Wie die Sonne ins Kraftwerk kommt

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Wie die Sonne ins Kraftwerk kommt
Solarthermische Kraftwerke
Wie die Sonne ins Kraftwerk
kommt
R OBERT P ITZ-PA AL
Solarthermische Kraftwerke liefern fast genauso viel Strom
wie alle netzgekoppelten Photovoltaik-Anlagen der Welt.
Im Prinzip funktionieren sie wie ein großes Brennglas:
Sie sammeln das Sonnenlicht und konzentrieren es auf eine
Wärmekraftmaschine.
er heute von Solarstrom spricht, der meint meistens
Strom aus den bläulich schimmernden photovoltaischen Zellen auf Häuserdächern oder an Autobahnen. Weitgehend unbekannt ist, dass solarthermische Kraftwerke,
die nach einem anderen Prinzip arbeiten, weltweit ähnlich
viel elektrische Energie ins Netz speisen, nämlich etwa
500 GWh pro Jahr [1]. Dabei liegt die Wiege dieser Technik sogar in Europa [2]. Dort ist sie nun auf dem Vormarsch,
nachdem Spanien und Italien ihre Markteinführung fördern.
Deutschland, Österreich und die Schweiz liegen nördlich der Breitengrade, in denen solche Kraftwerke wirtschaftlich sind. Trotzdem beteiligen sich vor allem deutsche
Forschungseinrichtungen und
Firmen intensiv an der Weiterentwicklung solarthermiINTERNET
scher Kraftwerkstechnik für
den Exportmarkt. In Zukunft
könnte auch der Import solarSolarthermie-Website der DLR
thermisch erzeugten Stroms
www2.dlr.de/TT/solartherm
für nördliche Industriestaaten
Plataforma Solar de Almería
zu einem wichtigen Faktor
www2.dlr.de/PSA
werden, der ihre CO2-Emissiowww.psa.es
nen reduzieren hilft [3,4].
W
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NASA-Website mit Material zum Stirling-Motor
www.grc.nasa.gov/WWW/tmsb/stirling/
intro_stirling/Slidepage.html
SolarPACES-Netzwerk zu Solarkraftwerken
www.solarpaces.org
Forschungsverbund Sonnenenergie
www.FV-Sonnenenergie.de
WBGU
www.wgbu.de
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kernen wird dazu verwendet, eine Wärmekraftmaschine –
in der Regel einen Dampfkreislauf – anzutreiben und über
einen Generator elektrischen Strom zu erzeugen. Solarthermische Kraftwerke nutzen genau diese Technik, die seit
mehr als hundert Jahren ausgereift ist. Sie ersetzen nur die
konventionellen Wärmequellen durch Sonnenenergie.
Im Unterschied zu fossilen Energieträgern steht die Sonnenenergie allerdings nicht rund um die Uhr zur Verfügung.
Die Lücken, etwa nachts, können die Kraftwerksbetreiber
auf zweierlei Weise überbrücken: Entweder setzen sie zur
Stromerzeugung dann fossilen Brennstoff ein, oder sie speichern die eingesammelte Wärmeenergie zwischen und stellen nach Bedarf aus dieser Speicherwärme den Strom her.
Solarthermische Kraftwerke funktionieren im Prinzip
wie ein Brennglas. Sie konzentrieren die Sonnenstrahlung
auf, um eine möglichst hohe Temperatur zu erreichen: Mindestens 300 °C brauchen sie, um mit ihrer Wärmekraftmaschine aus der eingesammelten Solarenergie effektiv und
wirtschaftlich elektrischen Strom herstellen zu können. Dazu reichen die aus der Haustechnik bekannten Flach- oder
Vakuumröhrenkollektoren nicht aus.
Die hohe Betriebstemperatur erfordert eine ausreichend
starke direkte Sonneneinstrahlung und entscheidet damit
über geeignete Standorte für solche Kraftwerke: Solarthermische Kraftwerke können deswegen nur im – allerdings
riesigen – Sonnengürtel zwischen dem 35sten nördlichen
und südlichen Breitengrad wirtschaftlich betrieben werden. Das unterscheidet sie von der Photovoltaik, die auch
aus diffusem Tageslicht effektiv Strom herstellen kann und
deshalb für mitteleuropäische Bedingungen geeignet ist.
Konzentration von Licht
Mehr als 90 Prozent des
Stroms aus unserer Steckdose
stammt aus fossilen oder nuklearen Kraftwerken. Das verwendete Erzeugungsprinzip
ist immer das gleiche: Wärmeenergie aus der Verbrennung
von fossilen Brennstoffen oder
aus der Spaltung von Atom-
Wird eine schwarze Fläche von der Sonne bestrahlt, heizt
sie sich so weit auf, bis die thermischen Verluste an die Umgebung der zugeführten Strahlungsenergie entsprechen.
Will man der Fläche zusätzlich Nutzwärme entziehen, sinkt
die Temperatur. Zum Erreichen hoher Temperaturen gibt es
zwei Wege, die parallel beschritten werden können: Reduktion der thermischen Verluste und Erhöhung der zugeführten Strahlungsenergie pro Fläche. Für Letzteres braucht
man die Konzentration der direkten Sonnenstrahlung. Das
geht mit Linsen oder mit Spiegeln. Doch wie stark lässt sich
die Sonnenstrahlung konzentrieren?
DOI:10.1002/piuz.200401030
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Das Prinzip
SOLARTHERMIE
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S PE Z I A L : S O L A R E N E RG I E
Parabolrinnenkollektoren konzentrieren die solare
Strahlung und
erzeugen Hochtemperaturwärme
(400 °C). Das Foto
zeigt einen Ausschnitt aus dem
größten Solarkraftwerk
der Welt in
Kalifornien.
Die Sonnenscheibe hat eine endliche Größe, ihr Durchmesser erscheint uns von der Erde aus unter einem Winkel
von etwa einem halben Grad. Aus diesem Grund laufen
nicht alle Lichtstrahlen, die auf die Erde treffen, ganz genau
parallel zueinander. Das wäre jedoch notwendig, um sie auf
einen einzigen Punkt zu konzentrieren. Daher ist die maximale erzielbare Konzentration etwa auf das 46 200-fache
beschränkt. Immerhin lässt sich so theoretisch die gleiche
Strahlungsenergiedichte erzeugen, wie sie an der Sonnenoberfläche herrscht, und prinzipiell Wärme auf einem Temperaturniveau von mehreren tausend Kelvin nutzen.
Der Brennfleck des Konzentrators muss über den Tag
immer auf denselben Punkt treffen. Dazu muss er der Sonne in zwei Achsen nachgeführt werden. Eine Alternative
bieten Linearkonzentratoren, zum Beispiel Zylinderlinsen:
Sie konzentrieren die Strahlung nicht auf einen Punkt, sondern auf eine Brennlinie, weshalb eine Nachführung in einer Achse für sie ausreicht. In diesem Fall lässt sich jedoch
– theoretisch – maximal eine 215-fache Konzentration erzielen. Dies reicht für eine Wärmenutzung auf einem Temperaturniveau von einigen hundert Kelvin aus.
Konzentrierende Kollektoren
In der Praxis haben sich Spiegelkonzentratoren weitgehend
gegenüber den Linsenkonzentratoren durchgesetzt. Sie sind
für große Baugrößen besser geeignet und lassen sich preiswerter herstellen. Man unterscheidet im Wesentlichen drei
unterschiedliche Konzentrator-Bauformen (Abbildung 1).
Der Dishkonzentrator ist ein idealer, zweiachsig nachgeführter Konzentrator. Er besteht aus einer parabolförmigen, verspiegelten Schüssel (engl. Dish), die die Strahlung
in einem Fokuspunkt bündelt. Dort sitzen der Strahlungsempfänger und häufig eine direkt angeschlossene Wärmekraftmaschine. Beide sind mit der Schüssel fest verbunden,
um zusammen mit ihr nachgeführt werden zu können.
Windkräfte, die an der Konzentratorfläche angreifen, be© 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
schränken ihre maximale Größe auf wenige 100 m2 und
die elektrische Leistung auf einige 10 kWe.
Das Zentral-Receiver-System (Receiver: engl. Empfänger) löst dieses Problem, indem es einen übergroßen Paraboloidkonzentrator in ein Feld kleinerer, individuell nachgeführter Konzentratorspiegel aufteilt. Diese Heliostate werden auf einen gemeinsamen Fokuspunkt an der Spitze eines
zentralen Turmes ausgerichtet (Turmkraftwerk). Dort sammelt ein zentraler Receiver die Wärme ein. Da ein solcher
Konzentrator nicht mehr ideal paraboloid ist, sinkt die
maximal mögliche Konzentration auf das 500- bis 1000fache. Das reicht jedoch für Temperaturen bis zu 1500 K
aus. Große Zentral-Receiver-Systeme mit Tausenden von
Heliostaten zu je 100 m2 Spiegelfläche würden Türme mit
einer Höhe von 100 bis 200 m benötigen. Sie könnten einige hundert MW an Strahlungsleistung einsammeln.
Der Parabolrinnenkonzentrator ist ein Linearkonzentrator, der nur einachsig nachgeführt wird. Eine parabolförmige verspiegelte Rinne konzentriert die Solarstrahlung
bis zu 100-fach auf ein in der Brennlinie verlaufendes Rohr,
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KO N Z E N T R AT I O N D E S S O N N E N L I C H T S
Receiver
oder Motor
Receiver
Turm
a)
b)
Konzentrator,
verspiegelte
Oberfläche
Heliostaten
Nachführmechanismus
Absorberrohr
c)
Drei mögliche Varianten zur Konzentration der solaren Strahlung: a) Dish-Konzentrator, b) Zentral-Receiver-System, c) Parabolrinne.
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ABB. 2
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SOLARTHERMISCHES KRAF T WERK
in dem ein Wärmeträger zirkuliert. Der theoretische Maximalwert einer 215fachen Konzentration ist in der
Praxis aus zwei
Wärme
Turbine
Elektrizität
Gründen nicht
erreichbar: Zum
einen „liegen“
die großen Rinnen auf der Erdoberfläche und
Pumpe
können
damit
Kühlnicht auf allen
turm
räumlichen Achsen senkrecht in
die SonneneinHochtemperaturwärme aus Sonne
strahlung gedreht werden, zum anderen reduzieren Oberoder Brennstoff
flächenfehler des Spiegels seine geometrische Perfektion.
treibt einen
Rinnenkollektoren können zu Strängen von vielen hundert
Dampfkreislauf
Meter Länge verbunden werden. Viele parallele Stränge
an.
können für einen Kraftwerksblock hunderte von MW an
Wärmeleistung einsammeln.
Wärmekraftprozesse
Ein Wärmekraftprozess kann die zugeführte Wärmeenergie
leider nicht vollständig in mechanische Arbeit umwandeln.
Aus dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik folgt, dass
ein Teil dieser Wärmeenergie auf einem niedrigeren Temperaturniveau aus dem Prozess wieder abgezogen werden
muss. Je höher die Temperatur bei der Wärmezufuhr ist
und je geringer bei der Wärmeabfuhr, desto mehr Wärme
lässt sich anteilig in mechanische Arbeit umwandeln. Aus
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der Thermodynamik folgt also, dass ein hoher „Temperaturhub“ zwischen dem heißen und dem kalten Reservoir für
den Wirkungsgrad günstiger ist als ein geringer.
Bei den konventionellen Wärmekraftprozessen, in die
Solarenergie eingekoppelt werden kann, ist das Dampfkraftwerk (Clausius-Rankine-Prozess) besonders verbreitet:
Wasser wird unter hohem Druck in einen Kessel verdampft
und der Dampf weiter überhitzt. Dieser heiße Dampf entspannt sich über eine Turbine und leistet dabei mechanische Arbeit. Schließlich schlägt er sich in einem Kondensator als Wasser nieder und fließt wieder zum Kessel zurück
(Abbildung 2). Die Kühlung des Kondensators zieht einen
Teil der Wärmeenergie aus dem Prozess ab und erfüllt so
die Gesetze der Thermodynamik.
Moderne Dampfkraftwerke arbeiten bei Dampfdrücken
über 100 bar und bei Dampftemperaturen von über 500 °C.
Sie erreichen in der Regel eine elektrische Leistung von
deutlich mehr als 100 MWe. Folglich sind vor allem Parabolrinnenkonzentratoren und Zentral-Receiver-Systeme als
Wärmelieferanten für solche Anlagen geeignet, während
Dish-Konzentratoren andere, kompaktere Wärmekraftmaschinen mit kleinerer Leistung antreiben.
Heutige Parabolrinnenkonzentratoren kommen noch
nicht ganz in die Region dieser extremen Dampfzustände.
Das erreichte Niveau erlaubt aber trotzdem eine sinnvolle
und effiziente Stromerzeugung, wenn die Dampfkraftwerke speziell angepasst werden. Da Zentral-Receiver- oder
Dish-Systeme grundsätzlich auch deutlich höhere Temperaturen erzielen können, ist es sinnvoll, dieses Potenzial auszunutzen. Durch die höhere Temperatur der Wärmezufuhr
kann das Kraftwerk pro Spiegelfläche mehr Wärme in Strom
umwandeln. Folglich kommt es bei gleicher Leistung mit
einer kleineren Konzentratorfläche aus, was Kosten für
den Kollektor, für seine Aufstellung und seinen Betrieb
einspart.
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Gasturbinen sind ausgereifte Wärmekraftmaschinen mit
hohen Betriebstemperaturen von 900 bis 1300 °C. Sie verwenden der Einfachheit halber Luft als Kreislaufmedium. Allerdings erfolgt bei Gasturbinen auch die Wärmabfuhr bei
einer sehr hohen Temperatur von 400 bis 600 °C. Sie bringen folglich alleine noch keinen Vorteil im Wirkungsgrad im
Vergleich zu Dampfsystemen. Erst die Kombination von
Gas- und Dampfturbinen (Kombi- oder GuD-Kraftwerke)
bringt den erhofften Gewinn. Bei ihr heizt die Sonne den
Gasturbinen-Kreislauf, danach geht die Abwärme der Gasturbine in die Erzeugung von Wasserdampf für den getrennten Dampf-Kreislauf. Solche Systeme können 25 bis
35 % mehr Strom aus einer Kilowattstunde Wärmeenergie
erzeugen als reine Dampfturbinensysteme.
Kleine Gasturbinensysteme (ohne Dampfturbine) könnten auch in Dish-Konzentratoren eingesetzt werden. Bislang
dominieren dort jedoch Stirling-Motoren: Im Gegensatz zu
Verbrennungsmotoren brauchen solche Heißluftmotoren
eine externe Wärmezufuhr, wie sie der Brennfleck eines Parabolspiegels perfekt liefert, dafür jedoch keinen Brennstoff.
Weitere Vorteile dieser Motoren sind ihr sehr guter Wirkungsgrad und ihr hermetisch gekapselter Aufbau, der den
Wartungsaufwand reduziert. Da der Markt für Stirling-Motoren bislang klein ist, ist allerdings die Auswahl der verfügbaren Modelle noch unbefriedigend, und sie sind teuer.
Parabolrinnenkraftwerke
Parabolrinnenkraftwerke sind die einzigen solarthermischen
Kraftwerke, die heute schon kommerziell Elektrizität erzeugen. Bereits 1983 schloss die israelische Firma LUZ International Limited mit dem kalifornischen Energieversorger Southern California Edison (SCE) einen Stromliefervertrag für zwei Parabolrinnenkraftwerke mit den Namen
SEGS (Solar Electricity Generating System) I und II. Bis zum
Jahr 1990 entstanden daraus in der kalifornischen Mojawe-
Wüste an drei Standorten insgesamt neun
Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von
354 MWe und mehr als zwei Millionen
Quadratmetern Kollektorfläche. Um den
Strom zu Spitzenlastzeiten zuverlässig liefern zu können, dürfen diese Kraftwerke
25 % ihrer thermischen Leistung durch Zufeuern von Erdgas bereitstellen.
Da jedoch die Brennstoffpreise entgegen der ursprünglichen Erwartung nicht anstiegen, sondern im Gegenteil sogar sanken,
konnten keine weiteren Kraftwerke kostendeckend gebaut werden. Die vorhandenen Solarkraftwerke werden jedoch weiter betrieben und speisen – wie eingangs erwähnt – jährlich fast so viel Elektrizität in
das Netz ein wie alle photovoltaischen Systeme weltweit.
Erst Ende der neunziger Jahre änderte
sich die Situation wieder zum Vorteil der
Solarthermie. Vor allem das Kyoto-Protokoll
und der bevorstehende Handel mit CO2Emissionen macht die Solarenergie interessant. So werden neue Projekte in den USA,
in Europa und in einigen Entwicklungsländern geplant. Letzere können mit einer Förderung durch die Weltbank rechnen. In Europa sind zum Beispiel die Projektvorbereitungen für zwei Kraftwerke zu je 50 MWe
mit dem Namen ANDASOL I und II weit
fortgeschritten. Ihr Bau könnte schon 2004
in Andalusien beginnen.
In den neun SEGS-Kraftwerken sind insgesamt drei Generationen von Parabolrinnenkollektoren (LS1 – LS3) im Einsatz. Alle
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ABSORBER
T
l
eria
Mat
ft
Lu
z
Oben: Strahlung dringt von links in
eine poröse Struktur ein (gelbe
Pfeile), die Luft von links nach
rechts durchströmt und sich dabei
erhitzt (blau-roter Pfeil). Unten:
Abhängigkeit der Temperaturen
des Materials und der Luft von der
Eindringtiefe z.
<<< Abb. 3 Prototyp des verbesserten
EuroTrough-Parabolrinnenkollektors.
(Foto: DLR.)
<< Abb. 4 Das Solarturmkraftwerk CESA 1
im europäischen Testzentrum Plataforma Solar
de Almería ist heute eine Testplattform für
verschiedene Neuentwicklungen.
< Abb. 6 Europäisches Dish-Stirling-System
namens EuroDish.
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Solare Direktverdampfung in Parabolrinnen: Das
Wasser wird in
den ersten zwei
Dritteln des
Kollektorstrangs
teilweise verdampft. Dann
wird das Gemisch
von Dampf und
Wasser getrennt
und der trockene
Dampf im letzten
Drittel des Strangs
weiter überhitzt,
während das
heiße Wasser
zurück zum
Kollektoreintritt
fließt.
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D I R E K T V E R DA M P F U N G
höherer Lebensdauer und damit geringeren Betriebskosten
wird zurzeit in Deutschland entwickelt. Eine komplette Kollektorschleife des neuen Designs wurde Anfang 2003 in einem der SEGS-Kraftwerke in Kalifornien aufgebaut. Sie wird
nun parallel zu den LUZ-Kollektoren betrieben und mit ihnen verglichen.
Zentral-Receiver-Systeme
Zentral-Receiver-Systeme müssen ihre kommerzielle Feuerprobe noch bestehen. Um die grundsätzliche Machbarkeit
dieser Technologie nachzuweisen, gingen seit Anfang der
verwenden als Wärmeträgermedium ein Thermoöl, das sich
achtziger Jahre weltweit zehn kleinere Demonstrationsbeim Durchgang durch den Kollektor erwärmt und dann
anlagen in Betrieb (Tabelle 1,Abbildung 4). Nach Abschluss
durch einen Wärmetauscher zur Dampferzeugung fließt.
der Testkampagnen wurde ihr Betrieb eingestellt, da sie zu
Die erste Generation ist noch auf Betriebstemperaturen von
klein waren, um wirtschaftlich zu sein.
etwa 300 °C im Solarkreislauf be-grenzt und kann deshalb
Bei allen Testanlagen erzeugte ein Dampfturbinensysmit preiswertem Mineralöl betrieben werden. Seit der
tem den Strom. Der wesentliche Unterschied zwischen ihdarauf folgenden Generation kommen synthetische Öle zum
nen bestand in der Wahl des Trägermediums, das die WärEinsatz, was eine Steigerung der Temperaturen auf knapp
meenergie von der Spitze des Turms zum Dampferzeuger
400 °C erlaubte. Das ermöglicht die Erzeugung von Dampf
transportiert. Es erschien zunächst nahe liegend, Wassermit höherem Drücken und Temperatur und damit bessere
dampf als Wärmeträger zu verwenden. Mit ihm konnte man
Umwandlungswirkungsgrade.
ohne zwischengeschalteten Wärmetauscher oder DampfDie Kollektoren haben im LS1-Typ eine Öffnungsweite
erzeuger das Dampfturbinensystem direkt versorgen.
von 2,55 m und eine Kollektorlänge von 49 m, in der dritDieses Konzept zeigte jedoch zwei wesentliche
ten Generation erreichen diese Maße 5,71 m und 99 m. Das
Schwächen. Erstens war die Erzeugung von überhitztem
Absorberrohr, in dem das Wärmeträgermedium zirkuliert,
Dampf unter schwankender solarer Einstrahlung im Receibesteht aus Stahl und verfügt über eine optisch selektive
versystem technisch nicht einfach zu beherrschen, denn
Oberflächenschicht. Sie absorbiert die Strahlung im solader Druck und die Temperatur des Dampfs müssen für den
ren Spektrum gut, strahlt selbst aber nur wenig ab und hält
Turbinenkreislauf möglichst konstant sein. Zum Zweiten
so den Wärmeverlust an die Umgebung gering. Zur weitewar es bei praktikablen Verfahren technisch nicht möglich,
ren Reduzierung dieser Verluste ist das Stahlrohr mit einem
die Energie im Wasserdampf ohne erhebliche thermoevakuierten Glashüllrohr umgeben. Die Spiegelfacetten bedynamische Verluste zu speichern.
stehen aus Dickglas mit reduziertem Gehalt an unerParallel wurde mit Natrium als Wärmeträger experiwünschtem Eisen, das Licht absorbiert. Das Glas ist rückmentiert. Bei einem Großbrand auf dem europäischen Verseitig mit einer Silberschicht verspiegelt.
suchsfeld Plataforma Solar de Almería in Südspanien zeigte
Inzwischen haben deutsche Hersteller das Kollektorsich jedoch, dass dieses hoch reaktive Metall zu gefährlich
design von LUZ unter dem Namen EuroTrough weiterentist. Anfang der neunziger Jahre griffen die Amerikaner ein
wickelt (Abbildung 3). Dieser neue Kollektor ist leichter
Konzept auf, das erstmals in Frankreich realisiert worden
und steifer, kostengünstiger zu fertigen, zu montieren und
war: Es verwendet eine Salzschmelze als Wärmeträger. Die
zu warten. Die Kollektorlänge konnte auf 150 m pro AnAmerikaner führten dieses Konzept zwischen 1996 und
triebseinheit erhöht werden. Auch ein Absorberrohr mit
1999 in der 10-MW-Anlage Solar Two
in Barstow (Kalifornien) bis zur DeTAB . 1 WELT WEITE ÜBER SICHT DER ZENTRAL-RECEIVER-SYSTEME (VER SUCHSANLAG EN)
monstrationsreife.
Mischungen aus Kalium- und Natrium-Nitrat-Salzen
lassen sich mit ihren
Projektname Land
Leistung/ Wärmeträger
Speichermedium
InbetriebSchmelztemperaturen gut an die erMWe
nahme
forderlichen Dampfparameter anpasSSPS
Spanien
0,5
Flüssiges Natrium Natrium
1981
sen. Sie bieten zwei Vorteile: Das relaEURELIOS
Italien
1
Dampf
Nitratsalz/Wasser
1981
tiv kostengünstige Salz verfügt über
SUNSHINE
Japan
1
Dampf
Nitratsalz/Wasser
1981
gute WärmeübertragungseigenschafSolar One U.S.A. USA
10
Dampf
Öl/Gestein
1982
ten, zudem kann es als SpeicherCESA-1
Spanien
1
Dampf
Nitratsalz
1983
medium (fast) drucklos in großen
MSEE/Cat B
USA
1
Nitratsalz
Nitratsalz
1983
THEMIS
Frankreich
2,5
Hitech Salz
Hitech Salz
1984
Tanks aufbewahrt werden. Dies macht
SPP-5
Ukraine
5
Dampf
Wasser/Dampf
1986
den Wärmetausch zu einem weiteren
TSA
Spanien
1
Luft
Keramisches Festbett
1993
Speichermedium überflüssig. NachteiSolar Two
USA
10
Nitratsalz
Nitratsalz
1996
lig ist der relativ hohe Schmelzpunkt,
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SOLARTHERMIE
der je nach Mischung zwischen 120 °C und 240 °C liegt. Er
erfordert eine elektrische Beheizung aller Rohrleitungen,
um ein Ausfrieren des Salzes und damit eine Verstopfung –
zum Beispiel beim Anfahren des Systems – zu verhindern.
Auf Basis der Erfahrungen mit Solar Two plant nun ein
spanisch-amerikanisches Konsortium, unter dem Namen Solar Tres einen größeren Nachfolger in Spanien zu errichten.
Solar Tres soll mit einem dreifach größeren Spiegelfeld (Solarfeld) eine Leistung von 15 MWe erreichen, und sein Speicher soll genügende Energie für 16 Stunden Stromproduktion aufnehmen können.
Das dritte Konzept nutzt Luft als Wärmeträger. Luft hat
zwar schlechte Wärmeübertragungseigenschaften, sie verspricht aber eine einfache Handhabbarkeit, keine Temperaturbeschränkungen nach oben und unten, unbegrenzte
Verfügbarkeit und völlige Ungiftigkeit. Luft eröffnet auch
erstmals die Vision, mit der Solarenergie auf höherem Temperaturniveau kombinierte Gas-und Dampfturbinen antreiben zu können, die die eingesammelte Solarenergie – und
damit die Spiegelfläche – effektiver ausnutzen.
In ersten Testanlagen versuchte man, die Wärme durch
Bestrahlung von Rohrbündeln auf die Luft zu übertragen.
Doch erst die Entwicklung des so genannten volumetrischen Receivers konnte die schlechten Wärmeübertragungseigenschaften der Luft ausreichend kompensierten.
Er enthält ein „poröses“ Material, zum Beispiel ein Drahtgeflecht, in das die konzentrierte Strahlung eindringt, und
das von Luft durchströmt wird (Abbildung 5). Die große innere Oberfläche sorgt für eine sehr effiziente Wärmeübertragung. Ist der Luftkreislauf einfach offen und auf atmosphärischem Druck, dann kann ein solcher Receiver Dampfturbinen antreiben. Versieht man den Luftreceiver mit einer
Glasscheibe und betreibt ihn unter Druck, dann ist er sogar
für Gasturbinen geeignet.
Luftsysteme auf atmosphärischem Druck sind kaum
störanfällig, weshalb sie ein europäisches Konsortium favorisiert: 1994 funktionierte auf der Plataforma Solar eine Testanlage mit einem 3-MW-System auf Anhieb. Inzwischen
konnte weitere Forschung, die das DLR im europäischen
Verbund durchführt, die Wirkungsgrade einzelner Komponenten steigern und die Kosten für Receiver und Speicher
senken. Zurzeit wird ein kommerzielles Demonstrationskraftwerk entwickelt, dessen Leistung bei 10 MWe liegen
soll und das in der Nähe von Sevilla entstehen soll.
Dish-Stirling-Systeme
Dish-Stirling-Systeme sind noch am wenigsten weit ausgereift. Zurzeit arbeiten Unternehmen in den USA und in
Deutschland an weltweit vier verschiedene Systemen (Abbildung 6). Das am weitesten entwickelte System stammt
aus Deutschland und hat einige Zehntausend Betriebstunden angesammelt.
Solche Systeme zielen vorrangig auf den Markt der netzfernen Anwendungen und der Inselnetznetzwerke, etwa solare Dorfstromversorgungen. Ihr wesentlicher Vorteil ist ein
sehr hoher Wirkungsgrad von bis zu 30 %: Dafür sorgt die
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Kombination eines nahezu ideal paraboloiden Konzentrators mit einer sehr guten Wärmekraftmaschine. Scheint die
Sonne nicht, dann können Dish-Stirling-Systeme im Prinzip
auch Brennstoff einsetzen, um bei Bedarf Strom zu liefern.
Das ist ein entscheidender Vorteil gegenüber photovoltaischen Zellen, die auf einen ähnlichen Markt zielen:
Sie benötigen zum gleichen Zweck sehr teuere Batteriespeicher.
Diese Gründe sprechen dafür, dass sich Dish-Stirling-Systeme mittelfristig in den netzfernen Märkten durchsetzen
könnten. Dazu müssen sie allerdings autonom und sehr zuverlässig laufen. Subventionierte Nischenmärkte sind aber
nur eine der Chancen für Dish-Stirling-Systeme. Ein noch
größeres Marktpotenzial liegt im stark steigenden Elektrizitätsbedarf in Entwicklungsländern, vor allem denjenigen
mit hoher Solarstrahlung, wenig ausgedehnten Stromnetzen und hohen Kosten für Einfuhr und Transport fossiler
Brennstoffe.
Außer der technischen Reife stellen auch die noch geringen Stückszahlen eine Hürde vor der Markteinführung
von Dish-Stirling-Systemen dar. Deshalb ist der Preis pro Anlage zurzeit noch sehr hoch.
Wirtschaftlichkeit
Bei den Forschungs- und Demonstrationsanlagen der
achtziger Jahren lagen die Stromerzeugungskosten noch
zwischen 50 und 100 R-Cents/kWh. Erst die SEGS-Kraftwerke konnten mit ihrer kommerziellen Technik diese
Kosten signifikant senken. Bei den ersten SEGS-Anlagen bewegten sie sich bei etwa 30 R-Cents/kWh, mit technischen
Verbesserungen und dem weiteren Ausbau sanken sie auf
etwa 12 bis 15 R-Cents/kWh.
Die Rentabilität eines solarthermischen Kraftwerks
hängt natürlich stark vom Standort ab: Die verfügbare Sonnenenergie beeinflusst die Stromgestehungskosten nahezu
linear. An den SEGS-Standorten in der kalifornischen
Mojawewüste steht jährlich etwa 2,5-mal so viel direkte
Solarstrahlung zur Verfügung wie in Deutschland und
immerhin noch 25 % mehr als in Südspanien.
Nimmt man gleiche Einstrahlungsbedingungen und vergleicht sie mit guten Windstandorten, dann ist Strom aus
solarthermischen Kraftwerken heute etwa doppelt so teuer wie Windstrom und etwa halb so teuer wie Strom aus
photovoltaischen Zellen. Bei den Kosten muss zwischen
Großkraftwerken von einigen 10 MWe elektrischer Leistung
und kleinen netzfernen Anwendungen unterschieden werden. Die eben genannten Zahlen gelten für die Großanlagen
und beinhalten noch erhebliches Potenzial zur Kostensenkung.
Netzgekoppelte Stromerzeugung muss heute jedoch in
einem liberalisierten Energiemarkt mit konventionellen
Kraftwerken konkurrieren, die Strom für etwa 4 R-Cent/kWh
und noch billiger herstellen können. Das ist erheblich weniger als in dezentralen Märkten, wo die regenerative Stromerzeugung schon die billigste Lösung sein kann – was den
Markteinstieg geeigneter regenerativer Technologien verNr. 1 35. Jahrgang. 2004
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ABB. 8
a)
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VERBESSERTES TURMKRAFTWERK
b)
c)
a) Schema eines solaren Kombikraftwerks, b) Aufbau eines Hochtemperatur-Receivermoduls, c) die Trichterspiegel vieler Module können zusammen
auch die konzentrierte Strahlung eines größeren Brennflecks praktisch vollständig aus nutzen.
einfacht. Um jedoch mit erneuerbaren Energien eine energiewirtschaftlich relevante Größenordnung erreichen zu
können, spielt der netzgekoppelte Markt eine entscheidende Rolle. Daher wird heute die Markteinführung dieser
Technologien von verschiedenen Seiten gefördert.
Technische Verbesserungen
Eine deutliche Kostensenkung verspricht man sich von folgenden Faktoren: die automatisierte Serienfertigung von
großen Komponentenstückzahlen, eine wachsende Zuverlässigkeit der Anlagen und eine weitgehende Automatisierung des Anlagenbetriebs und der Reinigung der Kollektoren. Einen wichtigen Beitrag dürften aber auch weitere
Verbesserungen der Technik und innovative Konzepte für
solarthermische Großanlagen liefern. In Deutschland werden sie am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt
(DLR) im Rahmen seines Energieforschungsprogramms zusammen mit Industriepartnern vorangetrieben. Auf diese
Forschungsarbeiten soll hier kurz eingegangen werden.
Ein wichtiger Aspekt ist die Erhöhung der Betriebstemperaturen, was wie schon erklärt die Umwandlungswirkungsgrade verbessert und eine geringere spezifische Kollektorfläche ermöglicht. Bei Parabolrinnenkollektoren muss
die Temperatureinsatzgrenze des verwendeten Thermoöls
von 400 °C durchbrochen werden. Eine Möglichkeit, die
schon erprobt wird, ist die direkte Verdampfung und Überhitzung des Wassers im Kollektor selbst (Abbildung 7). Dazu wurde eine 500 m lange Kollektorschleife auf der Plataforma Solar in Almería errichtet. An ihr wird unter anderem
das Regelverhalten und das Strömungsverhalten des WasserDampf-Gemisches in den Absorberrohren untersucht. Mehr
als 3500 Stunden Versuchsbetrieb konnten die technische
Machbarkeit dieses Konzepts nachweisen. Es verspricht eine Senkung der Stromerzeugungskosten von etwa 10 %.
Bei den Zentral-Receiver-Systemen wird intensiv daran
geforscht, die Solarenergie über das Transportmedium
Druckluft auf einem hohen Temperaturniveau in eine Gasturbine zu bringen (Abbildung 8a). Entscheidend ist dabei
die richtige Technik, das konzentrierte Sonnenlicht durch
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ein Glasfenster in den Druckbehälter des Receivers einzukoppeln (Abbildung 8b). Da die Größe solcher hitzefester
Quarzglasfenster aus Fertigungsgründen beschränkt ist, ordnet man zahlreiche Module nebeneinander an und versieht
ihre Eintrittsöffnung mit Trichterspiegeln. Diese sind so geformt, dass sie zusammen eine praktisch lückenlose, große
Eintrittsöffnung bilden (Abbildung 8c).
In einem Experiment auf der Plataforma Solar konnten
bislang drei solcher Module verschaltet und an eine kleine
250-kW-Gasturbine angeschlossen werden. Sie erzeugen
Temperaturen bis 850 °C bei einem Druck von 15 bar. Anfang 2003 lieferte die Turbine erstmals elektrischen Strom.
Dies war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg hin zu einer großtechnischen Anwendung. Von diesem Konzept versprechen sich die Forscher eine Senkung der Stromgestehungskosten um bis zu 20 %.
Eine weitere wichtige Komponente, die zur Kostensenkung beitragen kann, ist der thermische Energiespeicher. Wird ein solarthermisches Kraftwerk rein solar betrieben, nutzt es den nachgeschalteten Kraftwerksblock an
guten Standorten auf eine Weise aus, die äquivalent zu einem jährlichen Volllastbetrieb von bis zu 2500 Stunden ist.
Das könnte man erheblich steigern, wenn es gelänge, die
thermische Energie des Solarfeldes kostengünstig zu speichern. Dann könnte man einem solchen Kraftwerk ein zweites, gleich großes Kollektorfeld hinzufügen, dessen eingesammelte Solarenergie in den Speicher fließt. In Sonnen
armen Zeiten nutzt dann der Kraftwerksblock diese gespeicherte Energie.
Durch diese Erhöhung der Betriebsdauer kann man die
Investition in einen zweiten Kraftwerksblock einsparen.
Voraussetzung ist natürlich, dass die Kosten für den thermischen Energiespeicher kleiner sind als die zusätzlichen
Kosten für einen größeren Kraftwerksblock. Aus heutiger
Sicht ist das möglich. Preiswerte thermische Energiespeicherkonzepte versprechen eine Senkung der Stromgestehungskosten, die wieder bis zu 20 % ausmachen kann.
Ein solcher thermischer Energiespeicher bringt zusätzliche Vorteile. Mit ihm kann man den Strom nach Bedarf,
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SOLARTHERMIE
also zu Spitzenlastzeiten produzieren: Dann erzielt man die
höchsten Erlöse. Auf der technischen Seite ist es ein Plus,
dass das Kraftwerk immer unter den günstigsten Lastbedingungen fahren und so seine Aufheiz- und Abkühlverluste minimieren kann.
Die Entwicklung von Speichersystemen wurde in Europa lange vernachlässigt: Zunächst galt die Verwendung
von fossilem Brennstoff zur Überbrückung Sonnen armer
Zeiten als billigste Alternative – zumindest als erster Schritt.
Sie hat aber zwei Nachteile. Erstens erlauben viele Subventionsregelungen keine hybride Fahrweise (zum Beispiel
Einspeisegesetze). Zweitens ist der Einsatz von fossilem
Brennstoff in einem auf Solarbetrieb optimierten Kraftwerk
uneffektiv und daher unwirtschaftlich.
Für die Parabolrinne mit Anwendungstemperaturen bis
400 °C wird zurzeit ein System entwickelt, das die Wärme
in großen Blöcke aus Hochtemperaturbeton zwischenspeichert. Bei Zentral-Receiver-Systemen arbeitet man je nach
Wärmeübertragungsmedium an zwei Speichertypen. Ein Typ
sind Tanks mit Salzschmelze, beim anderen wird die Wärme
aus der Luft in Schüttungen aus kleinen Festkörpern übertragen, die gut durchströmbar sind und eine große Oberfläche bieten, etwa keramische Kügelchen oder Quarzsand.
Geringste CO2-Emission
Solarthermische Kraftwerke stellen ein bedeutendes Verbindungsglied zwischen der heutigen Energieversorgung
auf Basis fossiler Brennstoffe und einer zukünftigen solaren
Energiewirtschaft dar, da sie wichtige Charakteristiken von
beiden Systemen enthalten. Sie haben das Potenzial, durch
ihre Solarfelder die Stromversorgung der Welt um ein Vielfaches decken zu können; und sie können durch die einfache Speichertechnik anders als andere erneuerbare
Energiequellen wie Wind kostengünstig Strom nach Bedarf
liefern.
Für solarthermische Kraftwerken spricht aber auch, dass
sie die CO2-Emission besonders effektiv senken können.
Dies wird deutlich, wenn man mittels Lebenszyklusanalysen
die Emissionen aufsummiert, die durch die Herstellung der
Komponenten, Bau, Betrieb und Entsorgung entstehen. Vergleicht man auf diese Weise verschiedene erneuerbaren
Energiequellen, so ergibt sich heute bei den spezifischen
CO2-Emissionen pro erzeugter MWh elektrischer Energie
folgende Bilanz: Bei solarthermischen Kraftwerken liegen
sie bei nur 12 kg, während Wasserkraftwerke 14 kg, Windenergieanlagen 17 kg und photovoltaische Kraftwerke sogar 110 kg CO2 produzieren [5].
Die Photovoltaik liegt in diesem Vergleich so ungünstig,
weil die Herstellung der Halbleitermodule sehr Energie aufwändig und damit stark mit Emissionen belastet ist. Zum
Vergleich: Moderne Gas- und Dampfturbinenkraftwerke
emittieren 435 kg und Kohlekraftwerke sogar etwa 900 kg
CO2 pro erzeugter MWh. Diese entstehen im Wesentlichen
durch die Verbrennung der fossilen Energieträger.
Aus diesen Gründen prognostizieren verschiedene Energieszenarien, zum Beispiel vom WBGU (Wissenschaft© 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
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S PE Z I A L : S O L A R E N E RG I E
licher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen) [6], dass solarthermische Kraftwerke im Jahr 2050
ein erheblichen Anteil des Stroms von bis zu 25 % zur Versorgung der Welt beitragen werden – in den nördlichen Industriestaaten durch Importstrom. Nach Schätzungen könnten bis zum Jahr 2025 weltweit etwa 40 GW elektrischer
Leistung installiert werden.
Zusammenfassung
Solarthermische Kraftwerke sammeln wie riesige Brenngläser
die Sonnenstrahlung und treiben damit eine Wärmekraftmaschine an. Drei Konstruktionsprinzipien haben sich heute
durchgesetzt. Bereits im kommerziellen Einsatz sind Systeme
mit schwenkbaren, verspiegelten Parabolrinnen, die das
Sonnenlicht auf ein zentrales Absorberrohr konzentrieren.
Durch dieses fließt ein Wärmetransportmedium. Beim Zentral-Receiver-System fokussiert ein Feld verstellbarer Spiegel
das Sonnenlicht auf die Spitze eines Turms. Dort sitzt ein
Receiver, den ein Wärmetransportmedium durchströmt. Für
kleine, dezentrale Anlagen eignen sich Dish-Stirling-Systeme.
Das sind schwenkbare, paraboloide Spiegelschüsseln mit
einem Stirling-Motor im Brennpunkt. Zentral-Receiver- und
Dish-Stirling-Systeme sind noch im Entwicklungsstadium.
Stichworte
Solarenergie, solarthermisches Kraftwerk, ParabolrinnenSolarkraftwerk, solares Turmkraftwerk, Zentral-ReceiverSystem, Dish-Stirling-System, hybrides Solarkraftwerk, Solarenergiespeicher.
Literatur
[1] Renewables Information (2003) -- 2003 Edition, Herausgeber IEA,
201 pages, Jouve, Paris 2003.
[2] P. Heering, Physik in unserer Zeit 2003, 34 (3), 143.
[3] FVS Themen 2002, Solare Kraftwerke (Hrsg.: G. Stadermann),
Forschungsverbund Sonnenenergie, Berlin 2002.
[4] Sonderausgabe , J. Sol. En. Eng. 2002, 124 (5), 97.
[5] J. Nitsch et al., Schlüsseltechnologie Regenerative Energien, Tabelle
10.8, www2.dlr.de/TT/system/publications/HGF-Text_TeilA.pdf.
[6] Welt im Wandel – Energiewende zur Nachhaltigkeit, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen
(WBGU). Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg 2003.
Der Autor
Robert Pitz-Paal, geb. 1963 in Kleve, Physik-Diplom
1988 an der Universität München, promoviert 1992
an der Universität Bochum. Seit 1993 in der
Solarforschung am Deutschen Zentrum für Luftund Raumfahrt in Köln-Porz, seit 2002 Abteilungsleiter Solarforschung, seit 2003 Professor an der
RWTH Aachen.
Anschrift
Prof. Dr.-Ing. Robert Pitz-Paal, Deutsches Zentrum
für Luft- und Raumfahrt e.V., Institut für Technische
Thermodynamik, Solarforschung, Linder Höhe,
51147 Köln. [email protected]
Nr. 1 35. Jahrgang. 2004
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Phys. Unserer Zeit
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