„Vom Cholesterin zum Flachbildschirm“ -

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„Vom Cholesterin zum Flachbildschirm“ -
„Vom Cholesterin zum Flachbildschirm“ Eine Ausstellung zur Geschichte der Flüssigkristalle
im Bunsen-Archiv, Giessen
Einstein spottete Anfang des 20. Jahrhunderts, viele Menschen, die das
elektrische Licht einschalten, verstünden von Elektrizität so viel wie eine Kuh
von der Butterblume, die sie auf der Wiese frisst. 100 Jahre später könnte man
Einsteins Bemerkung übertragen auf Flüssigkristalle: Was weiß jemand, der
sich ein Fußballspiel auf einem großen Flachbildschirm anschaut, von Flüssigkristallen? Einem derartigen Wissensdefizit ein wenig abzuhelfen, dazu möge
die Flüssigkristall-Ausstellung beitragen, die am 13. Oktober 2007 im BunsenArchiv in Gießen in einer Feierstunde im Liebig-Hörsaal durch Prof. Wolfgang
Grünbein (Vorstand der DBG) eröffnet wurde.
Konzipiert und aufgebaut von Horst Stegemeyer, Paderborn, und Ludwig Pohl,
Darmstadt, (Abb. 1), zeigt die Ausstellung auf Schautafeln, die mit einem
Zeitband versehen sind, den Weg der Flüssigkristalle von ihrer Entdeckung im
Jahre 1888 bis hin zu ihrer Anwendung als Anzeigeelemente in der modernen
Informationstechnologie. Kern der Ausstellung ist die Sammlung von Hans
Kelker (1922-1992), vormals Vorsitzender der GDCh-Fachgruppe Analytische
Chemie, deren wichtigsten Exponate zusammen mit anderen in den Vitrinen
der Ausstellung gezeigt werden. Da sich das Deutsche Museum München nicht
in der Lage sah, auf der Basis der Kelkerschen Sammlung eine FlüssigkristallPräsentation zu realisieren, hat die Familie Kelker, die an der Eröffnung
teilnahm, die Sammlung freundlicherweise der DBG übereignet.
Erweitert wurde die Ausstellung durch ein gespendetes TV-Gerät mit großem
Flachbildschirm, mit dem historische Filme aus der Flüssigkristall-Forschung
den Besuchern gezeigt werden können.
Ein Wort zum Motto der Ausstellung „Vom Cholesterin zum Flachbildschirm“:
Entdeckt wurde ein flüssig-kristallines Verhalten 1888 von dem (nota bene!)
Botaniker Friedrich Reinitzer in Prag, der bei der Bestimmung der
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Bruttoformel des Cholesterins durch Elementaranalyse an zwei Derivaten, dem
Benzoat und Azetat, „2 Schmelzpunkte“ beobachtete. Der Physiker Otto
Lehmann in Karlsruhe erkannte dann, dass zwischen Reinitzers zwei
Schmelzpunkten, also zwischen der kristallinen und isotropen Phase ein ganz
neuer Zustand der Materie existiert. Lange Zeit wurde die Existenz eines
flüssig-kristallinen Zustandes angezweifelt, besonders von Gustav Tammann.
Noch 1969 konnte man in einem Lehrbuch lesen: „Es gibt keinen Zustand,
der etwa zusätzlich vorstellbar wäre oder zwischen diesen dreien (fest,
flüssig, gasförmig) läge.“
Die Ausstellung zeigt, wie die Flüssigkristall-Forschung viele Jahre lediglich
als l’art pour l’art betrieben wurde, bis man vor etwa vierzig Jahren ihre
Bedeutung zur Darstellung von Ziffern und Buchstaben erkannte.
Einer technische Anwendung stand jedoch immer noch der hohe
Schmelzpunkt von Flüssigkristall-Substanzen im Wege. Ein Durchbruch gelang
Hans Kelker 1969 mit der Synthese einer bei Raumtemperatur flüssigkristallinen Schiffschen Base MBBA (Abb. 2 zeigt dies, wie in einer Tafel der
Ausstellung dargestellt). Hans Kelker wagte bereits damals die Prognose,
einen flachen Flüssigkristall-Bildschirm zu bauen, den man an die Wand
hängen kann. Die Realisierung dazu ließ dann allerdings noch mehr als 30
Jahre auf sich warten (s. Abb. 2).
Der Entwicklung zum heutigen Stand der LCD-Technologie ist der letzte Teil
der Ausstellung gewidmet. Besonders der Fortschritt in der Synthese stabiler
Flüssigkristall-Substanzen gelang europäischen Forschern, während sich die
Perfektionierung der Display-Technologie in den asiatischen Raum verlagerte.
Die Anwendung von Flüssigkristallen in den LCDs von Mobiltelefonen,
Laptops, Navigationssystem wird gezeigt. Großformatige Fernsehbildschirme
mit LCDs verdrängen seit 2002 zunehmend die TV-Röhrengeräte, wobei LCDs
den Displaymarkt derzeit zu zwei Dritteln beherrschen. Die Ausstellung weist
auf die bahnbrechenden Erfolge der Chemiker von Merck Darmstadt hin; das
Unternehmen ist heute Weltmarktführer in maßgeschneiderten FlüssigkristallMischungen für spezielle LCD-Anwendungen.
Eine Besichtigung der Flüssigkristall-Ausstellung in Gießen, evtl. verbunden
mit einem lohnenswerten Besuch des Liebig-Museums, vermag interessante
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Einblicke in die Wissenschaftsgeschichte zu eröffnen (Vereinbarung unter Tel.
0641 76392) ist zu empfehlen.
Horst Stegemeyer, Paderborn/Münstertal
Email: [email protected]
Abb. 1
H. Stegemeyer (links) und L. Pohl (rechts) beim Aufbau der
Flüssigkristall-Ausstellung
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Abb. 2
Hans Kelker mit seinem MBBA – und seine Vision des
Flachbildschirms mit Flüssigkristallen
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