Die nichteheliche Lebensgemeinschaft als einfache Gesellschaft
Transcription
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft als einfache Gesellschaft
User-ID: uni.roland.fankhauser, 05.04.2012 07:37:08 Dokument AJP 2012 S. 33 Autor Michelle Cottier, Cécile Crevoisier Titel Die nichteheliche Lebensgemeinschaft als einfache Gesellschaft Publikation Aktuelle Juristische Praxis Herausgeber Ivo Schwander ISSN 1660-3362 Verlag Dike Verlag AG AJP 2012 S. 33 Die nichteheliche Lebensgemeinschaft als einfache Gesellschaft Michelle Cottier Cécile Crevoisier* Das Bundesgericht nimmt seit 1982 in ständiger Rechtsprechung an, dass auf nichteheliche Lebensgemeinschaften das Recht der einfachen Gesellschaft in der Regel zur Anwendung kommt, wenn sich die Partner zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft mit gemeinsamer Kasse zusammenfinden, an die beide durch finanzielle Leistungen oder Arbeit beitragen. Das Bestehen von Ausgleichsansprüchen im Moment der Trennung hängt dabei wesentlich davon ab, wie die (meist konkludenten) Vereinbarungen der Partner ausgelegt werden: Wird ein umfassender Gesellschaftszweck angenommen, kann etwa der im Betrieb des Partners Mitarbeitende einen Anspruch auf hälftige Teilung des nominell nur dem Partner zustehenden Gesellschaftsgewinns erwerben. Nicht zu überzeugen vermag dagegen die Verweigerung jeglicher Ausgleichsansprüche gegenüber der haushaltführenden und kinderbetreuenden Partnerin im vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall eines Paares, das während 16 Jahren eine klassische Rollenteilung gelebt hatte. Depuis 1982, le Tribunal fédéral considère dans sa jurisprudence constante que les unions libres sont en principe soumises au droit de la société simple, si les partenaires se trouvent dans une communauté économique avec caisse commune, à laquelle tous deux contribuent par des prestations financières ou du travail. L’existence de créances en partage au moment de la séparation dépend dans ce cadre essentiellement de la * Michelle Cottier, Dr. iur. MA, Assistenzprofessorin für Privatrecht und Rechtssoziologie an der Universität Basel. Cécile Crevoisier, lic. iur., Wissenschaftliche Assistentin an der Universität Basel. Der vorliegende Aufsatz basiert auf einem Vortrag, den die Autorin Michelle Cottier am 12. November 2010 im Rahmen der Tagung "Recht aktuell: Personengesellschaften" an der Juristischen Fakultät der Universität Basel gehalten hat. Ausdruckseite 2 von 15 manière dont on interprète les conventions (généralement tacites) des partenaires: si on admet l’existence d'un but social global, le concubin qui travaille dans l’entreprise de l’autre peut obtenir un droit au partage par moitié du bénéfice social acquis au nom de son partenaire uniquement. Le refus de tout droit au partage, prononcé par le Tribunal fédéral contre une concubine qui, dans un couple appliquant le partage classique des rôles pendant une durée de 16 ans, s’était occupée du ménage et de l’enfant commun, peine en revanche à convaincre. I. Einleitung Seit den 1980er Jahren wendet das Bundesgericht unter bestimmten Bedingungen gesellschaftsrechtliche Regeln auf die vermögensrechtliche Auseinandersetzung bei Auflösung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft an. Die merkliche Zunahme an höchstrichterlichen Entscheiden zu dieser Frage in den letzten fünf Jahren soll zum Anlass genommen werden, eine Bilanz in Bezug auf die Tauglichkeit des gesellschaftsrechtlichen Instrumentariums im Hinblick auf die Lösung der Rechtsprobleme nichtehelicher Lebensgemeinschaften zu ziehen. Zunächst werden der Begriff der "nichtehelichen Lebensgemeinschaft" geklärt, die Rechtsentwicklung in der Schweiz in Bezug auf das unverheiratete Zusammenleben nachgezeichnet und nach der demographischen Häufigkeit und den Motiven für die Wahl dieser Lebensform gefragt (II). Daraufhin wird das Recht der einfachen Gesellschaft in den Gesamtkontext der zur Verfügung stehenden Instrumente zur Lösung der Sachfragen des Vermögensrechts in nichtehelichen Lebensgemeinschaften gestellt (III.). Sodann geht es darum, im Licht der Lehre und der jüngeren Rechtsprechung den besonders im Zentrum stehenden Fragen der Entstehung des Gesellschaftsvertrags (IV.), der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung bei Beendigung der Lebensgemeinschaft (V.) und der Gesellschaftsbeiträge in Form von Geld-, Sach- und Arbeitsleistungen als Auslöser von Ausgleichsansprüchen (VI.) AJP 2012 S. 33, 34 nachzugehen. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen des Fazits danach gefragt, wie die Bilanz ausfällt: Bietet das Recht der einfachen Gesellschaft befriedigende Lösungen für die vermögensrechtliche Auseinandersetzung am Ende einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft? II. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft in Recht und Gesellschaft 1. Begriff und Rechtsentwicklung Die "nichteheliche Lebensgemeinschaft" definiert sich in Abgrenzung zur Ehe: Es geht um Paare, die ihre Beziehung nicht durch Heirat formalisiert haben. Lange stand in der familienrechtlichen Diskussion das unverheiratet zusammenlebende verschiedengeschlechtliche Paar im Vordergrund. Seit einigen Jahren ist aufgrund der grösseren gesellschaftlichen Akzeptanz auch das gleichgeschlechtliche Paar in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt1. Da heute auch Frauen- oder Männerpaare durch die Eintragung ihrer Partnerschaft eine gewisse rechtliche Absicherung erlangen können2, kann auch hier zwischen nicht eingetragenen und eingetragenen Paaren unterschieden werden. Die Rechtsprobleme der verschiedenoder 1 Vgl. BGE 134 V 369, 374; Andrea Büchler/Rolf Vetterli, Ehe, Partnerschaft, Kinder, 2. A., Basel 2011, 176; Andrea Büchler, Vermögensrechtliche Probleme in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in: Alexandra Rumo-Jungo/Pascal Pichonnaz (Hrsg.), Familienvermögensrecht, Bern 2003, 59 ff., 65; Urs Fasel/Daniela Weiss, Auswirkungen des Konkubinats auf (nach-)eheliche Unterhaltsansprüche, AJP/PJA 2007, 13 ff., 18. 2 Bundesgesetz vom 18. Juni 2004 über die eingetragene Partnerschaft gleichgeschlechtlicher Paare (PartG), SR 211.231. Ausdruckseite 3 von 15 gleichgeschlechtlichen nicht formalisierten Lebensgemeinschaften sind identisch: Es fehlt an einer umfassenden gesetzlichen Regelung der gegenseitigen Rechte und Pflichten und an einer Absicherung in anderen Rechtsbereichen, wie insbesondere dem Erb- oder Sozialversicherungsrecht, wie sie die Ehe und die eingetragene Partnerschaft garantieren. Im Unterschied etwa zu Deutschland3 wird im Schweizer Recht bis heute der Begriff des "Konkubinats" verwendet. Dieser stammt vom lateinischen Begriff concubitus (Beischlaf) und ist stark mit der älteren, die Betroffenen stigmatisierenden und die Lebensgemeinschaft auf die Sexualität reduzierende Rechtsauffassung verknüpft. Die historische Forschung führt die negative Konnotation des Begriffs aufs römische Recht zurück, geht aber davon aus, dass sie hauptsächlich auf der konkubinatsfeindlichen Haltung gründet, die im Mittelalter wie auch während der Reformation sowohl von staatlicher als auch von kirchlicher Seite vertreten wurde4. Alle Gesetzgebungen der Schweiz untersagten bis ins 19. Jahrhundert unter Androhung schwerer Strafen das unverheiratete Zusammenleben. Gleichzeitig waren viele heiratswillige Paare der unteren Schichten aufgrund der behördlich errichteten Ehehindernisse, insbesondere dem bis Mitte des 19. Jahrhunderts geltenden Erfordernis eines genügenden Einkommens, gezwungen, im Konkubinat zu leben5. Die bis in die 1970er Jahre durchgesetzte strenge soziale Kontrolle und die repressiven kantonalen Gesetze führten aber dazu, dass das Konkubinat hierzulande längst nicht dieselbe Verbreitung erlangte, wie in den Arbeiterschichten der benachbarten Länder6. Vor dem Hintergrund dieser historisch bedingten negativen Assoziationen sollte der Konkubinatsbegriff u.E. nicht mehr verwendet werden7, auch wenn das Bundesgericht ihn inzwischen auf die gleichgeschlechtliche Partnerschaft ausgedehnt hat8. Die Schweizer Rechtsentwicklung seit den 1970er Jahren zeugt sodann von den grossen gesellschaftlichen Umbrüchen, die in dieser Zeit stattgefunden haben. Neu rückte die Frage der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in den Fokus der Aufmerksamkeit. Noch bis in die 1980er Jahre wurden zwar vertragliche Bindungen zwischen nichtehelichen Lebenspartnern zum Teil von der Lehre als widerrechtlich oder sittenwidrig und damit nichtig betrachtet9. Im Jahr 1982 hat AJP 2012 S. 33, 35 das Bundesgericht jedoch anerkannt, dass insbesondere bei der Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Rechtsschutz zu gewähren ist10. Es stellte fest: "Ohne nähere Prüfung allein im vermeintlichen Interesse des Instituts der Ehe den Partnern eines Konkubinats schlechterdings jeden Rechtsschutz zu versagen, käme einer Kapitulation der Rechtsordnung gegenüber einer verbreiteten Erscheinungsform 3 Vgl. etwa Herbert Grziwotz, Nichteheliche Lebensgemeinschaft, 4. A., München 2006; Inge Kroppenberg (Hrsg.), Rechtsregeln für nichteheliches Zusammenleben, Bielefeld 2009. 4 Bernhard Pulver, Unverheiratete Paare: Aktuelle Rechtslage und Reformvorschläge, Basel 2000, 9. 5 Vgl. Beatrix Mesmer, Familienformen und gesellschaftliche Strukturen, in: Thomas FleinerGerster/Pierre Gilliand/Kurt Lüscher (Hrsg.), Familien in der Schweiz, Freiburg 1991, 31 ff., 39. 6 Das letzte Konkubinatsverbot wurde im Kanton Wallis erst im Jahre 1996 abgeschafft, vgl. Anne-Lise Head-König, Konkubinat, in: Historisches Lexikon der Schweiz, hrsg. von der Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz, Bd. 7, Basel 2008, 372 f. Noch im Jahre 1945 entschied das Bundesgericht, dass es den Kantonen erlaubt sei, das Konkubinat unter Übertretungsstrafe zu stellen, vgl. BGE 71 IV 46 ff.; BGE 71 IV 52 ff. Vgl. zum Ganzen Richard Frank, § 1 Ausgangslage, in: Richard Frank u.a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, Zürich 1984, 1 ff. 7 Zum Konkubinatsbegriff des Bundesgerichts: vgl. BGE 124 III 52, 54 f.; 118 II 235, 238, kritisch auch Alexandra Rumo-Jungo/Peter Liatowitsch, Nichteheliche Lebensgemeinschaft: vermögensund kindesrechtliche Belange, FamPra.ch 2004, 895 ff., FN 2; Büchler/Vetterli (FN 1), 176; Büchler (FN 1), 86. 8 BGE 134 V 369, 374. 9 Vgl. Silvia Bietenharder-Künzle, Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Konkubinats, Diss. Basel 1986, 5 ff., m.w.Nachw. 10 BGE 108 II 204, 206. Ausdruckseite 4 von 15 unserer Gesellschaft gleich." Dabei wird bis heute in erster Linie auf das Recht der einfachen Gesellschaft zurückgegriffen, das nachfolgend (IV. ff.) im Vordergrund stehen soll. Soviel kann vorweggenommen werden: Das Versprechen kann in Bezug auf das Vermögensrecht teilweise eingelöst werden, es verbleiben aber gewichtige Regelungslücken, die auch durch Richterrecht nicht gefüllt werden können. Die umfassende gesetzliche Regelung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, wie sie in einzelnen Ländern des anglo-amerikanischen Rechtsraums besteht11, ist jedoch in der Schweiz noch Zukunftsmusik. Die Rechtslehre spricht sich zwar schon länger für eine solche Regelung aus12. Das Parlament hat es jedoch wiederholt abgelehnt, dieser Empfehlung zu folgen, zuletzt im Jahr 199713. Immerhin hat das Parlament nun eine Motion von Felix Gutzwiller an den Bundesrat überwiesen, die die Verbesserung der Lage der nichtehelichen Lebenspartner im Erbrecht verlangt14. 2. Demographie und Motivlagen Ein Blick in die Bevölkerungsstatistik zeigt, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften in der Schweiz eine nicht zu vernachlässigende Realität darstellen: Insgesamt lebten im Moment der Volkszählung im Jahr 2000 in der Schweiz 188’599 verschiedengeschlechtliche Paare ohne Trauschein zusammen. Wenn nur die Paare mit Kindern betrachtet werden, waren es immerhin 36’151 nichteheliche Lebensgemeinschaften15. Der Anstieg der Anzahl von Müttern, die bei der Geburt ihres Kindes unverheiratet sind, von 10% im Jahr 1999 auf 18,5% im Jahr 201016, lässt vermuten, dass die Zahl der auch dauerhaft unverheiratet zusammenlebenden Eltern inzwischen noch weiter angestiegen ist. Hinzu kommt eine aufgrund fehlender statistischer Erhebungen unbekannte Zahl von nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften17. Von zentraler Bedeutung für die rechtliche Diskussion sind Annahmen über die Motivlage für den Verzicht auf eine Formalisierung der Partnerschaft. Oftmals wird davon ausgegangen, dass die Partner diese Form des Zusammenlebens jener der Ehe bewusst vorziehen, weil sie die rechtliche Bindung als solche oder deren Ausgestaltung, etwa beim Güterrecht, bei der gemeinsamen Besteuerung usw., ablehnen18. Dies ist eine empirisch überprüfbare, aber tatsächlich nicht überprüfte Annahme. Eine empirische Studie über die Motivlagen unverheirateter Paare in der Schweiz existiert nicht, es gibt jedoch Hinweise, die darauf hindeuten, dass das Motiv der Ablehnung einer rechtlichen Bindung in vielen Fällen nicht zutrifft19. So legt eine Studie des Büro BASS20 zum Wissen in der Bevölkerung zu den Regelungen des Erbrechts nahe, dass von verbreiteten Fehlvorstellungen über die Absicherung nichtehelicher 11 Vgl. Michelle Cottier/Sabine Aeschlimann, Nichteheliche Lebensgemeinschaften (Cohabitation), Neuere Rechtsentwicklungen in Australien, Neuseeland und Grossbritannien, FamPra.ch 2010, 109 ff. 12 Vgl. Ivo Schwander, Sollen eheähnliche und andere familiäre Gemeinschaften in der Schweiz gesetzlich geregelt werden? AJP/PJA 1994, 918 ff.; Pulver (FN 4), 164 ff.; Büchler/Vetterli (FN 1), 179; Büchler (FN 1), 84 ff.; Cottier/Aeschlimann (FN 11), 109 ff. 13 AmtlBull NR 1997, 2668 f. 14 Motion 10.3524 "Für ein zeitgemässes Erbrecht" vom 17.6.2010 von Ständerat Felix Gutzwiller, AmtlBull SR 2010, 871 ff., AmtlBull NR 2011, 107 ff.; AmtlBull SR 2011, 489. 15 Bundesamt für Statistik, Schweizerische Volkszählung 2000, Haushalte und Familien, Neuenburg 2005, 40, 47. 16 Bundesamt für Statistik, Medienmitteilungen vom 24.2.2011 und 8.7.2010. 17 Die Zahl der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften wurde in der Volkszählung 2000 "aus Gründen der Vergleichbarkeit mit früheren Volkszählungen" unter die Nichtfamilienhaushalte gezählt, vgl. Bundesamt für Statistik (FN 15), 19. 18 So BGE 108 II 204, 206. 19 So können eine noch bestehende Ehe sowie religiöse Gründe die Partner von einer Eheschliessung abhalten, ohne dass es am Rechtsbindungswillen fehlt, vgl. z.B. BGer vom 17.1.2008, 4A_441/2007. 20 Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien, Forschungsinstitut in Bern. Ausdruckseite 5 von 15 Lebensgemeinschaften ausgegangen werden muss. Die im Jahr 2004 durchgeführte repräsentative Umfrage unter Schweizer Stimmberechtigten ergab, dass 48% der Befragten fälschlicherweise davon ausgehen, dass nichteheliche Lebenspartner zu den gesetzlich Erbenden gehören21. Wie es mit dem Wissen um die - wie sich zeigen wird, lückenhafte - vermögensrechtliche Absicherung für den Fall der Trennung steht, ist allerdings noch nicht untersucht worden. AJP 2012 S. 33, 36 III. Sachfragen und Lösungen im Bereich des Vermögensrechts 1. Sachfragen Die Sachfragen des Vermögensrechts sind in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft die gleichen, die sich auch in Ehen und eingetragenen Partnerschaften stellen. Aktuell werden sie im Moment einer Trennung: Typische Fragen bei Paaren mit oder ohne Kinder sind der Ausgleich für die einseitige Bestreitung des Unterhalts, für die Mitarbeit im Betrieb der Partnerin oder des Partners, die Auflösung eines gemeinsam geführten Betriebs, sowie die Aufteilung von gemeinsam bewohntem Wohneigentum und von angesparten Vermögenswerten. Hat das Paar Kinder, was nach den vorne aufgeführten Statistiken eine immer häufigere Lebensrealität bildet, stellt sich zentral die Frage des Ausgleichs für einseitig übernommene Kinderbetreuungsaufgaben: Wer Kinder betreut, kann gar nicht oder nur in Teilzeit erwerbstätig sein, was sich negativ auf die Möglichkeit zu sparen und Vermögen zu bilden, wie auch auf die Altersvorsorge auswirkt. Zudem ergibt sich ein negativer Effekt auf das langfristige Erwerbseinkommen durch die Verminderung von Karrierechancen. So hat eine weitere Studie des Büro BASS gezeigt, dass beispielsweise die Gruppe von in einer Partnerschaft mit zwei Kindern lebenden Frauen durchschnittlich im Monat ein um 1’626 Franken tieferes Einkommen erzielt als die Gruppe der Vergleichsfrauen ohne Kinder22. Wenn nun innerhalb einer Partnerschaft diese sogenannten indirekten Kinderkosten einseitig von einer Partei, typischerweise der Frau23, getragen werden, dann stellt sich die Frage des Ausgleichs zwischen den Partnern - eine Aufgabe, die im Eherecht das nacheheliche Unterhaltsrecht, das Güterrecht und der Vorsorgeausgleich übernehmen24. 2. Normen der einfachen Gesellschaft als Elemente eines Innominatvertrags Aufgrund der wachsenden Zahl der nicht formalisierten Partnerschaften steht die Praxis zunehmend vor der Frage, mit welchen rechtlichen Instrumenten diese Sachfragen zu lösen sind25. Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft haben einerseits die Möglichkeit, ihre vermögensrechtlichen Belange mit einem Partnerschaftsvertrag ausdrücklich zu 21 Heidi Stutz/Tobias Bauer/Susanne Schmugge, Erben in der Schweiz, Eine Familiensache mit volkswirtschaftlichen Folgen, Zürich 2007, 223. 22 Heidi Stutz, Kinderkosten in der Schweiz, FamPra.ch 2009, 899 ff., 908. 23 Vgl. Silvia Strub, "Er schafft, sie kocht": So teilen sich (fast alle) Schweizer Paare die Arbeit, FamPra.ch 2006, 286 ff.; Bundesamt für Statistik, Erwerbsmodelle, Arbeitsteilung und Kinderbetreuung in Paarhaushalten, BFS Aktuell, Neuenburg 2009. 24 Büchler (FN 1), 66 f.; Alexandra Rumo-Jungo, Betreuungsunterhalt bei getrennt lebenden nicht verheirateten Eltern - ein Denkanstoss, recht 2008, 27 ff., 31 ff. 25 Vgl. Jens M. Scherpe, Einführung: nichteheliche Lebensgemeinschaften als Problem für den Gesetzgeber, in: Jens M. Scherpe/Nadjma Yassari (Hrsg.), Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften, Tübingen 2005, 1 ff. Ausdruckseite 6 von 15 regeln26. Fehlt jedoch eine explizite vertragliche Regelung, muss punktuell auf dispositives Gesetzesrecht zurückgegriffen werden. Überzeugend ist die in der Lehre vertretene Auffassung, dass nichteheliche Lebenspartner in der Regel einen Innominatvertrag eingehen. Die Partner schliessen zumindest konkludent eine vertragliche Vereinbarung, deren Inhalt vermutungsweise dem jeweiligen dispositiven Gesetzesrecht entspricht. Die dispositiven Normen können dem Recht der einfachen Gesellschaft, dem Arbeitsvertragsrecht, dem Auftragsrecht, den Normen betreffend Schenkung oder Darlehen oder dem Recht der ungerechtfertigten Bereicherung entnommen werden27. Vereinzelt wird auch - entgegen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung28 - vorgeschlagen, analog das Ehegüterrecht anzuwenden29. Die einfache Gesellschaft erscheint also als ein Set von Instrumenten aus einem ganzen rechtlichen Werkzeugkasten. Um die Möglichkeiten und Grenzen dieser gesellschaftsrechtlichen Instrumente soll es im Folgenden gehen. IV. Die Entstehung der einfachen Gesellschaft unter den Lebenspartnern Nicht jede nichteheliche Lebensgemeinschaft ist auch eo ipso eine einfache Gesellschaft. Diese entsteht zwischen den Partnern erst, wenn sie sich vertragsmässig zur Verfolgung und Erreichung eines gemeinsamen Zwecks AJP 2012 S. 33, 37 mit gemeinsamen Kräften oder Mitteln verbinden30. Von Rechtsprechung und Lehre wird dies dann bejaht, wenn ein Wille besteht, die eigene Rechtsstellung einem gemeinsamen Zweck unterzuordnen, um auf diese Weise einen Beitrag an die Gemeinschaft zu leisten. Dies sei in der Regel der Fall, wenn sich die Partner zu einer wirtschaftlichen Gemeinschaft mit gemeinsamer Kasse zusammenfinden, an die beide durch finanzielle Leistungen oder Haushaltarbeiten beitragen31. Der Vertragsschluss kommt dabei in den seltensten Fällen ausdrücklich, sondern meistens stillschweigend, mit dem konkludenten Verhalten der Partner zustande32. Die Partner sind sich denn auch meistens nicht bewusst, dass sie eine vertragliche Bindung eingehen33. Bleibt der tatsächliche Wille der Parteien unbewiesen, muss nach einem objektiven Massstab abgeklärt werden, ob die Parteien unter Berücksichtigung der gesamten Umstände aufgrund des Vertrauensprinzips davon ausgehen durften und mussten, zwischen ihnen liege eine einfache Gesellschaft vor34. Rechtsprechung und Lehre weisen darauf hin, dass bei der Annahme der stillschweigenden Eingehung einer einfachen Gesellschaft zwischen Lebenspartnern eine gewisse Zurückhaltung angebracht sei. Es könne nicht aus dem blossen Zusammenleben auf den Rechtsbindungswillen geschlossen werden35. Diese Zurückhaltung ist u.E. nur angebracht, wenn die Partner wirtschaftlich selbständig geblieben sind36. Es ist aufgrund des fehlenden familienrechtlichen Schutzes nicht zu 27 Vgl. zum Ganzen Rumo-Jungo/Liatowitsch (FN 7), 900 ff.; Franz Werro, Concubinage, mariage, démariage, Berne 2000, Rz. 109 ff.; Pascal Pichonnaz, Le partenariat enregistré: sa nature et ses effets, ZSR 2004, 389 ff., 393; Regina Aebi-Müller/Carmen Ladina Widmer, Die nichteheliche Gemeinschaft im schweizerischen Recht, Jusletter 12.1.2009, Rz. 5. 28 BGE 108 II 204, 206. 29 Rumo-Jungo/Liatowitsch (FN 7), 901; Pulver (FN 4), 16, 55; vgl. auch Pichonnaz (FN 26), 681. 30 ZK-Handschin/Vonzun, Art. 530 OR N 123; BGE 109 II 228, 230; BGer vom 29.2.2008, 4A_482/2007, E. 1.4. 31 BGE 108 II 204, 209; Büchler (FN 1), 80; Frank (FN 6), Rz. 37; Pulver (FN 4), 23. 32 Art. 1 Abs. 2 OR; vgl. ZK-Handschin/Vonzun, Art. 530 OR N 127 sowie BGE 116 II 707, 710. 33 Vgl. BGE 108 II 204, 208, E. 4; BSK-Handschin, Art. 530 OR N 2. 34 Vgl. BGer vom 12.10.2007, 4C_195/2006, E. 2.1; BGE 132 III 626, 632. 35 BGE 108 II 204, 208 ff.; Arthur Meier-Hayoz, Die eheähnliche Gemeinschaft als einfache Gesellschaft, in: FS Vischer, Zürich 1983, 577 ff., 579; Robert David Dussy, Ausgleichsansprüche für Vermögensinvestitionen nach Auflösung von Lebensbeziehungen nach deutschem und schweizerischem Recht, Basel/Frankfurt a.M. 1994, 61, 77 f.; AebiMüller/Widmer (FN 27), Rz. 11; Büchler (FN 1), 79. 36 Ausdruckseite 7 von 15 vermeiden, dass gerade in Situationen ökonomischer Abhängigkeit eines Partners in die Auslegung der konkludenten Willenserklärungen auch Billigkeitserwägungen einfliessen37. Wenn grundsätzlich ein (konkludenter) Vertragsschluss bejaht werden kann, stellt sich im Weiteren die Frage, wie weit die Vereinbarung reicht, wie gross also der Umfang der einfachen Gesellschaft ist. Denn im Gegensatz zur Ehe oder zur eingetragenen Partnerschaft, die "ein vom Gesetzgeber geschnürtes Paket" an Rechten und Pflichten bilden, das durch eine explizite Willenserklärung auf dem Zivilstandsamt gesamthaft erworben wird, kommen die Regeln der einfachen Gesellschaft nicht automatisch umfassend auf alle Vermögensbeziehungen in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zur Anwendung. Die Frage, welche Lebens- und Vermögensbereiche im konkreten Fall unterstellt sind, hängt von den konkreten Umständen ab38. Bei kürzeren Lebensgemeinschaften ohne Kinder wird es sich in der Regel um eine reine Verbrauchsgemeinschaft handeln, mit dem Gesellschaftszweck der Befriedigung der gemeinsamen Bedürfnisse im Rahmen des gemeinsamen Haushalts39. Wo aber ein gemeinsames Projekt besteht, sei es ein gemeinsam geführter Betrieb, ein Hauskauf oder -bau oder gemeinsame Kinder, dann ist der Gesellschaftszweck entsprechend umfassender. Wie sich zeigen wird, erscheint jedoch die Rechtsprechung selbst des Bundesgerichts als nicht konsistent, und es können je nach Auslegung der Willenserklärungen weitgehende Ausgleichsansprüche entstehen oder solche ganz wegfallen40. V. Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung bei Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft Das Recht der einfachen Gesellschaft wird für nicht verheiratete oder nicht eingetragene Partnerschaften dann relevant, wenn sich das Paar trennt und sich die Frage stellt, ob gegenseitige vermögensrechtliche Ansprüche bestehen. Dabei fällt die Auflösung der einfachen Gesellschaft nicht notwendigerweise mit dem Ende der Partnerschaft zusammen. So wurde in einem unpublizierten Entscheid AJP 2012 S. 33, 38 des Bundesgerichts aus dem Jahr 2010 trotz Trennung der Lebensgemeinschaft ein Weiterbestehen der einfachen Gesellschaft angenommen, weil sie sich auf die weiterhin gemeinsam geführte Bäckerei-Konditorei bezog41. Erster Schritt der Beendigung der einfachen Gesellschaft ist die Auflösung (Art. 545Art. 547 OR). Mit der Auflösung ist die einfache Gesellschaft jedoch noch nicht beendet, sie besteht weiter mit dem Zweck der Liquidation42. Im Rahmen der Liquidation (Art. 548-Art. 550 OR) sind nach Feststellung der Aktiven und Passiven zuerst die Gesellschaftsschulden zu tilgen43. Hierauf erhalten die Gesellschafter ihre Einlagen dem Werte nach zurück, entweder in Sachwerten oder in Geld nach Vgl. BGE 108 II 204, 208 f.: "Es sind Konkubinatsverhältnisse denkbar, in denen die Partner sich in jeder Beziehung eine derart starke Selbständigkeit bewahren, dass für die Annahme einer einfachen Gesellschaft kein Raum bleibt.". 37 Vgl. Dussy (FN 35), 78. 38 Vgl. BGE 108 II 204, 208 f.; BGer vom 19.12.2007, 4A_383/2007, E. 4.1.; Arthur MeierHayoz/Peter Forstmoser, Schweizerisches Gesellschaftsrecht, Bern 2007, § 12 N 107. 39 Angesichts der Zunahme von nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern und entsprechend stärkerer Bindung der Partner, kann insofern u.E. nicht mehr ganz allgemein die "Verbrauchsgemeinschaft" als Regelfall bezeichnet werden, so noch Meier-Hayoz (FN 35), 581. Vgl. aber BGer vom 17.1.2008, 4A_441/2007, E. 6. 40 Hinten VI. 41 BGer vom 17.8.2010, 4A_320/2010, E. 4. 42 BGE 119 II 119, 122; BGE 105 II 204, 206 f. 43 Zu den Schulden zählen dabei auch Ansprüche der Partner auf Ersatz von Aufwendungen im Sinne von Art. 537 OR, vgl. BGer vom 17.12.2009, 4A_443/2009, E. 3. Ausdruckseite 8 von 15 Verwertung44. Gemäss der gesetzlichen Regelung über Gewinn- und Verlustbeteiligung (Art. 533 OR) ist ein allfälliger Überschuss des Gesellschaftsvermögens unter den Partnern als Gewinn zu verteilen (Art. 549 Abs. 1 OR), ein Fehlbetrag ist von ihnen als Verlust zu tragen (Art. 549 Abs. 2 OR)45. Der Gewinn besteht damit im Wesentlichen aus den am Ende der nichtehelichen Lebensgemeinschaft noch vorhandenen, in das Vermögen der Gesellschaft eingebrachten Beiträge i.e.S46. Es ist deshalb notwendig, nachfolgend die Abgrenzung der Beiträge i.e.S. von den Einlagen wie auch von anderen Leistungen der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu klären47. Gewinn oder Verlust sind zu gleichen Teilen zu tragen, es kann aber auch eine ungleiche Verteilung vereinbart werden (Art. 549 i.V.m. Art. 533 Abs. 1 OR)48. Auch hier kommt es also wiederum auf die (konkludente) Vereinbarung der Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als Parteien des Gesellschaftsvertrags an. VI. Gesellschaftsbeiträge als Auslöser von Ausgleichsansprüchen 1. Allgemeines zur Beitragspflicht Die Frage, ob bei der Trennung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft vermögensrechtliche Ausgleichsansprüche zwischen den Partnern im Sinn einer Teilung von Gewinn oder Verlust bestehen, hängt nach dem bisher Gesagten wesentlich davon ab, ob und in welchem Umfang die Partner Leistungen erbracht haben, die vom (konkludent) vereinbarten Zweck der einfachen Gesellschaft her als Gesellschaftsbeiträge qualifiziert werden können, die wiederum ins Gesellschaftsvermögen eingeflossen sind. Entscheidend ist dabei die Abgrenzung der Beiträge von Leistungen, die aus einem anderen Rechtsgrund erfolgt sind (bspw. Darlehen, Arbeitsvertrag), wie auch die Unterscheidung zwischen Einlagen und Beiträgen i.e.S49. Die Beitragspflicht ist in dem Sinn zwingend, als eine einfache Gesellschaft überhaupt nur vorliegt, wenn vereinbart wird, dass zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks Beiträge zu leisten sind (Art. 531 Abs. 1 OR)50. Im Kontext der nichtehelichen Lebensgemeinschaft stehen als Beiträge Sach-, Geld- und Arbeitsleistungen im Vordergrund (Art. 531 Abs. 2 OR). Gemäss Art. 531 OR sind die Beiträge in dem Umfang geschuldet, in welchem der Gesellschaftszweck es erfordert. Das Gesetz sieht dispositiv vor, dass die Beiträge paritätisch zu erbringen sind (Art. 531 Abs. 2 OR). Die Beitragsparität bezieht sich dabei sowohl auf vermögenswerte Beiträge wie auf Arbeitsleistungen, da Art. 531 Abs. 2 OR nicht sachlich gleiche, sondern nur gleichwertige Beiträge vorsieht51. Die Lehre geht davon aus, dass eine faktisch unterschiedlich hohe Beitragsleistung durch die Partner in der Regel als konkludente Vereinbarung einer abweichenden Regelung von der paritätischen Beitragspflicht interpretiert werden kann52. Damit werden mit Berufung auf die Vertragsfreiheit, die gerade in nahen Beziehungen oftmals 44 BGer vom 17.12.2009, 4A_443/2009, E. 3. Zur Abgrenzung zwischen Einlagen quoad usum und quoad dominium vgl. hinten VI.2. 45 Vgl. BGE 108 II 204, 212; BGE 109 II 228; BGer vom 19.12.2007, 4A_383/2007. 46 ZK-Handschin/Vonzun, Art. 533 OR N 32. Ein allfällig bei Liquidation noch vorhandenes Gesellschaftsvermögen setzt sich namentlich aus den Beitragsleistungen, den Ersatzanschaffungen aus den Mitteln des Gesellschaftsvermögens und Wertvermehrungen, die auf dem Gesellschaftsvermögen gründen, zusammen, vgl. Bietenharder-Künzle (FN 9), 72. 47 Dazu gleich hinten VI. 48 Zu den Einschränkungen der vertraglichen Abreden vgl. Art. 533 Abs. 2 und 3 OR. 49 Dazu gleich hinten VI. 2. 50 ZK-Handschin/Vonzun, Art. 531 OR N 1; BSK-Handschin, Art. 531 OR N 1, BKFellmann/Müller, Art. 531 OR N 63, m.w.Nachw.; Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 38), § 12 N 36. 51 ZK-Handschin/Vonzun, Art. 531 OR N 41. 52 Ausführlich hierzu Bietenharder-Künzle (FN 9), 65 ff.; Meier-Hayoz (FN 35), 581. Ausdruckseite 9 von 15 eine Fiktion ist, auch ungleiche Vereinbarungen geschützt. Erschwerend kommt hinzu, dass das Verhältnis der Beiträge dort, wo sich vermögenswerte Leistungen und unbezahlte Arbeit gegenüberstehen, oftmals schwieAJP 2012 S. 33, 39 rig zu berechnen ist, da der Wert von Haushalts- und Betreuungsarbeit umstritten ist und oftmals zu tief angesetzt wird53. Zudem ändert sich das individuelle Gerechtigkeitsempfinden oftmals bei der Auflösung der Gemeinschaft und die während dem Bestehen der Beziehung erbrachten (vermögensmässigen) Beiträge werden im Nachhinein als Einlagen und nicht als Gesellschaftsbeiträge54 und somit nicht als Gesellschaftsvermögen betrachtet55. 2. Geld- und Sachleistungen Vermögenswerte Beiträge der Gesellschafter können die verschiedenartigsten Formen annehmen56, in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft stehen Sach- und Geldleistungen im Vordergrund. Sachleistungen, die typischerweise in Lebensgemeinschaften erbracht werden, sind das Zurverfügungstellen von Wohneigentum, von Mobiliar für die Wohnungseinrichtung oder eines Autos für die gemeinsame Benutzung. Regelmässig werden auch Geldleistungen erbracht, die dem Unterhalt dienen, eine gegenseitige Unterhaltspflicht besteht jedoch nicht57. Geld- und Sachleistungen der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft können auch aus einem anderen Rechtsgrund erfolgen als aufgrund des Gesellschaftsvertrags. Es ist deshalb zunächst festzustellen, ob es sich bei derartigen Leistungen um Gesellschaftsbeiträge oder um Leistungen in Erfüllung eines zwischen den Lebenspartnern bestehenden Vertrags anderer Natur, z.B. eines Darlehens, Kaufvertrags, Untermietvertrags oder Arbeitsvertrags, handelt 58. Sodann sind Beiträge i.e.S. und Einlagen zu unterscheiden: Beiträge i.e.S. werden im Hinblick auf die Verfolgung des gemeinsamen Zwecks erbracht und sind damit eigentlich "à-fonds-perdu-Beiträge". Was nicht verbraucht wird, wird im Moment der Liquidation als Gewinn verteilt. Besteht der Beitrag in der Leistung eines Vermögenswerts, der nach der Auflösung der Gesellschaft an das leistende Mitglied zurückzuerstatten ist, liegt eine Einlage vor59. Es kommt auf die jeweilige (konkludente) Vereinbarung an, was in Bezug auf den jeweiligen Vermögenswert gilt60 . 53 Vgl. Margrith Bigler-Eggenberger, Justitias Waage - wagemutige Justitia? Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Gleichstellung von Frau und Mann, Basel 2003, Rz. 406 ff.; Bundesamt für Statistik, Arbeitsplatz Haushalt: Zeitaufwand für Haus- und Familienarbeit und deren monetäre Bewertung, Neuenburg 2006; Dass., Unbezahlt aber trotzdem Arbeit, Zeitaufwand für Haus- und Familienarbeit, Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und Nachbarschaftshilfe, Neuenburg 1999, 15 ff., 28 ff. 54 Zu dieser Unterscheidung sogleich hinten. 55 Vgl. etwa BGer vom 29.2.2008, 4A.482/2007 und BGE 108 II 204; vgl. auch Meier-Hayoz (FN 35), 581, FN 14. 56 Die Aufzählung des Art. 531 Abs. 1 OR ist nicht abschliessend, vgl. ZK-Handschin/Vonzun, Art. 531 OR N 3 m.w.Nachw.; Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 38), § 12 N 39. 57 Meier-Hayoz (FN 35), 581; Heinz Hausheer/Thomas Geiser/Regina E. Aebi-Müller, Das Familienrecht des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, 4. A., Bern 2010, Rz. 03.47 ff. 58 Hausheer/Geiser/Aebi-Müller (FN 57), Rz. 03.20 ff. 59 Vgl. ZK-Handschin/Vonzun, Art. 531 OR N 9 ff. m.w.Nachw., die bei den Beitragsleistungen (i.w.S.) zwischen Beiträgen i.e.S. (N 20) und Einlagen (N 10 ff.) unterscheiden, a.A. BKFellmann/Müller, Art. 531 OR N 13, die diese Differenzierung nicht treffen. 60 ZK-Handschin/Vonzun, Art. 531 OR N 9, 13, 21 f. Ausdruckseite 10 von 15 Von der Differenzierung zwischen Beiträgen i.e.S und Einlagen ist die dingliche Zugehörigkeit von Vermögenswerten zu unterscheiden: Differenziert wird zwischen der Einbringung zum Gebrauch (quoad usum) auf der einen und der Einbringung zu Eigentum (quoad dominium) auf der anderen Seite. Bei der Einbringung quoad usum verbleibt das Eigentum beim einbringenden Gesellschafter und es besteht ein klarer Zusammenhang zur Frage der Beitragsleistung gemäss Art. 531 Abs. 1 OR: Bei der Einbringung zum Gebrauch besteht der Beitrag i.e.S. nur im Gebrauchswert der Sache61. Bei Liquidation der Gesellschaft fällt die eingebrachte Sache an den Gesellschafter zurück, in dessen Eigentum sie geblieben ist 62. Ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft eine reine Verbrauchsgemeinschaft, werden die eingebrachten Vermögenswerte i.d.R. quoad usum eingebracht63. Überträgt ein Partner der Gesellschaft aber eine Sache zu Eigentum (quoad dominium), kommt es auf die Vereinbarung an, ob die Sache als Beitrag i.e.S. ins Gesellschaftsvermögen eingeht, oder ob sie als blosse Einlage nach Auflösung der einfachen Gesellschaft zurückerstattet werden soll64. Bei Einlagen, die in Form der Einbringung quoad dominium eingebracht wurden, besteht kein dinglicher Anspruch auf Rückgabe der Sache, sondern nur ein obligatorischer Anspruch entsprechend dem Wert der Sache im Zeitpunkt der Einlage. Ein dinglicher Anspruch kann aber AJP 2012 S. 33, 40 vereinbart werden65. Falls sich die Gesellschafter über eine Naturalteilung nicht einig sind, sind die Vermögenswerte zu versilbern 66. Für die Übertragung von Vermögenswerten auf die Gesellschaft sind die Regeln des Kaufvertrags analog anwendbar (Art. 531 Abs. 3 OR), d.h. es sind insbesondere die Formvorschriften für die Übertragung von Grundeigentum zu beachten67. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die dingliche Berechtigung an einzelnen Vermögenswerten dann nicht von Bedeutung ist, wenn es sich um eine stille Gesellschaft handelt: In der stillen Gesellschaft tritt im Aussenverhältnis nur eine Einzelperson auf68. Dies gilt insbesondere für die Berechtigung an den Sachen, die zum Gesellschaftsvermögen zu zählen sind: Während beim Normaltypus der einfachen Gesellschaft an diesen Gesamteigentum besteht69, ist bei der stillen Gesellschaft oder Innengesellschaft einer der Gesellschafter Alleineigentümer70. Bei der Auflösung findet keine eigentliche Liquidation statt, es entstehen aber obligatorische Ansprüche des stillen Gesellschafters auf seinen Anteil am Gewinn, oder umgekehrt gegen den stillen Gesellschafter im Fall eines Gesellschaftsverlusts71. 61 Vgl. BGE 105 II 204, 207 f. 62 BGE 105 II 204, 208. 63 Büchler (FN 1), 59. Ebenso kann der Gesellschaft eine Sache auch bloss "dem Werte nach" (quoad sortem) überlassen werden: Mit dieser Art der Einbringung soll der Gesellschaft der volle wirtschaftliche Wert des Vermögenswerts, der sozusagen nur als Beitragsträger fungiert, zur Verfügung gestellt werden, ohne diesen formell auf sie zu übertragen, vgl. ZKHandschin/Vonzun, Art. 531 OR N 86. 64 ZK-Handschin/Vonzun, Art. 531 OR N 9, 13, 21 f. 65 Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 38), § 12 N 88. 66 Die Versilberung erfolgt durch freihändigen Verkauf oder auf dem Weg der Versteigerung, Art. 654 Abs. 2 i.V.m. Art. 651 ZGB. 67 Vgl. BGE 105 II 204, 207 f. 68 ZK-Handschin/Vonzun, Art. 530 OR N 99. 69 Art. 652-Art. 654 ZGB; Meier-Hayoz (FN 35), 583; Rolf H. Weber, § 6 Sachenrecht, in: Richard Frank u.a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, Zürich 1984, Rz. 32. 70 Ueli Sommer, Die stille Gesellschaft, Diss. Zürich 2000, 67; Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 38), § 15 N 15 f. 71 Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 38), § 15 N 48. Ausdruckseite 11 von 15 Die Bildung einer stillen Gesellschaft durch die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wurde in einem Entscheid des Bundesgerichts aus dem Jahr 2007 angenommen72: Ein kinderloses Paar hatte ein Haus in Frankreich gekauft, wobei der Mann den weit überwiegenden Teil des Kaufpreises übernahm, das Haus aber dem Alleineigentum der Frau übertragen wurde. Das Bundesgericht nahm eine einfache Gesellschaft in der Form einer stillen Gesellschaft an, was zur Folge hatte, dass der Mann einen obligatorischen Anspruch aus Gesellschaftsrecht auf die Hälfte des Werts der Liegenschaft erhielt. Damit erhielt er nicht die ganze Investition in das Haus zurückerstattet, sondern nur einen Teil davon. Mangels anderer Abrede sei von einer Aufteilung des Gesellschaftsvermögens zu gleichen Teilen ohne Ansehen der geleisteten Beiträge auszugehen73. 3. Arbeitsleistungen Von grosser praktischer Bedeutung ist sodann die Qualifizierung von Arbeitsleistungen für die Lebensgemeinschaft. Für die Abgrenzung von Leistungen aus anderem Rechtsgrund kommt es auf die Auslegung der Vereinbarungen der Parteien an: Es kann sich zum einen um einen Beitrag im Rahmen der Beitragspflicht handeln, der durch Aussicht auf Gewinn oder sonstige Vorteile, wie insbesondere das Erreichen des Gesellschaftszwecks entschädigt wird. Art. 537 Abs. 3 OR legt dementsprechend fest, dass für persönliche Bemühungen kein Anspruch auf eine besondere Vergütung entsteht, sofern keine andere Abrede getroffen wurde74. Ein Ausgleich geschieht aber darüber, dass die Vermögenswerte, die einem Partner zugefallen sind, zu deren Bildung der andere mit seiner Arbeit beigetragen hat, ohne dass er nominell seinem Beitrag entsprechend an diesen Vermögensbestandteilen beteiligt ist, zum Gesellschaftsvermögen gezählt und damit ausgeglichen werden75. Es kann sich zum anderen aber um eine Arbeitsleistung im Rahmen eines separat vereinbarten Arbeits- oder Auftragsverhältnisses handeln, das entsprechend einen Anspruch auf Entschädigung vermittelt76. Seit 198377 wird in ständiger Rechtsprechung78 bejaht, dass auch in einer Lebensgemeinschaft ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werden kann, wobei in Ermangelung eines förmlichen Vertrages gegebenenfalls auch die arbeitsvertragliche Abschlussvermutung nach Art. 320 Abs. 2 OR zur Anwendung gelangen kann 79. AJP 2012 S. 33, 41 a. Mitarbeit im Betrieb des Partners oder im gemeinsamen Betrieb Ein Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zeigt, dass einer der häufigsten Anwendungsfälle für das Recht der einfachen Gesellschaft bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften die Frage der Ausgleichsansprüche aufgrund der Mitarbeit im Betrieb des Partners darstellt. Es hängt wesentlich von den tatsächlichen Feststellungen der Gerichte ab, ob Arbeitsvertragsrecht oder die Regeln der einfachen Gesellschaft zur 72 BGer vom 19.12.2007, 4A_383/2007, E. 3; vgl. auch BGer vom 12.10.2007, 4C_195/2006. 73 Anders die Lehre: Bei der stillen Gesellschaft sei bei Fehlen einer Abrede die Gewinn- und Verlustbeteiligung nach den Regeln der Kommanditgesellschaft (Art. 601 Abs. 2 OR) durch das Gericht festzusetzen, vgl. Meier-Hayoz/Forstmoser (FN 38), § 15 N 27; Sommer (FN 70), 119 ff. 74 Ein Ersatzanspruch ist nur für allfällige Auslagen und Verwendungen gegeben, nicht für Arbeitsleistungen. Vgl. Rolf H. Weber, § 11 Arbeitsleistungen, in: Richard Frank u.a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft (Konkubinat) im schweizerischen Recht, Zürich 1984, Rz. 48. 75 BGE 109 II 228, 231; ZK-Handschin/Vonzun, Art. 537 OR N 48. 76 Vgl. BGE 130 V 553, 557 f. 77 BGE 109 II 228, 229 f. 78 Zur älteren Rechtsprechung vgl. Thomas Geiser, Die eheähnliche Lebensgemeinschaft in der neueren Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichts, in: Albin Eser (Hrsg.), Die nichteheliche Lebensgemeinschaft, Paderborn 1985, 47, 56 ff. 79 BGE 130 V 553, 557 f. Ausdruckseite 12 von 15 Anwendung kommen. Je nach Erfolg des Unternehmens ist die eine oder die andere Lösung für die arbeitsleistende Partei günstiger. Das Beispiel des Bundesgerichtsentscheids aus dem Jahr 1983 macht dies deutlich: Es ging um die Ansprüche einer Frau, die in Pension und Hotel ihres Lebenspartners unentgeltlich mitgearbeitet hatte. Es wurde dargelegt, dass beide Partner den wirtschaftlichen Erfolg der Gemeinschaft erstrebt und gemeinsam auf dieses Ziel hingearbeitet hätten, weshalb Gesellschaftsrecht angewendet werden müsse. Dementsprechend bestehe ein Gewinnanteilsrecht auch des nur Arbeit einwerfenden Partners. Für die im Betrieb des Partners mitarbeitende Frau war im Ergebnis der Anteil am Gewinn jedoch tiefer als ein angemessener Lohn in einem entsprechenden Arbeitsverhältnis80. Anders sah es in einem bereits erwähnten unpublizierten Entscheid des Bundesgerichts aus dem Jahr 2010 aus: In diesem Fall ging das Bundesgericht davon aus, dass die nichteheliche Lebenspartnerin in der gemeinsamen Bäckerei-Konditorei gleichzeitig Arbeitnehmerin und Gesellschafterin war. So war der "Lohn" der Klägerin für die Arbeit im Unternehmen des Beklagten nicht nach deren Leistung, sondern mit Rücksicht auf das Unternehmen und sozialversicherungsrechtliche Aspekte festgesetzt worden, woraus das Bundesgericht ableitete, dass die Parteien die eigene Rechtsstellung einem gemeinsamen Zweck untergeordnet hätten. Die Partnerin hatte entsprechend Anspruch sowohl auf die (allerdings sehr bescheiden ausgefallene) Entlöhnung gemäss Arbeitsvertrag und auf hälftigen Anteil am Gewinn, der in diesem Fall beträchtlich war81. In einem unpublizierten Entscheid aus dem Jahr 2007 ging es um ein Paar, das während 15 Jahren kinderlos zusammenlebte und wo die Frau in der Aktiengesellschaft des Partners, die sich mit dem Handel von Motorfahrzeugen beschäftigte, mitarbeitete, aber selbst keine Aktien daran hielt. Aus den gesamten Umständen schloss das kantonale Obergericht, dass zwischen den Parteien der Wille bestand, die Partnerin am gesamten erwirtschafteten Vermögen zu beteiligen. Das Bundesgericht hatte an dieser Beurteilung nichts zu beanstanden82. b. Haushalts- und Kinderbetreuungsarbeit Fragen des Ausgleichs stellen sich auch, wenn die Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine klassische Rollenverteilung leben und die Haushalts- und Kinderbetreuungsarbeit einseitig übernommen wird. Die Anwendung von Arbeitsvertragsrecht wird hier von der Lehre ausgeschlossen, da es an der Erwartung einer Vergütung und am Unterordnungsverhältnis, das für die Annahme eines Arbeitsvertrags notwendig wäre, fehle83. Es fragt sich, ob das Recht der einfachen Gesellschaft einen Ausgleich schaffen kann. Die Lehre nimmt an, dass Haushalts- und Kinderbetreuungsarbeit eine mögliche Leistung im Rahmen der Beitragspflicht ist84. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts ist uneinheitlich: Während das höchste Gericht in Entscheiden von 1982 und 2007 in allgemeinen Ausführungen davon ausging, dass das Verrichten von Haushaltarbeiten 80 BGE 109 II 228 ff. 81 BGer vom 17.8.2010, 4A_320/2010. Der Entscheid steht im Widerspruch zu den Stimmen in der Lehre, die nur im Fall einer untergeordneten Hilfeleistung von einem Arbeitsverhältnis ausgehen wollen, vgl. Dussy (FN 35), 106 f.; vgl. auch Weber (FN 74), Rz. 8 ff.; Pulver (FN 4), 62 ff. 82 BGer vom 12.10.2007, 4C_195/2006, E. 2.4. 83 Vgl. Büchler (FN 1), 75 f. m.w.H; Aebi-Müller/Widmer (FN 27), Rz. 35 f.; Weber (FN 74), Rz. 37 f.; Bietenharder-Künzle (FN 9), 89 f.; differenzierter Pulver (FN 4), 66; sowie BGer 4C_89/1999, FamPra.ch 2000, 151, 153. 84 Vgl. Weber (FN 74), Rz. 40 ff.; Dussy (FN 35), 86 f.; Ivan Cohen, Des prétentions patrimoniales à la fin de l’union libre (concubinage), SJ 1980, 337 ff., 341; Georg Messmer, Die Rechtslage in der Schweiz, in: Richard Frank u.a. (Hrsg.), Die eheähnliche Gemeinschaft in Gesetzgebung und Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland, Österreichs und der Schweiz, Drängen sich Massnahmen auf?, Basel 1986, 63; Helen Marty-Schmid, La situation patrimoniale des concubins à la fin de l’union libre: étude des droits suisse, français et allemand, Diss., Lausanne 1986, 378 f.; Patrick M. Hoch, Auflösung und Liquidation der einfachen Gesellschaft, Diss., Basel 2000, 194; Büchler (FN 1), 75 f. Ausdruckseite 13 von 15 ein Gesellschaftsbeitrag sein könne85, versagte es in einem Entscheid aus dem Jahr 2008 der haushaltführenden Partnerin jeglichen Rechtsschutz: Hier ging es um zwei russische Staatsangehörige, die zuletzt im Kanton Genf wohnhaft waren. Die beiden blieben aus religiösen Gründen unverheiratet, da der Mann geschieden war. Die Partnerin hatte nach der Geburt des gemeinsamen SohAJP 2012 S. 33, 42 nes ihre Erwerbstätigkeit als Ingenieurin aufgegeben und kümmerte sich fortan um Haushalt und Kinderbetreuung. Als der Sohn 16 Jahre alt war, trennte sich der Mann von seiner Partnerin. Der Mann war Eigentümer des gemeinsam bewohnten Hauses und des Mobiliars und hatte darüber hinaus Vermögen angespart 86. Das Bundesgericht hielt die Auslegung der Vorinstanz für zutreffend, dass es sich um eine reine Verbrauchsgemeinschaft handle, mit dem Gesellschaftszweck der Befriedigung der gemeinsamen Bedürfnisse im Rahmen des gemeinsamen Haushalts. Diese Auslegung überzeugt nicht, was im Folgenden darzulegen sein wird. Da die objektivierte Auslegung der Willenserklärungen eine Rechtsfrage ist, hätte sie vom Bundesgericht überprüft und korrigiert werden können87. Die Auslegung der Übereinkunft nach dem Vertrauensprinzip legt ein anderes Resultat nahe: Wenn wie in casu in einer 18 Jahre dauernden Lebensgemeinschaft die Partnerin während 16 Jahren auf jegliche Erwerbstätigkeit zugunsten von Haushaltsführung und Kinderbetreuung verzichtet und der Partner während dieser ganzen Zeit den vollen Lebensunterhalt der Partnerin (und des Kindes) bestreitet, dann scheint es offensichtlich, dass der Gesellschaftszweck auch den wirtschaftlichen Erfolg der Gemeinschaft umfasste88. Mit der Übernahme von Haus- und Kinderbetreuungsarbeit ordnete sich die Partnerin dem Gesellschaftszweck unter und ermöglichte ihrem Partner das berufliche Fortkommen. Hätte er seinen Anteil an der Haushalts- und Kinderbetreuungsarbeit wahrnehmen müssen, hätte er sein Arbeitspensum reduzieren müssen und entsprechend weniger Einkommen erzielt89. Insofern trugen beide Parteien zum wirtschaftlichen Erfolg der Gemeinschaft bei und waren vom Beitrag des anderen abhängig. Ein Vergleich mit der Auslegung der konkludenten Willenserklärungen in den Fällen der Mitarbeit in der Pension90 respektive in der Aktiengesellschaft91 des Partners drängt sich auf. In diesem Kontext stellte das Bundesgericht fest, dass das Gesellschaftsrecht einen Auseinandersetzungsanspruch für Fälle begründe, wo während des Zusammenlebens einem Partner Vermögenswerte zugefallen sind, zu deren Bildung der andere mit seiner Arbeit beigetragen hat, ohne dass er nominell seinem Beitrag entsprechend an diesen Vermögensbestandteilen beteiligt war92. Auch die haushaltführende und kinderbetreuende Partei trägt nach dem Gesagten zur Vermögensbildung des erwerbstätigen Partners bei und ist am Gesellschaftsgewinn zu beteiligen. Die Gleichbehandlung von Haus- und Betreuungsarbeit mit der Arbeit im Betrieb des Partners ergibt sich aus dem Prinzip der Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV), das gebietet, Gleiches nach Massgabe seiner Gleichheit gleich, Ungleiches nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich zu behandeln. Was gleich und was ungleich ist, muss aufgrund einer wertenden Beurteilung festgestellt werden, die durchaus auch 85 BGE 108 II 204, 208 f.; BGer vom 12.10.2007, 4C_195/2006, E. 2.4.1. 86 BGer vom 17.1.2008, 4A_441/2007. 87 Vgl. statt vieler BGE 133 III 61, 67 m.w.Nachw. 88 So für vergleichbare faktische Konstellationen Dussy (FN 35), 86 f., offen gegenüber dieser Argumentation auch Büchler (FN 1), 59, 80 f., insb. FN 70. 89 Alexandra Rumo-Jungo, Kindesunterhalt und neue Familienstrukturen, in: Alexandra RumoJungo/Pascal Pichonnaz (Hrsg.), Kind und Scheidung, Bern 2006, 1 ff., 16. 90 BGE 109 II 228 ff. 91 BGer vom 12.10.2007, 4C_195/2006. 92 BGE 109 II 228, 231. Ausdruckseite 14 von 15 zeitlichem Wandel unterliegen kann93. Im vorliegenden Kontext kann auf klare und etablierte Wertungen zurückgegriffen werden, die der schweizerischen Rechtsordnung spätestens seit dem neuen Eherecht von 1988 zugrunde liegen, wonach Haus- und Betreuungsarbeit als den finanziellen Beiträgen an den gemeinsamen Haushalt gleichwertig behandelt wird94. Die Reduktion auf eine reine Verbrauchsgemeinschaft im konkreten, vom Bundesgericht zu beurteilenden Fall hat im Weiteren zur Folge, dass davon ausgegangen wird, dass das Mobiliar und das gemeinsam bewohnte Haus als Alleineigentum des Mannes zu betrachten seien, welches er quoad usum eingebracht habe und entsprechend bei der Auflösung zurücknehmen könne. Das angesparte Vermögen des allein erwerbstätigen Partners sei nicht vom Gesellschaftszweck erfasst. Entsprechend habe es auch keinen Gewinn gegeben, der hätte verteilt werden können95 . Diese Argumentation ist ebenfalls wenig überzeugend. Wie bereits vorne dargelegt wurde, ist die dingliche Zugehörigkeit für die Frage des Vorliegens eines Gesellschaftsgewinns nicht massgeblich96. So hätte auch hier, wie im Fall des im Alleineigentum der Partnerin stehenden Grundeigentums97, eine stille Gesellschaft angenommen werden können98. Es hätte dabei festgestellt werden müssen, welche Anteile am Wohneigentum und AJP 2012 S. 33, 43 am gesparten Vermögen des Mannes in Erfüllung des Gesellschaftszwecks erwirtschaftet wurden und deshalb der Gewinnverteilung unterlagen. VII. Fazit Abschliessend stellt sich die Frage, ob das Recht der einfachen Gesellschaft bezüglich der eingangs gestellten Sachfragen befriedigende Lösungen bietet. In Bezug auf die Mitarbeit im Betrieb der Partnerin oder des Partners oder die Führung eines gemeinsamen Betriebs, wie auch den Erwerb von gemeinsamem Wohneigentum, vermittelt das Recht der einfachen Gesellschaft wenigstens einen Ausgleichsanspruch, wenn auch die dispositive Norm der hälftigen Gewinn- oder Verlustbeteiligung je nach Konstellation zu unbefriedigenden Resultaten führen kann, die nicht den ausgewogenen Lösungen des ordentlichen Güterstands der Errungenschaftsbeteiligung im Eherecht entsprechen. Es lässt sich zudem feststellen, dass je nach den tatsächlichen Feststellungen der Gerichte in Bezug auf die im konkreten Fall getroffene Vereinbarung, insbesondere in Bezug auf den Umfang des Gesellschaftszwecks und die Natur der Leistungen der Partner, ein sehr weitgehender Ausgleich stattfindet oder dieser vollständig ausbleibt. Es besteht diesbezüglich eine grosse Rechtsunsicherheit. Das bundesgerichtliche Versprechen der Gewährung von Rechtsschutz99 wird aber gerade in der nach dem allgemeinen Gerechtigkeitsempfinden besonders nach Ausgleich rufenden Situation der einseitigen Übernahme von Haushalts- und Kinderbetreuungsarbeit nicht eingelöst. Dass der haushaltführenden Partnerin in langjährigen Partnerschaften mit Kindern jeglicher Rechtsschutz versagt wird, erscheint als stossend, und es ist diesbezüglich auf eine Korrektur der Rechtsprechung zu hoffen. Auch eine verfassungskonforme Auslegung des Gesellschaftsrechts greift aber nur, wenn überhaupt im konkreten Fall der Teilung zugängliche Vermögenswerte vorhanden sind. Auch kann sie nur einen Ausgleich für die Vergangenheit schaffen. Es bleibt das Problem des Fehlens eines nachpartnerschaftlichen Unterhalts zum Ausgleich partnerschaftsbedingter Nachteile. Der Anspruch auf Unterhalt lässt sich laut der 94 Botschaft des Bundesrates über die Änderung des ZGB (Wirkungen der Ehe im allgemeinen, Ehegüterrecht und Erbrecht) vom 11. Juli 1979, BBl 1979 II 1191, 1251. 95 BGer vom 17.1.2008, 4A_441/2007, E. 6. 96 Vgl. IV.2. 97 BGer vom 19. Dezember 2007, 4A_383/2007, E. 3. 98 Vgl. auch Dussy (FN 35), 87 f. 99 BGE 108 II 204, 206. Ausdruckseite 15 von 15 überwiegenden Lehre nicht aus den gesellschaftsrechtlichen Regeln ableiten, da mit der Auflösung der Gesellschaft auch der gemeinsame Wille zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks nicht mehr besteht und der vorausgesetzte Gemeinschaftsbezug fehlt. Die zuvor bestehende, nur beschränkte finanzielle Mitverantwortung fällt mit der Liquidation gänzlich weg100. Das Bundesgericht hat diese Meinung nunmehr bestätigt 101. Eine gesetzgeberische Lösung erscheint deshalb als dringend notwendig102. Nicht zuletzt wird durch das Fehlen eines nachpartnerschaftlichen Unterhaltsanspruchs Art. 2 UNKRK verletzt, der die Diskriminierung von "nichtehelichen" Kindern verbietet103: Lebt das Kind nach der Trennung mit dem Elternteil zusammen, der partnerschaftsbedingte Einkommenseinbussen zu gewärtigen hat104, ist es nämlich indirekt von dem im Vergleich zu einer Nachscheidungsfamilie tieferen Lebensstandard betroffen105. Vorbild könnte die Regelung in Neuseeland und Australien sein, wo Lebensgemeinschaften, die lange dauern oder in denen Kinder vorhanden sind, bei der Auflösung vermögensrechtlich weitgehend wie die Ehe behandelt werden106. Solange aber eine gesetzliche Regelung noch fehlt, sind explizite Vereinbarungen in einem Partnerschaftsvertrag dringend zu empfehlen. 100 Aebi-Müller/Widmer (FN 27), Rz. 62; Hausheer/Geiser/Aebi-Müller (FN 57), Rz. 03.28 ff.; Dussy (FN 35), 46 ff.; Bietenharder-Künzle (FN 9), 36 ff.; a.A. Pulver (FN 4), 16, 55; Ingeborg Schwenzer, Vom Status zur Realbeziehung. Familienrecht im Wandel, Baden-Baden 1987, 173. 101 BGer vom 17.1.2008, 4A_441/2007, E. 4. 102 Vgl. BGE 135 III 59, 63; Rumo-Jungo (FN 24), 1, 20; Ingeborg Schwenzer/Isabelle Egli, Betreuungsunterhalt - Gretchenfrage des Unterhaltsrechts, FamPra.ch 2010, 18 ff., 32; Büchler (FN 1), 84 ff. Die verfassungsrechtliche Lehre geht zwar davon aus, dass sich aus Art. 8 oder 14 BV keine Pflicht ergibt, die nichteheliche Lebensgemeinschaft gesetzlich zu regeln, vgl. MarieLaure Papaux van Delden, Le droit au mariage et la famille, FamPra.ch 2011, 321 ff., 339 m.w.Nachw. Ein Regelungsverbot ergibt sich daraus aber nicht. 103 Das Diskriminierungsverbot von "nichtehelichen" Kindern ist ebenso in Art. 8 Abs. 2 BV und Art. 8 i.V.m. Art. 14 EMRK verankert; vgl. Jörg Paul Müller/Markus Schefer, Grundrechte in der Schweiz, Bern 2008, 728, m.w.Nachw.; Bernhard Waldmann, Das Diskriminierungsverbot von Art. 8 Abs. 2 BV als besonderer Gleichheitssatz, Bern 2003, 335, 748, 755; Bernhard Pulver, L’interdiction de la discrimination: étude de l’article 8 alinéa 2 de la Constitution fédérale du 18 avril 1999, Basel 2003, Rz. 261. 104 Im dem der Entscheidung BGer vom 17.1.2008, 4A_441/2007 zugrunde liegenden Fall lebte das Kind dagegen nach der Trennung beim vermögenden Vater. 105 Büchler (FN 1), 84; Ingeborg Schwenzer, Die UN-Kinderrechtskonvention und das schweizerische Recht, AJP/PJA 2004, 817 ff., 819. 106 Cottier/Aeschlimann (FN 11), 119 ff.