Abschied vom Leithammel (S. 137-138)

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Abschied vom Leithammel (S. 137-138)
Abschied vom Leithammel (S. 137-138)
Wer immer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterläßt keine Eindrücke.
Das wird vorgeschlagen: Unternehmer an die Front! Wir brauchen Entrepreneure! Vorbilder! Henkel!
Grundig! Neckermann! Nixdorf! Die Unternehmen artikulieren Traditionsbedarf. Sie entstauben die
mental-historischen Dachböden nach wegweisenden Urahnen, Gründervätern, traditions- und
haltvermittelnden Vor-Denkern, Vor-Machern. Das alarmistische Krisengerede beschwört wieder
Schumpeters »kreativen Zerstörer«. Das manager magazin weiht – nach dem Muster der
amerikanischen Fortune – seitenweise eine »Business Hall of Fame« ein. Allseits ist die Renaissance
des »great man« zu spüren, die Wiederauferstehung der neokonservativen Denkfigur des »Man-hat’soderman- hat’s-halt-nicht«. Mitarbeiterorientierung?
Schnee von gestern. Der Schnee von heute heißt: Charisma. Persönlichkeit. Ausstrahlung. Der Rückgriff
auf Vorbilder, der vereinfachende Personifizierungsdrang: Wenn es überhaupt einen gemeinsamen
Orgelton der Wirtschaftspublizistik gibt, dann ist es der Appell an die Vorbildfunktion der
Führungskräfte, die insbesondere die Kluft zwischen leitbild-erwünschten Verhaltensformen und real
existierendem Sozialdesaster überbrücken soll. Führungskräfte als Vorbilder: Es gibt kaum einen
geeigneteren Gegenstand, um den notwendigen Paradigmenwechsel in einem Unternehmen zu
verdeutlichen, das um das Prinzip Selbstverantwortung herum gebaut ist.
Maskuline Muskelspielerei
Historisch gesehen entstammt das Vorbild-Postulat einer Zeit klarer hierarchischer Zu- und
Unterordnung, wo man noch »Untergebener« sagte (und das auch so meinte), typisch für
patriarchalische Strukturen, militaristische Grundmuster (Augen zu und durch! Ran wie Blücher!). Es ist
richtungsgleich mit dem Wunsch nach Hierarchie, Autorität und elitärem Denken. Denn das Vorbild
wächst analog zum Einschüchterungswert. Es ist damit zweifellos ein Relikt aus der
Unternehmenskultur eiserner Sekundärtugenden, die für die Generation der vor 1945 Geborenen
verpflichtend waren.
Konsequent ist »Vorbild sein« eine ausgesprochen männlich assoziierte Denkfigur (wie auch der
Größenwahn bei Frauen viel seltener vorkommt als bei Männern). Auf gewisse Weise erscheint die
Vorbild-Idee so als der Gegenentwurf gegen das Individuelle und Spontane, das die weiblich
vorgestellte Ursprungsmacht in der griechischen Mythologie verkörpert. Denn das Vorbildliche ist nicht
das Individuelle, sondern das vereinfachend Verallgemeinerbare. Die Personifizierung eines Prinzips.
Und trotz begreiflicher feministischer Einwände bleibt einstweilen gültig, daß dieser beispielhafte
Mensch ein Mann ist.