Welt-Literatur aus Serbien
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Welt-Literatur aus Serbien
3 3 März 2011 Leipziger Bücherbrief 17.–20. März 2011 www.leipziger-buchmesse.de Welt-Literatur aus Serbien © Nils Kahlefendt Das Schwerpunktland der Leipziger Buchmesse 2011 lädt zur Entdeckung ein In den Augen deutschsprachiger Leser gilt die zeitgenössische serbische Literatur, die über ein Jahrhundert an die westeuropäische Moderne angeschlossen war, noch immer als Randphänomen. Zwar sind Namen wie der des Nobelpreisträgers Ivo Andrić, Aleksandar Tišma oder Danilo Kiš auch hierzulande feste Größen – die aktuelle Literaturszene, für die Kriege und der Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren Wendepunkt ihres Lebens und Schreibens wurden, ist wenig bekannt. Zu unrecht: Die serbische Gegenwartsliteratur, die junge zumal, zeichnet sich durch äußerste Vielfalt und pluralistischen Reichtum aus. Pro Jahr werden in Serbien rund 14.000 Titel veröffentlicht und mehr als sechs Millionen Bücher verkauft – beeindruckende Zahlen für ein Land mit wenig mehr als sieben Millionen Einwoh- nern. In der in die EU strebenden Republik ist das Verlagswesen zu mehr als 80 Prozent privatisiert, an Stelle der alten Staatsverlage haben sich neue, kleinere Independents zu den Hauptakteuren am Markt entwickelt. Die serbische Schwerpunktpräsentation in Leipzig ermöglicht nun endlich die lebendige Begegnung mit der Vielfalt der Themen und Stilrichtungen dieser Literaturlandschaft. 40 Autoren reisen nach Leipzig; sie kommen nicht mit leeren Händen: Pünktlich zur Messe liegen mehr als 30 Bücher – von der Lyrik-Anthologie über das Sachbuch bis zum Roman – in neuer Übersetzung vor. Nutzen wir die Chance – und lesen! > Landespräsentation Serbien 17.–20. März Halle 4, Stand E 501 Liebe Leserinnen und Leser, vielleicht sollten wir uns gerade in Zeiten des auch auf unserer Messe sichtbaren wirtschaftlichen Aufschwungs daran erinnern: Osteuropa spielte, obwohl ökonomisch gebeutelt, in Leipzig immer schon eine besondere Rolle. Das Wort von der Drehscheibe zwischen Ost und West – hier war es mit Leben gefüllt. Mit der stabilen Messebeteiligung gerade der ostund südosteuropäischen Länder sehen wir unsere auf Langzeitwirkung angelegte Arbeit bestätigt. Klar dominiert wird das Auslandsprogramm in diesem Jahr vom serbischen Auftritt und dem flankierenden Balkanprogramm. Mit über 100 Autoren aus der Region ist es das größte Südosteuropa-Literaturprojekt nördlich der Alpen seit dem Zerfall Jugoslawiens. Möglich wurde es durch die Zusammenarbeit vieler: Neben unseren Partnern in den einzelnen Ländern waren es vor allem das Auswärtige Amt, die Robert Bosch Stiftung, das europäische Netzwerk Traduki und all jene Verlage, die jetzt mit druckfrischen Übersetzungen auf den Markt kommen. Die Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung an Martin Pollack setzt der Messe ein erstes Glanzlicht. Ebenso gespannt sind wir auf das Autorenspecial, in dem Schriftsteller aus sechs europäischen Ländern über Identität, Zugehörigkeit und Ausgrenzung nachdenken. Wir freuen uns auf den Start Islands in den Frankfurter Herbst, den ersten Auslandsauftritt unserer SWIPS-Kollegen aus der Schweiz, kurz: Auf vier Tage voller spannender Begegnungen in vielen Sprachen. Ich lade Sie herzlich ein, dabei zu sein! Ihr Oliver Zille Direktor der Leipziger Buchmesse Serbische Mischung Der Schriftsteller Dragan Velikić über den Abschied von alten Stereotypen, die Umrisse eines neuen Europa und den Reichtum der serbischen Literaturlandschaft © Nils Kahlefendt Lengold, eine Autorin der mittleren Generation, 1959 in Kruševac geboren. Für ihre Gedichte und Erzählungen, die in zahlreiche Sprachen übersetzt worden sind, hat sie bereits mehrere wichtige Preise erhalten. Ich persönlich finde ihren ersten Roman „Baltimor“ herausragend. Ich hoffe, dass er bald auch auf Deutsch zugänglich ist. Vielleicht zur Leipziger Buchmesse 2012? Serbien in Sicht Serbien tritt das erste Mal nach den Balkankriegen mit einer größeren kulturellen Präsentation im Westen auf – was erhoffen Sie für sich und Ihre Autoren-Kollegen? Dragan Velikić: Im Lauf der letzten 20 Jahre habe ich oft von einer Zeit geträumt, da Serbien nicht auf den Aufmacher-Seiten westeuropäischer Zeitungen zu finden ist. Sondern irgendwo weiter hinten – in der Nähe des Sports, des Wetterberichts (lacht). Die Schlagzeilen der 90er haben die Komplexität der Geschehnisse auf dem Balkan oft grob vereinfacht. Als Schriftsteller habe ich mich immer bemüht, gegen solche Klischees anzuschreiben. Wenn Sie so wollen, ist das auch die Chance, die Leipzig bietet: Eine phantastische Gelegenheit, unsere Literatur in ihrer ganzen Vielfalt vorzustellen. Zumindest aus westlicher Sicht gehört sie noch immer zu den so genannten Randliteraturen … Velikić: Aber an den Rändern tut sich so viel! In den 90ern war das Interesse des Westens an unserer Literatur zu einem Großteil von Politik bestimmt. Heute steht die Literatur nicht mehr derart unter dem Primat der Politik. Die Zeit ist eine andere, hoffnungsvollere. Denken Sie an die Autoren, die in den 60er und 70er Jahren geboren wurden, an die Lyrik. Es gibt so viele Facetten und Schreibweisen – vielleicht geschieht künftig im Kleinen, was vor Jahrzehnten mit der Entdeckung der lateinamerikanischen Literatur für den deutschen Sprachraum möglich wurde? Leipzig kann ein erster Schritt dahin sein. Aber dieser Prozess muss weiter gehen. 2008 sind Sie in Wien mit dem MitteleuropaPreis ausgezeichnet worden. Mitteleuropa war zum Ende des kalten Kriegs die Chiffre für eine andere, neue Form des Zusammenlebens. Welche Umrisse hat es heute für Sie? Velikić: Für mich war Mitteleuropa zuallererst ein literarischer Raum. Viele meiner literarischen Helden kommen aus dieser Welt: Italo Svevo, Milan Kundera, Aleksandar Tišma, Danilo Kiš, mein Lieblingsautor Joseph Roth, Musil, Broch, Canetti, später Thomas Bernhard. So viele verschiedene Nationen, Einflüsse … Eine Mischung sorgt immer für Qualität! Der beste Kaffee ist eine Melange. Sie sind, wie die Helden Ihrer Bücher, viel gereist, haben in Belgrad, Budapest und Wien gelebt. Was verbindet Sie mit Leipzig? Velikić: Ich hatte Glück; meine letzten drei Bücher, die in Deutschland erschienen, kamen im Frühjahr heraus. Und das bedeutet natürlich: Leipzig! Ich mag die Leipziger Buchmesse sehr – die ganze Stadt eine einzige Lesebühne, wo gibt es das sonst? Für einen Autor ist das ein Ereignis. Aber für eine tiefer gehende Beziehung braucht es Muße – und die fehlt im Getriebe der Messe. Gern würde ich die Stadt einmal abseits des Trubels entdecken. Ich bin sicher, die Gelegenheit wird kommen. Haben Sie aus der Fülle der Neuübersetzungen, die in diesen Tagen erscheinen, einen Geheimtipp, dem sie viele deutsche Leser wünschen? Velikić: Eine meiner Favoritinnen ist Jelena Dragan Velikić wurde 1953 in Belgrad geboren und wuchs im kroatischen Pula auf. Anfang der 90er Jahre war er Mitarbeiter einer regimekritischen Wochenzeitschrift, von 1996 bis 1999 Cheflektor des Verlags B 92 und Chefredakteur des gleichnamigen Radiosenders. Von 2005 bis 2009 war Velikić serbischer Botschafter in Wien, seither lebt er wieder als freier Autor in Belgrad. Sein bislang letzter Roman „Das russische Fenster“ (DTV 2008) erreichte in Serbien mit mehr als 22.000 verkauften Exemplaren Bestsellerstatus. In Leipzig stellt Velikić sein Buch im Gespräch mit Gordana Ilić Marković vor (18. März, 12 Uhr, Halle 4, Stand E 501). Ganz gleich, welche Sprachen man im Ohr hat – für vier Tage wird der serbische Gemeinschaftsstand zu einem Ort des Dialogs und der Begegnung mit spannender Literatur. Das 50jährige Jubiläum der LiteraturnobelpreisVergabe an Ivo Andric ist Anlass für eine Ausstellung zu Leben und Werk des großen serbischen Autors, dessen „Brücke über die Drina“ der Zsolnay Verlag in neuer Übersetzung herausbringt. Den Kontrapunkt setzt eine ‚virtuelle’ Ausstellung zu serbischen Underground-Comics von den Achtzigern bis heute. Im Mittelpunkt des Programms stehen die Autoren und Bücher, die in diesen Tagen neu übersetzt auf den Markt kommen. Entdeckungen gibt es bei großen Häusern wie Suhrkamp, DuMont, DTV und Eichborn zu machen, aber auch kleine Verlage wie Matthes & Seitz, Folio, Wieser oder Dittrich warten mit spannenden Novitäten auf. Flankiert werden die Lesungen und Buchpräsentationen durch Vorträge und Podien zum serbischen Literaturbetrieb: Hier lernen die Besucher einzelne Festivals kennen und erhalten Einblick in derzeit heiß diskutierte Themen wie Schreiben im Exil oder feministischen Positionen in der serbischen Gegenwartsliteratur. Zum Ende jedes Messetages klingen die Cocktailgläser: In zwangloser Atmosphäre kann man mit Autoren, Verlegern, Journalisten und den Organisatoren des Gastlandauftrittes anstoßen. > Landespräsentation Serbien 17.–20. März, Halle 4, Stand E 501 www.leipzig-liest.de Schweiz „Ich habe mir nie die Mühe gemacht, zu ergründen, was meine Heimat ist. Ich bin einfach eine genetische Korruption, sprich: Europäer.“ „Wir haben hier noch kein menschliches Schicksal, wir müssen es uns erst noch erarbeiten.“ © Gaëtan Bally Melinda Nadj Abonji Schweden © Cato Lein Aris Fioretos Der Überraschungs-Erfolg Melinda Nadj Abonjis, die für ihren zweiten, um die Erfahrung zweifacher Heimatlosigkeit kreisenden Roman „Tauben fliegen auf“ 2010 den Deutschen und den Schweizer Buchpreis erhielt, steht für ein Phänomen: Längst sind es die zwischen den Welten Aufgewachsenen, die Kinder der Immigranten, die der deutschsprachigen Literatur neue Themen, Schauplätze und Klänge gewinnen. Aris Fioretos wurde 1960 als Sohn einer österreichischen Mutter und eines griechischen Vaters in Göteborg geboren. Er studierte vergleichende Literaturwissenschaften in Stockholm, Paris und Yale, promovierte 1991 und wurde 2001 habilitiert. Seit 1997 lebt er in Berlin. Für seine Übersetzungen – er übertrug unter anderem Paul Auster, Friedrich Hölderlin und Vladimir Nabokov ins Schwedische – wie für seine eigenen Bücher hat er zahlreiche Preise erhalten. Melinda Nadj Abonji, geboren 1968 in der serbischen Vojvodina, wo ihre Familie zur ungarischen Minderheit gehörte, kam mit vier Jahren in die Schweiz. Seit 1998 arbeitet sie mit dem Rap-Poeten Jurczok 1001 zusammen. Mit einem Auszug aus ihrem Debüt-Roman „Im Schaufenster im Frühling“ war sie 2004 zum Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb eingeladen. Nadj Abonji lebt als Autorin, Musikerin und Textperformerin in Zürich. > > > > > Tauben fliegen auf. Roman, Jung und Jung 2010 > Im Schaufenster im Frühling. Roman, Jung und Jung 2004 Der letzte Grieche. Roman, Hanser 2011 Das Maß eines Fußes. Hanser 2008 Die Wahrheit über Sascha Knisch. Roman, DuMont 2003 Die Seelensucherin. Roman, DuMont 2000 Doron Rabinovici Ungarn Österreich „…was wir als schöne und herzerwärmende Musik wahrnehmen, sei in Wirklichkeit nur Geschrei, ein Fluchen und Drohen, denn in Wirklichkeit würden die Singvögel einander hassen …“ © Ekko von Schwichow György Dragoman Spätestens seit seinem zweiten, preisgekrönten Roman gilt der im rumänischen Siebenbürgen geborene György Dragoman als das herausragende Talent der jungen ungarischen Literatur. In „Der weiße König“, dessen Atmosphäre an Filme von Kubrick oder David Lynch erinnert, gibt er die Schrecken wieder, die er in seiner Kindheit unter dem Diktat Ceauescus aufgesogen hat. Dieser leidenschaftliche, wilde, zärtliche Roman mit seiner dichten, kraftvollen Sprache wird lange Bestand haben. (György Konrád) György Dragoman, 1973 im siebenbürgischen Marosvásárhely (TârguMures) geboren, lebt seit 1988 in Budapest. 2002 erschien sein erster Roman „A pusztítás könyve“ (Das Buch der Zerstörung). Dragoman hat über Beckett promoviert, neben diesem auch James Joyce und Ian McEwan aus dem Englischen übertragen und arbeitet heute als freier Autor, Übersetzer, Filmkritiker und Webdesigner. > Der weiße König. Roman, Suhrkamp 2008 „Seit Monaten droht der in Tel-Aviv geborene Doron R. dem in Wien lebenden D. Rabinovici damit, die Beziehungen zu ihm zu überdenken. Seitdem geht es rund.“ © Susanne Schleyer / Suhrkamp Verlag Für Aris Fioretos, den Grenzgänger mit schwedischem Pass, griechischem Namen, österreichischen Vorfahren und Berliner Adresse, geht es in der Literatur nicht ums Wissen, sondern um Erkenntnis. Virtuos umspielt er in seinen Romanen und Essays die Nahtstellen zwischen Wissenschaft, Geschichte und Fiktion. „Eine Form der literarischen Anthropologie, die von akademischem Staub befreit ist.“ (Jutta Person, Süddeutsche Zeitung) Die Konflikte einer modernen, europäischen jüdischen Existenz, Herkunft, Identität, Zugehörigkeit, die Frage nach historischer Wahrheit – um diese Themen kreist nicht nur das vielfach ausgezeichnete Werk des Schriftstellers Doron Rabinovici. Er reflektiert sie darüber hinaus als Historiker, aber auch in witzigen Essays und kämpferischen Polemiken, die regelmäßig im „Standard“, dem Wiener „Falter“ oder der „FAZ“ erscheinen. Doron Rabinovici, 1961 in Tel-Aviv als Sohn zweier Holocaus-Überlebender geboren, übersiedelte als Dreijähriger mit seinen Eltern nach Wien. Er studierte an der dortigen Universität Geschichte, Ethnologie, Medizin und Psychologie und promovierte 2000 mit einer Arbeit über die Wiener jüdische Gemeindeleitung 1938–1945. Im gleichen Jahr gehörte er zu den Initiatoren einer Großkundgebung gegen die Regierungsbeteiligung von Jörg Haiders FPÖ, die 300.000 Menschen auf den p g Wiener Heldenplatz zog. > > > > Andernorts. Roman, Suhrkamp 2010 Ohnehin. Roman, Suhrkamp 2004 Credo und Kredit. Einmischungen, Suhrkamp 2001 Instanzen der Ohnmacht. Wien 1938–1945. Der Weg zum Judenrat, Suhrkamp 2000 Autorenspecial 2011 Nataša Dragnic „Und keine böse Hexe ist tot. Weder im Osten noch im Westen.“ © Marcus Gruber Deutschland In ihrem ersten Roman „Jeden Tag, jede Stunde“ erzählt die aus Kroatien stammende, im fränkischen Erlangen lebende Nataša Dragnic eine jener Liebesgeschichten, die zugleich zeitlos und modern sind: Zeitlos in ihrem Glauben an die Vorbestimmtheit, mit der zwei Menschen ihr Schicksal teilen, modern in dem Wissen um die komplexen gesellschaftlichpolitischen Zeitumstände, denen sie ausgesetzt sind und die ihrem individuellen Glücks-Anspruch entgegenstehen. Nataša Dragnic wurde 1965 im kroatischen Split geboren. Nach ihrem Germanistik- und Romanistikstudium in Zagreb schloss sie eine Diplomatenausbildung ab. Seit 1994 lebt sie in Erlangen und ist als freiberufliche Fremdsprachen- und Literaturdozentin tätig. Ihr auf Deutsch verfasstes Roman-Debüt machte Dragnic zum literarischen Senkrechtstarter: Bereits vor Erscheinen ist es in mehr als 20 Länder verkauft worden. > Jeden Tag, jede Stunde. Roman, DVA 2011 Zu Hause in der Fremde – Versuche zur Integration Migration war eines der zentralen Themen im 20. Jahrhundert – es bedarf keiner prophetischer Gaben, um vorherzusagen, dass es auch eines der wichtigsten in diesem Jahrhundert bleiben wird. Viele Ursachen gibt es, warum Menschen ihre Heimat verlassen. Geschieht es massenweise, sind es oft Krieg, Unterdrückung, mangelnde Freiheit, Vertreibung oder ganz einfach ökonomische Zwänge, die dazu führen, ein Leben andernorts weiterzuführen. Doch man muss seinen Wohnort gar nicht verlassen haben, um sich unbehaust, ja als Fremder zu fühlen. Im Autorenspecial der Buchmesse sprechen Schriftsteller aus sechs europäischen Ländern über Identität, Zugehörigkeit, Ausgrenzung und die Frage, wie man Fremdsein zu Hause ablegen kann. Nach der Buchmesse sind die Essays wie immer in einem Sonderheft der Zeitschrift „Sprache im technischen Zeitalter“ nachzulesen. Das Programm in Zusammenarbeit mit dem Literarischen Colloquium Berlin Mit freundlicher Unterstützung des Auswärtigen Amts Donnerstag, 17. März 2011 > 13:00 Uhr: Essay Melinda Nadj Abonji (Schweiz) Moderation: Thomas Geiger, LCB > 14:00 Uhr: Essay Sreten Ugričić (Serbien) Moderation: Mirko Schwanitz, International Correspondents Media Network Sreten Ugričić Serbien „Die Vorstellung kann beginnen. Möge es ein Meisterwerk sein, denkst du. Möge es die Wahrheit sein, denke ich.” In Gestalt von Georges Bataille oder Jorge Luis Borges hat Sreten Ugričić, Direktor der Serbischen Nationalbibliothek, exzentrische Verwandte. Seine Texte, egal ob harte Theorie oder Fiktion, polarisieren. In seinem jüngsten Roman, einer bitterbösen, im Serbien des Jahres 2014 angesiedelten Anti-Utopie, läßt er das Hotel „Yugoslavia“, ein Prunkbau aus TitoZeiten, wie einen riesigen Zeppelin in die Luft steigen. Sreten Ugričić, 1961 in der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro als Sohn eines Marineoffiziers geboren, wuchs in Belgrad auf und war nach seinem Philosophiestudium als freier Autor, Konzeptkünstler und Philosoph tätig. Seit 2001 ist er Direktor der Serbischen Nationalbibliothek in Belgrad. Literarisch trat Ugričić als Autor von Kurzgeschichten und bislang drei Romanen hervor. Er ist Mitglied des serbischen P.E.N. und Ko-Vorsitzender des Auswahlkomittees der World Digital Library (WDL). Freitag, 18. März 2011 > 12:00 Uhr: Lesung Sreten Ugričić (Serbien) Moderation: Mirko Schwanitz, International Correspondents Media Network > 13:00 Uhr: Lesung Melinda Nadj Abonji (Schweiz) Moderation: Thomas Geiger, LCB > 14:00 Uhr: Essay Nataša Dragnić (Deutschland) Moderation: Maike Albath, Deutschlandfunk > 16:00 Uhr: Essay Aris Fioretos (Schweden) Moderation: Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung > 17:00 Uhr: Diskussion Nataša Dragnić, Sreten Ugričić, Melinda Nadj Abonji, György Dragomán Moderation: Dieter Heß, Bayerischer Rundfunk Samstag, 19. März 2011 > 13:00 Uhr: Lesung Nataša Dragnić (Deutschland) Moderation: Maike Albath, Deutschlandfunk > 14:00 Uhr: Lesung Aris Fioretos (Schweden) Moderation: Lothar Müller, Süddeutsche Zeitung > 15:00 Uhr: Essay György Dragomán (Ungarn) Moderation: Dieter Heß, Bayerischer Rundfunk > 16:00 Uhr: Essay Doron Rabinovici (Österreich) Moderation: Julia Encke, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Sonntag, 20. März 2011 > 13:00 Uhr: Lesung Doron Rabinovici (Österreich) Moderation: Julia Encke, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung > 14:00 Uhr: Lesung György Dragomán (Ungarn) Moderation: Dieter Heß, Bayerischer Rundfunk > An den unbekannten Helden. Roman, Dittrich 2011 > Café Europa 17.–20. März, Halle 4, Stand E 401 www.lcb.de Grenzenlos Die Messe als Forum für Literatur aus Südosteuropa © Lukas Beck / Paul Zsolnay Verlag Der Wahrheit wegen Obwohl der besondere Fokus der Buchmesse als Ost-West-Drehscheibe bereits seit den Länderschwerpunkten der 1990er Jahre auf den Ländern Südosteuropas liegt, hat die kontinuierliche Vermittlungsarbeit der Leipziger Buchmesse inzwischen eine neue Qualität erreicht: In Workshops, die etwa in Split (2009) oder Solothurn (2010) stattfanden, konnte gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung und der Literatur-Initiative Traduki ein Netzwerk etabliert werden, das sich den Transport von Literatur aus, nach und in Südosteuropa auf die Fahne geschrieben hat. Neben deutschsprachigen Kulturinstitutionen sind vor allem Literaturbetriebs-Akteure aus den BalkanLändern selbst engagiert: Mitarbeiter von Ministerien, Kritiker, Übersetzer oder Buch-Agenturen. Alle zusammen haben nun ein beispielloses, grenzübergreifendes Projekt organisiert. Mehr als 100 Autoren und Mitwirkende aus der Balkanregion werden in Leipzig zu Gast sein, ihre Bücher vorstellen, zusammen feiern, kreuz und quer gemixt auf Podien sitzen: Serben, Slowenen, Kroaten, Mazedonier, Kosovaren und Albaner. Näher gebracht werden sie uns von prominenten Fährleuten: Melinda Nadj Abonji, die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises, ist ebenso dabei wie György Dalos, „Wespennest“-Herausgeber Walter Famler und Journalisten wie Elke Schmitter, Jörg Magenau oder Christine Lötscher. Wenn man in dem opulenten Programm, das sich nicht in Konkurrenz zur serbischen Schwerpunkt-Präsentation, sondern als deren produktive, multikulturelle > > > > Erweiterung begreift, einen roten Faden ausmachen kann, so sind es die aktuellen literarischen und politischen Debatten, die unter Intellektuellen in den Kaffeehäusern von Belgrad, Zagreb, Sarajewo oder Tirana geführt werden. 20 Jahre nach der Zeitenwende in Europa sind die dort heiß diskutierten Themen durchaus vergleichbar: Das Aufkommen konservativ-nationalistischer Strömungen, die Auswüchse des TurboKapitalismus, der tägliche Überlebenskampf in von Wirtschafts- und Finanzkrisen geschüttelten Ländern. Und, wie könnte es anders sein, die Bewältigung der Schrecken des Krieges. Dabei kann die Leipziger Vielstimmigkeit durchaus Mut machen: Nenad Popović und sein Kollege Zvonko Karanović feiern eine kroatischserbische Freundschaft im Zeichen des Rock’n’Roll, ein virtueller Belgrad-ZagrebExpress verbindet Autoren aus beiden Städten. Die beiden kosovarisch-serbischen Anthologien, die der Chef des Nationaltheaters von Prishtina, Jeton Neziraj, mit den Machern des Belgrader Internetportals Beton angeschoben hat, sind eine kleine Sensation. Eine zur Messe erscheinende Zeitung präsentiert Proben dieses Meisterstücks literarischer Versöhnungsarbeit. Da nicht alle Autoren an einem Abend auf die Bühne des UT Connewitz passen, gibt’s die BalkanNacht mit Prosa, Lyrik, Film und Musik gleich im Doppelpack: Wenn die albanische EthnoKlassik-Band Akustika mit dem serbischen Flötisten Bora Dugić zur Jam-Session antritt, wird’s im Leipziger Süden garantiert spät. Südosteuropa-Forum Halle 4, Stand D 504 Leipzig liest Forum International Halle 4, Stand B 601 Der Balkan rockt! Lange Balkan-Nacht 18./19. März, jeweils ab 20 Uhr, UT Connewitz, Wolfgang-Heinze-Straße 12a Café Europa Halle 4, Stand E 401 Zum Auftakt der Buchmesse erhält der Schriftsteller und Übersetzer Martin Pollack den mit 15.000 Euro dotierten Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2011. In Essays und Erzählungen hat der 66jährige Autor über die dunklen Ränder Kakaniens ebenso souverän geschrieben wie über autoritäre Befindlichkeiten im Nachkriegs-Österreich. Bereits Pollacks erstes Buch „Nach Galizien“ (1984) war eine imaginäre Reise in eine terra incognita – in Polen war der Journalist Anfang der Achtziger Jahre zur persona non grata erklärt worden. Pollack suchte ein Thema fern der Tagesaktualität und entdeckte jene dokumentarische Prosa für sich, der er bis heute treu geblieben ist – eine literarische Kunstform zwischen Essayistik, Mentalitätsgeschichte und erzählender Reportage. In „Kaiser von Amerika“ (Zsolnay), seinem jüngsten Buch, macht er die Massenflucht der Juden, Polen und Ukrainer aus Galizien zu Beginn des vorigen Jahrhunderts als Prototyp heutiger Migrationsströme kenntlich. Pollacks Qualitäten hat sein im früheren galizischen Stanislau geborener Freund Juri Andruchowytsch trefflich auf den Punkt gebracht: „Die Vergangenheit auf Abstand zu halten, sich also ununterbrochen mit ihr zu beschäftigen, erfordert eine klare Positionierung, analytischen Mut und Reinheit in der Forschung. Dies ist das Fundament, auf dem das schöpferische Phänomen Martin Pollack gewachsen ist und das es trägt.“ > Kaiser von Amerika. Die große Flucht aus Galizien. Zsolnay, Wien 2010 > Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 16. März, 19 Uhr, Verleihung im Gewandhaus. Laudatio: Sibylle Lewitscharoff Nordlichter auf der Südmeile Das Nordische Forum präsentiert sich in Leipzig opulent wie nie – nicht zuletzt, weil sagenhafte Isländer ordentlich auf die Pauke hauen. Sagenhaftes Island Die Vermessung der Welt haftes Island“ in Leipzig fünf wichtige FrühjahrsTitel. Die Palette reicht von bereits etablierten Namen wie Sjón („Das Gleißen der Nacht“, S. Fischer), Einar Kárason („Versöhnung und Groll“, btb) oder Andri Snaer Magnason („Traumland“, Orange Press) bis zu Newcomern vom Schlag Gyr ir Elíassons, dem mit seiner grotesk-märchenhaften Geschichte vom „Eichhörnchen auf Wanderschaft“ (Walde+Graf) in seiner Heimat Kultstatus erreichte. Der Berliner Transit Buchverlag hat mit Indri i Thorsteinssons „Taxi 79 auf Station“ einen Klassiker der isländischen Nachkriegsliteratur im Programm – und mit Óskar Arni Óskarssons „Das Schimmern der Heringsschuppe in der Stirnlocke“ gute Chancen im Wettbewerb um den abgedrehtesten Romantitel des Jahres. Dass für die „Taxi 79“-Lesungen mit Joachim Król der künftige „Tatort“-Kommissar der Buchmessestadt Frankfurt verpflichtet wurde, beweist den Sinn der Isländer für gute Pointen. Beim Höhepunkt des gemeinsamen Auftritts, der „Nordischen Literaturnacht“ in der naTo, dürfte sich der Club auf der Südmeile der Stadt in eine finnische Schwitzhütte verwandeln. > Nordisches Forum 17.–20. März, Halle 4, Stand D 307 > Nordische Literaturnacht 18. März, ab 19 Uhr, naTo, Karl-Liebknecht-Straße 46 Herausgeber Projektteam Leipziger Buchmesse Leipziger Messe GmbH Postfach 10 07 20, 04007 Leipzig www.leipziger-buchmesse.de Direktor: Oliver Zille Tel. +49 (0)341 678-82 41, Fax +49 (0)341 678 - 82 42 [email protected] Redaktion: Nancy Pfaff Telefon: +49 (0)341 678 - 81 86 [email protected] > Tauben fliegen auf. Internationales Treffen der Übersetzer deutscher Literatur 18. März, 10.30 Uhr, CCL, Saal 5 > ViceVersa – Internationale Fortbildung für Literaturübersetzer Podiumsdiskussion mit Thomas Brovot, Jörn Cambreleng, Dorota Stroinska, Shelley Frisch, 18. März, 12 Uhr, CCL, Saal 5 > Übersetzerempfang 18. März, 20 Uhr, Ratskeller, Lotterstraße 1 Stimmen Europas „Kleine Sprachen – große Literaturen“, das 2003 gestartete Programm europäischer Kulturinstitute und Botschaften, holt in diesem Jahr Autoren aus zehn Ländern zu grenzüberschreitenden Tandem-Lesungen auf die Leipziger Buchmesse. Die Reihe versteht sich als Einladung in SprachLandschaften, die es abseits des Mainstreams zu entdecken gilt. Klein, aber sehr fein: Ein zweitägigesr Lese-Marathon, der die literarische Landkarte Europas in allen Facetten entfaltet. > Kleine Sprachen – große Literaturen 18.–19. März, Leipzig liest Forum International, Halle 4, Stand B 601 www.sagenhaftes-island.is/de MLBM0103 Sie fahren ihre Kinder im Volvo-Kombi zur Schule, bevor sie sich beim Nordic Walking trimmen, in ihren „Billy“-Regalen stapeln sich die Romane von Stieg Larsson & Co., und während sie im Internet Arne-Jacobsen-Stühle aus den 60ern ersteigern, hören sie Björk und finnische Tangos. Sind die Deutschen die besseren Skandinavier? Auf der Leipziger Buchmesse hat der literarische Elchtest jedenfalls schon Tradition und eine feste Heimat: Das „Nordische Forum“, mit dem die Botschaften und Kulturinstitutionen aus Finnland, Schweden, Norwegen, Dänemark und Island gemeinsam Flagge zeigen. Wenn der Gemeinschaftsstand der Nordlichter in diesem Jahr fast doppelt so groß ausfällt als üblich, hat das zwei Gründe: Zum einen feiert der Literaturpreis des Nordischen Rates, der mit umgerechnet rund 47.000 Euro dotiert ist und als wichtigste Auszeichnung für Schriftsteller aus dem skandinavischen Raum gilt, seinen 50. Geburtstag. Eine Ausstellung dokumentiert die Geschichte des noblen Preises, dessen Träger wie 2010 im Fall der finnisch-estnischen Autorin Sofi Oksanen („Fegefeuer“) – auch auf dem deutschsprachigen Markt punkten können. Der zweite Grund für den Flächenzuwachs ist der Auftritt Islands als Ehrengast der kommenden Frankfurter Buchmesse, der schon in Leipzig kräftige Schatten voraus wirft. Gemeinsam mit den beteiligten deutschsprachigen Verlagen präsentiert die Kampagne „Sagen- Zum dritten Mal veranstaltet das Literarische Colloquium Berlin gemeinsam mit der Robert Bosch Stiftung, dem Goethe-Institut und der S. Fischer Stiftung unter dem Motto „Tauben fliegen auf“ ein Internationales Treffen der Übersetzer deutscher Literatur: 33 Teilnehmer aus 30 Ländern, die die deutschsprachige Literatur in 25 verschiedene Sprachen übertragen, kommen zunächst im LCB zu einem mehrtägigen Seminarprogramm zusammen und besuchen anschließend die Leipziger Buchmesse. Ebenfalls in Leipzig stellt ein prominent besetztes Podium das ViceVersa-Projekt des Deutschen Übersetzerfonds und der Robert Bosch Stiftung vor – ein internationales Fortbildungsprogramm für Literaturübersetzer, in dessen Rahmen 2011 sieben Workshops geplant sind. Auch die DVA Stiftung, die S. Fischer Stiftung und eine Reihe kleinerer Organisationen zeigen im Rahmen von „Leipzig liest“ mit Übersetzerthemen Flagge. 17.–20. März 2011 www.leipziger-buchmesse.de