Die rumänische Vierteljahresschrift "Muzica"

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Die rumänische Vierteljahresschrift "Muzica"
In den darauf folgenden Beiträgen werden Themen allgemeinen
Charakters – von Fragen der Musikwissenschaft, Pädagogik bis zur Musikpsychologie – bearbeitet: V. V. Tschkonija: "Das musikalische Epos als
Problem der nationalen Romantik"; V. I. Prichodjko: "Die Fähigkeit, sich
selbst zu hören"; W. I. Losowaja: "Über das romantische Weltempfinden in
der Zehnten Klaviersonate von S. Bibik". Der Vortrag "Die gegenwärtige
ukrainische Romantik" von M. S. Tschernjawskaja beschließt das Buch
sowohl numerisch als auch thematisch.
Alexander Schwab
Ferenc László
Die rumänische Vierteljahresschrift " Muzica"
Vier Jahrzehnte lang (1950-1989) durfte in Rumänien nur eine einzige musikalische Fachzeitschrift erscheinen, die Monatsschrift Muzica. Nach der
Dezemberrevolution von 1989 entschied der Herausgeber, der Verband der
Komponisten und Musikwissenschaftler Rumänens, die Teilung der Zeitschrift in ein zweiwöchentlich erscheinendes Blatt "Actualitatea muzicalä"
["Musikalische Aktualität"] und die neue Serie der nun als Vierteljahresschrift und im Oktavformat erscheinenden "Muzica". So wurde die Zeitschrift der Musikwissenschaftler von der Aufgabe befreit, Ereignisse des
Musiklebens schildern zu müssen. Zum Schriftleiter wurde der Musikhistoriker Prof Dr. Octavian Laz r Cosma, Vizepräsident des Verbandes, ernannt.
Wir stellen nachfolgend den 7. Jahrgang (1996) der erneuerten "Muzica"
vor: Vier Hefte von je 160 Seiten.
Das Hauptanliegen der Schriftleitung scheint die Besprechung des zeitgenössischen rumänischen Musikschaffens zu sein. Unter dem Rubriktitel
"Schöpfungen" wird die Fünfte Symphonie von George Enescu (1881-1955)
präsentiert und zwar vom Komponisten Pascal Bentoiu, der die "Unvollendete" des größten rumänischen Komponisten vollendete (Heft 4). Andere
Werke und Werkgruppen, welche in derselben Rubrik besprochen werden,
sind: Nicolae Comans Liedschaffen (Heft 1, Valentina Sandu Dediu), die
dramatische Musik des in Rom lebenden rumänischen Komponisten Roman
Vlad (Heft 1, Viorel Munteanu), die Liturgie des Heiligen Johannes Chrisostomus von Valentin Timaru (Heft 3, Cristina Glodeanu-Para) und die
Fünfte Symphonie von Vasile Herman (Heft 4, Dora Cojocaru). Anatol
Vieru wird von Laura Manolache (Heft 2) und Viniciu Grefiens von Doru
Popovici (Heft 3) porträtiert. Ausgedehnte Gespräche führen Theodor Gri-
198
goriu mit Fred Popovici und Myriam Marbe mit Laura Manolache über ihr
Schaffen (Heft 3).
Unter dem Hauptitel "Enesciana" faßt der ehemalige Direktor des Bukarester Musikverlags, Titus Moisescu, die bisherige Geschichte der Veröffentlichung von Enescus Werken zusammen (Heft 1). Aus der Generation
Enescus werden noch zwei Komponisten gewürdigt: der vor 50 Jahren
verstorbene Alexandru Zirra (1883-1946) als Symphoniker (Heft 3, Veronica Berbescu Zbarcea) und Martian Negrea (1893-1973), hier nur als Verfasser von musiktheoretischen Lehrbüchern (Heft 2, Liviu Comes). Vasile
Vasiles monographische Studie beleuchtet eine Schlüsselpersönlichkeit der
älteren rumänischen Musikgeschichte, den vor über 200 Jahren geborenen
Komponisten, Literaten, Folkloristen, Kirchensänger, Drucker usw. Anton
Pann (1796-1854, Heft 4). Alexia A. Buzera dagegen entdeckt den völlig
unbekannten Kirchenmusiker Ghelasie Basarabeanul (17??-1851). Weitere
Studien aus dem Bereich der byzantinischen Kirchenmusik veröffentlichten
das Autorenpaar Titus Moisescu-Marius Ionescu (Katalog der Musikhandschriften von Putna, Fortsetzung einer größeren Mitteilung aus Heft 3/1992;
Heft 4) und Sebastian Barbu-Bucur, der die Ergebnisse der Untersuchung
einer Musikhandschrift rumänischer Herkunft aus den Beständen des Klosters Leimonos von Lesbos mitteilt (Heft 3). Der schon erwähnte Komponist Valentin Timaru veröffentlicht "Einige Bemerkungen über die Grammatik der Psalmen-Musik" (Heft 1). (Nota bene, "byzantinische" und
"Psalmen-" Musik sind im rumänischen Wortgebrauch Synonyme für die
traditionelle Kirchenmusik des östlichen Christentums)
Die Fragen der "Ethnomusikologie" sind für die rumänische Musikforschung ebenso brennend wie die der Byzantinologie. Die Tatsache, daß in
diesem Jahrgang nur eine einzige diesbezügliche Studie veröffentlicht
wurde (Heft 1-2, Ghizela Suliteanu: Die Blaskapelle in der rumänischen
Volksmusik) ist untypisch.
Die "Studien" bilden den Hauptteil eines jeden Muzica-Heftes. Ihre
Thematik ist weitverzweigt. Die Titel brauchen kaum erklärt zu werden:
"Der Horizont des Sakralen in der rumänischen Musik. Kontinuität und
Kreativität" (Heft 1, Ileana Ursu), "Schicksal des offenen Werkes im Kontext der rumänischen Musik" (Heft 1, Loredana Baltazar), "Die gelehrte
Nachlässigkeit" (Heft 1, Dan Dediu; eine Theoretisierung der Abweichung
als schöpferische Strategie), "H. Schenker - pro und kontra" (Heft 2, Haiganus Preda Ceamurian), "Aspekte der Notation im modernen rumänischen
Klavierschaffen" (Heft 2, Nelida Nedelcut), "Scarlattische Warnungen"
(Heft 2, Dan Buciu; Ein Plädoyer für den modernen Scarlatti anhand der
Analyse seiner Sonate in A-Dur K 429), "Music and Mathematics. Classical
Music Composition Methods Interpreted as Topological Transformations in
199
Projective and Affine Spaces. New Faces of Old Creation Tools" (Heft 2,
Mihai Brediceanu), "Der Begriff Monodie in diachronischer Sicht. Geschichtlich-theoretische Prämissen" (Heft 3-4, Sorin Vulcu), "Über einige
Mechanismen der mündlichen Kommunikation und/oder der schizophrene
Charakter der musikalischen Interpretation" (Heft 3, Nicolae Brindus),
"Authentizität ohne Folklore. Der venezuelanische Komponist Alfredo del
Monaco" (Heft 3, Monika Fürst-Heidtmann), "Eine mögliche Theorie des
archetypalen Schaffens" (Heft 4, Irinel Anghel).
In der Rubrik "Memorialistik" veröffentlicht der ehemalige Präsident
des Verbandes, Ion Dumitrescu (1913-1996), nostalgische "Kalenderblätter"
(Heft 1-4). Nach der letzten Folge erscheinen unter dem Titel "In memoriam" elf ihm gewidmete Nachrufe (Heft 4). Auch andere Todesfälle und
Geburtstage sind Anlässe für den Ausdruck kollegialer Verehrung. Theodor
Drägulescu erinnert an den Komponisten Liviu Glodeanu (1937-1978;
Heft 2).
Unter dem Sammeltitel "Ansichten" ist 1996 ein einziger Artikel erschienen: die vernichtende Zurückweisung der dem rumänischen Komponisten Nicolae Bretan (1887-1968) gewidmeten Dissertation des Schweizer
Musikschriftstellers Helmut Gagelmann (Heft 2, Octavian Laz r Cosma).
Wo die katastrophale Dissertation eingereicht und ob sie von einem Professor akzeptiert wurde, bleibt für den Leser ein Geheimnis. Ein ebenfalls
polemischer Artikel ist "Die Notwendigeit der Neubewertung der Lage der
Kirchenmusik im künstlerischen Hochschulwesen" (Heft 1, Vasile Vasile).
Der einzige musikhistorische Versuch des Jahres, eine Verbindung der
rumänischen Musik mit der des Abendlandes zu finden, trägt den Titel
"Eine wissenschaftliche Hypothese" (Heft 2, Viorel Cosma). Der Autor
stellt die Frage, ob vielleicht J.S. Bach das Gedicht Zlatna von Martin Opitz
und dadurch das siebenbürgische Rumänentum gekannt hat. Zwei rumänische Bücher werden rezensiert: "Studien und Dokumente über den Komponisten Mihail Jora" (Heft 1, Doru Popovici) und "Das Lexikon der Interpreten aus Rumänien" von Viorel Cosma (Heft 4, Stefan Niculescu). Als
"Epistolaria" sind Briefe an D.G. Kiriac (1866-1928) erschienen (Heft 4,
Titus Moisescu).
Die Vierteljahrschrift schildert in Ausnahmefällen auch die Aktualität
des Musiklebens, so den Besuch von Krzysztof Penderecki in Bukarest
(Heft 1, Interview von Ruxandra Arzoiu), die Berliner Erstaufführung der
Oper Oedipe von Enescu (Heft 2, Michaela Caranica Fulea), die EnescuTage in drei Nordmoldauischen Ortschaften (Heft 3, Ioan Turcanu), das
Festival "Musikalisches Temeswar" (Heft 3, Damian Vulpe), ein TristanTzara-Gedenkkonzert (Heft 3, Stefan Firca), die internationale Woche der
Neuen Musik in Bukarest (Heft 3, 14 Beiträge), die Mozart-Tagung in
200
Chemnitz (Heft 4, Ferenc László), die Tage der Zeitgenössischen Musik in
Bac u (Heft 4, Ozana Zarea Kalmuski; samt einem Interview mit John
Downey, Gast des Festivals, von Anca Florea).
"Musiker aus dem Ausland", welche dem rumänischen Leser vorgestellt
werden, sind Nicolas Slonimsky (Heft 4, Bella Berginer-Tavger) und
Coriún Aharonián (Heft 4, Monika Fürst-Heidtmann).
Eine inhaltliche Wertung der aufgezählten Schriften oder eine Erwägung
der schriftleiterischen Strategie ist keineswegs Zweck dieser Besprechung.
Wir wollten bloß einen Jahrgang einer musikwissenschatlichen Vierteljahrschrift aus Ost-Europa durch die Zusammenfassung ihres Inhaltsverzeichnisses in deutscher Sprache bekanntmachen. Auf die Frage, ob es etliche
hier aufgelistete Schriften verdienen, auch in einer Weltsprache zu erscheinen, ist die Antwort des Rezensenten ein eindeutiges Ja. Es wäre besonders
wünschenswert und notwendig, die jungen Musikwissenschaftler
Rumäniens als Mitarbeiter von ausländischen Publikationen zu fördern,
damit sie ihr Wissen und Können in einem breiteren Kontext einschätzen
und entwickeln können.
Ein englischer Originaltitel im Inhaltsverzeichnis mag darauf hindeuten,
daß die Schriftleitung nicht nur rumänische Texte annimmt.
Vladimír ížik und Jana Lengová (Hg.), Exegi monumentum. Ján
Levoslav Bella (1843-1936). Život a dielo v obrazových dokumentoch
[Ján Levoslav Bella. Leben und Werk in Bilddokumenten], Banská
Bystrica 1992, slowakisch und deutsch.
Jana Lengová (Hg.), Ján Levoslav Bella v kontexte európskej hudobnej
kultúry [Ján Levoslav Bella im Kontext der europäischen Musikkultur], Konferenzbericht Banská Bystrica 1993 (= Bibliotheca musicae
Neosoliensis I), Banská Bystrica 1993, slowakisch und deutsch.
Jana Lengová (Hg.), Duchovná hudba v 19. storo í [Geistliche Musik
im 19. Jahrhundert], Konferenzbericht Banská Bystrica 1994
(= Bibliotheca musicae Neosoliensis II), Banská Bystrica 1995,
slowakisch und deutsch.
Tradície európskej hudby 15. - 18. storo ia [Traditionen der europäischen Musik des 15. - 18. Jahrhunderts], Konferenzbericht Bratislava
1995 (= Slovenská hudba [Slowakische Musik] XXII, Heft 3/4),
Bratislava 1996.
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