Die große Schuh-Show - virtualshoemuseum.com

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Die große Schuh-Show - virtualshoemuseum.com
KULTUR
Seite 12
Mittwoch, 23. Januar 2013
Handschriften-Kauf
Haussmann-Kopie
Schelling
riecht Rauch
Bach-Porträt
kehrt nach
Leipzig zurück
Schaukelnde Schuhe: „Rocking Chair von
Kobi Levi (2003, Leder, Kork, Synthetik).
GLiteratur
und Film: Donnerstag, 19.30 Uhr,
Haus des Buches, Gerichtsweg 28, der Eintritt
ist frei. Der Autor und Redakteur Thomas Fritz
wird in Hanekes Werk einführen.
„Geraubte Mitte“ im
Berliner Stadtmuseum
Berlin (epd). Das Berliner Stadtmuseum
erinnert in diesem Jahr mit vier Ausstellungen an die Zeit des Nationalsozialismus. 80 Jahre nach Machtübernahme solle mit der Präsentation
„Geraubte Mitte“ an die Enteignung jüdischen Grundbesitzes im Berliner Zentrum erinnert werden, sagte gestern
Generaldirektorin Franziska Nentwig.
Das Haus gehöre damit zu den tragenden Säulen des Berliner Themenjahres
„Zerstörte Vielfalt 1933–1945“. Das
Programm umfasst mehrere hundert
Projekte, Ausstellungen, Konzerte und
Diskussionsrunden.
Christo verpackt
in Oberhausen Luft
Oberhausen (epd). Der Gasometer in
Oberhausen beherbergt nach 14 Jahren wieder ein Werk von Christo. Dort
wird in diesem Jahr aus speziell gefertigtem Stoff die zeitweilig größte freitragende Skulptur, das „Big Air Package“ (großes Luftpaket), der Welt
entstehen. Die sieben Stoffrollen für
20 350 Quadratmeter Gewebefläche
sind gemeinsam mit den benötigten
viereinhalb Kilometern Seil am Montag
in Oberhausen eingetroffen. Vom 16.
März bis 30. Dezember wird die per
Gebläse aufgerichtete Skulptur im Gasometer zu besichtigen sein.
KULTUR KOMPAKT
Das Lustspiel „Der geduldige Sokrates“ von
Georg Philipp Telemann steht am Samstag
an der Oper Halle als erste Premiere des
neuen Jahres auf dem Programm. Regie
führt Opernhauschef Axel Köhler.
Das Gesamtwerk des Theaterautors Frank
Wedekind (1864–1918) liegt jetzt in 15 Bänden vor (Darmstädter Media-Verlag Jürgen
Häusser). Nach mehr als 20 Jahren Forschung ist es die erste historisch-kritische
Ausgabe, befreit von Zensur etwa aus der
Zeit Wilhelms II..
in Zusammenarbeit mit ihr. Ihres Wissens sei es die erste umfassende Schau
dieser Art in einem Museum für Angewandte Kunst überhaupt, freut sich die
Museumsdirektorin. Kollegen, die Leihgaben für die Schau zur Verfügung stellten, hätten sich geärgert, nicht selbst auf
die Idee gekommen zu sein, so Hoyer.
Das Ausstellungskonzept 2013 steht
keineswegs nur auf Schuhen. Weitere
Expositionen beschäftigen sich mit Produktdesign des 20. und 21. Jahrhunderts
(16. April bis 14. Juli), Kunsthandwerk
zur Zeit der Völkerschlacht („Kanonenknall und Hausidyll“, 23. Juli bis 20. Oktober) sowie deutscher und internationaler Studiokeramik seit 1946 („Gefäß und
Skulptur II“, 17. November bis 23. März
2014) Die Grassimesse findet in diesem
Jahr vom 25. bis 27. Oktober statt.
2012 stand im Zeichen der Vollendung
des dritten Rundgangs. Mit fast 73 000
kamen noch nie so viele Besucher seit
der Wiedereröffnung am Johannisplatz
im Dezember 2007. Im Vergleich zum
Vorjahr ist das ein Zuwachs von rund 25
Prozent. Allein bei der Klimatechnik
hakt es noch. „Es ist im Winter an einigen Tagen mit 18 Grad zu kalt gewesen,
da haben wir für unsere Gäste Decken
bereitgehalten“, berichtet Hoyer. Dem-
auch Exemplare, in denen bereits Lady
Gaga und Beyoncé Knowles durch Musikvideos gestöckelt sind. Insgesamt rund
150 Leihgaben aus aller Welt werden gezeigt. Beteiligt sind unter anderem Designer wie Keith Haring, Zaha Hadid, Sol
Alonso oder Abel Bazan.
Es gehe nicht um vordergründige Publikumswirksamkeit,
erklärt
Hoyer.
„Schuhe sind ein großes Design-Thema.“
Allein die verwendeten Materialien zeigen, dass es in der Tat mehr um Kreativität als Chic, mehr um den Schuh als
Kunstobjekt und zu formende Skulptur
geht: Verwendet werden neben Leder
und Textil Keramik, Holz, Glas und Papier. Ein britischer Designer verarbeitet
Leder, Perlen und Elefanten-Dung. Von
A nach B dürfte man mit diesem und anderen Exponaten eher nicht kommen,
dafür vielleicht zum Nachdenken über
Produktionsmethoden zum Beispiel.
Der Schuh-Coup war mehr oder weniger ein Zufallsprodukt. Bei einer Recherche im Internet war Sabine Epple, Kuratorin für Moderne, auf das virtuelle
Schuh-Museum der Niederländerin Liza
Snook gestoßen. Seit 2005 zeigt sie auf
www.virtualshoemuseum.com einen witzig-bizarren Kosmos, ein etwas anderes
Schuhgeschäft. Die Ausstellung entstand
Ein deutliches Besucherplus, ein
Sammlungszuwachs um fast 1300 Positionen durch Ankäufe und Schenkungen: Im Grassimuseum für Angewandte Kunst blickte man bei der gestrigen
Pressekonferenz zufrieden zurück –
und nach vorn: Höhepunkt 2013 ist
eine große Design-Schau zum Thema
Schuhe. Weiter ausgebaut wird die
Kinder- und Jugendarbeit.
Von JÜRGEN KLEINDIENST
In der Rhetorik nennt man so etwas
„Einwandvorwegnahme“: „Viele haben
uns unterstellt, wir würden uns selbst einen Wunsch erfüllen“, sagt Eva Maria
Hoyer, Direktorin des Grassimuseums für
Angewandte Kunst. Tatsächlich lächelt
sie mehr als nur zufrieden, wenn sie über
die Ausstellung „Starker Auftritt“ spricht,
in der es um ein Thema geht, bei dem
man Frauen gemeinhin eine gewisse Irrationalität unterstellt: Schuhe.
Was vom 28. März bis zum 29. September in Leipzig zu sehen ist, gibt es definitiv nicht bei Deichmann: Stilettos mit
Absätzen aus Pistolen, Haifisch-Pumps,
Holland-Clogs in Busenform oder Bürstensandalen, deren Funktion sich sogar
Männern erschließt. Präsentiert werden
gegenüber sei die Temperatur im Sommer in der Pfeilerhalle auf 28 Grad gestiegen. Das Problem, so Hoyer, liege an
der Steuerung der Klimaanlage. Etwas,
vom dem die ebenfalls im Grassi-Komplex untergebrachten Museen für Völkerkunde und Musikinstrumente nur
träumen können. Dort stieg die Temperatur im vergangenen Sommer laut
Hoyer auf bis zu 37 Grad, so dass die
Ausstellung geschlossen werden musste.
Die Hausgemeinschaft – sprich die drei
Museen – arbeite gemeinsam an einer
Lösung.
An der Belastungsgrenze ist die Museumspädagogik angekommen. Neu entwickelt wurde jetzt das Programm „Alles
Zauber“. Auch mit Berufsschulen wird
verstärkt kooperiert. Die Angebote seien
bis März ausgebucht, die Nachfrage bei
Geburtstagen übersteige die Möglichkeiten um das sechsfache, erklärt Pressesprecherin Anett Lamprecht. Die Stadt,
meint Hoyer, habe eine bessere finanzielle Ausstattung in Aussicht gestellt.
GFür diesen Sonntag wird in den drei Museen
im Grassi zum Familienfest geladen (14–18
Uhr). Elektronische Musik wird am 22. Februar
ab 20 Uhr in der Pfeilerhalle aufgelegt. Am 3.
März ist von 11–16 Uhr ein Tag der offenen
Tür der drei Museen
Foto: Wolfgang Zeyen
Grassimuseum für Angewandte Kunst erzielt Besucherrekord und setzt 2013 auf Design für Augen und Füße
Peter Wollny vom Bach-Archiv zwischen
zwei Bach-Porträts: Johann Sebastian links,
dessen Sohn Carl Philipp Emanuel rechts.
Die Unabhängige
Rädchen im Gehirn
Jeanne Moreau wird 85 und hat einen neuen Film
Vor 125 Jahren wurde Bestsellerautorin Vicki Baum geboren
Ob es die große Liebe gibt, braucht man
Jeanne Moreau nicht zu fragen. Seit mehr
als 60 Jahren besteht zwischen der französischen Schauspielerin und dem Kino
eine bis heute ungebrochene Beziehung.
Ein Leben ohne die Schauspielerei kann
sich Moreau nicht vorstellen. „Ich höre
erst auf, wenn ich tot bin“, sagte sie in einem Interview. Das war vor etwas mehr
als drei Jahren.
Seitdem hat Moreau, die heute 85. Jahre alt wird, in mehreren Produktionen
mitgespielt. Ihr jüngster Film „Eine Dame
in Paris“ kommt voraussichtlich im April
in die deutschen Kinos. Aus der Liebesgeschichte ist mittlerweile eine Lebensgeschichte geworden, wie sie selber sagt.
Moreau braucht das Kino – und das
Kino sie. In ihren mehr als 150 Filmen
hat sie mit allen großen Regisseuren der
Welt zusammengearbeitet: angefangen
von Theo Angelopoulos, Michelangelo
Antonioni, Orson Welles bis hin zu Wim
Wenders, Rainer Werner Fassbinder und
François Ozon. Sie war die Muse der
Nouvelle Vague und drehte mit François
Truffaut einer seiner besten Filme, „Jules
und Jim“. Sie spielte in ihrer langen Karriere so ziemlich alles: Königin, Lehrerin
und Gangsterin.
Ihre Verwandlungsfähigkeit nannte Joseph Losey, einer ihrer vielen Regisseure,
ein Wunder. „Sie ist eine Frau, die sich
einer Unzahl von Hindernissen gegenübersieht und sie überwindet, indem sie
all ihre Fähigkeiten einsetzt.“ Der Amerikaner drehte 1962 mit ihr „Eva“. Es war
eine ihrer gewagtesten Rollen. Moreau
spielt eine anspruchsvolle, verheiratete
Prostituierte, der ein Schriftsteller sexuell
verfällt. „Ich lebe in den Filmen, in denen
ich spiele. Die Rollen bewohnen mich“,
erklärte Moreau ihre steile Karriere.
Luis Buñuel schwärmt in seinen Lebenserinnerungen „Mein letzter Seufzer“.
von ihrer unbändigen Neugierde und ihrer Lust, sich zu verausgaben. Die Schauspielerei sei für sie nicht Verstellung,
sondern Erleben. „Ich brauchte ihr nur
zu folgen, fast ohne sie zu korrigieren.
Über die Figur der Kammerzofe habe ich
von ihr Dinge erfahren, die ich nicht geahnt hatte.“ Das „Tagebuch einer Kammerzofe“ von 1964 ist eine böse Satire
auf Verlogenheit und Abgründe des Bürgertums.
Als jüngste Schauspielerin der Geschichte wurde sie mit 20 Jahren in das
renommierte Theaterhaus Comédie Française aufgenommen. In dem Theaterstück
„Die Katze auf dem heißen Blechdach“
entdeckte Louis Malle sie schließlich für
den Film. Der Regisseur schlug ihr die
Hauptrolle in „Fahrstuhl zum Schafott“
vor. Der Thriller wird für sie zum KinoKarrierefahrstuhl nach ganz oben.
Ihr Repertoire ist weit gesteckt. Es verrät einen ihrer wichtigsten Charakterzüge: ihre Unabhängigkeit. Jeanne Moreau
ist eine Frau, die sich nicht auf vorgeschriebenen Bahnen bewegen will. Bei
der Auswahl ihrer Filme folgte sie ihrem
Instinkt und keinem Karriereplan. „Ich
lebe auf meine Weise“, bekannte Moreau. Auch privat. Sie habe viele Liebhaber gehabt, denn das Wichtigste sei es
zu leben.
Sabine Glaubitz
Scharen von Gästen drängten am Abend
des 26. Januar 1930 in den Zuschauerraum des Deutschen Theaters am Berliner Nollendorfplatz. Auf dem Spielplan
stand das Stück „Menschen im Hotel“. Es
beruhte auf dem ein Jahr zuvor erschienenen gleichnamigen Bestseller von Vicki
Baum, die morgen vor 125 Jahren geboten wurde.
Die Autorin selbst hatte das expressionistisch angehauchte Epos zu einer Folge
von 15 markanten Szenen umgearbeitet.
Regie führte Gustav Gründgens. Nach der
Premiere erntete die Schriftstellerin tosenden Applaus. Das Bühnenwerk trat
einen sensationellen Siegeszug rund um
den Globus an. Zunächst sorgten Inszenierungen in London, Paris, Madrid und
Rom für Furore. Dann machte das Drama
als Hit der Saison am New Yorker Broadway von sich reden. In der bekanntesten
Verfilmung spielen die Hollywood-Legenden Greta Garbo und Joan Crawford zwei
von sechs Hotelgästen, deren Wege sich
Ende der 20er Jahre für wenige Tage in
einem Berliner Luxushotel kreuzen. Das
Buch war genreprägend: Für TV-Serien
Foto: dapd
Foto: AFP
Mit seinem Drama
„Liebe“ hat der österreichische
Regisseur
Michael Haneke gerade
bei den Golden Globes
und beim Bayerischen
Filmpreis abgeräumt
und ist in fünf wichtigen Sparten für den
Oscar nominiert. BeMichael
reits aus dem Jahr
Haneke
1989 stammt seine
Kafka-Adaption „Das Schloss“, die am
Donnerstag in der Reihe „Literatur und
Film“ im Haus des Buches zu sehen ist.
Herr K. kommt als neuer Landvermesser in ein Dorf. Seine Versuche, ins
Schloss, den Sitz der Verwaltung, zu gelangen, schlagen jedoch ebenso fehl wie
der Versuch, sich in dem Dorf anzusiedeln. Hanekes Verfilmung verlegt die
Handlung in die 1950er Jahre – mit dem
Ziel, Kafkas Stoff zu aktualisieren, ohne
ihn zu verändern. Neben Ulrich Mühe als
Landvermesser spielen Susanne Lothar
und Frank Giering.
r.
Schuhe werden aus dem Leder von Rindern hergestellt, die dafür ihr Leben lassen müssen. Die Arbeit „Cow girl“ von Iris Schieferstein
(2012, Pferdehufe, Rinderfell, Pistolenlauf) weist recht drastisch darauf hin.
Fotos (3): Museum für Angewandte Kunst
Die große Schuh-Show
Haus des Buches
Hanekes „Das Schloss“
mit Ulrich Mühe
Nein, Johann Sebastian Bach hat nicht
vor Freude geweint. Auch wenn ein
Strich über seinem Auge auf einer spektakulären Neuerwerbung des Bach-Archivs Leipzig sehr wohl „wahrscheinlich
das Resultat eines Flüssigkeitsflecks“ ist,
wie Christoph Wolff mutmaßt, Direktor
der Sammlung.
Ein Mittelsmann ersteigerte das Ölgemälde im Herbst auf einer Auktion in
Philadelphia im Auftrag der Leipziger für
rund 100 000 Dollar. Das Geld wurde mit
Hilfe des Bundesbeauftragten für Kultur
und Medien und der Bundeskulturstiftung
aufgebracht. Gestern präsentierte das
Bach-Archiv das Bild der Öffentlichkeit.
Es handelt sich um eine Kopie aus dem
frühen 19. Jahrhundert des berühmten
Haussmann-Porträts von 1746, das im
Stadtgeschichtlichen Museum hängt und
mit dem beispielsweise jährlich für das
Bachfest geworben wird. Nur dass die
Nachbildung gegenüber dem Original einen entscheidenden Vorteil hat: Ihr wurde eine Restaurierung erspart.
„Bach wirkt sehr viel lebensnäher“,
schwärmt Peter Wollny, der als stellvertretender Direktor auch die Forschung im
Bach-Archiv leitet. Im Original sind viele
Details in einen Nebel aus Farbe gehüllt,
seit ein Restaurator im späten 19. Jahrhundert Hand angelegt hat. Der unbekannte Kopist hatte sich dagegen noch
Haussmanns ursprüngliche Version zum
Vorbild genommen. Dadurch werde seine
Fassung zum „echten Schlüsseldokument
der Bach-Ikonographie“ und beantworte
etliche offene Fragen, hofft Wolff.
Seit den 50ern gehörte das Porträt einem niederländischen Kunstsammler,
der bald nach Nordamerika auswanderte
– und es Forschung und Öffentlichkeit
vorenthielt. In Leipzig soll nun zunächst
der renommierte Berliner Kunsthistoriker Helmut Börsch-Supan das Bild unter
die Lupe nehmen und es unter anderem
genauer datieren. Zudem steht wohl eine
vorsichtige Restaurierung an.
Bevor das Gemälde seinen Platz im
Bach-Museum neben der einzigen anderen Haussmann-Kopie vergleichbaren Alters bekommt, die ebenfalls dem Archiv
gehört, bereichern sechs weitere Einkäufe von 2012 die Ausstellung. Unter ihnen
das Fragment einer Notenhandschrift der
„Chromatischen Fantasie“, die Johann
Sebastian Bachs zweitjüngster Sohn Johann Christoph Friedrich abschrieb. Sie
belegt erstmals, dass tatsächlich der
Komponist selbst dem einflussreichen
Stück den Namen gab. Das zurückgekehrte Bach-Porträt wiederum wurde zuletzt
1913 in Leipzig gesichtet, vor 100 Jahren.
Eine Träne darf man da durchaus verdrücken.
Mathias Wöbking
Star-Schuhe: „Lady Gaga Shoe” von Ben
Naäm (2011, Lackleder, Kunststoffteile).
Foto: dapd
Dem Weimarer Goethe- und Schiller-Archiv ist der Ankauf von bislang unbekannten Handschriften aus dem Umkreis
des Gelehrten Gottlieb Hufeland (1760–
1817) gelungen. Den Kern der 23 Teile
umfassenden Sammlung bilden ein Brief
von Johann Wolfgang Goethe an Hufeland
aus dem Jahr 1794 sowie weitere eigenhändige Mitteilungen von Friedrich Schiller, August Wilhelm Schlegel und Ernst
Moritz Arndt, teilte die Klassik Stiftung
Weimar gestern mit. Für die Forschung
und vor allem für die Editionsvorhaben
des Archivs seien die erworbenen Handschriften von großer Bedeutung.
So werfe etwa eine Beschwerde des
Philosophen Friedrich Wilhelm Joseph
Schelling ein Schlaglicht auf das Universitätsleben in Jena. In der vermutlich an
Hufeland gerichteten Notiz beklagt sich
Schelling darüber, dass von einem Diener
Tabakrauch in den Vorlesungssaal geblasen worden sei, weshalb er sogar seinen
Vortrag abbrach. Als Zeugen für dieses
Ärgernis benannte er das gesamte Auditorium.
Der aus Danzig stammende Jurist Hufeland war von 1788 bis 1802 als Professor
in Jena und als Mitherausgeber der „Allgemeinen Literaturzeitung“ tätig. Zu seinem engeren Bekanntenkreis gehörten
neben Schelling auch Schiller und Johann
Gottlieb Fichte. Die angekauften Hufeland-Briefe befanden sich in Privatbesitz.
Das Goethe- und Schiller-Archiv der
Klassik Stiftung ist eine der 25 Einrichtungen, die seit 1998 zum Welterbe der
Unesco gehören. In dem im Juli 2012
nach zweijähriger Sanierung und Erweiterung wiedereröffneten Gebäude werden
mehr als 130 Autorennachlässe sowie Archive von Institutionen wie der Shakespeare-Gesellschaft, der Schiller-Stiftung
und des Insel-Verlags bewahrt.
epd
Die französische Schauspielerin Jeanne
Moreau im September 2012.
Vicki Baum (1888–1960) auf einer Aufnahme aus dem Jahre 1945.
und Romane, in denen eine Gruppe von
Charakteren vorübergehend an einem
bestimmten Ort – etwa ein Krankenhaus
oder Schiff – zusammentrifft, war es das
Vorbild.
Von solchen Triumphen träumte Vicki
Baum nicht, als sie 1914 inkognito zu
schreiben begann. Die am 24. Januar
1888 in Wien geborene Tochter eines jüdischen Regierungsbeamten der k.u.k.
-Monarchie absolvierte zunächst eine
Ausbildung zur Harfenistin, war Mitglied
im Symphonieorchester des Wiener Konzertvereins und lehrte an der Musikhochschule. Im Alter von 19 ereilte sie ein
schwerer Schicksalsschlag: Ihre Mutter
erkrankte an unheilbarem Knochenkrebs.
Mehrmals täglich spritzte Vicki ihr Morphium, da der mental überforderte Vater
jede Hilfe verweigerte.
Halt bot ihr in dieser Krise die Liebe zu
dem Schriftsteller Max Prels, den sie 1909
heiratete. Doch die Beziehung zeigte
schon bald Risse. Der Bohemien trank
übermäßig viel, immer öfter musste Vicki
für den unzuverlässigen Gatten einspringen und Artikel verfassen, die er nicht
liefern konnte. Dabei zeigte sie ein erstaunliches Maß an Kreativität und Versiertheit: „Wenn das Geld für die simpelsten Notwendigkeiten, für das Wohlergehen
der eigenen Familie fehlt, dann produzieren die Drüsen tollste Säfte und Gedanken, und die kleinen Rädchen im Gehirn
beginnen sich zu drehen und schaffen
Neues.“ 1910 gewann sie bei einem Wettbewerb des Münchner Satiremagazins
„Licht und Schatten“ einen Preis für die
„beste heitere Novellette“.
Dennoch war an ein finanzielles Auskommen auf der Basis literarischer Tätigkeit nicht zu denken. Vicki Baum tingelte
daher weiterhin als Musikerin durch die
Lande. Bei einem ihrer Engagements
lernte sie den Dirigenten Richard Lert
kennen, für den sie zwar keine brennende Leidenschaft empfand, doch die Ehe
erwies sich ungeachtet etlicher Affären
beiderseits als stabil und tragfähig.
1926 wurde Vicki Baum Zeitschriften-
Redakteurin bei Ullstein, schrieb für damals beliebte Illustrierte wie „Dame“
und „Uhu“ Der Verlag baute sie als Marke auf: Als selbstbewusste Frau, die arbeitet, in ihrer Freizeit boxt, Mann, Kinder und Beruf unter einen Hut bringt
und sich modisch kleidet, sollte Vicki
Baum jungen Frauen zur Identifikation
dienen. Mit Werbekampagnen, Radiointerviews und Auftritten in Kaufhäusern
und Hörsälen machte Ullstein sie zum
„ersten Medienstar des deutschen Literaturbetriebs“, schreibt Nicole Nottelmann in der Biografie „Die Karrieren
der Vicki Baum“.
Und sie entpuppte sich als äußerst geschäftstüchtig. In einem Generalvertrag,
den sie während der Weimarer Republik
mit dem Ullstein Verlag schloss, forderte
sie für jeden ihrer Romane ein Garantiehonorar von 10 000 Mark plus Tantiemen. Auch in den zähen Verhandlungen
mit Hollywood um die Filmrechte für ihre
Romane pokerte sie gewieft. Das brachte
ihr ein stattliches Kapital ein, das ihr in
den USA, wo sie seit 1932 wohnte, einen
großbürgerlichen Lebensstil erlaubte. In
Deutschland waren die Bücher der jüdischen Autorin zur Zeit des Nationalsozialismus verboten, 1938 nahm sie die amerikanische Staatsbürgerschaft an.
Abenteuerlustig reiste Vicki Baum unermüdlich durch die Welt. Auf Bali infizierte sie sich 1936 mit Malaria. Die
Symptome quälten sie. In den 40er Jahren erkrankte sie dann an einer Depression, weil sie fürchtete, dass sie ihren Zenit
überschritten habe und die Öffentlichkeit
sich bald nicht mehr für sie interessieren
werde. Deshalb griff sie oft zu Beruhigungsmitteln. In den Strudel der Sucht
geraten, erlitt sie einen traumatischen
Zusammenbruch, von dem sie sich nie
mehr ganz erholte.
Die späten Bücher der „geborene Geschichtenerzählerin“ sind Dokumente des
künstlerischen Abstiegs einer Frau, die
sich psychisch und körperlich bis zuletzt
gnadenlos ausbeutete. Sie starb 1960 in
Los Angeles.
Ulf Heise/jwe