Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung 1. Der Personalrat

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Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung 1. Der Personalrat
BVerwG v. 5.11.2010 – 6 P 18.09
Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung
1. Der Personalrat hat aufgrund seiner Allzuständigkeit nach § 2 Abs. 1, § 51 Abs. 1 MBGSH
mitzubestimmen, wenn der Dienststellenleiter gegenüber Beschäftigten eine amtsärztliche
Untersuchung anordnet.
2. Die Mitbestimmung findet nur mit Zustimmung des betroffenen Beschäftigten statt.
BVerwG, Beschluss v. 5.11.2010 – 6 P 18.09 –
Zum Sachverhalt
Mit Schreiben vom 21. Juni 2007 forderte der Beteiligte eine Arbeitnehmerin unter Hinweis auf
erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten und unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 4 TVöD auf, sich beim
Fachdienst Gesundheit einer Untersuchung zur Abklärung der Frage zu unterziehen, ob sie auf Dauer in
der Lage sei, ihre arbeitsvertraglich geschuldete Leistung als Verwaltungsfachangestellte zu erfüllen.
Mit Nachricht vom 5. Juli 2007 machte der Antragsteller gegenüber dem Beteiligten geltend, die
Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung sei eine Maßnahme, die der Mitbestimmung des
Personalrats unterliege. Dem trat der Beteiligte entgegen.
Der Antragsteller hat daraufhin das Verwaltungsgericht angerufen und dort beantragt, festzustellen,
dass die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung gegenüber Beschäftigten der Dienststelle
gemäß § 51 Abs. 1 MBGSH mitbestimmungspflichtig ist, hilfsweise festzustellen, dass der Beteiligte
verpflichtet ist, ihn vor Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung gegenüber Beschäftigten der
Dienststelle gemäß § 49 Abs. 1 MBGSH zu unterrichten.
Das Verwaltungsgericht hat dem Hauptantrag entsprochen. Auf die Beschwerde des Beteiligten hat das
Oberverwaltungsgericht den erstinstanzlichen Beschluss geändert und nur dem Hilfsantrag
stattgegeben. Zur Begründung für die Ablehnung des Hauptantrages hat es ausgeführt: Die Anordnung
einer amtsärztlichen Untersuchung sei keine Maßnahme im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz 1 MBGSH. Weder
die Anordnung selbst noch deren Durchführung bewirkten eine Veränderung des
Beschäftigungsverhältnisses des betroffenen Mitarbeiters. Eine solche Änderung trete erst durch die
sich möglicherweise anschließende Personalentscheidung ein. Gegenüber dieser stelle sich die
Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung als lediglich vorbereitende Handlung dar. Diese sei darauf
gerichtet zu klären, ob der betroffene Beschäftigte zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten
Tätigkeit in der Lage sei, und diene damit nur der Sachverhaltsaufklärung. Durch die Anordnung, sich
ärztlich untersuchen zu lassen, werde eine Personalentscheidung weder vorweggenommen noch
präjudiziert. Ob sich eine personelle Entscheidung an die Anordnung anschließe und wie sie
gegebenenfalls ausfalle, hänge vielmehr vom Ergebnis der Untersuchung ab. Dieses wiederum werde
durch die Anordnung nicht beeinflusst. Weigere sich der Arbeitnehmer grundlos, die
Untersuchungsanordnung zu befolgen, könne dies eine Abmahnung und schließlich sogar eine fristlose
Kündigung nach sich ziehen. Diese sei ohnehin mitbestimmungspflichtig. Insofern bestehe kein Anlass,
die Mitbestimmung vorzuverlagern.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde vor: Die Anordnung der
amtsärztlichen Untersuchung löse unmittelbare Rechtswirkungen aus und greife nachhaltig in das
Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten ein. Dieses erfahre durch die Anordnung und deren nachfolgende
Durchführung eine wesentliche Beeinträchtigung. Weigere sich der Beschäftigte, der
Untersuchungsaufforderung nachzukommen, so seien arbeitsrechtliche Sanktionen vorprogrammiert.
Gelange der Beteiligte auf der Grundlage des Ergebnisses der ärztlichen Untersuchung zu dem Ergebnis,
dass der Beschäftigte nicht mehr in der Lage sei, seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zu
leisten, so resultiere daraus letztlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Sei der Maßnahmebegriff
aber erfüllt, so ergebe sich das Mitbestimmungsrecht aus der Allzuständigkeit des Personalrats.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Beschwerde
des Beteiligten gegen den erstinstanzlichen Beschluss zurückzuweisen.
Der Beteiligte beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Er verteidigt den angefochtenen
Beschluss.
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Aus den Gründen
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts beruht auf der unrichtigen Anwendung von Rechtsnormen (§ 88 Abs. 2
MBGSH vom 11. Dezember 1990, GVOBl S. 577, zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 26. März
2009, GVOBl S. 93, i.V.m. § 93 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Er ist daher aufzuheben; da der Sachverhalt geklärt
ist, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG i.V.m. § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3
ZPO). Danach ist die Beschwerde des Beteiligten gegen den erstinstanzlichen Beschluss zurückzuweisen.
Der Antragsteller hat mitzubestimmen, wenn der Beteiligte gegenüber Beschäftigten der Dienststelle
eine amtsärztliche Untersuchung anordnet. Rechtsgrundlage dafür sind die gesetzlichen Regelungen zur
Allzuständigkeit des Personalrats. Demgemäß besagt § 2 Abs. 1 Nr. 1 MBGSH, dass der Personalrat
mitbestimmt bei allen Maßnahmen der Dienststelle für die dort tätigen Beschäftigten. Die
Konkretisierung findet sich in § 51 Abs. 1 Satz 1 MBGSH. Danach bestimmt der Personalrat mit bei allen
personellen, sozialen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen, die die
Beschäftigten der Dienststelle insgesamt, Gruppen von ihnen oder einzelne Beschäftigte betreffen oder
sich auf sie auswirken. § 51 Abs. 1 Satz 3 MBGSH stellt klar, dass die Mitbestimmung nicht stattfindet
bei Weisungen an einzelne oder mehrere Beschäftigte, die die Erledigung dienstlicher Obliegenheiten
oder zu leistender Arbeit regeln.
1. Die Anordnung des Beteiligten gegenüber Beschäftigten des Kreises, sich einer amtsärztlichen
Untersuchung zu unterziehen, ist eine Maßnahme im Sinne der vorbezeichneten Bestimmungen.
a) Nach ständiger Senatsrechtsprechung ist unter einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen
Sinne jede Handlung oder Entscheidung zu verstehen, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt.
Die Maßnahme muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustandes abzielen. Nach Durchführung
der Maßnahme müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung
erfahren haben (vgl. Beschlüsse vom 16. November 1999 - BVerwG 6 P 9.98 - Buchholz 251.95 § 51
MBGSH Nr. 2 S. 2, vom 29. Januar 2003 - BVerwG 6 P 15.01 - Buchholz 251.95 § 51 MBGSH Nr. 4 S. 18,
vom 18. Mai 2004 - BVerwG 6 P 13.03 - BVerwGE 121, 38 <43> = Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr.
17 S. 3 und vom 9. September 2010 - BVerwG 6 PB 12.10 - juris Rn. 5). Lediglich der Vorbereitung einer
Maßnahme dienende Handlungen der Dienststelle sind, wenn sie nicht bereits die beabsichtigte
Maßnahme vorwegnehmen oder unmittelbar festlegen, keine Maßnahmen (vgl. Beschlüsse vom 18.
Dezember 1996 - BVerwG 6 P 6.94 - BVerwGE 104, 14 <15> = Buchholz 251.95 § 51 S-HPersVG Nr. 1 S. 2
und vom 14. Oktober 2002 - BVerwG 6 P 7.01 - Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 104 S. 33). Von diesem
Verständnis des Maßnahmebegriffs geht ausweislich der Gesetzesmaterialien auch der
Landesgesetzgeber im Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein aus (vgl. LTDrucks 12/996 S. 107).
b) Mit der Anordnung des Dienststellenleiters gegenüber dem Beschäftigten, sich einer amtsärztlichen
Untersuchung zu unterziehen, wird eine bisher nicht bestehende Verpflichtung begründet und damit
der Rechtsstand des Beschäftigten einer Veränderung unterworfen. Die Anordnung ist verbindlich; ihre
Nichtbeachtung kann unter Umständen für den Beschäftigten mit erheblichen Nachteilen verbunden
sein. Sie greift erheblich in das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten
ein und ist daher mitbestimmungsbedürftig. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats kann einen
beachtlichen Beitrag dazu leisten, dass die Anordnung nach Möglichkeit nur in den Fällen ergeht und
befolgt wird, in denen die rechtlichen Voraussetzungen dafür gegeben sind und die Anordnung wegen
erheblicher Belange der Dienststelle unter Berücksichtigung schützenswerter Interessen des
Beschäftigten gerechtfertigt ist. Angesichts dessen erweist sich die Untersuchungsanordnung als
weichenstellende Vorentscheidung, jedenfalls aber als Entscheidung mit einem Eigengewicht, welches
den kollektivrechtlichen Schutz des Beschäftigten erfordert.
Die personalvertretungsrechtlich relevante Rechtslage stellt sich für die beiden Beschäftigtengruppen
gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 MBGSH wie folgt dar:
aa) Arbeitnehmer der Kreise unterliegen dem Geltungsbereich des Tarifvertrages für den öffentlichen
Dienst (TVöD) vom 13. September 2005, zuletzt geändert durch Änderungstarifvertrag Nr. 5 vom 27.
Februar 2010 (§ 1 Abs. 1 Alt. 2 TVöD).
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(1) Das Arbeitsverhältnis eines solchen Arbeitnehmers endet mit Ablauf des Monats, in dem der
Bescheid zugestellt wird, wonach er erwerbsgemindert ist (§ 33 Abs. 2 Satz 1 TVöD). Verzögert der
Arbeitnehmer schuldhaft den Rentenantrag, so tritt an die Stelle des Rentenbescheides das Gutachten
des Amtsarztes (§ 33 Abs. 4 Satz 1 TVöD). Das Arbeitsverhältnis endet in diesem Fall nach Ablauf des
Monats, in dem dem Arbeitnehmer das Gutachten bekannt gegeben worden ist (§ 33 Abs. 4 Satz 2
TVöD). Diese Regelungen werden ergänzt durch § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD, wonach der Arbeitgeber bei
begründeter Veranlassung berechtigt ist, den Arbeitnehmer zu verpflichten, durch ärztliche
Bescheinigung nachzuweisen, dass er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der
Lage ist.
Die vorbezeichneten Tarifbestimmungen tragen dem Problem Rechnung, dass die Entgeltfortzahlungsbestimmungen von ihrer Zweckbestimmung her nur vorübergehende krankheitsbedingte
Ausfälle des Arbeitnehmers abdecken sollen, die entsprechende Rentengewährung bei
Erwerbsminderung aber einen Antrag des Arbeitnehmers voraussetzt und der Arbeitgeber anhand der
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen regelmäßig nicht feststellen kann, ob nur eine vorübergehende
Arbeitsunfähigkeit vorliegt oder der Arbeitnehmer erwerbsgemindert ist. Ein Verstoß gegen die aus § 3
Abs. 4, § 33 Abs. 4 TVöD resultierende Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers ist je nach den Umständen
geeignet, eine Kündigung, auch eine außerordentliche Kündigung eines tariflich ordentlich nicht mehr
kündbaren Arbeitnehmers zu rechtfertigen. Der Arbeitnehmer, der erwerbsgemindert ist, aber
schuldhaft die Stellung eines Rentenantrages verzögert, handelt grob pflichtwidrig. Das gleiche gilt,
wenn er schuldhaft eine ordnungsgemäße Begutachtung durch den Amtsarzt zur Feststellung seiner
Erwerbsminderung unmöglich macht (vgl. BAG, Urteile vom 6. November 1997 - 2 AZR 801/96 - AP Nr.
142 zu § 626 BGB und vom 7. November 2002 - 2 AZR 475/01 - BAGE 103, 277 <281>; Schulz-Koffka, in:
Adam u.a., Tarifrecht der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, § 33 Rn. 132; Künzl, in: GKÖD, Bd. IV, E
§ 33 Rn. 168 f.; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 3 Rn. 106 und 117).
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass in den Fällen des § 33 Abs. 4 TVöD die Anordnung der
amtsärztlichen Untersuchung durch den Dienststellenleiter eine Vorentscheidung ist, die für den
betroffenen Arbeitnehmer unter Umständen gravierende Folgen hat. Stellt er sich der Untersuchung
und gelangt diese zur Feststellung seiner Erwerbsminderung, so endet das Arbeitsverhältnis nach
Maßgabe von § 33 Abs. 4 Satz 2 TVöD, ohne dass es noch einer darauf gerichteten Entscheidung des
Dienststellenleiters bedarf. Dieses Ergebnis kann der Arbeitnehmer zwar vermeiden, indem er die
Teilnahme an der Untersuchung verweigert. Dies kann er aber nur um den Preis erreichen, dass er sich
dann der Gefahr einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung aussetzt. Das Gewicht der
Maßnahme als Vorentscheidung wird nicht dadurch gemindert, dass der Arbeitnehmer sich vor dem
Arbeitsgericht gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Hinweis auf die Unrichtigkeit des
amtsärztlichen Gut-achtens zur Wehr setzen kann (vgl. Schulz-Koffka, a.a.O. § 33 Rn. 128 f.; Künzl, a.a.O.
§ 33 Rn. 171).
(2) Die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung nach § 3 Abs. 4 TVöD als Maßnahme im Sinne
von § 2 Abs. 1, § 51 Abs. 1 MBGSH zu verstehen, ist aber auch außerhalb des Anwendungsbereichs des
§ 33 Abs. 4 TVöD mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Mitbestimmung gerechtfertigt. Der sachliche
Grund für die Anordnung einer Untersuchung kann sowohl in der Fürsorgepflicht für den Arbeitnehmer
selbst und die mit ihm arbeitenden Arbeitnehmer als auch im sonstigen Pflichtenkreis der Verwaltung
liegen (vgl. BAG, Urteil vom 6. November 1997 a.a.O. Bl. 1084 R; Dahlem, in: Adam u.a., a.a.O. § 3 Rn. 32;
Breier u.a., a.a.O. § 3 Rn. 97). In jedem Fall stellt die Anordnung einen erheblichen Eingriff in die
Persönlichkeitssphäre des Arbeitnehmers dar. Es besteht daher ein erhöhtes Bedürfnis nach
kollektivrechtlichem Schutz durch den Personalrat. Dessen Beteiligung kann wesentlich dazu beitragen,
dass der betroffene Arbeitnehmer der Anordnung nur in den Fällen Folge leisten muss, in denen die
rechtlichen Voraussetzungen dafür vorliegen und in denen öffentliche Belange auch unter
Berücksichtigung der persönlichen Interessen des Arbeitnehmers die Untersuchung rechtfertigen.
Vermag der Personalrat im Wege der Mitbestimmung die Dienststelle davon zu überzeugen, dass eine
begründete Veranlassung für die beabsichtigte Untersuchungsanordnung nicht gegeben ist, oder dass
es jedenfalls gute Gründe gibt, von der Anordnung abzusehen, so ist der betroffene Arbeitnehmer auf
diese Weise effektiv geschützt, weil die Anordnung gar nicht erst ergeht. Er ist damit davon entbunden,
die schwierige und ihn häufig überfordernde Frage selbst zu entscheiden, ob er berechtigt ist, die
Teilnahme an der Untersuchung zu verweigern. Stimmt der Personalrat dagegen zu - namentlich aus
der Erfahrung heraus, dass sich in der Vergangenheit die Anordnung in vergleichbaren Fällen als rechtund zweckmäßig erwiesen hat -, so kann der Arbeitnehmer daraus ersehen, dass die Verweigerung der
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Untersuchung voraussichtlich mit einem erheblichen rechtlichen Risiko verbunden ist, welches bis zur
ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung reicht (vgl. Breier u.a., a.a.O. § 3 Rn. 117; Fieberg, in:
GKÖD, Bd. IV, E § 3 Rn. 102; Dahlem, a.a.O. § 3 Rn. 38). Die Beteiligung des Personalrats bietet daher
Schutz in zweifacher Hinsicht: zum einen vor nicht
gerechtfertigten Anordnungen der Dienststelle und zum anderen vor unzutreffenden Einschätzungen
der Rechtslage durch den Arbeitnehmer mit möglicherweise nicht wiedergutzumachenden Folgen.
bb) Für die Beamten der Kreise in Schleswig-Holstein gilt neben dem Beamtenstatusgesetz (BeamtStG)
vom 17. Juni 2008, BGBl I S. 1010, zuletzt geändert durch Art. 15 Abs. 16 des Gesetzes vom 5. Februar
2009, BGBl I S. 160, das Landesbeamtengesetz (LBG) vom 26. März 2009, GVOBl S. 93, zuletzt geändert
durch Art. 54 der Landesverordnung vom 8. September 2010, GVOBl S. 575.
Nach § 21 Nr. 1 und 4 BeamtStG endet das Beamtenverhältnis durch Entlassung sowie durch Versetzung
in den Ruhestand. Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie dienstunfähig
sind (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Bei Beamten auf Probe kommt im Falle der Dienstunfähigkeit
ebenfalls die Versetzung in den Ruhestand oder die Entlassung in Betracht (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 28
Abs. 1 und 2 BeamtStG). Bestehen Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten, ist er verpflichtet, sich
nach Weisung des Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen zu lassen (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LBG); die
Untersuchung wird vor allem von Amtsärzten durchgeführt (§ 44 Abs. 1 Satz 1 LBG). Kommt der Beamte
trotz wiederholter schriftlicher Weisung ohne hinreichenden Grund der genannten Verpflichtung nicht
nach, kann er so behandelt werden, als ob Dienstunfähigkeit vorläge (§ 41 Abs. 1 Satz 2 LBG).
Die Untersuchungsanordnung gegenüber einem Beamten als Maßnahme zu verstehen, ist aus den
Gründen gerechtfertigt, die oben (in Abschnitt II 1 b, aa (2)) zur Anordnung gegenüber Arbeitnehmern
angeführt wurden. Deren Eigengewicht und die daraus resultierende kollektivrechtliche
Schutzbedürftigkeit des Beamten ist vor allem mit Blick auf die Regelung in § 41 Abs. 1 Satz 2 LBG
offensichtlich. Wegen der Gefahr fiktiv eintretender Dienstunfähigkeit ist die Beteiligung des
Personalrats besonders geeignet, den Beamten einerseits vor nicht gerechtfertigten Anordnungen zu
schützen und ihm andererseits die Risiken einer unberechtigten Verweigerungshaltung vor Augen zu
führen.
2. Die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung gegenüber Beschäftigten ist eine
„innerdienstliche“ Maßnahme. Die dahin zielenden Einwände des Beteiligten in seiner
Beschwerdebegründung vom 30. September 2008 greifen nicht durch.
a) Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung in § 51 Abs. 1 Satz 1 MBGSH ist „innerdienstliche
Maßnahme“ der Auffang- und Oberbegriff. Für das Mitbestimmungsrecht des Personalrats ist es daher
grundsätzlich unbeachtlich, ob die jeweils in Rede stehende Maßnahme als personelle, soziale oder
organisatorische Maßnahme zu qualifizieren ist.
b) Nach ständiger Senatsrechtsprechung sind innerdienstliche Maßnahmen Entscheidungen im
internen Bereich von Regierung und Verwaltung, durch welche die Beschäftigten in ihrem spezifischen
Interesse als Beamte und Arbeitnehmer berührt werden. Der Charakter einer Entscheidung als
innerdienstliche Maßnahme wird durch den Zusammenhang mit der Erledigung der Amtsaufgabe nicht
in Frage gestellt. Für innerdienstliche Maßnahmen ist nicht untypisch, dass durch sie behördenintern die
Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Amtsauftrages geschaffen werden (vgl. Beschlüsse vom 19.
Mai 2003 - BVerwG 6 P 16.02 - Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 19 S. 4 f., vom 18. Mai 2004 a.a.O. S. 49 f.
bzw. S. 5 f. und vom 16. April 2008 - BVerwG 6 P 8.07 - Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 5 Rn. 11 ff.; Urteil
vom 21. März 2007 - BVerwG 6 P 4.06 - BVerwGE 128, 212 = Buchholz 251.8 § 78 RhPPersVG Nr. 1 Rn. 43
ff.).
Sein weites, für eine Personalratsbeteiligung in erheblichem Maße offenes Verständnis vom Begriff der
innerdienstlichen Maßnahme hat der Senat in seiner neueren Rechtsprechung dem Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - (BVerfGE 93, 37 <68 ff.>) entnommen, in
welchem zu den Anforderungen des demokratischen Prinzips an die Mitbestimmung der Personalräte
Stellung genommen wurde. Er hat daraus hergeleitet, dass in den Fällen, in denen eine die Beschäftigten
in ihren spezifischen Interessen berührende Maßnahme erhebliche Auswirkungen auf die Erledigung
des Amtsauftrages hat, dem nicht durch Ausschluss jeglicher Beteiligung, sondern durch die Beachtung
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der Verantwortungsgrenze Rechnung zu tragen ist. Diese besagt, dass die Angelegenheit nicht der
Letztentscheidungsbefugnis der der Volksvertretung verantwortlichen Stelle entzogen werden darf (vgl.
Beschlüsse vom 19. Mai 2003 a.a.O. S. 5, vom 18. Mai 2004 a.a.O. S. 49 f. bzw. S. 5 f., vom 30. Juni 2005 BVerwG 6 P 9.04 - BVerwGE 124, 34 <41 f.> = Buchholz 250 § 75 BPersVG Nr. 106 S. 44 und vom 16. April
2008 a.a.O. Rn. 13).
Aus der vorbezeichneten aktuellen Senatsrechtsprechung ergibt sich, dass kein Raum mehr dafür ist,
„diensttechnische Regelungen“ aus der Mitbestimmung herauszunehmen. Freilich wird die neuere
Senatsrechtsprechung in einem Teil der Kommentierungen nur unvollständig oder missverständlich
wiedergegeben (vgl. Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD, Bd. V, K § 75 Rn. 107a; Kaiser, in:
Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 75 Rn. 496).
c) Das verfassungsrechtliche Verständnis vom Begriff der innerdienstlichen Maßnahme stimmt mit
demjenigen Verständnis überein, welches dem Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein zugrunde
liegt.
Bereits im Entwurf zum Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein sind die Erläuterungen zum Begriff
der innerdienstlichen Maßnahme der Sache nach vorwiegend in einen verfassungsrechtlichen
Zusammenhang gestellt. Dabei wird die Mitbestimmung für ausgeschlossen gehalten, wenn die
Dienststelle einen Sachverhalt regelt, der ausschließlich oder primär nach außen gerichtet ist. Die
Entscheidung, ob und auf welche Weise eine Dienststelle Aufgaben gegenüber Dritten erfüllt oder
diesen gegenüber Entscheidungen trifft, soll sich der Mitbestimmung entziehen (LTDrucks 12/996 S.
107). Sollte der schleswig-holsteinische Landesgesetzgeber damals von einem - geringfügig – engeren
Verständnis der innerdienstlichen Maßnahme ausgegangen sein, als es das Verfassungsrecht gebietet,
so gilt dies jedenfalls heute nicht mehr.
Mit dem Gesetz zur Änderung des Mitbestimmungsgesetzes Schleswig- Holstein vom 29. Dezember
1999, GVOBl 2000 S. 3, hat der Landesgesetzgeber die Konsequenzen aus dem bereits zitierten Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 1995 gezogen, durch welchen Teile des
Mitbestimmungsgesetzes für verfassungswidrig erklärt worden waren. Er hat den Anforderungen des
demokratischen Prinzips vor allem durch die Änderungen in § 54 Abs. 4 und § 55 Abs. 1 MBGSH zur
Kompetenz der Einigungsstelle und zum Letztentscheidungsrecht der zuständigen Dienststelle
Rechnung getragen. An der Allzuständigkeit der Personalräte hat er jedoch festgehalten (vgl. LTDrucks
14/1353 S. 2 und 10). Damit wird deutlich, dass er die durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts belassenen Spielräume für eine umfassende Mitbestimmung der Personalräte ausschöpfen
wollte. Damit verträgt sich eine Annahme nicht, der Landesgesetzgeber habe den Begriff der
innerdienstlichen Maßnahme, der für die Zulässigkeit von Mitbestimmung im öffentlichen Dienst von
zentraler Bedeutung ist, enger fassen wollen als es die Verfassung gebietet.
Aus demselben Grund kommt der Regelung in § 51 Abs. 1 Satz 3 MBGSH keine selbstständige,
insbesondere keine einschränkende Bedeutung zu. Dies war im Übrigen bereits in der Begründung zum
Entwurf des Mitbestimmungsgesetzes verdeutlicht worden; dort hieß es: „Satz 3 stellt klar, dass
dienstliche Weisungen, die sich auf die Erledigung der von der Dienststelle zu erfüllenden Aufgaben
beziehen, nicht der Mitbestimmung unterliegen (LTDrucks 12/996 S. 108).
d) Nach den vorgenannten Maßstäben ist die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung gegenüber
Beschäftigten eine innerdienstliche Maßnahme. Sie hat ihre Grundlage im Beschäftigungsverhältnis,
welches durch die einschlägigen tarifrechtlichen und gesetzlichen Bestimmungen normativ gestaltet
wird. Sie berührt die Beschäftigten in ihrer spezifischen Interessenlage als Arbeitnehmer und Beamte.
Dass sie letztlich der ordnungsgemäßen Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die Dienststelle dient, ist
für innerdienstliche Maßnahmen geradezu typisch, durch welche behördenintern die Voraussetzungen
für die Erfüllung des Amtsauftrages geschaffen werden.
e) Ist die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung somit eine innerdienstliche Maßnahme, so
bleibt mit Blick auf § 51 Abs. 4 und 6 MBGSH klarzustellen, dass es sich um eine personelle Maßnahme
handelt. Denn sie wirkt sich auf das einzelne Beschäftigungsverhältnis aus (vgl. LTDrucks 12/996 S. 107;
Beschlüsse vom 23. Januar 1986 - BVerwG 6 P 8.83 - Buchholz 238.35 § 61 HePersVG Nr. 3 S. 9 und vom
17. Mai 2010 - BVerwG 6 P 7.09 - juris Rn. 9).
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3. Datenschutzrechtliche Belange der von der Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung
betroffenen Beschäftigten stehen einer Mitbestimmung nicht entgegen. Diesen Belangen ist dadurch
Rechnung getragen, dass in den hier in Rede stehenden Fällen die Mitbestimmung nur mit Zustimmung
des betroffenen Beschäftigten stattfindet.
Nach § 51 Abs. 5 Satz 1 MBGSH ist die Mitbestimmung, soweit Mitbestimmungsfälle über die
beabsichtigten Maßnahmen hinaus schutzwürdige persönliche Interessen von Beschäftigten berühren,
von der vorher einzuholenden Zustimmung der Betroffenen abhängig. Die Vorschrift trägt dem
Umstand Rechnung, dass einzelne Mitbestimmungsfälle zur Offenlegung von Tatsachen führen können,
an deren Geheimhaltung die betroffenen Beschäftigten ein schutzwürdiges persönliches Interesse
haben (vgl. LTDrucks 12/996 S. 109). Wie die Formulierung „über die beabsichtigten Maßnahmen
hinaus“ anzeigt, ist dabei nicht an die Belastung durch die Maßnahme selbst, sondern an die Preisgabe
persönlicher Daten gedacht, welche mit der Unterrichtung des Personalrats im Rahmen des
Mitbestimmungsverfahrens zwangsläufig verbunden ist (vgl. zur Beteiligung des Personalrats im
Disziplinarverfahren: Urteil vom 24. Juni 2010 - BVerwG 2 C 15.09 - juris Rn. 13 ff.). Ein Anwendungsfall
des § 51 Abs. 5 Satz 1 MBGSH ist vor allem dann gegeben, wenn Verfassungsrecht die Bindung der
Mitbestimmung an die Zustimmung des betroffenen Beschäftigten gebietet. So liegt es hier.
Die Mitteilung der Dienststelle an den Personalrat, dass ein bestimmter Beschäftigter über einen
längeren Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt war oder ist, ohne dass der Beschäftigte der Offenbarung
dieses Umstandes zugestimmt hat, bewirkt einen gewichtigen Eingriff in das von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art.
1 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung. Ein solcher
Eingriff muss durch überwiegende gegenläufige Interessen gerechtfertigt werden (vgl. zum
betrieblichen Eingliederungsmanagement: Beschluss vom 23. Juni 2010 - BVerwG 6 P 8.09 - juris Rn. 42).
Dasselbe gilt auch und erst recht für weitere Gesundheitsdaten, die im Rahmen eines Mitbestimmungsverfahrens ohne Zustimmung des Betroffenen in den Verhandlungen zwischen Dienststelle und
Personalrat gegebenenfalls zur Sprache kommen. An einer Rechtfertigung für derartige Eingriffe fehlt es
hier. Wie oben ausgeführt wurde, dient die Mitbestimmung im vorliegenden Fall ganz überwiegend,
wenn nicht ausschließlich dem Schutz desjenigen Beschäftigten, der von der Anordnung der
amtsärztlichen Untersuchung betroffen ist. Es verbietet sich, diesem Beschäftigten die Mitbestimmung
und die damit unvermeidlich verbundene Preisgabe und Erörterung sensibler Gesundheitsdaten
aufzuzwingen.
Erteilt der Beschäftigte die Zustimmung nicht, so ist die Dienststelle freilich verpflichtet, den
Personalratsvorsitzenden und gegebenenfalls den Gruppensprecher über die beabsichtigte Maßnahme
zu unterrichten (§ 51 Abs. 5 Satz 2 MBGSH). Dagegen ist unter dem Gesichtspunkt höherrangigen Rechts
nichts zu erinnern. Die Mitteilung ist inhaltlich auf die beabsichtigte Maßnahme als solche begrenzt und
nur einem engen Personenkreis zugänglich zu machen (vgl. dazu Beschluss vom 23. Juni 2010 a.a.O. Rn.
53). Sie ist der Sache nach gerechtfertigt, weil der Personalrat auf diese Weise in die Lage versetzt wird,
zu überprüfen, ob die von der Dienststelle angenommenen Voraussetzungen für die Einschränkung des
Mitbestimmungsrechts tatsächlich gegeben sind.
Ist der Beschäftigte mit der Mitbestimmung einverstanden, so bestimmt sich die Unterrichtung des
Personalrats nach § 49 MBGSH (vgl. dazu im Einzelnen Beschlüsse vom 23. Januar 2002 - BVerwG 6 P
5.01 - Buchholz 250 § 68 BPersVG Nr. 17 S. 4 ff., vom 24. Februar 2006 - BVerwG 6 P 4.05 – Buchholz
251.91 § 77 SächsPersVG Nr. 1 Rn. 17, vom 16. Februar 2010 - BVerwG 6 P 5.09 - juris Rn. 9 sowie
Beschluss vom 23. Juni 2010 a.a.O. Rn. 13 und 44 ff.).
4. Mit seiner vorliegenden Entscheidung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seinen Beschlüssen
vom 23. Januar 1986 (a.a.O.) und vom 31. Januar 1986 - BVerwG 6 P 5.83 - (Buchholz 238.3 A § 75
BPersVG Nr. 42), in welchen jeweils ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Anordnung einer
amtsärztlichen Untersuchung verneint wurde. Nach diesen Senatsentscheidungen scheiterte das
Mitbestimmungsrecht nicht bereits an der Nichterfüllung des Maßnahmebegriffs. Diese
Entscheidungen beruhen vielmehr darauf, dass das System normierter Mitbestimmungstatbestände
nach den anzuwendenden Personalvertretungsgesetzen die Anordnung einer amtsärztlichen
Untersuchung nicht erfasste, insbesondere nicht unter den Gesichtspunkten „Ordnung in der
Dienststelle und Verhalten der Beschäftigten“ sowie „Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und
sonstigen Gesundheitsschädigungen“. Die Allzuständigkeit des Personalrats nach dem Mitbestim-
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mungsgesetz Schleswig-Holstein, welches auf die Ausformulierung einzelner Mitbestimmungstatbestände ganz verzichtet, lässt jedoch Raum für eine weitergehende Mitbestimmung.
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