Beschränkungen des Internetvertriebs
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Beschränkungen des Internetvertriebs
Beschränkungen des Internetvertriebs – Qualitätsschutz oder Wettbewerbsbehinderung? Rechtsanwalt Dr. Hauke Hansen* im BVDW-Interview zur Zulässigkeit der Beschränkung des Vertriebs von Markenartikeln über das Internet. Was sind selektive Vertriebssysteme? Markenartikelhersteller erleben es häufiger, dass ihre hochwertigen Produkte von zahlreichen Händlern nicht in Boutiquen, in denen sie dem luxuriösen Image entsprechend, präsentiert werden, sondern im Internet zu erheblich günstigeren Preisen angeboten und verkauft werden. Dies versuchen die Hersteller oftmals dadurch zu unterbinden, dass sie Ihre Waren nur noch über so genannte selektive Vertriebssysteme in Umlauf bringen. In einem selektiven Vertriebssystem verkaufen Hersteller ihre Produkte ausschließlich an ausgewählte Vertragshändler, die bestimmte, vom Hersteller vorgegebene Qualitätsmerkmale erfüllen. Grundlage solch selektiver Vertriebssysteme sind dabei die zwischen dem Hersteller und den ausgewählten Händlern geschlossenen Vereinbarungen im Hinblick auf Art und Weise des Weiterverkaufs der Produkte. Diese Verträge sehen neben qualitativen Anforderungen an die Geschäftsausstattung, das Sortiment oder den Kundendienst sehen häufig exklusive Bindungen zwischen Hersteller und Händler vor. Oftmals ist auch eine quantitative Selektion, etwa hinsichtlich der Anzahl von Händlern einer bestimmten Region vorgesehen. Händler verpflichten sich zumeist, die betreffenden Markenartikel nicht an andere Händler weiterzuverkaufen. Unabhängig davon, ob es sich um ein selektives Vertriebssystem handelt, regeln die Vertriebsverträge oftmals aber auch, dass ein Vertrieb der zum Verkauf bestimmten Waren über das Internet entweder generell oder über bestimmte Internetplattformen nicht erfolgen darf. So sorgten zuletzt Presseberichte über die Ermittlungen des Bundeskartellamtes gegen die Sportartikelhersteller Asics, Adidas und Nike für Aufsehen. Diese wollten demnach Händlern den Verkauf ihrer Markenartikel über eBay oder Amazon verbieten. Markenartiklern aber auch Händlern stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, wie weit Markenhersteller ihren Einfluss auf den Internetvertrieb überhaupt geltend machen können. Was sind die Gründe für derartige Beschränkungen? Im Grundsatz begründen Markenhersteller Beschränkungen des Internethandels mit dem von ihnen mit hohem Werbeaufwand geschaffenen Markenprestige, das durch eine optimale Präsentation im Internet geschützt und gefördert werden solle. Vor allem Hersteller von Luxusgütern fürchten, dass die mit den Waren transportierten Gütevorstellungen oder gar das gesamte Image des Herstellers durch diese Art und Weise der Vermarktung Schaden nehmen könnten. Zudem machen Internetverkäufer den Fachhändlern das Leben schwer: Während diese durch Beratung und imagefördernde Maßnahmen investieren, profitieren davon auch die reinen Online-Händler. Die Kosten dafür müssen die Webshop-Betreiber allerdings nicht tragen und können die Produkte auch daher zu günstigeren Konditionen anbieten. Nicht zu verkennen ist aber, dass manche Markenhersteller mit neuen vertraglichen Bedingungen für Vertriebspartner im Internet Mindestpreise durchsetzen und vor allem auch ihre eigenen Online-Angebote unterstützen wollen. Dürfen Markenhersteller den Internethandel überhaupt beschränken? Im Rahmen dieser Frage treffen zwei Rechtsgebiete mit gegensätzlichen Zielen aufeinander. So gewährt das Markenrecht einerseits dem Markeninhaber grundsätzlich das Recht zu bestimmen, wo und wie seine Ware vertrieben werden darf. Auf der anderen Seite steht das Kartellrecht, das den freien Wettbewerb schützen und fördern soll. Es begrenzt die Möglichkeiten der Markeninhaber, den Internetvertrieb einzuschränken oder gar zu verbieten. Die EU-Kommission hat 2010 Leitlinien zur Auslegung des europäischen Wettbewerbsrechts herausgebracht, an denen sich Hersteller und Händler orientieren können, wenn es um die Frage geht, welche Vorhaben erlaubt sind und welche nicht. Ist ein generelles Verbot des Internethandels erlaubt? Ein generelles Verbot des Internethandels ist danach nicht zulässig. Gemäß den Leitlinien der EU-Kommission soll es jedem Händler grundsätzlich erlaubt sein, das Internet für den Vertrieb zu nutzen. Zwar gibt es wenige Ausnahmefälle – zum Beispiel, wenn die Gesundheit der Kunden durch einen Online-Vertrieb gefährdet wäre. Bloße wirtschaftliche Interessen des Herstellers wie der Schutz des Markenprestiges sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aber kein ausreichender Rechtfertigungsgrund für ein Totalverbot. Von Händlern, die ihre Waren ausschließlich über das Internet anbieten, können Hersteller allerdings verlangen, dass die Händler mindestens einen physischen Verkaufspunkt oder Ausstellungsraum unterhalten. Das ist die so genannte „Brick-Store-Klausel“ in den Leitlinien. Solchen Händlern wiederum, die sowohl einen stationären als auch einen Online-Handel betreiben, dürfen keine Vorgaben zur Höhe des maximalen Anteils des Internetvertriebs an ihrem Gesamtumsatz auferlegt werden. Hat der Markeninhaber gar keinen Einfluss auf den Internetvertrieb? Doch. Der Markeninhaber kann durchaus Einfluss auf den Internetvertrieb seiner Vertragshändler nehmen. Ihnen dürfen qualitative Vorgaben für den Vertrieb der Produkte gemacht werden, wenn das für den Verkauf des Produktes erforderlich ist. Darunter fallen etwa die fachliche Eignung des Händlers und seines Personals, seine sachliche Ausstattung oder Vorgaben für die Präsentation der Ware auf der Webseite. Ob die Hersteller den Händlern allerdings konkret vorschreiben dürfen, ihre Produkte nicht über Internetportale zu vertreiben, wird von deutschen Gerichten uneinheitlich beantwortet. So hat das Landgericht Berlin1 eine Klausel des Schulranzenherstellers Scout, nach welcher dem Händler der Vertrieb über die Auktionsplattform eBay untersagt wurde, für unwirksam erklärt, weil das generelle Verbot des Warenabsatzes über Ebay gerade kein qualitatives Merkmal für die Auswahl der Wiederverkäufer sei. Anders sehen dies allerdings die Oberlandesgerichte Karlsruhe und München. Danach ist die Entscheidung eines Herstellers und Markeninhabers, die Produkte im Markt als hochpreisige Qualitätsware zu positionieren, grundsätzlich zu respektieren. Wenn die Auswahlkriterien in diesem Zusammenhang einen Vertrieb über Auktionsplattformen wie eBay ausschließen, handele es sich bei diesem Ausschluss um ein zulässiges, objektives, an die Art und Weise des Vertriebs anknüpfendes Auswahlkriterium2. Mit etwas anderer Argumentation ließen auch die Münchener Richter eine in den Einkaufs-AGB eines Sportartikelherstellers geregelte Beschränkung auf bestimmte Vertriebsformen im Internet gelten. 1 Landgericht Berlin, Urteil vom 21.04.2009, Az.: 16 O 729/07 Kart. 2 Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 25.11.2009, Az.: 6 U 47/08 Kart. (Scout Schulranzen) Seite 2 Da sich Internet-Auktionsplattformen an die Gesamtheit aller Internetnutzer richten, können die Kunden solcher Plattformen nach Ansicht des Gerichts nämlich auch über andere Internetvertriebsformen erreicht werden. Ein Verbot des Verkaufs über eBay & Co sei damit keine den Kundenkreis beschränkende und damit wettbewerbswidrige Klausel3. In Bezug auf Internetplattformen kann der Hersteller nach den EU-Leitlinien zudem verlangen, dass Kunden die Internetseite des Händlers nicht über eine Seite erreichen, auf der das Logo oder der Name der Plattform erscheint. Mit dieser etwas umständlichen Formulierung ermöglichen es die EU-Leitlinien damit faktisch, den Herstellern den Vertrieb ihrer Produkte über eBay zu untersagen. Ob das Bundeskartellamt oder der Europäische Gerichtshof das genauso sehen, ist aber noch offen. Darf der Markeninhaber seinen Händlern konkrete Preise vorschreiben? Nein. In Bezug auf Preisvorgaben hat die EU-Kommission detaillierte Vorgaben gemacht. Vorgeschriebene Mindestpreise gelten als kartellrechtliche Todsünde. Ausnahmen sind nur während einer kurzen Einführungsphase eines neuen Produktes denkbar. Unverbindliche Preisempfehlungen hingegen sind als Orientierung für Händler und Verbraucher zulässig. Hersteller könnten auch versucht sein, durch geringere Rabatte und damit höhere Preise für online vertriebene Ware den Internetvertrieb zu begrenzen. Derartige Doppelpreissysteme können aber nur dann ausnahmsweise gerechtfertigt sein, wenn Online-Verkäufe für den Hersteller mit erheblich höheren Kosten verbunden sind als der Verkauf in einem Ladengeschäft. Dies kann etwa der Fall sein, wenn bei Waren, die in Ladengeschäften verkauft werden, die Installation bereits im Preis enthalten ist, beim Internetvertrieb diese Leistung jedoch entfällt. Wegen fehlender fachkundiger Installation der online verkauften Produkte ist dann mit einer höheren Zahl von Beschwerden und Haftungsansprüchen durch Kunden zu rechnen. Für den Großteil der Produkte dürfte dies jedoch ohnehin nicht gelten, so dass Doppelpreissysteme ebenso wie starre Preisbindungen nicht das Mittel der Wahl sein sollten, um Einfluss auf den Online-Handel zu nehmen. Welche Konsequenzen drohen Händlern und Herstellern? Wenn Händler sich weigern, die von den Markenherstellern gestellten Bedingungen zu akzeptieren, besteht die Gefahr eines Lieferstopps. Sollte der Händlervertrag eine kartellrechtswidrige Klausel enthalten, wäre sie zwar unwirksam, und der Händler könnte auf seine Belieferung pochen. Bevor sich ein Händler allerdings für einen solchen Schritt entscheidet, sollte er bedenken, dass auch er ein Interesse an einvernehmlichen Lösungen hat, damit die Handelspartnerschaft nicht zu stark belastet wird. Sollten alle Bemühungen vergeblich sein und der Hersteller die Belieferung des Händlers einstellen, kann er Originalware auch von anderen Quellen beziehen. Er muss jedoch sicherstellen, dass diese Ware mit Zustimmung des Markeninhabers in der EU verkauft wurde. Ansonsten würde es sich um einen unzulässigen Parallelimport handeln, der die Markenrechte des Herstellers verletzen kann. Dieses erstmalige In-Verkehr-Bringen durch den Markenhersteller muss der Händler vor Gericht beweisen – was schwierig ist. Der Händler muss sich seine Ersatzquellen also sorgfältig aussuchen. *Dr. Hauke Hansen ist Experte für Gewerblichen Rechtsschutz und Internet-Recht am Frankfurter Standort der Kanzlei FPS Rechtsanwälte & Notare 3 OLG München , Urteil vom 2.7.2009, Az.: U (K) 4842/08 Seite 3