Fehlerkorrektur - Permanent fatal error

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Fehlerkorrektur - Permanent fatal error
musiknewsmagazinneueplattenkonzertea-z
Neu auf DVD
telegramm
CAN Die Musik der wohl legendärsten Kölner Rockband wird
neu aufgelegt. Die 14 Alben von
CAN werden remastert und mit
umfangreichen Booklets im Originalsound der Erstveröffentlichungen auf SACD 2.0 Hybrid erscheinen. Den Anfang machen die
ersten vier Alben „Monster Movie“, „Soundtracks“, „Tago Mago“ und „Ege Bamyasi“, im Frühling folgen weitere Reissues
[Spoon/Warner].
Funkstörung Das Rosenheimer
Abstrakt-Hop-Duo zeigt sich von
seiner visuellen Seite. „Isolated –
Funkstörung Triple Media“ erscheint als Buch mit DVD. Das Design-Buch enthält auf 160 Seiten
zahlreiche Grafiken, die zum Wettbewerb für die Covergestaltung
des Albums „Disconnected“ eingereicht wurden. Die DVD präsentiert 32 der Videos aus dem Wettbewerb [Die Gestalten Verlag +
!K7 Records].
HipHop Files Das Buch aus dem
Hause MZEE Record enthält Fotografien von Martha Cooper, die
den Alltag in New York von 1979 –
1984 dokumentieren. Außerdem
kommen Oldschool-Pioniere wie
Run DMC, Futura 200, Blade
u.v.m. zu Wort, die den Leser
über die Roots der HipHop-Kultur
aufklären. Mehr Infos unter
www.hiphopfiles.de.
BAP Wolfgang Niedecken hat
nach „Viel passiert“ sein zweites
Buch über BAP geschrieben. In
„Immer weiter“ (Kiepenheuer &
Witsch) erzählt Niedecken die Geschichte der Band. Tagebucheinträge über die Entstehung der Alben „Aff un zo“ und „Sonx“, Erlebnisse der Band auf Tour sowie
ein Interview, Songtexte und Fotos komplettieren das Werk.
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Joy Denalane:
Mamani Es
gibt Menschen,
die haben es
einfach, dieses
gewisse Etwas.
Wenn Joy Denalane singt,
wenn sie redet
oder einfach
nur dasitzt, ihre Art bezaubert.
Das kommt auf der Live-DVD
(Fourmusic) ebenso rüber wie
die Tatsche, dass auch Joy Denalane ein ganz normaler Mensch
ist. Man sieht sie im Interview,
lernt Joys Eltern kennen und die
Plattenbau-Siedlung, in der sie
aufwuchs. Ein interessanter Blick
vor und hinter die Kulissen. -am
Fehlerkorrektur
Platte des Monats: Das italienische Quartett verbindet
minimalistischen Post-Rock mit improvisierten JazzPassagen.
PERMANENT FATAL ERROR
Law Speed
Klangbad/ Broken Silence
PostRock Olivier Manchion hatte
bereits zusammen mit der Band
Ulan Bator mehrere Alben eingespielt, bevor er sein Soloprojekt
Permanent Fatal Error um den Gitarristen Giulio Vetrone, den Bassisten
Nicolas Marmin und den Schlagzeuger Francesco Billét erweiterte
und das erste Album „Law Speed“
aufnahm. Komponiert sind die
Stücke nach wie vor alle (einzige
Ausnahme ist die Gemeinschaftskomposition „Nord“) von Manchion,
wobei deren Aufbau auch auf einige
improvisatorische Freiheiten
schließen lässt. Die elf Tracks des
Albums unterscheiden sich deutlich
voneinander, allerdings findet man
diese Unterschiede auch innerhalb
der Stücke. Grundlegend für die
meisten Songs ist das stoische
Schlagzeug, das weit im Vordergrund steht, aber nur ein rhythmisches Moment neben vielen ist.
Ähnlich wie bei den langen Minimal-Stücken der legendären letzten
TalkTalk-LP „Laughing Stock“
schrauben sich die Stücke gleich-
mäßig im rhythmischen Einklang
von Gitarre und Schlagwerk den
Höhepunkten entgegen. Doch sind
Permanent Fatal Error deutlicher interessiert an dramaturgischen Wendungen, Breaks, die in völlig andere
Richtungen überleiten: Plötzlich tauchen da leise gezupfte Gitarrenparts
aus den anschwellenden Stücken
auf, brechen sich jazzige Bläserpassagen Bahn oder stören dezente Umweltgeräusche. Die gesamte Platte
ist voller überraschender Wendungen. Das lässt wiederum mehr an
das Flaggschiff des Post-Rock – Tortoise – denken und die Kombination
dessen mit jazzigen Passagen kennt
man von dem The-Notwist-Seitenprojekt Tied + Tickled Trio. Damit
befinden sich Permanent Fatal Error
in guter Gesellschaft. All diese
Bands waren und sind interessiert an
einer Verbindung von Aspekten der
Minimal Music mit Jazz und Rock.
Genau dies machen Permanent Fatal
Error auf „Law Speed“, einer Platte,
die virtuos und in atemberaubend
reinem Klang spielerisch Kontinuität
und Bruch miteinander abwechseln
lässt und dabei doch ein homogenes
Ganzes spürbar macht.
Christian Meyer
Ramones:
Raw Dass die
Ramones einen immensen
Einfluss auf die
Entwicklung
des Punk hatten und immer
noch haben,
steht fest.
Stücke wie „Sheena Is A Punk
Rocker“, „Rock’n’Roll High
School“ und „Blitzkrieg Bop“ füllen nach wie vor schnell die Tanzflächen. Wie das Leben als Ramone war, zeigt nun diese DVD
(Image Entertainment/BMG). Neben Konzertausschnitten enthält
„Raw“ diverse private BackstageAufnahmen, Interviews und
„Deleted Scenes“.
-sl
Rosenstolz:
Willkommen
in unserer
Welt Rosenstolz hatten
wieder mal
ein gutes
Jahr, was die
Karriere von
AnNa und
Peter angeht, wohl das beste:
Sie bekommen den Comet (Act
National), „Liebe ist alles“ hält
sich wochenlang in den Charts
und ihre Konzerte (27.11., Palladium) sind meist ausverkauft.
Den zweistündigen Live-Gig der
Herz-Tour 2004 inklusive TourReport, Bilder-Show und Songtexten gibt es ab dem 8. November fürs Heimkino.
-tf
DEPECHE
MODE
Remixes
81...04
Mute
Synthie-Pop
Und das Warten auf ein aktuelles Lebenszeichen
von DM geht weiter. Auf dem Album „Depeche Mode Remixes 8104“ (3-CD-Limited-Edition) sind es
Goldfrapp mit einem brandneuen
Remix von „Halo“ und Mike Shinoda (Linkin Park) mit einer kürzlich
gemixten Version von „Enjoy The
Silence“, die neue Akzente setzen,
nicht Depeche Mode selbst. Und der
Rest ist Geschichte. Ein Fragment
der Geschichte der 12-Inch-Single,
des Remixes. In den Anfängen ein
probates Mittel, um die kommerzielle Halbwertzeit einer Single zu dehnen, bald schon ein Spielplatz neuer
künstlerischer Ideen, Verfremdungen
und Wiederannäherung an das Original. Am Beispiel der vorliegenden
Songs zeigt sich die Entwicklung
dieses Mediums ebenso wie der
Fortgang der Bandgeschichte, gleich
einer Best-of-Compilation. Neben
bekannten Remixen, die direkt aus
der Depeche-Mode-Werkstatt stammen, findet man unter den Highlights etwa „Barrel Of A Gun“ von
Underworld oder die Air-Version
von „Home“. Doch egal, ob die
Tracks nun Richtung Dance, HipHop, Rock oder Ambient gehen –
am Anfang und am Ende stehen
Depeche Mode.
-jsz
AUTUMNBLAZE
Words Are
Not What
They Seem
Prophecy/
Soulfood
TripRock Wenn sich der Sommer
verabschiedet und die Bäume ihre
Blätter verlieren, kommt die neue
„Autumnblaze“-CD gerade recht zur
alljährlichen Herbstdepression. Wo
bisher hoffnungslose Düsternis regierte, hat sich jetzt endgültig auch
handfester Rock eingenistet, der in
eine warme und volle Produktion
gehüllt präsentiert wird. „Words Are
Not What They Seem“ besticht mit
dynamischen Arrangements und ist
in Ansätzen „HIM“ nicht unähnlich,
wenn treibende Momente auf zerbrechliche Stille treffen und sich zu
einer ganz eigenen Version alternativ
zeitloser Gitarrenmusik verbinden.
Ein etwas beherzteres Zugreifen im
Fundus der Rockhistorie hätte zwar
nicht geschadet, ändert aber nichts
daran, dass „Words“ ein wirklich
schönes Album sowohl für GothicHerzchen als auch für offene Gitarrenfreaks ist.
-tg
THE
SEESAW
Generation
Love
FreeFall
Records/PIAS
Recordings
Pop The Sound Of Salzburg – wer
dabei an Mozart denkt, liegt falsch,
denn nach bandeigener Auskunft
wird der Salzburger Sound von The
Seesaw produziert. Klassik versus
klassische Popmusik – hat beides
was für sich. Aber wie Mozart doch
irgendwie ein Freak war, werden
auch diese drei Jungs als Freaks bezeichnet. So haben sich The Seesaw
im ewigen Underground-gegenKommerz-Krieg immer zum Pop bekannt. Die Belohnung kam im letzten Jahr, als das Trio mit dem Song
„All The Same“ auf Platz eins der
Radio-FM4-Charts schoss. Höchst
motiviert entstand dann das neue,
entsprechend nach vorne rockende
Album „Generation Love“. Was
nach einem Generationen-Roman
klingt, ist eigentlich nur eine Platte
voller hübscher Powerpop-Songs,
die an Vergleichen mit frühen und
aktuellen britischen Bands wohl
nicht vorbeikommen wird.
-ape
V. A.
Lullabies
From The
Axis Of Evil
Strange
Ways/
Indigo
Lounge US-Präsident George W.
Bush erfand das einprägsame wie
absurde Schlagwort „Achse des
Bösen“. Wer durch den Zufall der
Geburt Bürger eines der „Schurkenstaaten“ wie Irak, Iran, Afghanistan
oder Syrien war, wurde – nicht nur
in den USA – als potenzieller Terrorist gebrandmarkt und als Sündenbock für die Tragödie des 11. Septembers missbraucht. Um den Irrsinn
dieser Vorverurteilungen zu verdeutlichen, fahndete der Norweger Erik
Hillestadt in diesen Ländern nach
außergewöhnlichen Frauenstimmen
und nahm wunderschöne Wiegenlieder auf als Wunsch nach globalem
Frieden. Zurück in Skandinavien,
wurden um die A-cappella-Aufnahmen reduzierte Arrangements und
verwandte Melodien gewebt und im
Westen bekannte Sängerinnen für
virtuelle Duette mit ihren Schwestern
aus Feindesländern gesucht. Die prominentesten Unterstützerinnen dieses
Projektes sind die mexikanische
Kämpferin für indianische Rechte
Lila Downs, der neue norwegische
Star Kari Bremnes, die durch Peter
Gabriel bekannte Usbekin Sevara
Nazarkhan, Nina Hagen und die USSongwriterin Rickie Lee Jones. -mb
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RACHID TAHA
Tékitoi
Wrasse
Rec./Universal
Worldmusic
„Wer zum Teufel bist du?“,
bedeutet Tahas neuer Album-Titel
und spiegelt mehr die Gefühlswelt
vieler algerischer Emigranten in
Frankreich wider als die Situation
des neben Khaled, Faudel und Cheb
Mami wichtigsten Rai-Musikers. Er
ist im Gegensatz zu den drei anderen
mehr der zornige Rebell, geprägt auch
vom Rock’n’Roll der frühen achtziger Jahre, und beständiger Mahner
vor wachsendem Rassismus. Auf
„Tékitoi“ macht Taha seinem Ruf als
Rai-Rocker alle Ehre. Da ist zunächst die Joe-Strummer-Hommage
„Rock El Casbah“, aber auch andere
Stücke wie „Meftuh’“, „Nah’Seb“,
„Mamachi“ oder das Titelstück
„Tékitoi“ lassen, neben nordafrikanischen Musik-Traditionen, die Liebe zu Bands wie „The Clash“ oder
„Led Zeppelin“ erkennen. Die ersten
1.000 CDs werden als limitierte Auflage mit 45-minütiger Bonus-DVD
veröffentlicht. Von den Live-Qualitäten Tahas kann man sich am 5.12.
im Prime Club überzeugen.
-mb
BEANS
Shock City
Maverick
Warp/
Rough Trade
HipHop Auf
seinem zweiten Solo-Album nach dem Split des
Anti Pop Consortiums bleibt Beans
seinem Elektronik-HipHop treu, den
er konsequenterweise wieder auf
dem britischen Elektroniklabel
Warp, Heimat von Aphex Twin,
Squarepusher, Autechre u.a., veröffentlicht: Kühl und kantig ist das
Soundgewand, die Raps nehmen mit
Neues aus Köln
Ada: Blondie
Techno/House Die Kölner Techno-Produzentin Ada gehört zum
harten Kern des Kölner AusnahmeLabels Areal. Dort ist sie bereits mit
ihren ungewöhnlich poporientierten
Maxis aufgefallen, die allerdings
auch die Areal-typische Nervösität
rappelnder Sounds in sich trugen.
Auf ihrem Debüt-Album „Blondie“
beginnt sie hingegen mit schon fast
deephousig mit wunderschönen
Tracks und packt erst mit Track 3
die scharfkantigen Sounds aus.
Aber auch hier regiert Pop und
„hands in the air“ ist die einzig adäquate Reaktion auf der Tanzfläche.
Und wenn sie dann doch mal die
düster-knurrigen Rave-Sounds einspielt, dann warten spätestens
beim nächsten Break wieder poppigere Töne dahinter.
-cm
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Dorfdisko: Santa Nirgendwo
Pop Dorfdisko – das Wort klingt
nach Mofas, Oberlippenbärten
und Moonwash-Jeans. Doch diese Assoziationen verschwinden,
wenn man die Mini-CD der Kölner
Band „Dorfdisko“ (Ekimas) in den
Player schiebt. Ein fröhlich poppiger Sound zeichnet die Musik der
vier aus. Dabei stehen die Melodien im direkten Gegensatz zu den
nachdenklichen Texten. Poetisch
und mit einem Blick für die kleinen
Details des Lebens singt Frontmann Daniel Roth von den Irrungen und Wirrungen der Liebe und
anderen Emotionen. Erhältlich ist
die CD nur in ausgesuchten Läden in Köln oder auf www.dorfdisko.net. Wer die Jungs live sehen
möchte, sollte am 30.10. im Hemmer vorbeischauen oder im Dezember den Blue Shell-Kalender
im Auge behalten.
-sl
Michael Mayer: Touch
Techno Seit Jahren ist von einem
Michael-Mayer-Album die Rede,
doch der Kölner DJ und Mit-Organisator des Label/Vertrieb/LadenKonglomerats Kompakt hat seit
dem Album des Trios „Forever
Sweet“ (mit Tobias Thomas u.
Reinhard Voigt/1998) nur vereinzelt Maxis und Mix-CDs veröffentlicht. Nun ist es also da und die
Erwartungen sind nach den letz-
Best
Of The Rest
Le Pop zum dritten: Mit der Compilation „LE POP EN DUO“ geht
man konzeptuell neue Wege und
versammelt 16 Duette von bekannten nouveaux Chansonniers wie
Jérome Minière, Dominique A,
Toma oder Benjamin Biolay, aber
auch einer ehrwürdigen Dame wie
Jane Birkin. CAMPER VAN
BEETHOVEN sollten spätestens
nach Moores „Bowling for Columbine“ allen ein Begriff sein, avancierte ihr 86er-Hit „Take The
Skinheads Bowling“ doch dort zum
Titelsong. Nun machen sie mit
„New Roman Times“ nach langer
Pause dort weiter, wo sie 89 aufgehört haben: Indie-Rock mit viel eu-
ten Techno-Hits groß. Aber das
Hit-Moment möchte sich nicht so
recht einstellen. Zwar kokettieren
die Titel mit großer Geste mit einem Hitdasein („Touch“; „Lovefood“), aber der Minimalismus, der
hier zu hören ist, ist vor allem einem Pragmatismus geschuldet.
Funktionieren sollen die Tracks auf
der Tanzfläche. Und das werden
sie wohl auch, mit klaren Beats,
dicken Basslines und wenig
Schnickschnack.
-cm
ropäischer Folklore – zwar nicht
Chansons, aber Klängen vom Balkan – im Gepäck und neuerdings
auch Art-Rock Anklängen (Cooking
Vinyl). Die Popsongs des Duos
MÄRZ wandern zwischen sentimentalem Hippietum und elektroni-
scher Musik. „Wir sind hier“ gibt
sich proklamatisch beseelt, aber
diese große Geste in der leichten
Musik ist zuweilen etwas übergewichtig (Karaoke Kalk). STEVE
BUG feiert hingegen mit der MixCD „Bugnology“ auf 19 Tracks wieder einmal stilsicher den kühl-minimalistischen House-Sound, den
auch sein eigenes Label Poker Flat
repräsentiert. Auf der Doppel-CD
„Electric Pop 3“ wird derweil weiter
am 80er-Electro-Revival gebastelt:
MISS KITTIN, ASCII DISKO,
CLIENT u.a. sorgen für RetroStimmung (Mofa). Keine DJ-Kicks
wie die nächste: Die beliebte DJSerie bestreitet dieses Mal DADDY
G von Massive Attack mit Reggae,
Ragga, Funk und TripHop der letz-
schnellem Flow die Stimmung auf.
So sehr das nach Zukunft klingt, so
sehr ist es auch in der Vergangenheit
geerdet und spielt mit Elementen der
Old School: cooler Retro-Futurismus! Seit energetische Jungspunde
wie Dizzee Rascal mit der Spielart
Grime die HipHop-Bühne betreten
und sie ordentlich aufgemischt haben, klingt aber sogar solch avancierter HipHop wie der von Beans
nicht immer wie der neueste heiße
Scheiß.
-cm
ELLIOTT
SMITH
From A
Basement
On The Hill
Domino/
RoughTrade
Singer/Songwriter-Pop Songs „from
a basement on the hill“, eine schönere
Metapher als diese hätte man nicht
finden können für die Lieder von Elliott Smith, die doch immer irgendwie
zwischen unten und oben, zwischen
Verzweiflung und Hoffnung schweben. Bei seiner nunmehr sechsten
Platte handelt es sich tragischer Weise
um sein letztes Album. Elliott Smith
starb im Oktober letzten Jahres an einer Stichverletzung im Alter von 34
Jahren. Bis zu seinem Tod hatte er die
Aufnahmen zu „From A Basement On
The Hill“ fast abgeschlossen. Dem
letzten Schliff widmeten sich zwei
Vertraute des Musikers, die das Album, so gut es ging, nach seinen
Wünschen fertig stellten. Herausgekommen ist ein typisches Smith-Werk,
wie es noch weitere hätte geben sollen: bittersüße Melodien zwischen
quietschenden Gitarrensaiten und eine
zerbrechliche Stimme mit Worten wie
„Burning every bridge that I cross to
find some beautiful place to get lost.“
In der Hoffnung, dass er diesen Platz
gefunden hat, bleibt seinen Fans mit
dieser Platte nur „a fond farewell to a
friend“.
-ape
ten Dekaden (!K7). Das Etikett Postrock packen wir noch mal für
GASTON aus Berlin aus. Die vom
Jazz beeinflusste Instrumentalmusik auf „What Time Does...“ erinnert
in ihrer rhythmischen Komplexität
an alte SST-Bands, wirkt dabei
aber entspannter und leichtfüßiger
(Beau Rivage). Leichtfüßig? Nicht
NECRO! Der will Eminem rechts
überholen und macht Asi-Rap mit
Vorliebe für Sex und Splatter. Die
Musik ist solider „Düster-Hop“, mehr
aber auch nicht (Psycho-Logical).
Da wirkt DANIEL GIVENS mit seinem Experimental-Hop doch inspirierter: Zwischen Electronica, HipHop, NuJazz und düsteren Soundscapes entwickelt sich „Dayclear &
First Dark“ (Aesthetics).
-cm
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DAS POP
The Human
Thing
Haldern Pop
Recordings
Indie-Pop
Mit ihrem
originellen Stil füllt die belgische
Band nun bereits zum zweiten Mal
ein ganzes Album. „The Human
Thing“ heißt ihr neues Werk, das ab
dem 8. November in den deutschen
Plattenläden stehen wird und das
allen in „Das Pop“ gesetzten Erwartungen gerecht wird. Da bersten
niedliche Texte mit von Streichinstrumenten untermalten Melodien
vor Selbstironie – so hat zum Beispiel die deutsche Version des witzigen Openers „You“ das Zeug zum
Kultschlager. Nette Kompositionen
gleiten, bevor sie allzu vorhersehbar
werden, gekonnt gerade noch rechtzeitig ab ins immer ein wenig neben
der geraden Melodiespur liegende
Britpoppige. Elektrosounds machen
das Ganze flott und Gitarren-Riffs
geben den nötigen Schwung, der
„Das Pop“ dann endgültig in die Indie-Ecke befördert.
-se
MONTA
Where Circles
Begin
Rewika Records/Alive
Singer/Songwriter-Pop
Nach seinen Machenschaften in Sachen beschwingtem, verspieltem und
auch rockigem Indiepop mit der
Band Miles hat sich der Sänger und
Songschreiber Tobias Kuhn nun
ganz auf sich und sein Instrument
besonnen. Traurig-schöne Melodien,
Akustikgitarre, Klavier und über
allem diese klare Stimme. Gefühle
von Angst bis Sehnsucht und ein bisschen Weltschmerz in jeder Beziehung
ergeben schlichte Songs für verträumte Herbsttage. Liebe ist natürlich ein
großes Thema und ihre Last beschreibt
Kuhn gleich im ersten Song sehr treffend: „The love to leave behind, the
need to find the new“. Ein jedem bekannter Teufelskreis – wo diese
Kreise aber beginnen („Where
Circles Begin“) und vor allem, wie
man sie stoppen kann, erfährt man
auch auf diesem Album nicht.
-ape
und Cello mischen sich mit E-Gitarren und sorgen für die passende romantisch-dramatische, aber nicht
kitschige Begleitung. Und so hatte
die Band, kaum von der Haldener
Bühne gestiegen, einen Plattenvertrag in der Hand. Im November erscheint nun das erste Album der fünf
Musiker englischer, irischer, deutscher und dänischer Herkunft. Mit
„Film In My Head“ ist das feine
musikalische Programm endlich auf
Vinyl gebannt und erfreut die frisch
auf den Festivals akquirierte FanGemeinde.
-se
DIVERSE
Englands Dreaming
Trikont/ Indigo
AMPHIBIC
Film in my
Head
Haldern Pop
Recordings
Indie-Pop Einer der Songtexte der 2000 gegründeten Londoner Band Amphibic hat sich im letzten Jahr auf dem Haldern Pop Festival in Deutschland bewahrheitet
„Warm sun, sharp tongue, … sure
enough, you got the right stuff“. Auf
der kleinen Bühne des niederrheinischen Sommer-Highlights für IndieFans hatte Amphibic tatsächlich den
richtigen Stoff. Dabei handelte es
sich um melancholischen Indie-Pop
der besonderen Art: Ohne zu viele
Worte zu machen, sinniert Songwriter und Sänger Neal Hoffmann in
wunderschönen Melodien über das
Warum, Wie und Wohin im Leben.
Klassische Instrumente wie Klavier
Punk Jon Savages Abhandlung über
Punk ist seit seinem Erscheinen
1992 ein Klassiker und Standardwerk der Pop-Theorie. „England’s
Dreaming – Anarchie, Sex Pistols,
Punk Rock“ (Edition Tiamat) beschreibt die Entstehung der Bewegung bis zur Ausdifferenzierung in
der New Wave über das Phänomen
der Sex Pistols. Wohl wissend, dass
Punk in den USA seine Anfänge
nahm, ist Savages gleichnamige
Punk-Compilation der dortigen Entwicklung gegenüber sehr aufgeschlossen. Und so schlängelt er sich
auf seinem persönlichen Streifzug
vom Prä-Punk der Stooges zu thematisch wie gestisch repräsentativen
Stücken von Patti Smith (The Who’s
„My Generation“ auf Punk umgemünzt), The Residents (die in einer Collage die Beatles zu Grabe tragen) oder den Ramones, die ironisch
„Gimme Gimme Shock Treatment“
fordern. Zwischen KunsthochschulPunk von Wire und Devo, Elektronik-Punk-Attitüde bei Cabaret Voltaire und The Normal und politischen „I hate the rich“-Parolen der
Dills findet sich ein vielseitiger
Überblick, der weit mehr als bloß
Drei-Akkorde-Dilettantismus
propagiert.
-cm
FEMI KUTI
Africa Shrine
Tropical
Music/BMG
Afro-Beat
Der „Africa
Shrine” ist
der schon legendäre Club Femi
Kutis im Herzen der nigerianischen
Hauptstadt Lagos. Hier treffen sich
an Sonntagen bis zu 4.000 Menschen, um die Afrobeat-Konzerte
Femi Kutis und seiner Band „The
Positive Force“ mitzuerleben. Doch
der „Africa Shrine“ ist weit mehr als
das. In der von Korruption und
Chaos geprägten Stadt ist der Club
sowohl soziales Zentrum als auch
Basis des zivilen Widerstandes gegen Staatswillkür. Das im Club live
aufgenommene Album enthält in
erster Linie neue Stücke von Femis
extrem tanzbarer Mischung aus
Soul, Jazz, Juju und Funk. Diese
Beats klingen für europäische Ohren
viel weniger exotisch als andere
aktuelle afrikanische Musik, vielmehr wie interessante Ergänzungen
der eigenen Hörgewohnheiten.
Der charismatische Sänger und
Musiker ist längst aus dem Schatten
seines Vaters Fela Kuti getreten.
-mb
maxi sensation
ze. Lieben wir auch! Hochmodern &
Alle lieben STEVE BUG, logisch.
ganz weit vorne sind Mo’s Ferry
Soma Records lassen den Meister
Productions aus Erfurt. DAPAYK
Funk D’Voids „Can’t Get Enough
Of A Bad Thing“ remixen – wie im- SOLO bringt auf „Daypack“ vier
zuckende funky Halbstarke für die
mer luftig-funky mit verborgenem
Euphoriepotenzial. ALEX SMOKE nächste House-Generation. ALEX
MULTHAUPT ist Mitbetreiber vom
nimmt sich auf dieser Remix-SplitKölner Karmarouge Label, seine
Maxi Envoys „Move On“ vor und
„Snapdragon EP“ wird von zwei Parschneidet noch einen Tacken cooler
ab als Bug. Gute Platte (Soma). Auf ty-Tech-House-Tracks angeführt,
aber am schönsten kommt „Garcia
Steves Label Pokerflat erscheint
„Stocktown City Dwellers“ von AD- Deep Cut“, ein Minimal-HouseStück in guter Köln-Tradition, wie
JD alias Alexi Delano und Jesper
Dahlbäck. Die beiden Schweden hie- man sie dieser Tage schon wieder
anfängt zu vermissen. Aber es gibt ja
ven 90er-Jackhouse in die Gegenauch noch den Düsseldorfer ANDY
wart und mein Raverherz vergisst
VAZ, der das Minimal- und Experiseine drei Beipässe und schreit
„Aciiiiiid“! Ein weiterer kommender mental-Erbe ebenfalls pflegt. Sein
„First Aid Course“ (PersistanceBit
Clubhit heißt „She Loves It“ von
Rec.) ist Pflicht für alle Tech- HouseEYERER & CHOPSTICK (WizNeueinsteiger.
-ms
kidz). „Was hast du bloß genommen?“, fragt hier ein besorgter Brite, Der Knaller kommt in diesem Moaber die Dame antwortet ebenfalls in nat von LE DUST SUCKER. „MeForm von abgedrehtem Acidgeknar- an Boy“ ist die knarzige Knorpel-
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Disco-Hymne, die man bereits vom
Album her kennt: cool und hysterisch zugleich. Der neue Track,
„Mean Girl“ ist das ravige Pendant
– nicht minder großartig. Große
Ehrfurcht vor diesen coolen Typen
(Plong!). JENS sind Jens Mahlstedt
und Gerret Frerichs, die mit den
„Never Be The Same“-Remixen auf
dem Poker Flat Sublabel Shallow
Cuts ganz schön bollern. Sie selbst
UK-Bass-mäßig stotternd, Jesper
Dählbäck ordentlich fett und actionreich und JussiPekka mit in Pianoakkorde übergehendem Acid – Tyree
lässt grüßen, aber Acid’s not over.
FRANK MARTINIQ schließt seine „Late Night Tools“-Trilogie fröhlich ab: Ist A1 noch kontemplativer
Minimalismus mit hüpfenden Soundpunkten, rauscht B1 schwungvoll
an einem vorbei und mit dem B2Track macht er doch glatt TechnoBlues – mit Fake-Mundharmonika
(Boxer). Ungewöhnlich kühl, fast
schon elektroid gibt sich PHONIQUE auf „X-Attack“. Die
Singleauskopplung seines Albums
„Identification“ vermeidet ebenso
wie „Work Together“ und „Robotta“
zu sehr zärtelnde Sounds und schließt
an Spät-80er-House an (Dessous).
ERROR ERROR sind Remute und
eine Hälfte von Einmusik. Hier gibt’s
zwei Tracks, die Cut-up- und FilterDisco reaktivieren – Stimmungsmacher. „Falling Deep“ macht hingegen genau das, was der Titel verspricht: sehr deep (Italic). Der Kölner ZIGGYKINDER war bereits
auf der letzten Ware-Compilation,
jetzt darf er dort mit „mikro tanz“
eine erste 4-Track-Maxi veröffentlichen. Auf der A-Seite macht er
noch smoothen Mikro-Funk, auf der
B-Seite packt er dann dicke RaveSounds aus und alle sind zufrieden:
Körper, Kopf und Seele.
-cm

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