissen wir zwar; aber dass Sie das hier so klar zu Papier bringen, das ist neu. Auf der einen Seite scheint Ihnen zwar eine Rückmeldung recht zu sein, auf der anderen Seite aber bitte schön kein Zwang. Form und Art der Notenvergabe sollen, bitte schön, freigestellt werden. – Ich kann mich an eine Debatte hier erinnern, in der Sie sehr klar gesagt haben, es dürften überhaupt keine Ungerechtigkeiten auftreten, überall müsse alles vergleichbar sein. – Was wollen Sie denn wirklich? Sortieren Sie sich erst einmal ein bisschen nach Ihrem Urlaub. Dann können wir neu diskutieren. Zur Gemeinschaftsschule. Auf den ersten Blick scheint es so, dass Sie ganz pragmatisch daherkommen, aber im Grunde genommen verstecken Sie doch wieder Ihre Ideologie unter diesem Punkt. Sie wollen nun einmal die Einheitsschule. Das sagen Sie verdeckt, aber nicht wirklich. Sie wollen Verschiedenes ermöglichen usw. Landtag Nordrhein-Westfalen Dazu nur eines: Auf die Differenzierung und auf die Erfordernisse der Differenzierung der unterschiedlichen Begabungen sowie Leistungsstände der Kinder wollen Sie wohl kaum Rücksicht nehmen. Sie können doch wirklich nicht behaupten wollen, dass es in einer großen Einheits- oder Gemeinschaftsschule möglich ist, den individuellen Erfordernissen jedes einzelnen Kindes gerecht zu werden! Präsidentin Regina van Dinther: Frau Kollegin. Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Frau Beer, Sie bezeichnen die FDP gerne als Bildungstaliban. Das ist geschmacklos, aber offensichtlich Ihr Jargon und Ihr Stil. (Lachen von den GRÜNEN) Um auch einmal in dieser Form zu sprechen, Frau Beer: In Wahrheit sind Sie die Heckenschützin, die aus ideologischen Gründen die Zukunft unserer Kinder aufs Korn nimmt. Die aber ist nicht zur Disposition zu stellen. (Beifall von der FDP) Wir müssen individuell fördern. Die Mehrheit der Wissenschaftler, die sagt, es sei eine Differenzierung nötig, und die damit völlig auf unserer Seite steht, nehmen Sie überhaupt nicht zur Kenntnis. Sie bemühen ständig nur Ihre Ideologie. Ganztagsaufbau pauschalieren! – Nein, wir wollen den Ganztag überall dort hinbringen, wo er erforderlich ist, wo er auch nachgefragt wird. Dorthin gehört er. Und es gehören auch nicht alle Ganztagsschulen als gebundene Ganztagsschulen eingeführt, sondern das Ganztagsprogramm muss so, wie es die Landesregierung und die Regierungsfraktionen entschieden haben, offen in den weiterführenden Schulen angeboten werden. Genau das machen wir. Das machen wir nach Bedarfslage. Das stülpen wir nicht über. Das haben Sie früher mit der Gießkanne gemacht. So etwas machen wir nicht. Aber da haben Sie sich wahrscheinlich noch nicht umgewöhnen können. Präsidentin Regina van Dinther: Frau Kollegin, es gibt eine Zwischenfrage von Frau Löhrmann. Erlauben Sie die oder nicht? 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11581 Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Es war wirklich erholsam, so etwas mal sechs Wochen nicht zu hören. Jetzt habe ich das Wort. Präsidentin Regina van Dinther: Gut. Sie entscheiden das. Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Ich nehme an, Frau Beer wird sich hier gleich noch umfassend auslassen. Sie hat ja noch ein bisschen Zeit von Frau Löhrmann. Das Allerschärfste ist die Behauptung – das möge man sich doch einmal auf der Zunge zergehen lassen –, den Gesamtschulen werde der Ganztagsausbau aus ideologischen Gründen verwehrt. Ich möchte nur daran erinnern, dass früher unter Ihrer Verantwortung fast 100 % der Gesamtschulen als Ganztagsschulen errichtet worden sind, dass Sie allen anderen weiterführenden Schulen über viele Jahre die Genehmigung der Ganztagsführung verweigert haben. Wenn das keine Ideologie ist, dann frage ich mich: Was ist Ideologie? (Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]) Das tragen Sie vor sich her. Unter Chancengerechtigkeit verstehen Sie ausschließlich Ihr Lieblingskind, die Gesamtschule. Es ist nicht in Ordnung, nur Lieblingskinder zu fördern. Wir müssen alle fördern. Wir haben einen weiten Weg der Aufholung bei den anderen Schulformen. Das nehmen wir in Angriff, das machen wir jetzt. Das haben wir auch deutlich gesagt. Ich denke, das hat sehr viel mehr mit Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu tun als das, was Sie hier einfordern. Eigentlich lohnt es sich gar nicht, sich an den einzelnen Punkten abzuarbeiten. Ich will aber noch einmal auf das Recht auf warme Schulessen für alle, das Sie hier reklamieren, eingehen. Es gibt in diesem Land noch Familien, Frau Beer, die tatsächlich gerne ein gemeinsames Mittagessen mit ihren Kindern einnehmen. Es gibt Mütter oder Väter oder beide zusammen oder meinetwegen auch die Oma, die das gerne machen. Es gibt auch Kinder, die das Bedürfnis haben, einfach mittags nach Hause zu gehen. Wir möchten keine Ideologie breittreten und Familien und Kinder in etwas hineinzwingen, was sie nicht haben wollen. (Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]) Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Nicht ganz gerne, Frau Präsidentin. Wir wollen es als Angebot schaffen. Präsidentin Regina van Dinther: Sie können das entscheiden. Das Angebot ist dringend erforderlich. Wir bieten es an. Es hat einen so beherzten Ausbau des (Beifall von der FDP) Landtag Nordrhein-Westfalen Ganztags gegeben, von dem Sie im Jahr 2005 noch nicht einmal hätten träumen können. (Beifall von FDP und CDU) Letzter Punkt, und zwar Ihr Punkt Lehrmittel. – Es ist allgemein bekannt, dass es in diesem Bereich unterschiedliche Zuständigkeiten gibt. Das Verblüffende an Ihrer Argumentation ist wirklich, dass Sie zusammen mit der SPD es gewesen sind, die den Eigenanteil für Lehrmittel spürbar belastet haben. Sie haben vor einigen Jahren die Kosten für Eltern en passant um ein Drittel erhöht. FDP und CDU sind es gewesen, die diese Belastung zurückgenommen haben. Wir entlasten die Familien und ziehen ihnen nicht das Geld aus der Tasche. Wir müssen wirklich dazu beitragen, dass es für die Familien nicht so schwer wird, für Schulbücher für ihre Kinder zu sorgen. Dieser Antrag gehört in die Mottenkiste. Sie machen das Gleiche in unterschiedlicher Reihenfolge immer wieder. Aber egal, in welche Reihenfolge Sie es stellen: Ihre Absicht ist transparent und immer erkennbar, egal, wo Sie sie verstecken. – Danke. (Beifall von FDP und CDU) Präsidentin Regina van Dinther: Danke schön, Frau Pieper-von Heiden. – Frau Ministerin Sommer spricht nun für die Landesregierung. Bitte schön. Barbara Sommer, Ministerin für Schule und Weiterbildung: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein Fünf-Punkte-Programm – damit wollen die Grünen das anpacken, was den Schulen unter den Nägeln brennt. Das hört sich spannend an, Frau Löhrmann. Umso größer ist allerdings die Enttäuschung, wenn man Ihren Antrag genauer liest. Darin findet sich nichts Neues. Das hat sich, glaube ich, auch schon in der Presse widergespiegelt. Aber wo, frage ich Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, sind Ihre Perspektiven, Ihre Visionen geblieben, auf die wir immer gern geantwortet haben? Vorbei, dahin! Das, was der Ministerpräsident heute gesagt hat, trifft wirklich zu. Er hat gesagt: Wenigstens gelegentlich waren Sie gut in diesen Dingen. In Ihrem Antrag schreiben Sie von Weichenstellung. Das lässt die Assoziation zu dem Bild eines Zuges zu. Wohin der Zug unter Ihrer Regierung gefahren ist, wissen wir alle. In Ihren Waggons hatten Sie eine Menge Unterrichtsausfall, 5 Millionen Stunden. Meine Damen und Herren, das wird 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11582 Sie verfolgen wie ein Schatten. Unter Ihrer Regierung war die Abhängigkeit der Bildungschancen von der sozialen Herkunft größer als je. (Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]: So war das! Leider!) Es ist gut, dass Sie nicht mehr an den Stellschrauben drehen können. (Beifall von der CDU) Meine Damen und Herren, wir sorgen für mehr Lehrer, für mehr Ganztag und für individuelle Förderung. Das sind die richtigen Weichenstellungen. Lassen Sie mich jetzt kurz auf Ihre Punkte eingehen. Die Kopfnoten sollen in das Belieben der Schulen gestellt werden. – Ein schönes Chaos gäbe das. (Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]) Wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler in einer vernünftigen Rückmeldekultur Auskunft über ihr Arbeits- und Sozialverhalten bekommen. Kopfnoten sollen klar, eindeutig und verbindlich sein. Ich habe von Anfang an gesagt, dass wir eine Analyse vornehmen. Frau Pieper-von Heiden hat erklärt, dass diese Auswertung im Augenblick läuft. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Zwei oder drei Jahre? – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE]) Wenn die Ergebnisse vorliegen, werden wir gegebenenfalls eine Änderung vornehmen. Ich will auch klarstellen: Die Schülerinnen und Schüler, die Lehrerinnen und Lehrer werden früh genug informiert, sodass mögliche Änderungen schon zum Halbjahreszeugnis umsetzbar wären. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Jetzt sagen Sie doch endlich mal etwas!) Zu Ihrem zweiten Punkt. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer Einsicht, dass es jetzt endlich mehr Ganztagsschulen geben soll. Das ist allerdings eine recht späte Erkenntnis. (Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE]) Wir haben bei der Übernahme der Regierungsverantwortung keinerlei Planungen vorgefunden – vieles merkt man ja erst im Nachhinein –, wie der Ganztag an den anderen weiterführenden Schulen realisiert werden soll. (Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron) Ich wiederhole es noch einmal – Klaus Kaiser hat es eben schon gesagt –: Zwischen 1993 und 2005 haben Sie nur an einer Schulform den Landtag Nordrhein-Westfalen 11583 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Ganztag ermöglicht: an der Gesamtschule. Keine Förderschule, keine Realschule, kein Gymnasium wurde damit bedacht und selbstverständlich in Ihrem Kontext auch keine Hauptschule. befristete Regelung geschaffen? Das Thema scheint Ihnen doch wichtig zu sein. Sonst würde es nicht unter diesem Fünf-Punkte-Programm stehen. Wir haben nach dem Ausbau des Ganztags an der Hauptschule mit unserem 175-Millionen-€Programm jetzt den flächendeckenden Ausbau des Ganztags ermöglicht. An Realschulen und Gymnasien wird er in Angriff genommen. Ich denke, in den nächsten zwei Jahren können wir uns mit 216 Ganztagsschulen im Realschul- und im Gymnasialbereich sehen lassen. Da das Gesetz zur finanziellen Entlastung der Kommunen ausgelaufen ist, wurde die Höhe des Eigenanteils wieder von 49 auf 33 % reduziert. Somit belaufen sich die Kosten pro Jahr auf 12 € für die Grundschulen, 23,66 € für die Schulen der Sekundarstufe I und 26 € für die Oberstufe. Ich glaube, das ist nicht unverhältnismäßig. Ich habe bisher von keinem Kind gehört, das keine Schulbücher bekommen konnte. Frau Schneppe, ich darf Ihnen entgegnen. Sie haben eine Hochrechnung gemacht und haben gesagt: Mein Gott, wenn Sie so weitermachen wollen, dann sind Sie bei den Realschulen ja erst 2020 fertig. – Ich rufe Ihnen zu, dass es darum geht, diese Entwicklung bedarfsgerecht voranzutreiben. Wenn Sie davon ausgehen, dass erst 2020 alle Realschulen im Ganztag sind, dann müssen Sie aus Ihrer Position heraus ja auch die Bedeutung dessen erkennen, wenn Sie das so wichtig finden. Ich frage Sie auch in diesem Zusammenhang: Warum haben Sie nicht eher reagiert? In dem Konglomerat von bildungspolitischen Themen muss natürlich auch das warme Schulessen wieder seinen Platz haben. Das Thema ist nicht neu, das wissen wir alle. Aber, Frau Löhrmann, Sie konnten nicht warten, bis der Schulausschuss das Thema beraten hat, Sie haben es vorher eingebracht. Ich habe Ihnen schon mehrfach gesagt: Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf eine warme Mahlzeit für alle Schüler ist nicht bedarfsgerecht. (Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Warum machen die es dann in Finnland und Schweden?) Bedarfsgerecht nenne ich es, wenn sich ein Angebot mit der Nachfrage deckt. Vor Ort haben wir wirklich schon gute Lösungen. Wir haben ein Programm aufgelegt, das mit 400.000 € finanziert wird. Das heißt, wir honorieren gerade auch diese Lösungen. Den Landesfonds „Kein Kind ohne Mahlzeit“ haben wir für das Jahr 2009 auf 15 Millionen € aufgestockt. Damit, meine ich, schaffen wir Lösungen, die sich am Bedarf der Menschen und nicht an Ideologien orientieren. Da wir schon beim Thema sind: Meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, Sie wollen, dass die Bildungschancen erhöht und Lernmittelfreiheit für Bezieher von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II eingeführt werden. Ich frage mich auch hier wieder: Warum haben Sie das nicht gemacht? Warum haben Sie nur eine Meine Damen und Herren, über all diesen Forderungen schwebt natürlich wiederum der Geist der Gemeinschaftsschule. Ich sage Ihnen hier erneut: Es gibt keinen gesicherten Beleg dafür, dass längeres gemeinsames Lernen wirklich zu besseren Leistungen führt. (Beifall von CDU und FDP) Das weiß ich. Das wissen Sie. Das wissen wir alle. Das wissen unsere Bürgerinnen und Bürger. Das wissen vor allen Dingen die Eltern. Deswegen wollen sie auch den Erhalt der Schulstruktur, wie sie jetzt ist und wie wir sie vertreten. Wir wollen weiter festhalten an einem differenzierten, wohnortnahen Schulangebot, und das angesichts sinkender Schülerzahlen. Dafür haben wir im Schulgesetz vielfältige Möglichkeiten angeboten, die auch von den Kommunen genutzt werden, sodass wir sprichwörtlich die Schule im Dorf lassen können. Wenn jede Kommune aber, wie Sie es wollen, ein Modell nach eigenem Gusto schaffen würde, dann käme es zu einem Durcheinander, das denen nicht gerecht wird, für die wir zu sorgen haben, nämlich den Kindern und Jugendlichen. (Beifall von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]) Wir wollen das bestehende System verbessern, seine Qualität steigern. Wir wollen Hauptschulen; die haben Verfassungsrang, und das nicht erst seit 2005. Wir wollen Realschulen. Wir wollen Gesamtschulen. Wir wollen Gymnasien. Wir wollen Förderschulen. Und wir wollen einen engen Zusammenschluss mit unseren Berufskollegs. Wir wollen den Schülerinnen und Schülern individuell Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wir wollen sie auf keinen Fall über einen Kamm scheren. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir werden die Kopfnoten, wenn erforderlich, weiterentwickeln. Wir stellen ein wohnortnahes, differenziertes Schulsystem sicher. Wir bauen den Ganztag weiter aus. Wir stellen das Schulessen Landtag Nordrhein-Westfalen 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11584 bedarfsgerecht sicher. Wir sorgen auch dafür, dass die Kinder und Jugendlichen eigene Schulbücher haben. Ich kann nur sagen: Selten dämlich! Mit Ihrem Griff in die populistische Mottenkiste ist niemandem gedient. Meine Damen und Herren, die Zukunft liegt nicht in der Vergangenheit. Der Bildungszug von CDU und FDP rollt. Die Opposition sieht die Rücklichter. – Vielen Dank. Kommen wir zu den Kopfnoten. Das kommt mir mittlerweile vor wie auf einem orientalischen Basar. Derzeit gibt es sechs Kopfnoten und einen Abiturjahrgang, der damit durch sein ganzes Leben gehen muss, nämlich der letzte, der chaotische Abiturjahrgang 2008. Dieser Jahrgang hatte sechs Kopfnoten. Wir wissen nicht, was den nächsten Jahrgängen passiert. Werden es zwei, werden es drei oder werden es vier Kopfnoten? (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Ministerin. – Für die SPD-Fraktion erhält Frau Abgeordnete Schäfer das Wort. Ute Schäfer (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben eindringlich von Frau Ministerin Sommer gehört, was Sie alles wollen, wollen und wollen. Für das Wollen hat Ihnen schon einmal ein Bildungsmonitoring einen guten Platz beschert. (Heiterkeit von der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Einen sehr guten!) Allerdings hat Herr Stahl dann für die CDULandtagsfraktion eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben, die Ihnen sehr deutlich gezeigt hat – wie Sie am Anfang der Sommerferien dokumentiert haben –, dass die herausragenden Probleme in der Bildungspolitik bei den Menschen folgendermaßen aussehen: (Zuruf von Ingrid Pieper-von Heiden [FDP]) Sie beklagen Unterrichtsausfall, Sie beklagen Lehrermangel, Sie beklagen zu große Klassen, und sie beklagen ungleiche Chancen. (Beifall von der SPD – Lebhafte Zurufe von der CDU) Das hat man Ihrer Bildungspolitik attestiert! Das hat man Ihnen attestiert! (Helmut Stahl [CDU]: Sie wollten 16.000 Lehrer einsparen! – Weitere Zurufe von CDU und FDP) – Das, Herr Stahl, ist die Realität. Jetzt komme ich zu den Kopfnoten. (Zurufe von CDU und FDP) – Da werden Sie nervös; das kann ich gut verstehen. Herr Stahl, an Ihrer Stelle hätte ich die Umfrage in den Giftschrank gelegt, aber ich hätte sie nicht der Öffentlichkeit präsentiert. (Beifall von der SPD – Zuruf von Helmut Stahl [CDU] – Weitere Zurufe) (Beifall von der SPD) (Zuruf von Ralf Witzel [FDP]) Kommt die Änderung zum Halbjahr oder erst zum nächsten Jahr? Kommt sie nach der Evaluation eines Jahres oder nach der von zwei Jahren? Vielleicht sagen Sie etwas präziser, wenn Sie das nächste Mal Plakate aufhängen, was Sie eigentlich mit den Kopfnoten machen wollen. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Die Menschen in Nordrhein-Westfalen nehmen Ihnen einfach nicht mehr ab, dass das seriöse Bildungspolitik ist. Wir haben Ihnen den Vorschlag gemacht, die Kopfnotenvergabe zumindest bei den Abiturienten auszusetzen. Auch solch einen pragmatischen Vorschlag haben Sie schlichtweg abgelehnt und lassen es zu einer Zwei-KlassenGesellschaft kommen. Kommen wir zum nächsten Punkt, zu den kommunalfreundlichen Lösungen für Kommunen. Was die Schulstruktur bzw. die Schulverbünde bei Ihnen angeht, kann ich sagen: Fehlanzeige! – Herr Kaiser fordert lauthals Kreativität ein. (Zustimmung von Klaus Kaiser [CDU]) Herr Kaiser, wenn die Kommunen dann kreativ werden und hervorragende Konzepte auf den Tisch legen, dann muss dieses Ministerium eine Verrenkung machen und das Schulgesetz verfremden, damit tatsächlich noch irgendwelche Lösungen herauskommen, die die Kommunen zufriedenstellen. Das ist die Realität, die Sie den Kommunen in Nordrhein-Westfalen zumuten! (Beifall von SPD und GRÜNEN – Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) Die CDU-Bürgermeister haben eine hohe Kreativität an den Tag gelegt. (Zuruf von Christian Weisbrich [CDU]) – Ich attestiere gerade Ihren Bürgermeistern eine hohe Kreativität und Sie rufen immer dazwischen, Herr Weisbrich. Das finde ich nicht nett. Landtag Nordrhein-Westfalen (Zuruf von der SPD: Das hat er nicht verstanden!) Ich kann nur sagen, dass Sie Ihr eigenes Schulgesetz im Hinblick auf die Anträge der Kommunen bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln, wenn Sie ihnen angeblich pragmatische Lösungen vor Ort anbieten wollen. Kommen wir zum nächsten Punkt, zum Ganztag. Interessant ist, welches Weinen sich auf einmal einstellt, was wir von 1995 bis 2005 in Bezug auf den Ganztag alles nicht gemacht hätten. Einige Abgeordnete der CDU werden sich noch daran erinnern, wie sie den Ganztag in der Zeit verteufelt haben, als wir trotz der schwierigen finanziellen Bedingungen den Ganztag immerhin in einer Schulform umgesetzt haben. (Beifall von SPD und GRÜNEN – Zurufe von der CDU) Einige Abgeordnete der Koalitionsfraktionen werden sich auch daran erinnern, dass wir in der Grundschule ein Ganztagsprogramm mit 200.000 Plätzen aufgelegt haben. Wir sind dabei sehr erfolgreich gestartet – gegen Ihren erbitterten Widerstand! (Beifall von SPD und GRÜNEN) Das haben Sie später trotzdem fortgesetzt. Also hören Sie bitte mit dem hohlen Gerede auf, wir hätten uns nicht um den Ganztag gekümmert! Das ist schlicht und einfach nicht wahr! (Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU) Ich sage Ihnen, wie Sie mit Ihren Programmen umgehen. Ich war in Blomberg, habe die Eröffnung einer Mensa begleitet und durfte dort ein Grußwort sprechen. Herr Kern war auch dabei; ich weiß nicht, ob er hier jetzt noch anwesend ist. Wir beiden waren vor Ort und haben uns angehört, was da passiert ist. Eine Hauptschule hatte den Ganztag beantragt und wollte eine Mensa bauen. Es hat zwei Jahre gedauert, bis klar war, dass die Mensa für diese Hauptschule, die in einem Schulzentrum liegt, auch von anderen Schülern benutzt werden durfte. Das heißt: Wenn es nach Ihren Plänen gegangen wäre, hätten sich die Realschüler und die Gymnasiasten die Nase am Fenster platt gedrückt, während die Hauptschüler zu Mittag gegessen hätten. (Zuruf von Ralf Witzel [FDP]) Das ist Ihre Art der Lösung gewesen. Nur mit dem Handeln dieser Kommune, die selber 800.000 € investiert hat, konnte eine Mensa gebaut werden, die allen Schülerinnen und Schülern zur Verfü- 11585 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 gung steht. Das sind die pragmatischen Lösungen vor Ort, die Sie im Detail häufig genug bekämpfen! Das alles hat, wie gesagt, etwas mehr als 800.000 € gekostet. Aber jetzt bieten Sie ein Ganztagsprogramm für die Gymnasien und für die Realschulen an, das einer Kommune für den Ausbau eines Ganztags sage und schreibe 100.000 € zugesteht – aber nur, wenn die Kommune selbst 100.000 € drauflegt. Ich frage Sie ganz ernsthaft: Wie soll das denn funktionieren? (Beifall von SPD und GRÜNEN) Heute Morgen haben wir gehört, wie viele Steuermehreinnahmen Sie haben: Es gab eine Steigerung dieser Einnahmen in Höhe von 25 %. Wie viel davon setzen Sie für den Ganztag ein? Da müssten Sie anfangen nachzudenken. Alles andere uns ans Revers heften zu wollen ist schlicht und einfach Unfug. (Zuruf von Ralf Witzel [FDP]) Das waren einige der Punkte, die ich aus meiner Sicht noch einmal ansprechen wollte. Insofern finde ich: Das Sofortprogramm der Grünen ist das richtige Programm zum richtigen Zeitpunkt. Ich sage allerdings auch ganz deutlich: Es gibt noch viel mehr ungelöste Probleme. (Zustimmung von den GRÜNEN) Ich nenne nur einige, zum Beispiel Ihr Scheitern mit dem Schulgesetz. Die Schulleiterwahl ist nicht mehr verfassungskonform. (Beifall von Sören Link [SPD]) Sie wollen die Beförderungssperre für Schulleiter aufheben, aber Ihr Innenminister macht keinen Gesetzentwurf dazu; das funktioniert also gar nicht. Sie haben bescheinigt bekommen, dass das LPVG verfassungswidrig ist und müssen da noch Veränderungen vornehmen. Der Prognoseunterricht entpuppt sich als reines Verwaltungsmonstrum. Verfahren sind beim Verwaltungsgericht anhängig. Eltern beschweren sich. Dieses Steuerungsinstrument ist gescheitert. – Das ist Ihre Bilanz. Da spricht nichts für Durchlässigkeit und nichts für Chancengleichheit. Wenn Sie uns dann attestieren wollen, Frau Ministerin, dass längeres gemeinsames Lernen keine besseren Lernergebnisse hervorbrächte – da kann ich Ihnen vielleicht sogar Recht geben, das weiß ich noch nicht, (Ralf Witzel [FDP]: Aha!) Landtag Nordrhein-Westfalen aber eines, Herr Witzel, ist erwiesen: Längeres gemeinsames Lernen schließt die Schere zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg. Das muss uns doch das erste Anliegen sein. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Auch der Leistungsgedanke ist wichtig, er kommt aber als Zweites hinzu. Deswegen sollten Sie diesem Gedanken nähertreten. Wir werden das hier noch weiter erörtern. Machen Sie das nicht mit der Einheitsschule platt. Es ist differenzierter, als Sie denken. Sie sollten die Kinder in den Mittelpunkt Ihres bildungspolitischen Interesses stellen. In dem Sinne stimmen wir dem Antrag zu. – Herzlichen Dank. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schäfer. – Für die grüne Fraktion erhält Frau Beer das Wort. Sigrid Beer (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ministerin vermisst Visionen. Frau Ministerin Sommer, wir versuchen es heute speziell für Sie mit kleinen Schritten. Aber selbst diese kleinen Schritte verweigern Sie konsequent. Dabei sind diese kleinen Schritte genau die Antwort auf die Nöte der Schulen, in die Sie diese hineingestürzt haben. (Beifall von den GRÜNEN) Diese kleinen Schritte sind das, was die Schulen jetzt brauchen. Sie aber schalten ab und machen die Augen zu. Die Kollegin Frau Pieper-von Heiden sagt hier: Wir treiben die Schulen in nichts hinein. – Sie treiben den Schulen die Tränen in die Augen, allein wenn Sie diesen Satz sagen. Sie haben die Nöte verursacht. Sie haben den Schulen und Schulträgern das Turbo-Abitur, die Verkürzung der Sekundarstufe I vor die Tür gekippt. Und dann sagen Sie „Wir treiben die Schule in nichts hinein“? Sie haben Kopfnoten per Zwangsverordnung in die Landschaft gegossen und müssen jetzt zugeben, dass diese nicht passgenau sind, dass sie ungerecht sind, dass Sie nach nur einem Jahr grundsätzlich daran arbeiten müssen. Und dann sagen Sie „Wir treiben die Schulen in nichts hinein“? So viel Realitätsverweigerung ist wirklich unglaublich. Das kann man sich gar nicht vorstellen. Worauf dürfen sich die Schulen in Sachen Kopfnoten in diesem Jahr freuen? Die Ministerin sagt gerade ganz nebulös und verträumt lächelnd – viel- 11586 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 leicht ist das ein Tipp des neuen PR-Beraters –: Das könnte in einem Halbjahr vielleicht so sein. Die FDP schwadroniert über drei Noten, Herr Kaiser träumt von zwei Noten. Und was ist mit den Schulen? Da herrscht absolute Unklarheit. Die Schulen müssen nach den bisherigen Vorgaben arbeiten, kennen die Kriterien nicht, nach denen die Schüler/-innen demnächst beurteilt werden sollen, und wohin die Kopfnoten laufen. Sie wissen nicht, ob es zwei, drei, vier oder vielleicht 32 sind – weil es doch viel differenzierter sein sollte. Nichts ist klar! Die Schulen haben wieder unnütze Arbeit mit einem unnützen Instrument. Und Sie müssen schon nach kurzer Zeit eingestehen, dass das Ganze im Prinzip ein Rohrkrepierer ist. (Beifall von den GRÜNEN) Es wird auf jeden Fall nie wieder sechs Kopfnoten in Nordrhein-Westfalen geben; das ist klar. Ich kann den Schülerinnen und Schülern nur empfehlen, die Zeugnisse dieses Jahres aufzuheben. Sie haben Seltenheitswert und können sicherlich einmal bei eBay versteigert werden. Da werden sie eine enorme Rendite bringen. Was wir heute Morgen hier gehört haben, grenzt wirklich an Realitätsverweigerung bezüglich der realen Situation der Schulen. Das war während der heutigen Haushaltsdebatte auch vom Ministerpräsidenten mit Händen zu greifen. Ich will Ihnen einen Satz mit auf den Weg geben, Frau Ministerin: Es reicht nicht, Geld in ein System zu geben; dieses Geld muss auch effizient eingesetzt werden, damit es die entsprechenden Wirkungen entfalten kann. (Beifall von den GRÜNEN) Es ist klar, dass man das gegliederte Schulwesen auch mit Ressourcentransfusionen, wie Sie sie versuchen, nicht gesund machen kann. Das wird absolut nicht helfen. Sie verweigern offensichtlich auch die Kenntnisnahme des bildungspolitischen Signals, das die Bertelsmann Stiftung nun zweimal gesetzt hat: erstens mit ihrer repräsentativen Befragung, die ganz anders als die von Herrn Stahl eingeholten Daten statistisch fundiert ist, und zweitens mit dem Carl-Bertelsmann-Preis, der sehr deutlich macht: Die Zukunftsaufgabe liegt darin, mit Heterogenität in dieser Gesellschaft positiv umzugehen, nicht auszugrenzen, Schulen zu belohnen, die mit Migrant(inn)en, mit Zuwandererkindern arbeiten. Integration in dieser Gesellschaft muss sich lohnen. Landtag Nordrhein-Westfalen Und was machen Sie, Frau Ministerin? Sie schlagen gerade den Lehrern und Lehrerinnen an Gesamtschulen, die sich genau dieser Arbeit widmen, ins Gesicht. Das ist unsäglich! Wir werden morgen früh noch ausführlich darüber diskutieren. Das ist wirklich ein Dollpunkt, den Sie sich in der letzten Woche geleistet haben. All das zusammengenommen ist ein Offenbarungseid in der Schulpolitik. Wenn Sie den Schulen wirklich etwas Gutes tun wollen, dann setzen Sie das Fünf-Punkte-Programm um. Davon haben die Schulen sofort etwas. Auch Sie hätten mehr Ruhe und könnten besser schlafen mit dem Gedanken, dass es in den Schulen mit grünem Programm runder läuft. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11587 Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Kollegin Pieper-von Heiden. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Beratung. Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Wir stimmen somit über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/7343 ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion Die Grünen und die SPD-Fraktion. Wer ist dagegen? – Das sind die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Antrag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich rufe auf: (Beifall von den GRÜNEN) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Frau Pieper-von Heiden hat noch um die Gelegenheit zu einer Kurzintervention gebeten. Die Betonung liegt auf „kurz“. Ingrid Pieper-von Heiden (FDP): Herr Präsident, sie wird auch kurz. Meine Kolleginnen und Kollegen! auf das Klagelied von Frau Beer will ich nicht eingehen, nur auf den Punkt Blomberg, den Sie genannt hatten, Frau Schäfer. Ich konnte am Freitag leider nicht dabei sein, weil ich zu einer Beerdigung musste. Aber: Vor zwei Jahren bin ich von Blomberg aus angerufen und gefragt worden, ob in der Hauptschule, die nun eine Mensa bekomme, auch Schüler anderer Schulformen essen dürften. Ich habe ganz erstaunt gesagt: Selbstverständlich können auch andere Schüler in dieser Mensa essen. (Zuruf von Ute Schäfer [SPD]) – Ich will Ihnen erklären, womit das zusammenhängen mag, Frau Schäfer. Die Kommunen sind früher unter Ihrer Verantwortung so mit detaillierten Anweisungen überzogen worden, dass sie sich überhaupt nicht vorstellen konnten, etwas machen zu dürfen, was nicht explizit erlaubt ist. (Lebhafter Beifall von der CDU) Ich wundere mich, wie Sie immer wieder imstande sind, in manche Stelle des Schulgesetzes Dinge hineinzuinterpretieren, die dort überhaupt nicht stehen. Ich sage Ihnen noch einmal – dafür übernehme ich an dieser Stelle auch gerne die Verantwortung –: Alles, was im Schulgesetz nicht verboten ist, das ist erlaubt. Dann muss man nicht tausend Mal nachfragen, ob man etwas machen darf. (Beifall von FDP und CDU) 7 Land NRW darf Entwicklung des Flughafens Köln/Bonn nicht torpedieren Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7349 Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Tüttenberg das Wort. Achim Tüttenberg (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag wurde gestellt, um für den wieder einmal von der Landesregierung ohne Not mit einer Negativdiskussion belegten Flughafen Köln/Bonn zu einer klaren, berechenbaren und verbindlichen Aussage dieses Parlamentes zu kommen. Diesmal ist es das Privatisierungsgespenst, das nach der LEG und den Sparkassen nun auch den Flughafen heimsuchen soll. Dabei wird von Ihrer Seite ständig von Planungssicherheit gesprochen, für die Sie angeblich sorgen. Nun stellen wir fest: Das größte Risiko für diese Planungssicherheit scheint die Landesregierung selbst zu sein. (Beifall von der SPD) Der Flughafen Köln/Bonn ist das zentrale Frachtdrehkreuz für Nordrhein-Westfalen, ein logistischer Umschlagplatz ersten Ranges. Darin unterscheidet er sich grundlegend von den anderen Flughäfen. Nach langen Verhandlungen haben sich die Gesellschafter des Flughafens darauf verständigt, dass der Bund seine Anteile am Flughafen verkaufen kann, wenn im Gegenzug der Flughafen das Grundstück zur Sicherung seiner wirtschaftli- Landtag Nordrhein-Westfalen chen Zukunft erwirbt. Dabei ist der Bund dem Verkehrsträger insoweit entgegengekommen, als er zugesagt hat, das Grundstück nicht an den Meistbietenden zu veräußern, sondern an den Flughafen zu einem Preis, der durch Wertgutachten ermittelt wird. Ein Wertgutachten hat aber naturgemäß keine unbegrenzte Gültigkeit, sondern eine zeitliche Befristung. Daher der Zeitdruck! Die Frist endet am Sonntag, also in vier Tagen. Kurz vor Ablauf dieser Frist zieht sich das Land zunächst einmal aus allen Verhandlungen zurück, um dann plötzlich und unerwartet zu verkünden, dass es eine Mehrheit der Kommunen am Flughafeneigentum ablehnt. Kurz vor Ablauf der Frist erklärt der Verkehrsminister, dass er auch keine Mehrheit Privater will, sondern sich eine Konstruktion wie in Düsseldorf vorstellen kann, bei der 50 % der Anteile von Privaten und 50 % von der öffentlichen Hand gehalten werden. Seitdem sind zahlreiche Gespräche mit dem Bund und der Stadt Köln angekündigt, aber nicht zum Ergebnis geführt worden. Für die Kommunen bedeutet das, dass sie derzeit machtlos sind. Sie haben keine Verhandlungsgrundlage, um beispielsweise miteinander zu klären, wie sie untereinander zusätzliche Anteile verteilen könnten. Sie haben keine Grundlage für weitere Verhandlungen mit dem Bund. Nur die Uhr tickt. Das hat sich die SPD-Fraktion übrigens nicht zusammengereimt, sondern es ist die zusammengefasst dargestellte Chronologie, die im Übrigen bereits im Juni 2006 begonnen hat. Schon damals begannen die Verhandlungen. Eigentlich Zeit genug für die Landesregierung, eine eigene Position zu entwickeln! Es kommt aber bewusst anders, denn die Landesregierung beschließt ihre Privatisierungspläne für den Flughafen erst am 10. Juni dieses Jahres, nachdem sie vorher mit den weiteren Gesellschaftern anberaumte Termine mehrfach hat platzen lassen. Sie wollen offensichtlich selbst keine Verantwortung für zusätzliche Anteile übernehmen, zugleich aber den Kommunen verbieten, ihrerseits Mehrheitsverantwortung zu tragen. Das hat zwei Gründe: Zum einen herrscht ein abgrundtiefes Misstrauen gegenüber den Kommunen. Ich frage Sie, wem Sie da eigentlich misstrauen: dem Oberbürgermeister von Köln, Ihrem Parteifreund Schramma, oder dem Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises, Ihrem Parteifreund Menzel, oder dem Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, Ihrem Parteifreund Kühn, oder vielleicht dem dortigen CDU- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11588 Kreisparteichef, Ihrem Kabinettskollegen Krautscheid? (Minister Oliver Wittke: Der rot-grünen Mehrheit in Köln misstrauen wir, Herr Kollege!) In allen betroffenen Kommunen stellt die CDU entweder den Verwaltungschef oder die größere Mehrheitsfraktion oder beide. Welche Diskreditierung der eigenen Basis durch den CDULandesminister! (Beifall von der SPD) Man fragt sich, ob es denn keine Möglichkeit gegeben hätte, sich zum Beispiel frühzeitig mit den Kommunen über eine andere Aufteilung der Anteile zu verständigen, die eine öffentliche Mehrheit am Flughafen sichern würde, ohne bei den Kommunen zu liegen, was Sie ja nicht wollen. Die Möglichkeit hätte es gegeben; es gibt sie auch jetzt noch. Es hätte auch noch andere Möglichkeiten gegeben. Aber die Landesregierung wollte keine Einigung. Denn diese Landesregierung – und das ist der zweite Grund nach dem Misstrauen gegenüber den Kommunen – trägt die Fackel der Privatisierung in alle Teile des Landes, ideologisch motiviert und auf die einmaligen Erträge schielend, um die Wahlgeschenke für die nächste Landtagswahl finanzieren zu können. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Deswegen fragen wir Sie heute, Herr Minister: Wie hoch soll nach Ihrer Vorstellung der Landesanteil schlussendlich sein, wenn es keine private und keine kommunale Mehrheit geben soll? Stellt Ihr Konzept eine öffentliche Mehrheit sicher, oder konstruieren Sie ein öffentlich-privates Patt, das möglicherweise die Handlungsfähigkeit dieses großen Verkehrsträgers infrage stellt? Nicht nur die am Flughafen ansässigen Unternehmen, sondern vor allem die Tausende von Beschäftigten haben Anspruch auf Klarheit. Heute war ein Bus voll von Arbeitnehmervertretern bei Ihnen, auch hier im Hause. An die 10.000 Unterschriften, in kürzester Zeit während der Sommerferien gesammelt, belegen: Man hat Angst vor der Zukunft, man hat Angst vor einer groben Fehlentscheidung, Herr Minister, man hat Angst vor Ihrer Politik. (Beifall von der SPD) Deswegen fordern die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem gemeinsamen Antrag Klarheit für die Arbeitnehmer. Wir fordern Planungssicherheit für die Unternehmen und eine faire Behandlung der Kommunen. – Herzlichen Dank. Landtag Nordrhein-Westfalen (Beifall von SPD und GRÜNEN) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Kollege Tüttenberg. – Für die Grünen hat der Kollege Becker das Wort. Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es heute nicht? Es geht heute nicht um die Frage der Nachtfluggenehmigung, wie es vonseiten des Ministers teilweise in der Öffentlichkeit vermittelt worden ist, und nicht um die Aufgaben, die die Genehmigungsbehörde zusammen mit dem Bund zu erfüllen hat. Heute geht es um folgende Fragen: Welche Ausgangslage ist für den Flughafen Köln/Bonn die richtige? Welche Ausgangslage in der Frage der Privatisierung oder Nichtprivatisierung ist für die Gebietskörperschaften rund um den Flughafen die richtige? Welche Ausgangslage ist die richtige sowohl für die Interessen der Wirtschaft als auch für die der lärmgeplagten Bürgerinnen und Bürger? (Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christian Möbius [CDU]) Jedenfalls ist es nicht die richtige Ausgangslage, die Wirtschaft zum alleinigen Akteur in dem Spiel zu machen, bei dem es ganz massiv auch um die Fragestellung geht: Gibt es eigene Interessen gegenüber anderen Flughäfen vonseiten Kölns und des Umlands? Gibt es eigene Interessen der Bevölkerung gegenüber den dort tätigen Betrieben? Ich sage in beiden Fällen Ja. Ich will Ihnen das in aller Kürze erklären: Wer den Flughafen privatisieren oder fifty-fifty, also mit einem hohen Anteil, in private Hände geben will, muss wissen, Interessenten für eine solche Privatisierung oder Teilprivatisierung sind Fraport, Hochtief und inzwischen wohl auch UPS – alle mit eigenen Interessen. Die Interessen von Fraport sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass man in Frankfurt – Stichwort: vierte Start- und Landebahn – den Nachtflug stoppen oder reduzieren will. Hochtief will Verspätungsregelungen, die man in Düsseldorf nicht einhält, in Köln lösen. UPS hat ganz eigene Interessen. Und selbst der Flughafen kann nicht daran interessiert sein, dass einer der dort Tätigen auch gleichzeitig Eigentümer ist. Die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in Bezug auf Lärm sind auch klar. Vor dem Hintergrund einer Betriebsgenehmigung, wie Sie sie ausgesprochen haben, wäre die nach einem Verkauf nur dann noch mal zu ändern, wenn die öffentliche Hand Teile des Kaufpreises zurückzahlt, weil 11589 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 eine Änderungsklausel selbstverständlich mit einer Rückzahlungsklausel verbunden wäre, kann auch die Bevölkerung keine Privatisierung wollen. Das ist auch der Grund dafür, dass sowohl Politikerinnen und Politiker der CDU, der SPD und der Grünen rund um den Flughafen, in den Gebietskörperschaften, im Land und auch in der Stadt Köln gemeinschaftlich dafür sind, dass die kommunale Seite weiter die Mehrheit stellt. Da mag es Unterschiede in Kleinigkeiten geben, dass die Stadt Köln gerne allein die Mehrheit hätte und andere das vielleicht nicht wollen. Aber wir sind uns in der Region alle zusammen einig: Eines wollen wir nicht, dass die kommunale Seite nicht die Mehrheit hat, wenn sich der Bund oder das Land von ihren Anteilen trennen. Keiner von uns will, dass sich der Bund oder das Land von seinem Anteil trennt. Aber wenn das eintritt, muss die kommunale Seite die Mehrheit haben. Deswegen haben wir für heute den Antrag gestellt, weil wir in den Kommunen den Ausgleich der Interessen allemal besser sicherstellen als alle anderen Konstellationen mit einem hohen Anteil von Privaten: eine Mehrheit oder 50 % Private. Das ist der Grund, und ich bitte Sie, das auch hier im Haus nachzuvollziehen,. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Becker. – Für die CDU-Fraktion erhält Frau Kollegin Brüning das Wort. Hannelore Brüning (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal habe ich mit großem Interesse, aber auch mit ebenso großer Verwunderung festgestellt, die Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen hier im Landtag entdecken plötzlich den Flughafen Köln/Bonn als einen herausgehobenen Flughafen mit großer infrastruktureller Bedeutung aufgrund seiner Nachtflug-/Frachtflugsituation – eine Tatsache, die sie sonst aus ihrem Blickwinkel immer eher als nachteilig dargestellt haben. (Beifall von CDU und FDP) Bislang ging es hier bei unseren Diskussionen über den Flughafen Köln/Bonn fast ausschließlich um umweltrelevante Aspekte. Nunmehr erkennen Sie in Ihrem Antrag ausdrücklich seine wichtige Funktion für den internationalen Wirtschaftsstandort unseres Landes an. Dafür danke ich Ihnen heute Abend und sage ganz deutlich: Da stimmen wir mit Ihnen 100-prozentig überein. Köln/Bonn mit seinen 12.500 direkten Arbeitsplätzen und weiteren 24.000, die in der Region von diesem Landtag Nordrhein-Westfalen Airport abhängig sind, ist das, was wir einen Jobmotor nennen. Genau diesen hohen wirtschaftlichen Stellenwert geben wir von der CDU-Fraktion dem Flughafen. Der Flughafen Köln/Bonn hat für uns sowohl aus wirtschaftspolitischer als auch aus verkehrspolitischer Sicht landespolitisch hohe Priorität. (Horst Becker [GRÜNE]: Kommen Sie doch zur Sache!) Deshalb braucht – dabei befinden wir uns nicht im Widerspruch zu Ihrem Antrag, Herr Becker – der Flughafen mit allen davon abhängigen Wirtschaftszweigen und Arbeitsplätzen Planungssicherheit. Dass genau das unser Ziel ist, haben wir in den vergangenen Jahren genügend bewiesen. Mit den verschiedenen Genehmigungsverfahren haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder unsere landespolitische Aufgabe wahrgenommen. Herr Tüttenberg, ich war vorhin dabei, als die Mitarbeiter ihre 10.000 Unterschriften übergeben haben. Bei der Gelegenheit ist nicht nur das, was Sie eben angeschnitten haben, zur Sprache gekommen. Es war übrigens eine ganz sachliche, ruhige Diskussion. Aber bei der Gelegenheit haben sie sich auch ausdrücklich bei der Landesregierung für die Unterstützung in den vergangenen Jahren bedankt. (Beifall von der CDU) Das haben Sie eben verschwiegen, das wollen Sie natürlich nicht hören. In guter oder vielmehr in unguter Erinnerung sind mir in diesem Zusammenhang die endlosen Diskussionen, die wir darüber, insbesondere mit Ihnen, meine verehrten Kolleginnen von Bündnis 90/Die Grünen, führen mussten. Nunmehr stehen wir vor der Situation, dass der Bund der Flughafengesellschaft das 1.000 ha große Gelände für 100 Millionen € verkaufen will. Das ist sicherlich für die Flughafengesellschaft mit dem Vorteil verknüpft, dass dann der seit Jahren schwelende Streit um Erbpachtforderungen beendet wäre. Allerdings knüpft der Bund dieses Geschäft an die Bedingung, seine Anteile am Flughafen frei zu veräußern. Zu welchen Konditionen und in welche Richtung dieses nun geht, ist abhängig von laufenden und zukünftigen Verhandlungen. Es gilt – das fordere ich heute ganz ausdrücklich –, diese nicht zu stören. Das hat kürzlich auch der Oberbürgermeister von Köln, Herr Schramma, im Interesse der Kommunalen und der Gesellschafter auf Kreisebene gefordert. So war es in der Zeitung zu lesen. 11590 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Dass die Zielrichtung dieser Verhandlungen aus der Sicht der Landesregierung ganz eindeutig ist, dazu hat sich vor kurzer Zeit auch der Verkehrsminister schon eindeutig geäußert. Er will für den Flughafen eine gesicherte Zukunft. Er werde darauf achten, dass weder Private noch Kommunale eine Mehrheit am Flughafen bekommen, so der Minister. Das Land wird einer Veräußerung der Bundesanteile nur zustimmen, wenn dies im Interesse der Zukunft des Flughafens liegt. Unser Interesse kann es doch nur sein, neben der Planungssicherheit für den Flughafen auch dafür Sorge zu tragen, dass der Standort Nordrhein-Westfalen in seiner wirtschaftlichen Kraft gestärkt wird. Wie sich Herr Becker laut Bericht im „Kölner Stadt-Anzeiger“ äußerte, könnte er sich durchaus vorstellen, dass sich auch private Investoren am Flughafen Köln/Bonn beteiligen. Gleichlautend äußerten sich bei der Zeitung viele der befragten Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen. Dabei, meine Damen und Herren, darf aber der Blick für das Wesentliche nicht verloren gehen. Unser Ziel muss es doch sein, den Flughafen auf sichere Füße zu stellen und somit seine Wettbewerbschancen für die Zukunft zu stärken. Zu berücksichtigen sind die Interessen der Region genauso wie die Interessen des Flughafens und natürlich auch die des Landes. Solange privates Geld zusätzlich für die wichtigen Infrastrukturaufgaben zur Verfügung steht, so lange kann das natürlich auch von Vorteil sein. Dabei darf es allerdings nicht passieren, dass die Anteilsveräußerung des Bundes dazu führen, dass ein privater Gesellschafter die Mehrheit erhält. Vizepräsident Edgar Moron: Frau Kollegin Brüning, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Becker? Hannelore Brüning (CDU): Nein, jetzt nicht. Herr Becker hat gleich noch Gelegenheit genug. Denn interessant ist der Flughafen sicherlich für private Investoren – das zeigen viele andere Beispiele –, unter anderem wegen seiner Nachtflugerlaubnis, über die nur wenige deutsche Flughäfen verfügen. Unser Interesse kann es doch nur sein, eine solche Vereinbarung über die künftigen Eigentumsverhältnisse zu unterstützen, die die Interessen der Region, der Anwohner des Flughafens und des Landes insgesamt wahren. In diesem Sinne müssen die Gespräche zwischen den wesentlichen Eigentümern, Bund, Land und Stadt Köln, sachlich und ohne schädliches Gezer- Landtag Nordrhein-Westfalen re in der Öffentlichkeit geführt werden. Nur so kann es zu einem möglichen einvernehmlichen Ergebnis führen. (Beifall von der CDU) Für uns ist und bleibt als wichtigste Voraussetzung, dass auch zukünftig die verkehrs- und infrastrukturpolitischen Interessen des Landes gewährleistet bleiben. Denn wir haben landespolitische Interessen zu vertreten. Vor diesem Hintergrund muss eine einvernehmliche Lösung der Verteilung der Gesellschafteranteile erzielt werden. Genau diese Verhandlungen laufen zurzeit. Deshalb sollten wir diese Verhandlungen durch eine öffentliche Diskussion weder stören noch beeinträchtigen. Ich bin davon überzeugt, dass am Ende sachlicher Gespräche zwischen Bund, Land und dem Kreise der Anteilseigner ein tragfähiger Lösungsvorschlag stehen wird. Nur, ich sage auch: Wir brauchen zügig eine Lösung, damit der Flughafen und die Kunden des Flughafens, die Airlines und vor allem die Beschäftigten am Flughafen Planungssicherheit bekommen. Das ist unsere wichtigste Aufgabe. Ihren Antrag werden wir allerdings ablehnen. – Herzlichen Dank. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Frau Kollegin Brüning. – Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Rasche. Christof Rasche (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Tüttenberg, Herr Becker, Sie haben eben einen Antrag vorgestellt, der in seinen Aussagen falsch ist und der im Widerspruch zur Luftverkehrspolitik von SPD und Grünen der vergangenen Jahre steht. Ich will Ihnen das gleich erklären. (Dieter Hilser [SPD]: Da sind wir aber gespannt!) – Kein Problem, lieber Herr Hilser. Natürlich – das wissen wir alle – stehen wir vor Eigentumsveränderungen beim Flughafen Köln/Bonn. Die Verhandlungen laufen seit langem und sie sind – auch das ist uns allen klar – nicht ganz einfach. Völlig falsch sind Ihre Behauptungen, dass die Landesregierung diese Verhandlungen blockiert, und falsch ist auch Ihre Forderung, dass die Landesregierung diese Verhandlungen wieder aufnehmen muss; denn die Verhandlungen laufen weiter und sind niemals unterbrochen worden. 11591 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 (Martin Börschel [SPD]: Sie wissen ganz genau, dass das anders ist!) Und deshalb, weil Ihre Aussagen im Antrag völlig falsch sind, können wir dem auch nicht zustimmen. Die FDP kann mit einem Modell sehr gut leben, in dem es keine kommunale Mehrheit gibt und in dem es keine private Mehrheit gibt. Wir haben das Beispiel Düsseldorf, bei dem es sich hervorragend bewährt hat. Warum sollen Mehrheitsverhältnisse, die in Düsseldorf tragen, nicht auch in Köln/Bonn tragen? – Das Ergebnis könne genau das gleiche sein. Da gibt es überhaupt keinen Widerspruch. Widerspruch gibt es aber sowohl bei den Grünen als auch bei der SPD. Die Grünen – darauf komme ich zuerst – beschreiben im Beschlussteil dieses Antrages – ich zitiere –: Aufgrund der herausgehobenen infrastrukturellen Bedeutung des Flughafens Köln/Bonn für Nordrhein-Westfalen mit seiner FrachtflugNachtflug-Situation … Die Grünen bekennen sich also ganz klar für den Nachtfrachtflug in Köln/Bonn. Das ist ihr Reden hier im Landtag. Und wie immer bei den Grünen ist ihr Reden vor Ort und in der Region Köln/Bonn ein völlig anderes. Ich habe hier das Landtagswahlprogramm 2005 der Grünen. Auf Seite 94 steht – Zitat –: Für Köln/Bonn, den Flughafen mit den meisten Nachtflügen in Europa, halten wir am Ziel eines generellen Nachtflugverbotes bis 2015 fest. Das ist das falsche Reden der Grünen vor Ort. Dort wird den Bürgern weisgemacht: Wir sind gegen sämtlichen Nachtflug, auch gegen Frachtflug in Köln/Bonn. – Und bei gemeinsamen Anträgen mit der SPD-Fraktion hier, macht man eine zu 100 % andere Politik in Bezug auf den Nachtfrachtflug in Köln/Bonn. Das ist ein sehr deutlicher Widerspruch. Das sollten die Bürgerinnen und Bürger in Köln/Bonn auch erfahren, meine Damen und Herren. (Beifall von FDP und CDU) Aber auch bei der SPD gibt es ein widersprüchliches Handeln. Am 18. November 1997 wurden 50 % des Flughafens Düsseldorf, also der Anteil des Landes, an die private Hand verkauft. 1997 regierte die SPD gemeinsam mit den Grünen in Nordrhein-Westfalen. Damals sprach in der SPD niemand von einem Teufelswerk, wenn 50 % an die private Hand verkauft werden. Nein, Sie haben von keinem Teufelswerk gesprochen. Sie ha- Landtag Nordrhein-Westfalen ben es sogar gemacht. Sie haben 50 % an die private Hand verkauft. Das Erfolgsmodell Düsseldorf, meine Damen und Herren von der SPD, gibt Ihnen sogar Recht. Es war doch genau die richtige Entscheidung, so zu verfahren. Düsseldorf hat sich gut entwickelt. Die beiden Eigentümer haben sich immer auf eine vernünftige Lösung geeinigt. Jetzt nehmen Sie aus rein populistischen Gründen Abschied von Ihrer früheren Haltung, die, wie gesagt, ein Erfolgsmodell war, und wollen auf keinen Fall mehr 50 % an die private Hand verkaufen. Warum dieser Widerspruch, meine Damen und Herren von der SPD? (Bodo Wißen [SPD]: Der Minister will es doch auch nicht!) Herr Wißen, werden Sie getrieben von den Linken, die Staatwirtschaft pur in Nordrhein-Westfalen wollen, die am liebsten alle größeren Unternehmen in Nordrhein-Westfalen verstaatlichen wollen? – Nur weil Sie von denen getrieben werden, weil Sie Wähler und Mitglieder an die Linken verlieren, verlassen Sie jetzt Ihre eigene Politik, die überaus erfolgreich war, lieber Herr Wißen. (Beifall von FDP und CDU) Dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn dieser Antrag von Ihnen und von den Grünen in diesem Haus keine Mehrheit findet. Die nächsten Wochen werden zeigen, dass wir zu einem Kompromiss zwischen allen Beteiligten kommen, der auch den Interessen aller Beteiligter entgegenkommt. Das müssen Sie noch abwarten. Dann werden Sie froh sein, dass diese Regierung in Nordrhein-Westfalen so gehandelt hat. – Herzlichen Dank. (Beifall von FDP und CDU) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Kollege Rasche. – Jetzt erhält das Wort Herr Minister Wittke. Oliver Wittke, Minister für Bauen und Verkehr: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eine Grundsatzbemerkung vorweg: Diese Landesregierung und diese Landtagsmehrheit werden sich von niemandem in ihrem Bestreben übertreffen lassen, die Zukunft des Flughafens Köln/Bonn aktiv zu gestalten, sodass dort Wachstum und mehr Beschäftigung auch weiterhin stattfinden können. (Beifall von der CDU) Es ist geradezu abenteuerlich, wenn diejenigen, die über Jahre hinweg die Hausaufgaben an die- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11592 sem Flughafen nicht getan haben, sich jetzt aufspielen als diejenigen, die diesen Flughafen retten wollen und ihn in eine gute Zukunft führen wollen. (Beifall von der CDU) Sie, meine Damen und Herren von der SPD und den Grünen, waren es doch, die über Jahre hinweg nichts getan haben, um die Grundstücksfrage zu lösen. Dabei ist das nicht ein Problem, das erst in den letzten drei Jahren entstanden ist: Dieses Damoklesschwert schwebt schon seit Jahren, man kann fast sagen: seit Jahrzehnten über dem Köln/Bonner Flughafen. Nichts haben Sie getan, um diese Frage anzugehen. Erst nachdem wir dieses Thema angepackt haben, sind wir auf einem guten Weg, weil das die Basis dafür ist, den Flughafen in eine gute Zukunft zu führen. (Beifall von der CDU) Im Übrigen, dass sich jetzt diejenigen, die aus vollen Rohren gegen die Verlängerung der Nachtfluggenehmigung geschossen haben, aufspielen als die Rächer der Witwen und Waisen, Entrechteten und Enterbten, das ist nun wirklich ein Treppenwitz. Herr Becker, da frage ich Sie doch einmal: Wo war denn Ihre Sympathie für die Beschäftigten am Köln/Bonner Flughafen, als wir hier in diesem Parlament die Debatte darüber geführt haben, wie es mit dem Nachtflug in Köln/Bonn weitergeht? (Beifall von der CDU) Ich setze sogar noch eins drauf: Hätten Sie damals unter Ihrer Regierungsverantwortung den Mut gehabt, diese Entscheidung zu treffen, wären Lufthansa-Cargo und DHL nicht nach Leipzig gegangen und es hätten nicht Hunderte von Arbeitsplätzen in Köln/Bonn vernichtet werden müssen. (Beifall von CDU und FDP) Darum ist es schäbig, wie Sie sich verhalten und wie Sie insbesondere mit den Ängsten der Beschäftigten spielen. Es ist die gleiche Masche, wie wir Sie schon bei der Veräußerung der Landesentwicklungsgesellschaft erlebt haben. Sie streuen Verunsicherung, Sie schüren Panikmache, Sie versetzen die Leute in Angst und Schrecken. Ihnen geht es nicht um eine tragfähige Lösung, sondern (Zuruf von der SPD) es geht Ihnen allein darum, ein parteipolitisches Süppchen zu kochen. Und das ist schäbig. (Beifall von CDU und FDP) Landtag Nordrhein-Westfalen Nun zur Chronik der Geschichte: Ja, es ist wahr, der Bund ist Gott sei Dank bereit, die Grundstücksfrage zu lösen. Das ist dringend notwendig – ich sagte es bereits –, weil es die Basis für die weitere Entwicklung des Köln/Bonner Flughafens ist. Der Bund war es, der die erste Bedingung in diesem Spiel gestellt hat. Der Bund hat nämlich gesagt: Wir verkaufen euch das Grundstück nur, wenn ihr uns die Möglichkeit einräumt, dass wir uns von unseren Anteilen am Köln/Bonner-Flughafen trennen. Der Bund hat die allererste Bedingung formuliert. Wenn wir es ernst meinen mit der Zukunftssicherung dieses wichtigen Airports NordrheinWestfalens, ist es klar, dass wir nicht ohne Voraussetzungen einem solchen Ansinnen des Bundes zustimmen können. Darum hat diese Landesregierung gesagt: Wir wollen erstens sichergestellt haben, dass ein Privater bei der Veräußerung von Anteilen keine Mehrheit erlangen kann. – Wir gehen sogar noch einen Schritt weiter: Wir wollen mitreden, an wen verkauft wird; denn es gibt einige Interessenten, die möchten wir auch bei einer Minderheitsbeteiligung am Köln/Bonner Flughafen nicht sehen. Wir haben zweitens gesagt: Wir möchten keine kommunale Mehrheit an diesem Flughafen haben. – Auch das möchte ich Ihnen gerne erklären, Herr Tüttenberg. Es geht nicht darum, dass wir dem Oberbürgermeister von Köln nicht trauen. Ganz im Gegenteil: Wir wissen, dass er das Beste für den Flughafen will. Aber wenn ich mir vorstelle, dass eine möglicherweise rot-rot-grüne Mehrheit im Kölner Stadtrat künftig über die Belange am Kölner Flughafen bestimmt, wird mir angst und bange. (Beifall von CDU und FDP) Oder: Wenn ich mir vorstelle, dass künftig über die Zukunft des wichtigen Airports im Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises unter Führung von Herrn Becker debattiert wird, wird mir angst und bange. (Zuruf von der SPD) Nein, das wollen wir nicht. Und das sage ich ganz offen. (Beifall von CDU und FDP) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, deshalb lassen wir uns von niemandem in unserem Bestreben übertreffen, diesen Flughafen in eine gute Zukunft zu führen. Wir wollen die Grundstücksfrage klären, nachdem wir mutig Planungssicherheit, was die Betriebsgenehmigung anbelangt, geschaffen haben. Wir wollen dafür sorgen, dass frisches Kapital akquiriert werden kann. Denn wir haben vor, in den nächsten Jahren viele Investitionen an diesem Flughafen zu tätigen. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11593 Da müssen Sie im Übrigen auch die Frage beantworten, woher das Kapital kommen soll. (Minister Dr. Helmut Linssen: Ja!) Sie wissen, dass diese Gesellschaft hoch verschuldet ist. Sie wissen, dass diese Gesellschaft sich weiter verschulden wird, wenn sie das Grundstück übernimmt. Das heißt, die Gesellschafter werden für mögliche Erweiterungen des Flughafens künftig geradestehen müssen. Herr Becker, jetzt mag es ja sein, dass Sie die Erweiterung am Köln/Bonner Flughafen nicht wollen. Wir wollen die Erweiterung. Wir sagen aber gleichzeitig: Wir als Gesellschafter sehen uns außerstande, diese Investition zu stemmen. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die Stadt Köln diese Investition nicht stemmen kann; denn irgendwann ist auch die Finanzkraft der RheinEnergie und der Wohnungsbauunternehmen der Stadt Köln erschöpft. (Martin Börschel [SPD]: Machen Sie sich da keine Sorgen!) Und weil das so ist, setzen wir auf das Erfolgsmodell, das auch Sozialdemokraten und Bündnisgrüne schon als Erfolgsmodell gesehen haben, nämlich auf das Modell des Düsseldorfer Flughafens. Dort hat privates Kapital nach dem verheerenden Flughafenbrand eine Entwicklung in Gang gesetzt, die nur noch durch eine mutige Betriebsgenehmigung beschleunigt worden ist, die auch nach dem Regierungswechsel durch diese Landesregierung erteilt worden ist. (Beifall von der FDP) Nun haben wir es in Köln anders herum: Da gab es erst die Planungssicherheit, was die Betriebsgenehmigung anbelangt. Das Kapitel haben wir abgehakt. Jetzt geht es darum, die Anteile so neu zu ordnen, dass wirtschaftliche Prosperität und wirtschaftliches Wachstum an diesem Flughafen möglich ist. Genau darum geht es. Und darum noch einmal: Wir werden dafür sorgen, dass dieser Flughafen eine gute, eine sichere Zukunft hat, dass dieser Flughafen eine Entwicklungsperspektive hat, die es den Menschen ermöglicht, dort Beschäftigung zu finden und die insbesondere dem Köln/Bonner-Flughafen die Chance einräumt, weiterhin ein wichtiger Standortfaktor in dieser dynamischen Wirtschaftsregion zu sein. Davon lassen wir uns nicht in Kommunalwahlkämpfen und nicht durch parteipolitische Süppchen abhalten. Davon lassen wir uns nicht von denjenigen abhalten, die es in der Vergangenheit mit dem Flughafen nicht gut gemeint haben, sondern ganz im Gegenteil alle Knüppel her- Landtag Nordrhein-Westfalen ausgeholt haben, um diesen Flughafen zu behindern. Davon lassen wir uns vor allem nicht durch parteitaktische Spielchen abbringen. Darum ist dieser Antrag abzulehnen. Darum haben nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Menschen in der Region unser Wort, dass dieser Flughafen durch diese Landesregierung und durch diese Landtagsmehrheit in eine gute Zukunft geführt wird. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Edgar Moron: Vielen Dank, Herr Minister Wittke. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Börschel. Martin Börschel (SPD): Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann nicht umhin, mich zunächst mit der von Frau Brüning vorgetragenen Position der CDU zu beschäftigen. Sie hat hier eine sachliche Debatte angemahnt, die sich allerdings spätestens durch den Beitrag des Ministers Wittke in ihr Gegenteil verkehrt hat. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Ich gehe auf einige Punkte der CDU-Fraktion ein. Es grenzt schon an Herumeierei, was hier stattfindet. Sie, Frau Kollegin Brüning, haben gerade zum Ausdruck gebracht, dass man bitte durch eine Debatte hier oder durch Anträge dort die Gespräche zwischen den Gesellschaftern, die für den Flughafen fundamental und existenziell seien, nicht stören möge. Dieses Anliegen teilen wir. Mit einer Pauschalgenehmigung des Präsidenten erlaube ich mir aber, zur Widerlegung des Ganzen nur einige Pressezitate aneinanderzureihen, die klarmachen, dass Sie Ihren Appell lieber an die eigene Fraktion und die eigene Landesregierung richten sollten, nicht aber an andere, die hier Anträge stellen. Im „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 26. Juli dieses Jahres heißt es: Es ist eine historische Chance für den Flughafen Köln/Bonn: den Dauerstreit über Mietschulden beilegen, das Flughafengelände kaufen – und weiter prosperieren. Doch sie bleibt möglicherweise ungenutzt, weil das Land NRW die Pläne völlig unerwartet torpediert. Einige Tage später schreibt dieselbe Zeitung, NRW wolle nicht nur ebenfalls seine Anteile verkaufen, sondern auch verhindern, dass die kommunalen Anteilseigner eine Mehrheit erlangen; 50 % solle künftig ein privater Investor halten. – 11594 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Das ist gerade hier auch noch einmal bestätigt worden. Der Kommentator schreibt dazu: Seitdem spielt das Land auf Zeit. Weder von Ministerpräsident Rüttgers noch vom Verkehrsminister ist etwas in der Sache zu hören. Beide setzen offenkundig darauf, dass die Stadt Köln sich für die Landespläne schon wird erwärmen können, wenn der Druck erst groß genug ist. Das ist verantwortungslos, schlechter Stil und erinnert an Erpressung. Dem ist zu diesem Punkt jedenfalls nichts hinzuzufügen. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Zum Zweiten belasse ich es bei einem einfachen Rechenbeispiel nach Adam Riese. Sie, Frau Kollegin Brüning, haben gesagt, die Veräußerung der Bundesanteile dürfe nicht dazu führen, dass Private die Mehrheit erhalten. Können Sie mir bitte erklären, wie das gehen soll, wenn der Bund nur 30,96 % der Anteile hat? Wenn er sie verkauft, können Private überhaupt nicht die Mehrheit am Flughafen Köln/Bonn bekommen. Es sollte auch den Rechnerinnen und Rechnern in der CDUFraktion klar sein, dass das schon rein sachlich gar nicht geht. (Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis) Zum Dritten spreche ich einige Kollegen aus dieser Runde ganz persönlich an, weil die Schizophrenie im Handeln, die für einige symptomatisch ist, an dieser Stelle besonders deutlich zutage tritt. Gerade heute – auch das ist angeklungen – haben Vertreterinnen von Gewerkschaften und vom Betriebsrat des Flughafens an die Landesregierung etwa 10.000 in nur wenigen Wochen gesammelte Unterschriften übergeben, die sich gegen die Absichten der Landesregierung richten. Diese Unterschriftenliste endet mit dem entscheidenden Appell an die Landesregierung: Ich fordere die Landesregierung auf, ihre Privatisierungspläne aufzugeben und den Flughafen im Besitz der öffentlichen Hand zu belassen. Köln muss die Mehrheit an seinem Flughafen erhalten! Wissen Sie, wer das als Erstunterzeichner mit unterschrieben hat? Ihr Kollege Jürgen Hollstein aus Köln. Er ist Parteivorsitzender und er ist Inhaber des Wahlkreises Köln-Porz, in dem das Gelände des Flughafens liegt. Er sagt also mit seiner Unterschrift auf dieser Liste, Köln müsse die Mehrheit an seinem Flughafen bekommen. Jetzt kommt das Schizophrene: Derselbe Jürgen Hollstein antwortete nämlich auf die eben schon von Frau Brüning zitierte Anfrage des „Kölner Stadt- Landtag Nordrhein-Westfalen Anzeigers“, die lautete „Unterstützen Sie die Stadt Köln bzw. die kommunale Familie bei ihrer Absicht, am Flughafen eine Mehrheit zu erlangen, oder favorisieren Sie die Landesposition, die eine private Beteiligung in Höhe von 50 % und damit ein Patt unter Gesellschaften durchsetzen möchte?“: Ich weiß nicht, ob die Stadt Köln sich einen Gefallen damit tut, eine Mehrheit über 50 % zu erwerben. Ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich eine kommunale Aufgabe ist. Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann man ganz klar sagen: Es geht nicht an, in Köln den lieben Jürgen zu spielen, und hier im Landtag den Fraktionssoldaten Hollstein, der nur macht, was Rüttgers und seine Leute ihm auftragen. Das werden die Menschen in Köln auch merken. (Beifall von der SPD) Nun wende ich mit dem Minister Wittke zu, der hier in einer seltenen Art von Geschichtsklitterung einen Popanz aufgebaut hat. Wenn Sie sagen, Herr Minister Wittke, dass die Grundstücksfrage erst durch die Aktivität dieser neuen Landesregierung in Bewegung gebracht worden sei, dann ist das wirklich Geschichtsklitterung. (Beifall von der SPD) Sie wissen ganz genau, dass diese Lösung über die Grundstücksfrage überhaupt erst durch ein Vieraugengespräch zwischen dem Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Herrn Gatzer, und dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Flughafens, Volker Hauff, zustande gekommen ist. Damit haben Sie, Herr Wittke, und Ihre Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung nichts, aber auch gar nichts zu tun. Es ist eine Unverschämtheit und die glatte Unwahrheit, hier das Gegenteil zu behaupten. (Beifall von der SPD) Sie haben zur Chronik ausgeführt – das war Ihre eigene Mitteilung, Herr Minister Wittke –, Private sollten nicht die Mehrheit am Flughafen bekommen, aber auch die Kommunalen sollen keine Mehrheit am Flughafen bekommen. Dazu sage ich Ihnen: Setzen Sie ganz einfach die Gespräche wieder an den Stand zurück, an dem Sie ausgeschieden sind – auch hier ist nämlich gerade die Unwahrheit beschrieben worden; das Land ist sehr wohl aus mehreren vereinbarten Terminen ohne Angabe von Gründen ausgestiegen –, und verkaufen Sie schlicht Ihre Landesanteile nicht! Wenn Sie sie nämlich behalten, dann haben weder die Kommunen noch Private die Mehrheit. Damit wäre allen gedient, und Sie hätten die gro- 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11595 ße Mehrheit des gesamten Parlaments auf Ihrer Seite; das kann ich Ihnen garantieren. (Beifall von der SPD) Des Weiteren haben Sie, Herr Minister Wittke, den Popanz von Rot-Grün-Rot an die Wand gemalt. Darauf antworte ich Ihnen zweierlei: Zum einen bekennt sich der künftige Oberbürgermeister von Köln, Jürgen Roters … (Lachen bei CDU und FDP) – Hören Sie einmal zu; das Spannende kommt ja noch. Das ist für Sie ja keine Neuigkeit. Aber das Spannende ist doch Folgendes: Der künftige OB Jürgen Roters bekennt sich auf dem Nominierungsparteitag der Kölner Grünen ausdrücklich zum Flughafen Köln/Bonn und auch zum Nachtflug und bekommt trotzdem über 90 % für seine Nominierung als gemeinsamer Oberbürgermeisterkandidat. Das ist doch eine Aussage. Vor diesem Hintergrund hier einen solchen Popanz aufzubauen, ist geradezu lächerlich. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Zum anderen zitiere ich gern aus einer Rede des Fraktionsgeschäftsführers der FDP im Kölner Rat vom 24. Juni dieses Jahres. Er sagt – ich darf zitieren –: Der Sozialdemokratischen Fraktion und auch Ihnen, Herr Börschel, vertraue ich. Als es damals aber um die Existenz des Flughafens Köln/Bonn und die Nachtflugregelung ging, haben wir auch andere Erfahrungen gemacht. Was wir damals mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Prof. Bietmann erlebt haben – und übrigens auch damals seinem Fraktionskollegen Möbius –, der zusammen mit den Grünen versucht hatte, die Nachtflugregelung auszuhebeln, das – jetzt endet das Zitat – geht auf keine Kuhhaut. Das sind doch die wahren Gegner, die Sie überzeugen müssen, die Bietmänner und Möbiusse dieser Welt, die aus Partikularinteressen gegen den Nachtflug sind, übrigens nicht nur in Köln, sondern auch hier; denn die Fraktion der CDU hat ja seinerzeit einem entsprechenden Antrag zugestimmt. (Beifall von der SPD) Herr Minister Wittke, wenn Sie das Problem der Eigenkapitalausstattung des Flughafens Köln/Bonn ansprechen, dann sprechen Sie ein richtiges Problem an, übrigens ein Problem, dem sich bislang sowohl Bund als auch Land und Kommunen nicht ausreichend gestellt haben. Sie können aber getrost davon ausgehen, dass die kommunale Familie, wenn sie ein Interesse an der Mehrheit des Flughafens Köln/Bonn artikuliert, den ersten Schritt nicht beabsichtigt, ohne den zweiten Schritt zu bedenken. Machen Sie sich, Herr Kolle- Landtag Nordrhein-Westfalen ge und Minister Wittke, um die Eigenkapitalausstattung des Konzerns Stadt Köln und der kommunalen Familie keine Sorge. Den zweiten Schritt werden wir nach dem ersten gehen. Da können Sie sicher sein. Da müssen Sie erst einmal Ihre Hausaufgaben machen. Dazu fordere ich Sie eindringlich auf. Ich möchte nun, gewandt an den Kollegen Rasche und die Kolleginnen und Kollegen der FDPFraktion, auf meinen letzten Punkt zu sprechen kommen. Sie haben ja noch einmal darauf hingewiesen, dass Sie sich eine 50/50-%-Regelung wie am Flughafen Düsseldorf vorstellen können. Hierzu möchte ich wieder den FDP-Fraktionsgeschäftsführer im Kölner Rat aus der schon eben genannten Sitzung zitieren: Wir haben hier über den Düsseldorfer Flughafen und die 50/50-Lösung gesprochen. Nach Meinung der FDP-Fraktion wird es damit Probleme geben, denn in der Wirtschaft werden eher selten Gesellschafterverträge mit 50/50 abgeschlossen. Wir halten diese Regelung für nicht gut, weil ein Gesellschaftervertrag von 50/50 nur bei gutem Wetter taugt. Er schließt: Ich kann nur hoffen, dass die Landesregierung noch auf den richtigen Weg kommt und weiterhin ihre Anteile hält. Dem ist nichts hinzuzufügen. – Vielen Dank. (Beifall von SPD und GRÜNEN) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Börschel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich noch einmal der Kollege Becker zu Wort gemeldet. Horst Becker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei Herrn Minister Wittke bedanken, der eindrucksvoll beschrieben hat, dass er sowohl vor irgendwelchen rot-rot-grünen Mehrheiten in Köln als auch vor schwarz-grünen Mehrheiten im Kreistag Rhein-Sieg Angst hat. Er hat nur eines verkannt: Er hat verkannt, für was wer zuständig ist. Zuständig – ich sage es gerne noch einmal – für eine aus unserer Sicht falsche Genehmigung für den Flughafen Köln/Bonn ist der Minister hier gewesen im Einklang mit dem Bundesfachminister. Zuständig ist eben nicht der Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat ist für die Herstellung eines Interessenausgleichs an anderen Stellen in der Region zuständig. Er ist unter anderen dafür zuständig, dass keine falsche Geschäftspolitik zu- 11596 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 gunsten von Fraport, zugunsten von HOCHTIEF oder zugunsten von UPS betrieben wird. Lassen Sie mich etwas dazu sagen, wie was gelaufen ist. Der Kollege Börschel hat ja völlig Recht: Mitte Juni hat der Staatssekretär im Aufsichtsrat gesagt: Der Koalitionsausschuss hat mich beauftragt, hier mitzuteilen, es muss eine private Mehrheit am Flughafen Köln/Bonn geben. – Dann sind Sie auf die 50/50-Regelung zurückgerudert und haben versucht, zu erklären, warum 50/50 ähnlich wie in Düsseldorf funktionieren müsse und könne. Meine Damen und Herren, das, was Sie gerade hier vertreten haben, fällt auf Sie selber zurück und wird in der Region selbstverständlich Widerhall finden. Und es wird nicht nur in Köln, sondern auch im Rhein-Sieg-Kreis Widerhall finden. Ich bin mir sicher, es wird auch bei manchem Parteifreund in Ihrem bundesweit größten Kreisverband nicht auf Vergnügen stoßen. Lassen Sie mich noch etwas zu der Frage sagen, was falsche Politik oder was schäbig ist. Dieses Wort ist ja aus verschiedenen Mündern gefallen. Insofern möchte ich Ihnen gerne sagen, was ich persönlich schäbig finde. Ich finde es schäbig, dass Sie alle Ihre Hand dafür heben, dass der Landtag ein nächtliches Passagierflugverbot fordert, sich dieser Minister aber wenige Wochen danach herausstiehlt und an einem runden Tisch sagt, er denke überhaupt nicht daran, diesen Landtagsbeschluss umzusetzen, ihn dann auch tatsächlich nicht umsetzt, sondern eine Genehmigung bis 2030 erteilt, und der Fraktionsvorsitzende der FDP nach dieser Genehmigung, vor der er nicht gesehen und gehört wurde, im „StadtAnzeiger“ im Rhein-Sieg-Kreis erklärt, er sei nachdrücklich dafür, man müsse endlich einmal zusammenarbeiten, um das nächtliche Passagierflugverbot durchzusetzen. Das, meine Damen und Herren, finde ich schäbig. (Beifall von GRÜNEN und SPD) Ich finde es auch schäbig, wenn hier einige so tun, als sei der Flughafen davon abhängig, dass Sie hier eine zum Nachtflug, insbesondere zum nächtlichen Passagierflug, aus meiner Sicht falsche Entscheidung treffen. Nein, der Flughafen ist davon abhängig, dass er in der Region anerkannt wird, auch bei den Menschen, die darunter zu leiden haben, was dieser Flughafen verursacht. Er muss von allen anerkannt werden und ein guter Nachbar sein. Dann wird er in der Tat weiter wachsen und gedeihen. Aber Ihre Behauptung, dass andere den Flughafen bekämpfen würden, und zwar außerhalb der Probleme, die wir beschreiben und von denen Sie Landtag Nordrhein-Westfalen nichts wissen wollen, die die Menschen aber jede Nacht erleben, ist falsch. Das wird auch nicht besser, wenn Sie diese jedes Mal wiederholen. Insofern danke ich Ihnen herzlich für die jeweils protokollarischen Nachweise darüber, wer die Interessen dieser Menschen überhaupt nicht im Kopf hat und wen sie überhaupt nicht interessieren. Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal zusammenfassen, worum es heute geht und worum es nicht geht. Es geht heute nicht um die Nachfluggenehmigung. Diese Genehmigung zu treffen, war falsch. Das wird beklagt, und man wird sehen, wie das am Ende ausgeht. Es geht heute auch nicht darum, dass der Stadtrat von Köln oder der Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises, wie Sie sagen, unter meiner Führung – ich bedanke mich für die Ehre – eine aus Ihrer Sicht falsche Genehmigung erteilt. Heute geht es darum, dass diejenigen, die vor Ort den Interessenausgleich sicherstellen müssen, um den Sie sich einen feuchten Kehricht scheren, in die Lage versetzt werden, im Aufsichtsrat dann, wenn der Bund und das Land ihre Anteile verkaufen wollen, ihre Rechte wahrzunehmen, und zwar genau dann. Von uns fordert niemand, dass Sie Ihre Anteile verkaufen. Aber wir fordern, dass die Anteile in öffentlicher Hand bleiben, wenn Sie verkaufen. – Schönen Dank. (Beifall von den GRÜNEN) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Becker. – Als Nächster spricht für die Landesregierung Herr Finanzminister Dr. Linssen. Dr. Helmut Linssen, Finanzminister: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Ich wollte mir und vielleicht auch Ihnen am Ende dieser Debatte eine kleine Freude machen. Die Landesregierung hat nämlich noch ein paar Minuten Redezeit. Ich habe mir einmal – wir stehen ja alle auf den Schultern unserer Altvorderen – die Freude gemacht, mir aus der Debatte im Jahre 1997 um die Privatisierung des Landesanteils am Flughafen Düsseldorf Zitate herauszuholen. Ich kann Sie auswendig; deshalb brauche ich nicht die Zitatensammlung hervorzukramen. Herr Becker, Herr Börschel und wer sonst noch ein vitales Interesse am Flughafen hat, tun Sie sich doch den Gefallen und lesen Sie das einmal nach! Damals gab es die Auseinandersetzung, ob Harpen oder HOCHTIEF den Zuschlag bekommt. Harpen hatte 308 Millionen DM geboten. Angeb- 11597 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 lich hatte Hochtief 350 Millionen geboten – allerdings mit einer Einschränkung: Nur wenn 107.000 Flugbewegungen kommen, gibt es die letzten 100 Millionen. – Die haben wir natürlich nie gesehen. Also ist für 250 Millionen verkauft worden. In der Debatte wurde dann die CDU vor allen Dingen der ordnungspolitischen Inkorrektheit geziehen; denn sie gehe dem Gedanken der Privatisierung und der Mobilisierung des Kapitals nicht so nach, wie das die SPD tue. Hauptredner waren Herr Clement und Herr Matthiesen. Tun Sie sich einmal den Gefallen und lesen nach, was sie zu dem Segen einer 50-prozentigen Beteiligung von Privaten am Flughafen Düsseldorf gesagt haben! (Beifall von CDU und FDP) Und schauen Sie sich auch einmal die Haltung der Grünen an! Für sie hat Frau Nacken erklärt: Wir haben zwar von Anfang an nicht so viel davon gehalten; da es jetzt an den Höchstbietenden geht, sind wir aber natürlich damit einverstanden. (Heiterkeit und Beifall von Ralf Witzel [FDP]) Wenn ich dann in das Lokalkolorit von Köln eintauche – ich lese das, was Sie gerade noch zitiert haben, Herr Börschel, ja auch alles –, dann muss ich sagen: Sie müssen sich einmal Frau Speth, ein ehrenhaftes Mitglied der SPD-Fraktion in diesem Hohen Hause, hereinziehen; so darf ich es einmal formulieren. Sie hat in ihrer Antwort auf Herrn Kollegen Hardt – die beiden Düsseldorfer waren, so wie heute die Kölner, hier in der Arena vertreten – gesagt: Herr Hardt, ich freue mich richtig darüber, dass Sie mit dafür gesorgt haben, dass jetzt endlich ein Privater 50 % an diesem Flughafen bekommt. – Herzlichen Glückwunsch! Gute Lektüre! (Heiterkeit und anhaltender Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Finanzminister Dr. Linssen. Es ist beeindruckend, dass Sie neben der Aufstellung des Haushalts auch noch zu einem Rollenstudium in der Lage sind. Dazu kann ich Sie nur beglückwünschen. Es ist für das Hohe Haus eine wirkliche Bereicherung – vor allem um 20:09 Uhr. Danke schön dafür! (Beifall von CDU und FDP) Nach diesem fröhlichen Ausklang zu einem ernsten Punkt kommen wir nun zur Abstimmung. Die antragstellenden Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben direkte Abstimmung beantragt. Daher kommen wir zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 14/7349. Ich Landtag Nordrhein-Westfalen frage: Wer stimmt diesem Antrag dem Inhalt nach zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist eindeutig, dass die Mehrheit hier im Hohen Haus diesen Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt hat. (Beifall von Ralf Witzel [FDP]) Bevor wir gleich zu Tagesordnungspunkt 8 kommen, will ich einer Pflicht nachkommen, die wir hier im Präsidium häufiger zu erfüllen haben. Leider müssen wir auch heute wieder eine Rüge aussprechen. Sie betrifft den Abgeordneten Rüdiger Sagel. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11598 9 Gesetz zur Verankerung der getrennten Abwassergebühr (Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes) Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/6155 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 14/7332 zweite Lesung (Zurufe von der CDU: Oh!) Er hat sich in der heutigen Plenarsitzung in seinem Redebeitrag zu TOP 2, Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Landes Nordrhein-Westfalen für das Haushaltsjahr 2009, in Bezug auf den Ministerpräsidenten und den Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ausgesprochen unparlamentarisch geäußert. Herr Sagel wird daher für diese unparlamentarischen Äußerungen gerügt. (Zuruf von der CDU: Was hat er gesagt?) – Diese Worte möchte ich hier nicht wiederholen, schon gar nicht im Zusammenhang mit dem Ministerpräsidenten und seinem Arbeitsminister. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8 Elfter Staatsvertrag zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Elfter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) Ich eröffne die Beratung und erteile für die CDUFraktion Herrn Kollegen Pick das Wort. Clemens Pick (CDU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu später Stunde kommen wir jetzt zu einem Thema, das wir hier im Landtag schon einmal behandelt haben. Es geht nämlich die Verankerung der getrennten Abwassergebühr und die Änderung des Kommunalabgabengesetzes. Diesen Gesetzentwurf, den Bündnis 90/Die Grünen im Frühjahr dieses Jahres vorgelegt haben, hatten sie im Zusammenhang mit der Einführung des § 6a in das KAG am 19. September 2006 bereits wortgleich gestellt. Ein Jahr lang ist dieses Thema unnützerweise in den Ausschüssen beraten worden. Das Ergebnis war, dass dieser Gesetzentwurf am 19. September 2007 in zweiter Lesung abgelehnt wurde. Eine Beratung ist heute nicht vorgesehen; so ist es vereinbart. Nachdem nun das Oberverwaltungsgericht Münster ein Urteil gesprochen hat, hielt man es für sinnvoll, diesen Antrag wieder aufleben zu lassen. Dabei hat man allerdings nicht bedacht, dass dieses Urteil nicht das KAG infrage stellt, sondern nur eine Anleitung zur Auslegung der Abwassergebührenberechnung an die Kommunen gibt. Insofern ist dieser Antrag überflüssig. Das ist im Ausschuss auch so gesagt worden. Nach dem KAG sind die Kommunen nämlich in der Lage, diese Dinge selber zu regeln – was sie auch tun; denn weitere Klagen in diese Richtung sind bis heute nicht festzustellen. Deshalb kommen wir unmittelbar zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7305 an den Hauptausschuss. Wer stimmt dieser Überweisung zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Einstimmig ist so überwiesen. Neue Gesetze wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern hier nicht mehr auferlegen; denn Verwaltungsvereinfachung ist gewollt. Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf wie auch schon in den Ausschüssen ab. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag gemäß Artikel 66 Satz 2 der Landesverfassung Drucksache 14/7305 erste Lesung Wir kommen zu Tagesordnungspunkt (Beifall von CDU und FDP) Landtag Nordrhein-Westfalen Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege Pick. – Für die SPD-Fraktion spricht Frau Kollegin Gottschlich. Margret Gottschlich (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Pick hat gerade schon darauf hingewiesen: Dieser Gesetzentwurf ist nicht neu. Wir haben uns damit schon einmal ausgiebig beschäftigt und ihn abgelehnt. Die Grünen haben das Urteil des OVG Münster zum Anlass genommen, einen fast identischen Antrag zu stellen. Ich darf daraus zitieren: Nach Auffassung des Gerichts ist es zum Beispiel nicht zulässig, dass etwa ein Supermarkt mit geringem Frischwasserverbrauch, aber großen Dach- und Parkplatzflächen, von denen Regenwasser zusätzlich zum Abwasser in die Kanalisation geleitet wird, nach gleichem Schlüssel zahlen muss wie der Besitzer eines Wohnhochhauses mit relativ hohem Trinkwasserverbrauch, aber kleiner Dachfläche. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, entweder haben Sie das Urteil nicht richtig gelesen, oder Ihnen sind beim Schreiben dieses Gesetzentwurfs die Textbausteine ein bisschen durcheinander geraten. Denn das Gericht hat etwas ganz anderes festgestellt. Es hat präzisiert, wann der getrennte Maßstab anzuwenden ist und wann nicht. Das Gericht hat gesagt, auch bei homogener Bauweise und homogener Baustruktur könnten die tatsächlichen Verhältnisse in Ein- und Zweifamilienhäusern so unterschiedlich sein, dass auch dort der getrennte Maßstab anzusetzen ist. Nicht mehr und nicht weniger! Es geht also nicht um das berühmte Hochhaus und den berühmten Baumarkt, sondern das Gericht hat präzisiert. Damit ist dieser Gesetzentwurf also überflüssig. Das hatten wir alles schon einmal. Die Kommunen sind jetzt gezwungen, ihre Gebührenbescheide umzustellen, ansonsten sind sie ungültig. Das werden sie tun. Dazu brauchen wir keinen Gesetzentwurf. Deshalb werden wir Ihren Gesetzentwurf auch dieses Mal wieder ablehnen. – Danke schön. (Beifall von SPD und CDU) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Frau Kollegin Gottschlich. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Ellerbrock. Holger Ellerbrock (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das OVG hat gesprochen. Es muss eine Änderung erfolgen, dass man die Abwassergebühr nicht auf die Frischwassergebühr 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11599 bezieht. Das wird vor Ort umgesetzt. Das Gesetz zu ändern ist überflüssig. Wir wollen einen Bürokratieabbau. Deshalb lohnt es das Papier nicht, ein neues Gesetz zu verfassen. Das war eine Übung, die Sie gemacht haben, Herr Kollege Remmel. Danke schön. Wir stimmen dem nicht zu. (Beifall von der FDP) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Kollege, das waren genau 26 Sekunden. – Als Nächster spricht Herr Kollege Remmel. Johannes Remmel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte zumindest die leise Hoffnung, dass die Fraktionen dieses Hauses außer unserer Fraktion, die an dieser Stelle schon immer diese Forderung erhoben hat, ihre Verstocktheit und ihren Trotz endlich aufgeben würden. Diese Auseinandersetzung läuft nun schon seit über 20 Jahren. Und seit über 20 Jahren haben Sie sich dagegen gewehrt, den getrennten Gebührenmaßstab, der sowohl ökologischer als auch sozial gerechter ist, einzuführen. Dieser Kampf musste bis zum Letzten vor den Gerichten dieses Landes ausgefochten werden. Nun hat das oberste Gericht dieses Landes eine Entscheidung getroffen. Das Parlament dieses Landes muss dann doch in der Lage sein, diese Entscheidung zu akzeptieren und in das Gesetz zu überführen, auch wenn man es politisch vielleicht nicht will. Aber nein, Sie lassen es zu, dass in diesem Land mit dieser Frage weiter die Gerichte beschäftigt werden, nämlich dann, wenn die Kommunen das nicht umsetzen, was jetzt höchstrichterlich festgestellt worden ist, sodass nach wie vor jeder Bürger/jede Bürgerin das festgestellte Recht einklagen muss. Sie schicken also die Bürgerinnen und Bürger vor die Gerichte. Sie produzieren Gerichtsverfahren. Sie produzieren für die Bürgerinnen und Bürger Kosten und Ärger. Das könnten Sie einfach dadurch lösen, dass Sie unserem Gesetzentwurf folgen. Wir werden uns in dieser Frage wiedertreffen und an der Stelle wieder zu dem Punkt kommen, dass Rechtsicherheit endgültig nur dadurch geschaffen werden kann, dass der Landtag das endlich in einem solchen Gesetz verankert. – Vielen Dank. (Beifall von den GRÜNEN) Landtag Nordrhein-Westfalen Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Kollege Remmel. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dr. Wolf. Dr. Ingo Wolf, Innenminister: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf ist Ausfluss grüner staatlicher Regelungswut. Es gibt eine rechtskräftige Entscheidung, die alle Fragen regelt. Der Städte- und Gemeindebund hat Umsetzungshinweise gegeben. Deswegen ist der Gesetzentwurf überflüssig. – Vielen Dank. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Wolf. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 14/7332 den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 14/6155 abzulehnen. Wer will dieser Empfehlung folgen? – CDU, FDP und SPD. – Wer will ihr nicht folgen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthält sich jemand? – Das ist nicht der Fall. Damit ist mit großer Mehrheit in diesem Haus die Beschlussempfehlung angenommen und der Gesetzentwurf in zweiter Lesung abgelehnt. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 10 Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7075 erste Lesung Zur Einbringung des Gesetzentwurfs erteile ich für die Landesregierung Herr Minister Dr. Linssen das Wort. Dr. Helmut Linssen, Finanzminister: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Änderungsgesetz zum Kirchensteuergesetz ist erforderlich, um der mit Wirkung ab 01.01.2009 eingeführten Abgeltungsteuer Rechnung zu tragen. Die Abgeltungsteuer hat zur Folge, dass Kapitalerträge wie zum Beispiel Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne mit dem von den Banken und anderen Kapitalertragsschuldnern vorzu- 11600 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 legenden Kapitalertragsteuerabzug abgeltend besteuert sind. Die Kapitalerträge müssen dann nicht mehr in der Steuererklärung angegeben werden. Die Höhe der Kirchensteuer richtet sich nach der Einkommensteuer als Bemessungsgrundlage. In Bayern und Baden-Württemberg gilt ein Kirchensteuersatz von 8 %, in Nordrhein-Westfalen und in den übrigen Bundesländern beträgt die Kirchensteuer 9 % der Einkommensteuer. Da die Kapitalerträge und auch die darauf entfallende Steuer zukünftig nicht mehr Bestandteil der Einkommensteuerveranlagung sind, bedarf es eines Verfahrens, um auch auf diese Einkommensteuer weiter Kirchensteuer erheben zu können. Eine Möglichkeit zur Sicherung des Kirchensteueraufkommens wäre, die Kapitalerträge allein für Zwecke der Kirchensteuererhebung wieder in das Veranlagungsverfahren einzubeziehen. Damit würden sich die Vorteile der abgeltenden Wirkung der Kapitalertragsteuer allerdings weitgehend verflüchtigen. Vor diesem Hintergrund stellt sich allein die Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer als angemessener Weg dar. Der Bundesgesetzgeber hat den für die Kirchensteuergesetzgebung zuständigen Ländern in § 51a des Einkommensteuergesetzes einen Vorschlag für ein solches Verfahren unterbreitet, das ich Ihnen jetzt vorstellen möchte. Auf Antrag des Kirchensteuerpflichtigen bei der Bank hat diese neben der Kapitalertragsteuer auch die Kirchensteuer einzubehalten. Dabei ist die Kirchensteuer mit dem Satz zu erheben, der am Wohnsitz des Kirchensteuerpflichtigen gilt. Folglich hat zum Beispiel eine Bank aus Nordrhein-Westfalen für die Kapitalerträge eines kirchensteuerpflichtigen Anlegers aus Essen 9 % und für die eines kirchensteuerpflichtigen Anlegers aus Bayern 8 % Kirchensteuer bezogen auf die Kapitalertragsteuer einzubehalten und an das für die Bank zuständige Finanzamt abzuführen. Das von den Banken angemeldete und bei den Finanzämtern eingehende Kirchensteueraufkommen wird an die jeweilige Religionsgemeinschaft weitergeleitet. In seinen Grundzügen ist dieses Verfahren mit dem Kirchenlohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber vergleichbar. Stellt der Kirchensteuerpflichtige keinen Antrag bei seiner Bank, kann die Bank den Abzug nicht vornehmen. Die einbehaltene Kapitalertragsteuer muss dann in der Steuererklärung angegeben Landtag Nordrhein-Westfalen werden. Die Kirchensteuerfestsetzung erfolgt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Da beim Kirchensteuereinbehalt durch die Banken – wie das obige Beispiel zeigt – viele die Ländergrenzen überschreitende Fälle auftreten werden, haben sich die Länder darauf verständigt, den Vorschlag des Bundes einheitlich in ihre Kirchensteuergesetze zu übernehmen. Darüber hinaus haben Verständigungen über in § 51a des Einkommensteuergesetzes nicht abschließend geregelte Zweifelsfragen stattgefunden. Die Religionsgemeinschaften sind ebenso wie die Bankenverbände am Gesetzgebungsverfahren zu § 51a des Einkommensteuergesetzes beteiligt worden. Darüber hinaus waren die Religionsgemeinschaften in die Verständigungsgespräche zwischen den Ländern eingebunden. Das vorliegende Änderungsgesetz transferiert die bundesgesetzlichen Vorschläge in Landesrecht. Ich glaube, das war nicht zu kompliziert für 20:24 Uhr. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall von CDU und FDP) Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Minister Dr. Linssen. – Wir haben eine weitere Beratung heute nicht vorgesehen. Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/7075 an den Haushaltsund Finanzausschuss. Wer stimmt dem zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist einstimmig so überwiesen. Nachdem wir nun zehn Tagesordnungspunkte gemeinsam abgearbeitet haben, werde ich die nächsten 19 Tagesordnungspunkte allein abarbeiten. Aber ich brauche natürlich Ihre Hilfe und Unterstützung, weil wir gemeinsame Entscheidungen zu fällen haben. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 11 Zukunftschance Wasser nutzen – NRW zum Wasserland Nr. 1 machen! Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/7357 Wir haben heute keine Beratung vorgesehen. Beratung und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgen. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11601 Also stimmen wir unmittelbar ab. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7357 an den Ausschuss für Umweltund Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – federführend –, an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Wer stimmt dieser Überweisung zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Einstimmig so entschieden. Ich rufe auf: 12 Die Besten für die Jüngsten – Qualität der Elementarbildung durch weitere Professionalisierung der Fachkräfte verbessern Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7342 Auch hier ist heute keine Beratung vorgesehen. Beratung und Abstimmung sollen nach Vorlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses erfolgen. Kommen wir zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt hier die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7342 an den Ausschuss für Generationen, Familie und Integration – federführend –, an den Ausschuss für Frauenpolitik, an den Ausschuss für Schule und Weiterbildung, an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie sowie an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform. Wer ist für diese Überweisung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Einstimmig so überwiesen. Ich rufe auf: 13 Vergleichbare Kommunen in Ost und West gleich behandeln: Sonderzuweisungen und Altschuldenhilfe für strukturschwache NRW-Kommunen ermöglichen, kommunale Belastung für Einheitslasten zurückführen Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7348 Auch hier ist heute keine Beratung vorgesehen. Kommen wir also zur Abstimmung. Vom Ältestenrat wird die Überweisung des Antrags Drucksache 14/7348 an den Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanz- Landtag Nordrhein-Westfalen ausschuss empfohlen. Wer stimmt dem zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist einstimmig so überwiesen. Ich rufe auf: 14 Vereinbarung zwischen den Ländern Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und dem Land Rheinland-Pfalz zur Auflösung des Staatlichen Heilquellenamtes Bad Ems Antrag der Landesregierung auf Zustimmung zu einem Staatsvertrag gemäß Artikel 66 Satz 2 der Landesverfassung Drucksache 14/7306 erste Lesung Keine Debatte heute hier an diesem Punkt. Aber eine Abstimmung: Wer stimmt der Überweisung des Antrags Drucksache 14/7306 an den Hauptausschuss zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Einstimmig ist auch diese Überweisung so angenommen. Ich rufe auf: 15 Gesetz zur Regelung des Schuldenwesens des Landes Nordrhein-Westfalen (Landesschuldenwesengesetz – LSchuWG) Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7307 erste Lesung Eine Debatte ist heute nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb direkt zur Abstimmung. Es wird die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/7307 an den Haushalts- und Finanzausschuss empfohlen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Einstimmig so überwiesen. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11602 erste Lesung Eine Debatte ist auch hier nicht vorgesehen. Wir kommen deshalb zur Abstimmung, nämlich über die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/7308 an den Rechtsausschuss. Das ist ein besonderer Ausschuss, und wir wollen alle hoffentlich dafür stimmen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisungsempfehlung angenommen. Ich rufe auf: 17 Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Gebührenbefreiung, Stundung und Erlass von Kosten im Bereich der Rechtspflege (Gerichtsgebührenbefreiungsgesetz – GerGebBefrG) Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7055 erste Lesung Eine Debatte ist nicht vorgesehen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 14/7055 an den Rechtsausschuss. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Einstimmig überwiesen. Ich rufe auf: 18 Erstes Gesetz zur Änderung des Forstdienstausbildungsgesetzes NRW Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/6795 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 14/7333 zweite Lesung Ich rufe auf: Eine Debatte ist nicht vorgesehen. 16 Gesetz zur Änderung des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 14/7308 Also stimmen wir gleich ab. Der Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 14/7333, den Gesetzentwurf Drucksache 14/6795 in der Fassung seiner Beschlüsse anzunehmen. Wer stimmt dem so zu? – CDU und SPD. Wer ist dagegen? – Landtag Nordrhein-Westfalen Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmig angenommen und der Gesetzentwurf in zweiter Lesung verabschiedet. Wir kommen jetzt zu einem kleinen Päckchen, nämlich zu folgenden acht Tagesordnungspunkten: 19 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde gegen Art. 34 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG), eingeführt durch das Gesetz zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes vom 24. Dezember 2005 (BayGVBL Nr. 26/2005, S. 641) 1 BvR 661/06 Vorlage 14/1881 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7358 20 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Verfahren über den Antrag des Bodo Ramelow MdB und der Bundestagsfraktion DIE LINKE festzustellen: 1. Die Bundesregierung und ihre Mitglieder sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages ihr Abgeordnetenmandat frei und unbeeinträchtigt durch Maßnahmen der Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz ausüben können. 2. Das Bundesministerium des Innern und die Bundesregierung haben, indem sie es unterlassen haben, das Bundesamt für Verfassungsschutz anzuweisen, die Beobachtung des Bodo Ramelow MdB einzustellen, gegen Art. 46 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue verstoßen und dadurch den Bodo Ramelow MdB in seinen verfassungsmäßigen Rechten aus Art. 46 Abs. 1 und Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11603 3. Das Bundesministerium des Innern und die Bundesregierung haben, indem sie es unterlassen haben, das Bundesamt für Verfassungsschutz anzuweisen, die Beobachtung des Bodo Ramelow MdB und weiterer der Bundestagsfraktion DIE LINKE angehörender Bundestagsabgeordneter einzustellen, gegen den Grundsatz der Funktionsfähigkeit des Deutschen Bundestages in Verbindung mit Art. 46 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 2 GG und dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue sowie gegen die Grundsätze der Finanzverfassung gemäß Art. 104a ff. verstoßen und dadurch den Deutschen Bundestag in seinen verfassungsgemäßen Rechten aus diesen Vorschriften verletzt. 4. Das Bundesministerium des Innern und die Bundesregierung haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. 2 BvE 4/07 Vorlage 14/1888 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7359 21 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht I Verfahren über den Antrag des Dr. Peter Gauweiler MdB im Organstreitverfahren festzustellen, dass das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 und die Begleitgesetze gegen das Grundgesetz verstoßen und deswegen nichtig sind, und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Antrag auf andere Abhilfe 2 BvE 2/08 II Verfassungsbeschwerde des Dr. Peter Gauweiler MdB gegen a) das Zustimmungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007, b) das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (BT-Drs. 16/8488), c) das Gesetz über die Ausweitung und Stärkung der Rechte des Bundestages und Bundesrates in Angelegenheiten Landtag Nordrhein-Westfalen der Europäischen Union (BT-Drs. 16/8489) und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und Antrag auf andere Abhilfe 2 BvR 1010/08 III Verfassungsbeschwerde des Prof. Dr. Dr. Peter Buchner gegen das Zustimmungsgesetz zum EU-Reformvertrag vom 13. Dezember 2007 und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung 2 BvR 1022/08 Vorlage 14/1896 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7361 22 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht I Verfahren über den Antrag im Organstreitverfahren festzustellen, dass das Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon (BT-Drs. 16/8300) den Deutschen Bundestag in seinen Rechten als legislatives Organ verletzt und deshalb unvereinbar mit dem Grundgesetz ist, und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung 2 BvE 5/08 II Verfassungsbeschwerde des Herrn Dr. Diether Dehm und weiterer Abgeordneter des Deutschen Bundestages gegen das Gesetz zum Vertrag von Lissabon vom 13. Dezember 2007 (BT-Drs. 16/8300), Zustimmungsgesetz zum Lissaboner Vertrag, und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung 2 BvR 1259/08 Vorlage 14/1937 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7362 23 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde des Herrn S. gegen § 32 Abs. 5 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11604 und Ordnung (Nds. SOG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 25. November 2007 (GVBL S. 651) 1 BvR 1443/08 Vorlage 14/1914 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7363 24 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Verfahren über den Antrag festzustellen, dass die Bundesregierung durch die Nichteinholung der Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Veräußerung der Anteile an der Aurelis Real Estate GmbH & Co. KG und der Aurelis Management GmbH die Rechte des Deutschen Bundestages aus Artikel 110 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 87e des Grundgesetzes verletzt hat 2 BvE 3/08 Vorlage 14/1932 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7364 25 Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung der Stadt Aachen und neun weiterer Gemeinden und Kreise, das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land NordrheinWestfalen vom 19.06.2007, GVBl. 2007, S. 207, sowie GVBl. 2007 S. 237 (Berichtigung), verletzte die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung VerfGH 17/08 Vorlage 14/1925 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7365 Landtag Nordrhein-Westfalen 26 Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen Verfassungsgerichtliches Verfahren wegen der Behauptung der Stadt Ochtrup, § 24a Abs. 1 Satz 4 des Gesetzes zur Landesentwicklung (Landesentwicklungsprogramm – LEPro), eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Landesentwicklungsplanung (Landesentwicklungsprogramm – LEPro) vom 19. Juni 2007 (GV. NRW S. 225), verletzte die Vorschriften der Landesverfassung über das Recht der gemeindlichen Selbstverwaltung VerfGH 18/08 Vorlage 14/1936 Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Drucksache 14/7366 Ich bitte Sie ausdrücklich, damit einverstanden zu sein, dass wir über diese Punkte gemeinsam befinden. Gibt es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Eine Debatte ist nicht vorgesehen, sodass ich über die jeweiligen Empfehlungen des Rechtsausschusses gemeinsam abstimmen lasse, eine Stellungnahme zu den vorgenannten Verfahren nicht abzugeben. Wer stimmt den Beschlussempfehlungen Drucksachen 14/7358, 14/7359, 14/7361, 14/7362, 14/7363, 14/7364, 14/7365 und 14/7366 zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Das ist einstimmig. Die Beschlussempfehlungen sind damit angenommen. Ich bedanke mich dafür. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 27 Über- und außerplanmäßige Ausgaben im 1. Quartal des Haushaltsjahres 2008 Antrag des Finanzministers gemäß Artikel 85 Abs. 2 der Landesverfassung Vorlage 14/1885 Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses Drucksache 14/7367 Auch hier ist keine Debatte vorgesehen. Wir kommen deshalb unmittelbar zur Abstimmung. Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung Drucksache 14/7367, die mit Vorlage 14/1885 beantragte 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11605 Genehmigung zu erteilen. Wer stimmt der Empfehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Das ist einstimmig. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen und die beantragte Genehmigung erteilt. Wir kommen zu: 28 In den Ausschüssen erledigte Anträge Übersicht 14/39 Abstimmungsergebnisse der Ausschüsse zu Drucksachen 14/2578 – 14/3643 – 14/4866 – 14/6008 – 14/6154 – 14/6340 – 14/6676 – 14/6696 – 14/6761 ÄA – 14/6847 – HFA AUNLV AGS AIWFT AUNLV AUNLV AGFI AGS AGS RA Drucksache 14/7368 Die Übersicht 39 enthält zehn Anträge, die vom Plenum nach § 79 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung an die Ausschüsse zur abschließenden Erledigung überwiesen wurden. Das Abstimmungsverhalten der Fraktionen ist aus der Übersicht ersichtlich. Ich lasse jetzt abstimmen über die Bestätigung des Abstimmungsverhaltens der Fraktionen in den Ausschüssen entsprechend der Übersicht 39. Wer stimmt dem so zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit sind die in der Drucksache enthaltenen Abstimmungsergebnisse einstimmig bestätigt. Wir kommen zum letzten Tagesordnungspunkt: 29 Beschlüsse zu Petitionen Übersicht 14/44 Wird hierzu das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich gemäß § 91 Abs. 7 unserer Geschäftsordnung fest, dass diese Beschlüsse zu Petitionen durch Ihre Kenntnisnahme bestätigt sind. Danke schön. Meine Damen und Herren, wir sind am Ende unserer heutigen Sitzung. Ich berufe das Plenum wieder ein für morgen, Donnerstag, den 28. August 2008, 10 Uhr. Landtag Nordrhein-Westfalen Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen Abend. Die Sitzung ist geschlossen. Schluss: 20:33 Uhr *) Von der Rednerin bzw. dem Redner nicht überprüft (§ 96 GeschO) Dieser Vermerk gilt für alle in diesem Plenarprotokoll so gekennzeichneten Rednerinnen und Redner. 11606 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Landtag Nordrhein-Westfalen Anlage Schriftliche Beantwortung der Mündlichen Anfrage 227 Die Mündliche Anfrage 227 des Abgeordneten Dr. Karsten Rudolph (SPD) lautet: Haftbefehl gegen den Hauptverdächtigen des sechsfachen Mafia-Mordes in Duisburg In der Sitzung des Innenausschusses am 14. August 2008 hat die Landesregierung eingeräumt, dass gegen den mutmaßlichen Haupttäter des sechsfachen Mordes in Duisburg ein Haftbefehl vor der Tat existiert hat. Warum ist der mutmaßliche Haupttäter nicht vor der Tat verhaftet worden? Die schriftliche Antwort des Innenministers lautet: Vor der Mordtat in Duisburg gab es keinen Haftbefehl gegen den Hauptverdächtigen Giovanni Strangio. Er konnte also deswegen nicht vorher festgenommen werden. Erst die Ermittlungen der Duisburger Polizei nach den Tötungsdelikten vom 15. August 2007 haben dazu geführt, dass sich gegen den Beschuldigten Giovanni Strangio auch ein dringender Tatverdacht wegen der Beteiligung an einem Raubüberfall auf eine Bank in Bochum, begangen am 15.07.1998, ergab. Dieser stützt sich auf einen positiven Abgleich der DNA-Spur von Giovanni Strangio mit Tatortspuren des Raubes vom 15.07.1998, die in der bundesweiten DNA-Analyse hinterlegt sind. Das Amtsgericht Bochum hat deshalb am 24.09.2007 einen Haftbefehl gegen Strangio wegen räuberischer Erpressung erlassen. Bereits am 31. August 2007 – und somit drei Wochen vorher – wurde durch das Amtsgericht Duisburg der Haftbefehl wegen sechsfachen Mordes erlassen. Darüber hinaus möchte ich Folgendes klarstellen: Es handelt sich bei den Taten in Duisburg nach wie vor um ein laufendes Ermittlungsverfahren. Ein Tatverdächtiger wurde durch die hervorragende und professionelle Arbeit der Duisburger Beamten und ihrer italienischen Kollegen sehr schnell ermittelt. Dafür gebührt den Kolleginnen und Kollegen, die monatelang unter höchster Belastung für diesen Erfolg gearbeitet haben, unser aller Dank und Anerkennung. Nach dem Tatverdächtigen wird international mit Hochdruck gefahndet. 11607 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Es ist selbstverständlich, dass auch heute noch in Duisburg täglich weitere Fakten bekannt werden. Neue Spuren kommen hinzu, andere erledigen sich. Mittlerweile wurden 5.000 Spuren abgearbeitet und über 106.000 Seiten Akten angelegt. Die Details sind aus guten Gründen ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden, also der Staatsanwaltschaft Duisburg und der Polizei, bekannt. Das Innenministerium wird richtigerweise ausschließlich über wesentliche Ermittlungsergebnisse hinsichtlich der Tötungsdelikte in Duisburg informiert. Die Fragestellung in der 42. Sitzung des lnnenausschusses am 14. August 2008, ob gegen einen Tatbeteiligten der Tötungsdelikte ein Haftbefehl einer nordrhein-westfälischen Staatsanwaltschaft vorlag, wurde durch den Vertreter meines Hauses ad hoc aus dem Gedächtnis beantwortet. In der nachfolgenden Überprüfung wurde festgestellt, dass weder 1998 noch sonst vor der Tat ein Haftbefehl gegen den Hauptverdächtigen vorlag. Dies hätte ich – wie es auch sonst üblich ist – dem Ausschuss in der nächsten Sitzung mitgeteilt. Schriftliche Beantwortung der Mündlichen Anfrage 228 Die Mündliche Anfrage 288 des Abgeordneten Horst Becker (GRÜNE) lautet: Kommunalaufsichtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb der Wiehltalbahn Das Oberverwaltungsgericht Münster hat am 7. Juli 2008 den Berufungszulassungsantrag des Landes NRW gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 26. Januar 2007 abgelehnt. Damit ist das Urteil rechtskräftig, mit dem das Verwaltungsgericht das Land NRW verpflichtet hat, der Rhein-Sieg-Eisenbahn als Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Wiehltalbahn eine langfristige Betriebsgenehmigung zu erteilen. In der Antwort auf die Kleine Anfrage zum Thema: „Warum lässt die Landesregierung und der Landesbetrieb Straßenbau die Grundsätze sparsamer Haushaltsführung außer Acht und hintertreibt in ihrer Eigenschaft als Kommunalaufsicht den Betrieb der Wiehltalbahn?“, schreibt das Innenministerium (Drucksache 14/4943): „Von kommunalaufsichtlichen Maßnahmen wurde zunächst vor dem Hintergrund mehrerer schwebender Gerichtsverfahren zur verkehrsrechtlichen Situa- Landtag Nordrhein-Westfalen tion abgesehen. Die zuständige Aufsichtsbehörde wartet das Ergebnis der Verfahren ab.“ Angesichts des nun erfolgten Urteils des Oberverwaltungsgerichtes frage ich die Landesregierung: Welche kommunalaufsichtlichen Maßnahmen beabsichtigt die Landesregierung im Hinblick auf den in der Kleinen Anfrage 1780 vom 29.08.2007 beschriebenen Sachverhalt zu machen? Die schriftliche Antwort des Innenministers lautet: Die in der mündlichen Anfrage zitierten Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 07.07.2008 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 26.01.2008 befassen sich mit der seitens des Landes an die RheinSieg-Eisenbahn GmbH zu erteilenden Betriebsgenehmigung und beinhalten somit keine kommunalaufsichtliche Frage. Zu berücksichtigen ist, dass der Regionalrat in Umsetzung der Landesplanung die Trasse der Wiehltalbahn aus der Regionalplanung herausgenommen hat. Wie mir der Landrat des Oberbergischen Kreises berichtet hat, verfolgen die Anliegerkommunen als Eigentümer der Bahntrasse weiterhin das Ziel, über den Betrieb bzw. Nichtbetrieb der Eisenbahn entscheiden zu können. Diese Thematik ist Gegenstand eines zivilrechtlichen Rechtsstreites. Dieses Verfahren wird von den Beteiligten als von der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster unabhängig betrachtet und ist noch anhängig. Vor einer abschließenden Klärung dieser komplexen Rechtslage kommt für den Landrat des Oberbergischen Kreises ein Eingreifen der Kommunalaufsicht somit grundsätzlich nicht in Betracht. Wie in der Beantwortung der Kleinen Anfrage 1780 (Drucksache 14/4943) ausgeführt, hatte der Bürgermeister der Stadt Waldbröl den Landrat des Oberbergischen Kreises mit Bericht vom 28.12.2006 über den Abschluss des Kaufvertrages zwischen der Deutschen Bahn AG und den Gemeinden Morsbach und Reichshof sowie den Städten Wiehl und Waldbröl sowie über weitere vertragliche Regelungen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Bahnflächen informiert. Seitens der Gemeinden Morsbach und Reichshof sowie der Stadt Wiehl war aufgrund der haushaltsrechtlichen und finanzwirtschaftlichen Lage keine Genehmigung bzw. Zu- 11608 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 stimmung der Aufsichtsbehörde erforderlich. Der Kauf erfolgte für diese Kommunen im Rahmen ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Hinsichtlich der Vereinbarung der Stadt Waldbröl mit dem Landesbetrieb Straßenbau NRW über die Vorfinanzierung des von der Stadt Waldbröl zu erbringenden Kaufpreises ergab sich kommunalaufsichtlich die Fragestellung, ob es sich hierbei um ein kreditähnliches Rechtsgeschäft handelt. Mit Schreiben vom 07.11.2007 hat der Landrat des Oberbergischen Kreises dieses Geschäft schließlich – nachträglich – genehmigt; er hat diese Entscheidung an die Bedingung geknüpft, dass die Stadt Waldbröl diese Maßnahmen nach den zu beachtenden Vorschriften in den maßgeblichen Haushalten 2009 bis 2011, gegebenenfalls in den Prioritätenlisten der entsprechenden Haushalte, wie auch schon in der Finanzplanung vorgesehen, berücksichtigt. Schriftliche Beantwortung der Mündlichen Anfrage 229 Die Mündliche Anfrage 229 des Abgeordneten Horst Becker (GRÜNE) lautet: FDP-Vorstoß für eine Zusammenlegung von Bundestags- und Europawahl Der FDP-Generalsekretär Dirk Niebel forderte laut der „Westfälischen Rundschau“ vom 20. August 2008, den Termin der Bundestagswahl 2009 von September auf den 7. Juni vorzuziehen und mit der Europawahl zu bündeln. In der Problembeschreibung des Gesetzentwurfes zum Gesetz über die Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahlen mit den Europawahlen von CDU und FDP werden die Vorbehalte der Fraktionen von CDU und FDP gegen die Zusammenlegung der Bundestagwahl und der Kommunalwahl wie folgt dargelegt: „Eine Verbindung mit der Bundestagswahl, die in der Regel alle vier Jahre stattfindet, könnte einmalig nur im Jahr 2009 erfolgen. Eine solche Zusammenlegung lässt zudem eine nicht erwünschte Überlagerung kommunalpolitischer Themen durch bundespolitische Themen erwarten.“ In diesem Sinne äußerten sich auch diverse Politiker von CDU und FDP in den Parlamentsdebatten im Landtag zu dem inzwischen umgesetzten Vorhaben der schwarz-gelben Landtag Nordrhein-Westfalen Koalition, eine Zusammenlegung von Bundesund Kommunalwahl zu verhindern und stattdessen eine Zusammenlegung von Europaund Kommunalwahl durchzusetzen. Vor dem Hintergrund der Äußerung des Generalsekretärs der FDP und dem von der schwarz-gelben Landesregierung nicht gewollten gemeinsamen Termin von Bundesund Kommunalwahl im Jahr 2009 frage ich die Landesregierung: Schließt es die Landesregierung für den Fall der Zusammenlegung von Bundestags- und Europawahl im Jahr 2009 aus, dass der Kommunalwahltermin nun doch nicht mit dem Termin der Europawahl zusammengelegt wird? Die schriftliche Antwort des Innenministers lautet: Nach Artikel 39 Abs. 1 Satz 3 des Grundgesetzes findet die Neuwahl des Bundestages frühestens sechsundvierzig, spätestens achtundvierzig Monate nach Beginn der Wahlperiode statt. Die Wahlperiode des 16. Deutschen Bundestages hat mit seinem Zusammentritt am 18. Oktober 2005 begonnen. Die Neuwahl kann daher bei Zugrundelegung einer vollen Wahlperiode frühestens ab dem 19. August 2009 stattfinden. Da der Wahltag nach § 16 Satz 2 des Bundeswahlgesetzes ein Sonntag oder gesetzlicher Feiertrag sein muss, kann die Neuwahl frühestens am Sonntag, dem 23. August 2009, stattfinden. Der Bundespräsident könnte nur dann den Tag der Europawahl 2009 als Tag der Bundestagswahl bestimmen, wenn Artikel 39 Abs. 1 Satz 3 GG hinsichtlich der darin genannten Zeitspanne mit der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates dahin gehend geändert würde, dass eine solche Zusammenlegung mit der Europawahl verfassungsrechtlich zulässig wäre. Im Falle einer derartigen Verlängerung der Zeitspanne, innerhalb derer die Neuwahl stattfinden muss, obläge es dem Bundespräsidenten, den konkreten Wahltag zu bestimmen. Er wäre nach dem Grundgesetz nicht verpflichtet, einen ganz bestimmten Sonntag oder gesetzlichen Feiertag als Wahltag zu bestimmen. Nach § 14 Abs. 1 des Kommunalwahlgesetzes in der Fassung des Gesetzes über die Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahlen mit den Europawahlen vom 24. Juni 2008 (GV.NRW. S. 514) finden die allge- 11609 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 meinen Neuwahlen in der Zeit zwischen dem 1. April und dem 15. Juli statt; sie sollen am Tag der Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden. In Beachtung dessen wird der Wahltag nach dem Gesetz vom Innenminister festgelegt und bekannt gemacht. Der Gesetzgeber hat jedoch, wie aus dem Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung hervorgeht, eine Zusammenlegung der allgemeinen Kommunalwahlen mit der Bundestagswahl 2009 ausdrücklich nicht angestrebt, um insbesondere eine Überlagerung der Kommunalwahlen durch bundespolitische Themen zu vermeiden. Im Falle einer Zusammenlegung der Bundestags- mit der Europawahl bliebe es deshalb dem Landesgesetzgeber vorbehalten zu bestimmen, dass im Jahr 2009 abweichend von § 14 Abs. 1 des Kommunalwahlgesetzes die allgemeinen Kommunalwahlen nicht am Tag der Europawahl stattfinden sollen. Es obläge seiner Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen der Tag der allgemeinen Kommunalwahlen im Jahr 2009 festgelegt und bekannt gemacht werden soll. Schriftliche Beantwortung der Mündlichen Anfrage 230 Die Mündliche Anfrage 230 der Abgeordneten Monika Düker (GRÜNE) lautet: Erschreckende Aufnahmerituale bei der Freiwilligen Feuerwehr in Oer-Erkenschwick: Was hat der Bürgermeister inzwischen veranlasst? Der Innenausschuss hat auf Veranlassung der grünen Landtagsfraktion hin in seiner Sitzung vom 14.08.2008 ausführlich über die Vorkommnisse in Oer-Erkenschwick beraten. Erschreckende Fotos über Aufnahmerituale bei der Freiwilligen Feuerwehr in Oer-Erkenschwick, auf denen ein nackter Mann bäuchlings an eine Holzbank gefesselt zu sehen ist, waren durch die Presse an die Öffentlichkeit gelangt. Die Fotos stammten offenkundig von Aufnahmefeiern aus dem Jahr 2002. Im September 2007 kam es wiederum bei der Freiwilligen Feuerwehr Oer-Erkenschwick zu Übergriffen gegen eine Feuerwehrfrau, die sich mit der Erstattung einer Strafanzeige dagegen wehrte. Daraufhin wurden sie, ihr Lebensgefährte und dessen Vater mit Wissen und unter Beteiligung des Bürgermeisters von OerErkenschwick aus der Freiwilligen Feuerwehr ausgeschlossen. Gegen die Entlassung kam Landtag Nordrhein-Westfalen es vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen zu einem Verfahren, woraufhin die Stadt noch in der Verhandlung den Ausschluss aus der Feuerwehr zurücknahm. Im Raum steht, dass auch in anderen Feuerwehren kritikwürdige Rituale stattfinden. Der zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium, Wolfgang Düren, berichtete im Ausschuss über die seitens des Innenministeriums veranlassten Maßnahmen. Entgegen der Ansicht des Bürgermeisters in Oer-Erkenschwick, Disziplinarmaßnahmen seien unter anderem wegen Verjährung nicht mehr möglich, hat das Innenministerium der Stadt durch einen Erlass klare Hinweise zur Rechtslage gegeben und sie aufgefordert, Disziplinarverfahren einzuleiten. Wer so etwas tue, gehöre nicht in die Feuerwehr, so Herr Düren im Innenausschuss. Hat der Bürgermeister der Stadt Oer-Erkenschwick inzwischen Disziplinarverfahren eingeleitet – wenn ja, gegen wen und mit welchem Ziel? Die schriftliche Antwort des Innenministers lautet: Mindestens in den Jahren 2002 und 2007 kam es im Löschzug Rapen der Freiwilligen Feuerwehr Oer-Erkenschwick zu schweren Übergriffen auf Feuerwehrangehörige nach deren erster Teilnahme an Leistungsnachweisen (sogenannte Aufnahmerituale). Die Ereignisse aus dem Jahr 2002 wurden erst bekannt, nachdem eine betroffene Feuerwehrfrau 2007 Strafanzeige gestellt hatte und daraufhin aus der Feuerwehr ausgeschlossen worden war. Da verschiedenen Zeitungen hierüber Fotos zugespielt worden waren, verursachten die Vorgänge in Oer-Erkenschwick ein bundesweites Medieninteresse. Sowohl 2002 als auch 2007 waren Führungskräfte der Freiwilligen Feuerwehr in die Vorkommnisse verwickelt. Mit den freiwilligen Rücktritten des Wehrführers von seinem Amt bzw. des Löschzugführers von seiner Funktion hielt der Bürgermeister weitere Disziplinatmaßnahmen nicht mehr für möglich. Führungskräfte oder ehemalige Führungskräfte, die derartige Vorgänge zulassen, dulden oder sich aktiv daran beteiligen, sind in der Feuerwehr nicht tragbar. Der Ansehensverlust der Freiwilligen Feuerwehren, der durch diese Führungskräfte verursacht worden ist, ist immens. 11610 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 Die Misshandlungen aus dem Jahr 2002 stellen schwere Verletzungen der Menschenwürde und schwerwiegende Dienstvergehen nach § 20 Abs. 2 LVO FF dar. Die Schwere der Verstöße und die verheerenden Auswirkungen auf das öffentliche Ansehen der Freiwilligen Feuerwehren insgesamt legen als mögliche und wahrscheinliche Disziplinarmaßnahme den Ausschluss aus der Feuerwehr nahe. Die Entlassung aus dem Ehrenbeamtenverhältnis oder der Rücktritt von einer Führungsfunktion hindern auch nicht die disziplinarrechtliche Ahndung nach den §§ 19 ff LVO FF. Der Vorfall aus dem Jahr 2007 wiegt zwar nicht so schwer wie der Vorfall aus dem Jahr 2002. Dies liegt vor allem daran, dass die betroffene Feuerwehrfrau heftig protestierte und sie daraufhin losgebunden wurde. Gleichwohl ist die Fesselung von jungen Menschen an Bäumen unerträglich. Mit Erlass vom 13.08.2008 habe ich daher dem Bürgermeister der Stadt Oer-Erkenschwick meine disziplinarrechtliche Einschätzung mitgeteilt und ihn gebeten zu veranlassen, dass die entsprechenden Disziplinarverfahren eingeleitet werden, und hierüber zu berichten. Am 14.08.2008 hat der Innenausschuss das Thema ausführlich beraten. Ihre Fragen beantworte ich wie folgt: Angesichts der Kürze der Zeit liegt bisher noch kein weiterer Bericht der Stadt vor. Personenbezogene Angaben zu einzelnen Disziplinarverfahren verbieten sich von vornherein aus datenschutzrechtlichen Gründen. Schriftliche Beantwortung der Mündlichen Anfrage 231 Die Mündliche Anfrage 231 der Abgeordneten Marlies Stotz (SPD) lautet: Kopfnoten-Wirrwarr beenden Bereits bei der Einführung der Kopfnoten durch die schwarz-gelbe Landesregierung wurde in der entsprechenden Anhörung massiv Kritik von Lehrer- und Elternverbänden, Schulträgern, Landesschülervertretung und Wissenschaftlern geübt. Ungeachtet dessen hielt die Landesregierung stur an diesem pädagogisch höchst zweifelhaften und äußerst bürokratischen Instrument fest. In der Folge sorgen seit Monaten ständig widersprüchliche Landtag Nordrhein-Westfalen 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 11611 Äußerungen vonseiten der Landesregierung sowie der Mehrheitsfraktionen von CDU und FDP bei Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrern bis heute in hohem Maße für Verunsicherung. Mal ist die Rede davon, die Kopfnoten auf zwei zu reduzieren, ein anderes Mal auf drei. Schulministerin Sommer hingegen spricht davon, zunächst mindestens zwei oder gar drei Jahre abzuwarten. Weiter komplettiert wird dieser Kopfnoten-Wirrwarr, indem die Schulministerin später ankündigt, dass es eine Evaluation zum Verfahren der Kopfnoten geben wird. Konkrete Informationen, wie diese Evaluation allerdings aussehen soll, sind bis heute nicht bekannt. Im Gegenteil: Mit Beginn des neuen Schuljahres setzt sich der KopfnotenWirrwarr zwischen Landesregierung und Koalitionsfraktionen munter fort. Während FDP-Fraktionschef Papke in einer Presseverlautbarung am 7. August 2008 ausführt: „Sechs Kopfnoten sind des Guten zu viel. Für Schüler sind sie nur begrenzt nachvollziehbar, bei Lehrern sorgen sie für Mehraufwand“, ist seine Fraktionskollegin und schulpolitische Sprecherin, Ingrid Pieper-von Heiden, in der der „Rheinischen Post“ vom 12. August 2008 bereits überzeugt davon, dass die Zahl der Kopfnoten von sechs auf drei gesenkt wird. Und dies, obwohl bislang keinerlei EvaIuations-Ergebnisse vorliegen, was sich aus den Äußerungen von Ministerpräsident Rüttgers im Westpol-Sommerinterview vom 10. August 2008 schließen lässt: „… Wir haben gesagt, wir werden nach diesem Schuljahr – und das ist ja gerade vorbei – die Erfahrungen wissenschaftlich auswerten. Das läuft zurzeit. Und sobald die Ergebnisse da sind, werden wir darüber reden. Und wir werden jetzt nicht knobeln, wie viel es denn sein sollen.“ Da somit bereits Erkenntnisse (siehe Herr Papke) und Ergebnisse (siehe Frau Piepervon Heiden) mitgeteilt werden, die entsprechend der Äußerung des für den Schulbereich inzwischen wohl federführenden Ministerpräsidenten ja jetzt erst wissenschaftlich ausgewertet werden, bestehen Zweifel an der Seriosität des gesamten Verfahrens, von Transparenz ganz zu schweigen. So ist derzeit völlig unklar, auf welche Weise und mit welchem Instrumentarium die Erfahrungen welchen Personenkreises gesichert wurden, wer daran beteiligt war, wer diese Erfahrungen wissenschaftlich in welcher Zeit auswerten soll, wel- che Vorgaben dafür gemacht wurden und ob das Verfahren ergebnisoffen gestaltet ist. Wie sieht das gesamte derzeit laufende Verfahren der Erkenntnissicherung und der wissenschaftlichen Auswertung aus? Die schriftliche Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung lautet: Ich habe wiederholt an dieser Stelle – zum letzten Mal in der Plenarsitzung am 19. Juni – gesagt, dass wir nach Ende des Schuljahres 2007/08 die Vergabe der Noten zum Arbeitsund Sozialverhalten auswerten werden. Diese Auswertung findet zurzeit statt. Wir untersuchen dazu: – die Rückmeldungen, die im Verlauf des Schuljahres im Ministerium eingegangen sind, – Berichte der Bezirksregierungen bezüglich der dort eingegangenen Notenbeschwerden und Widersprüche, – die Stellungnahmen der Expertinnen und Experten, die anlässlich der Anhörung im Ausschuss für Schule und Weiterbildung im Mai abgegeben wurden. – Parallel dazu erfolgt eine Abfrage durch das Institut für Schulentwicklungsforschung in Dortmund. Nach dem Zufallsprinzip werden Schulen aller Schulformen ausgewählt, die Noten zum Arbeits- und Sozialverhalten vergeben. Ebenfalls nach dem Zufallsprinzip erfolgt eine Abfrage an Ausbildungsbetriebe. Und auch zum wiederholten Male sage ich Ihnen: Erst gestützt auf die Ergebnisse dieser Auswertung werden wir Änderungen am Vergabeverfahren prüfen. Das Fabulieren ins Blaue ist nicht unsere Sache. Schriftliche Beantwortung der Mündlichen Anfrage 232 Die Mündliche Anfrage 232 der Abgeordneten Sigrid Beer (GRÜNE) lautet: Aktuelle Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und Carl Bertelsmann Preis 2008: Signal für ein integratives Schulsystem In den Erläuterungen zum diesjährigen Carl Bertelsmann Preis 2008 führt die Bertelsmann Stiftung aus: Landtag Nordrhein-Westfalen „Mit dem diesjährigen Carl Bertelsmann-Preis will die Bertelsmann Stiftung verdeutlichen, dass das Bildungs- und Schulsystem in Deutschland integrativer werden muss, um die Herausforderungen der Migration und des demographischen Wandels zu meistern.“ Dr. Johannes Meier, Vorstandsmitglied der Stiftung, äußerte sich anlässlich der Bekanntgabe des Preisträgers wie folgt: „Es ist eine Frage der Fairness, dass Lern- und Lebenschancen in unserem Land nicht schicksalhaft durch die Herkunft entschieden werden. Wir brauchen ein Bildungs- und Schulsystem, das Integration und Teilhabe ermöglicht und allen Kindern faire Chancen eröffnet.“ In der Projektbeschreibung heißt es: „Im Bereich der Bildungspolitik muss das übergreifende Ziel ein besseres integratives System sein, das allen Kindern faire Chancen eröffnet. Dieses bessere integrative Bildungssystem zeichnet sich insbesondere aus durch: – die Wertschätzung von Vielfalt in Kultur und Gesellschaft, – individuelle Förderung statt „begabungsgerechter Aufteilung“, – Belohung der Integrationsleistung von Schulen gemäß der Maxime: „Wer besser integriert, braucht und bekommt mehr Ressourcen“, – Führungskräfte, die in den Schulen und Kommunen Verantwortung für den Bildungserfolg aller Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft übernehmen. Eine aktuelle repräsentative Bevölkerungsbefragung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung belegt zudem eine deutliche Mehrheit für eine Reform des gegliederten Schulsystems in Deutschland. In ihrer Pressemitteilung stellt die Stiftung die Ergebnisse der Befragung wie folgt dar: „Die Mehrheit der Befragten und fast 60 % der Eltern meinen, dass alle Kinder eher faire Chancen hätten, wenn sie möglichst lange gemeinsam unterrichtet würden. Hierbei zeigen sich kaum Unterschiede zwischen den Eltern der verschiedenen weiterführenden Schulformen. Die Befragten sind mehrheitlich für eine spätere Aufteilung der Kinder auf unterschiedliche Schulformen, das heißt nach Klasse 6 oder nach Klasse 9. Weniger als ein Drittel der Befragten – in Ostdeutschland so- 11612 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 gar nur jeder Fünfte – hält die jetzige Aufteilung nach Klasse 4 für gut.“ Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dieser von der Mehrheit der Deutschen artikulierten Forderung nach einem längeren gemeinsamen Lernen aller Schülerinnen und Schüler und der Forderungen anlässlich der Bekanntgabe des Preises? Die Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung lautet: Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens sieht sich nicht genötigt, aus der Befragung oder der Vergabe des Carl BertelsmannPreises Konsequenzen – wie von Ihnen gefordert – zu ziehen. Dies ist wie folgt zu begründen: 1. Integration und Förderung haben nichts mit Schulstrukturen zu tun, und das wissen Sie auch; Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz, parteiloser Kultusminister des Landes SachsenAnhalt und damit Mitglied einer Landesregierung, die von CDU und SPD gemeinsam gestützt wird, sagte am 19.06.2008 in „Die Zeit“: „Was die immer gleiche Strukturfrage angeht, zeigt gerade die Bildungsforschung, dass die entscheidenden Probleme gar nicht zwischen den beiden Polen ,gegliedert’ versus ,nicht gegliedert’ bestehen, sondern dass Qualitätsfragen in erster Linie mit pädagogischen Konzepten zu tun haben und erst dann mit Strukturen.“ 2. Die Landesregierung hat zahlreiche Reformen durchgeführt, durch welche Bildungsgerechtigkeit ganz besonders gefördert werden: Eingeführt wurden in diesem Zusammenhang vor allem die individuelle Förderung per Schulgesetz und die flächendeckende Sprachstandsfeststellung mit anschließender Sprachförderung. 3. Die Aussage, die Mehrheit der Deutschen artikuliere in der Umfrage eine „Forderung nach einem längeren gemeinsamen Lernen aller Schülerinnen und Schüler“ ist auf Nordrhein-Westfalen nicht übertragbar. Dies ist begründbar durch ein genaueres Lesen der Studie: Die Studie bezieht sich auf ganz Deutschland. In Ostdeutschland, wo es häufiger integrative Schulen gibt, wird das Bildungssystem für ungerechter gehalten als in Westdeutschland. In Westdeutschland halten laut angeführter Befragung der Ber- Landtag Nordrhein-Westfalen telsmann Stiftung 52 % das Bildungssystem für gerecht. Dies ist die Mehrheit. Das Ergebnis wird gestützt durch eine Umfrage im Auftrag der CDU- Fraktion vom Mai 2008, dass 66 % in NordrheinWestfalen das dreigliedrige Schulsystem für richtig halten. Noch zwei weitere Gründe sprechen dafür, dass die Studie der Bertelsmann Stiftung nicht auf Nordrhein-Westfalen übertragbar ist: Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, hat die Repräsentativität der Bertelsmann-Umfrage angezweifelt. Er beruft sich auf eine Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2007. Demnach sprechen sich 66 % der Bürgerinnen und Bürger gegen eine Verlängerung der Grundschulzeit aus. Integrative Systeme wie die Gemeinschaftsschule wurden von 60 % der Befragten abgelehnt. Dass Integration in der Schule in NordrheinWestfalen gelingt, belegt der Integrationsbericht des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration: Demnach machen sogar mehr eingebürgerte Zuwanderer Abitur als gebürtige Deutsche. Deshalb muss die Landesregierung nicht die Konsequenzen ziehen, die Sie, Frau Beer, fordern, sondern wir sind auf dem richtigen Weg. Schriftliche Beantwortung der Mündlichen Anfrage 233 Die Mündliche Anfrage 233 der Abgeordneten Sigrid Beer (GRÜNE) lautet: Ministerin Sommer zu Light- und NormalVersionen im Abitur Anlässlich ihrer Pressekonferenz am Dienstag, den 19. August 2008, hat Schulministerin Barbara Sommer die Ergebnisse des diesjährigen Zentralabiturs vorgestellt. Der Durchschnitt der Abiturnoten ist an den Gesamtschulen um 0,28 schlechter als an den Gymnasien. Ungeachtet der Tatsache, dass es den Gesamtschulen gelingt, viele Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Schichten, von denen viele auch nach der Grundschule keine Gymnasialempfehlung hatten, so zu fördern, dass sie das Zentralabitur bestehen, warf die Ministerin den Gesamtschulen vor, sie würden, „anstatt den Schülerinnen und Schülern neue Chancen zu eröffnen“, es nicht schaffen, „ihre Schülerinnen und Schüler 11613 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97 auf ein vergleichbares Leistungsniveau zu bringen wie die Gymnasien“. Weiterhin führte die Ministerin aus: „Ich kann das häufig vorgebrachte Argument einer schwierigeren Sozialstruktur der Schüler an den Gesamtschulen nicht mehr hören. Was ist das für eine Einstellung, wenn man die Schuld für Probleme auf die Herkunft der eigenen Schüler abwälzt? Ich bin der Ansicht, dass die Schülerinnen und Schüler ein Abitur in der Tasche haben müssen, das sich nicht in Light-Version und Normal-Maßstab aufgliedert.“ Damit diffamiert die Ministerin nach meiner Auffassung die Schülerinnen und Schüler sowie die Kolleginnen und Kollegen an den Gesamtschulen, indem sie indirekt das Abitur an den Gesamtschulen als eine Light-Version bezeichnet – ein Vorwurf, der angesichts des Zentralabiturs in sich widersinnig ist. Was ist ein „Abitur-light“ im Zentralabitur? Die schriftliche Antwort der Ministerin für Schule und Weiterbildung lautet: Es besteht ein seit Jahren bekanntes Notengefälle zwischen Gymnasien und Gesamtschulen. Als Grund wird hierfür in der Regel die schwierigere Sozialstruktur der Schülerinnen und Schüler an Gesamtschulen angeführt. Aber das allein ist nicht zielführend. Wenn behauptet wird, viele Schülerinnen und Schüler an Gesamtschulen kämen aus bildungsfernen Schichten, dann halte ich das bereits für eine diskriminierende Feststellung, wenn damit gleichzeitig der Gedanke verknüpft wird, sie könnten ohnehin nicht den Leistungsstand von Gymnasiasten erreichen. Die Ergebnisse der letzten drei Abiturjahrgänge zeigen, dass hinsichtlich der erreichten Durchschnittsnoten die Schere zwischen den Schulformen in der Tendenz weiter auseinander geht. Dem ist durch geeignete Maßnahmen entgegenzusteuern. Die Landesregierung hat dazu im Bericht zum Zentralabitur unter anderem ausgeführt, dass in den Gesamtschulen das gegenüber den Gymnasien um 25 Stunden höhere Unterrichtsvolumen effizient genutzt werden soll, um den Abstand der Gesamtschulen bezogen auf erreichte Standards und Notenergebnisse gegenüber den Gymnasien zu reduzieren. Sollte sich die Schere weiter öffnen, besteht die Gefahr, dass sich in der Öffentlichkeit der Eindruck verfestigt, die Abiturzeugnisse von Schülerinnen und Schülern der Gesamtschulen seien grundsätzlich deutlich schlechter als Landtag Nordrhein-Westfalen die von Gymnasiasten. Einer solchen „Stigmatisierung“ der an Gesamtschulen erreichten Abschlüsse muss auch im Interesse der Schülerinnen und Schüler entgegengewirkt werden. Die Detailanalyse der Fächer hat gezeigt, dass insbesondere im Fach Mathematik Schülerinnen und Schüler an Gesamtschulen scheitern. Hier kann man sich nicht damit zufrieden geben, dass in der Abiturklausur im Leistungskurs 54,4 % der Schülerinnen und Schüler nur eine Minderleistung erbracht haben. Noch dazu, da dieser Wert um mehr als 10 Prozentpunkte schlechter ist als im Vorjahr. Es gilt also auch hier, der Tendenz umgehend Einhalt zu gebieten. Schülerinnen und Schülern an Gesamtschulen, aber auch an Gymnasien muss dabei geholfen werden, diesbezügliche Defizite aufzuarbeiten. Der Bericht der Landesregierung diskreditiert nicht die Schulform Gesamtschule. Wenn auf ein Notengefälle zwischen Gymnasien und Gesamtschulen hingewiesen wird, dann hat das nichts mit Geringschätzung oder Diffamierung von Schülern, Lehrern und Eltern zu tun. 11614 27.08.2008 Plenarprotokoll 14/97