Schriftliche Anfrage Antwort

Transcription

Schriftliche Anfrage Antwort
Bayerischer Landtag
16. Wahlperiode
Drucksache
16/18285
02.09.2013
Schriftliche Anfrage
der Abgeordneten Renate Ackermann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
vom 20.06.2013
Elternrechte in Kindertageseinrichtungen
Von der Arbeitsgemeinschaft der Elternverbände Bayerischer Kindertagesstätten ABK e.V. werden seit längerer
Zeit verschiedene Probleme bei der Durchsetzung von Elternrechten in bayerischen Kitas angemeldet. So soll es unter
anderem immer wieder zu Fällen von willkürlichen Kündigungen der Kitaträger gegenüber Eltern kommen, ohne dass
dem wirkungsvoll Einhalt geboten werden könne.
Ich frage deshalb die Staatsregierung:
1. Hält die Staatsregierung die geltenden gesetzlichen Vorgaben für ausreichend, um willkürlichen und fristlosen
Kündigungen vonseiten der Kitaträger wirkungsvoll begegnen zu können? Falls ja, welche rechtlichen Vorgaben garantieren einen wirkungsvollen Kündigungsschutz
für Eltern und Kinder? Falls nicht, wie könnte der Kündigungsschutz für die betroffenen Eltern und Kinder verbessert werden?
2. Wie reagieren die zuständigen staatlichen und kommunalen Aufsichtsbehörden auf Beschwerdeeingaben von
Eltern in Kündigungsfällen? Wie viele Fälle sind den
zuständigen Aufsichtsbehörden in den letzten fünf Jahren bekannt geworden? In wie vielen Fällen musste eine
bereits erfolgte Kündigung zurückgenommen werden?
3. Hält die Staatsregierung die Koppelung eines Kitabesuchs der Kinder mit einer verpflichtenden Vereinsmitgliedschaft der Eltern im entsprechenden Trägerverein
für vertretbar? Kommt es aufgrund der Vereinsmitgliedschaft der Eltern häufiger zu fristlosen bzw. kurzfristigen
Kündigungen wegen ‚vereinsschädigendem Verhalten‘?
Wie können Eltern vor dem Abschluss unzumutbarer
Betreuungsverträge mit den Kitaträgern wirkungsvoll
geschützt werden?
4. Sieht die Staatsregierung das Problem einer möglichen
Interessenkollision bei gleichzeitiger Vereinsmitgliedschaft und Mitgliedschaft im Elternbeirat? Wie steht die
Staatsregierung zu dem Vorschlag, die Unvereinbarkeit
von Vereinsmitgliedschaft und Vertretung im Elternbeirat in der AV BayKiBiG klarzustellen? Wie steht die
Staatsregierung zur Forderung nach Einrichtung einer
Ombudsstelle für Kitaeltern in Bayern?
5. Wie können Eltern vor unzumutbar hohen Aufnahmeund Besuchsgebühren insbesondere privater Kitaträger
wirkungsvoll geschützt werden? Wie steht die Staatsregierung zur Forderung nach rechtlicher Festlegung einer
zumutbaren Obergrenze für die monatlichen Kitagebühren? Sollte die Bewilligung staatlicher Fördergelder
an private Kitaträger zukünftig an die Einhaltung einer
solchen Gebührenobergrenze gekoppelt werden?
6. Sollten die rechtlichen Standards für die Erteilung einer
Betriebserlaubnis an Kitaträger verschärft werden? Wie
kann einer Gewinnerzielungsabsicht vonseiten der Kitaträger wirkungsvoll vorgebeugt werden? Unter welchen
Bedingungen kann Kitaträgern die Betriebserlaubnis
wieder entzogen werden?
7. Wie kann eine wirkungsvolle Kontrolle der Kita-Bildungsziele und der personellen und finanziellen Standards gewährleistet werden? Sollten in der AV BayKiBiG nachprüfbare Bildungsziele einschließlich der
erforderlichen finanziellen und personellen Rahmenbedingungen als förderrelevant festgeschrieben werden?
Welche Mechanismen der Qualitätskontrolle und Evaluation hält die Staatsregierung für geeignet?
Antwort
des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung,
Familie und Frauen
vom 29.07.2013
Vorbemerkung:
Träger von Kindertageseinrichtungen haben Anspruch auf
Erteilung einer Betriebserlaubnis, wenn sie die nach dem
8. Buch Sozialgesetzbuch erforderlichen Mindestanforderungen erfüllen.
Die Erlaubnis ist nach § 45 Abs. 2 SGB VIII zu erteilen,
wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist. Dies ist in der Regel anzunehmen,
wenn
1. die dem Zweck und der Konzeption der Einrichtung entsprechenden räumlichen, fachlichen, wirtschaftlichen
und personellen Voraussetzungen für den Betrieb erfüllt
sind,
Drucksachen, Plenarprotokolle sowie die Tagesordnungen der Vollversammlung und der Ausschüsse sind im Internet unter www.bayern.landtag.de –
Dokumente abrufbar. Die aktuelle Sitzungsübersicht steht unter www.bayern.landtag.de – Aktuelles/Sitzungen/Tagesübersicht zur Verfügung.
Seite 2
Bayerischer Landtag · 16. Wahlperiode
2. die gesellschaftliche und sprachliche Integration in der
Einrichtung unterstützt wird sowie die gesundheitliche
Vorsorge und die medizinische Betreuung der Kinder
und Jugendlichen nicht erschwert werden sowie
3. zur Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen
in der Einrichtung geeignete Verfahren der Beteiligung
sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen
An-gelegenheiten Anwendung finden.
Nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz (BayKiBiG) sind kommunale, freigemeinnützige und
sonstige Träger von Kindertageseinrichtungen förderfähig,
wenn sie darüber hinaus die rechtlichen Vorgaben des BayKiBiG und der Ausführungsverordnung (AVBayKiBiG)
erfüllen. Hierzu zählt die Beachtung von verbindlichen Bildungs- und Erziehungszielen. Die Träger der öffentlichen
Jugendhilfe (Landkreise, kreisfreie Städte) und die Regierungen bei Einrichtungen kreisfreier Städte überwachen
die Einhaltung der Voraussetzungen für die Erteilung der
Betriebserlaubnis, die Bewilligungsbehörden (Kreisverwaltungsbehörden bzw. Regierungen, Art. 28 BayKiBiG) die
Einhaltung der Fördervoraussetzungen.
Als Träger können grundsätzlich auch Elternvereine oder
Träger mit Gewinnerzielungsabsicht tätig werden, wenn sie
die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Dies entspricht
auch dem elterlichen Wunsch- und Wahlrecht, das eine
Auswahl von Betreuungsangeboten voraussetzt. Insbesondere kann ein besonderes Interesse von Eltern bestehen, in
Abgrenzung von den tradierten Betreuungsangeboten eigene Schwerpunkte der Bildung und Erziehung ihrer Kinder
zu bilden und dafür die Trägerschaft in die eigene Hand zu
nehmen.
Das Betreuungsverhältnis ist bei freien und sonstigen Trägern regelmäßig privatrechtlich organisiert. Bei kommunalen Einrichtungen kommt auch ein öffentlich-rechtliches
Verhältnis (z. B. durch Benutzungssatzung) in Betracht.
Drucksache 16/18285
im Beratungswege einen Bezugspersonenwechsel während des Kindergartenjahres möglichst abzuwenden.
3. Im Rahmen der Vertragsfreiheit können Vereine, die
Träger von Kindertageseinrichtungen sind, die Aufnahme eines Kindes von der Vereinsmitgliedschaft der Eltern abhängig machen. Ein Ausschluss vom Verein ist in
diesen Fällen in aller Regel mit dem Verlust des Betreuungsplatzes verbunden. Es gibt keine Erhebungen, in wie
vielen Fällen Betreuungsverhältnisse wegen Vereinsausschlusses aufgehoben wurden. Die Arbeitsgemeinschaft
der Elternverbände Bayerischer Kindertageseinrichtungen ABK e.V. hat dem Staatsministerium für Arbeit
und Sozialordnung, Familie und Frauen (StMAS) über
Einzelfälle aus dem Raum München berichtet.
Die Kopplung des Betreuungsplatzes mit der Vereinsmitgliedschaft ist per se nicht zu beanstanden. Ein Verein
kann wegen seiner ihm zustehenden Autonomie grundsätzlich festlegen, dass seine Leistungen ausschließlich
von Vereinsmitgliedern abgerufen werden können. Dies
wäre nur dann bedenklich, wenn den Eltern keine Betreuungsalternative zur Verfügung stünde und faktisch
ein Aufnahmezwang bestünde, um einen Betreuungsplatz zu erhalten. Dies ist in den vom ABK geschilderten
Fällen nicht der Fall. Aufgrund der Vielzahl von Betreuungsmöglichkeiten und Trägern ist von einer unbilligen
Benachteiligung von Eltern auf der Suche nach einem
Betreuungsplatz nicht auszugehen, wenn einzelne Träger eine Vereinsmitgliedschaft fordern. Vielmehr haben
die Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zur
Einschulung vorbehaltlos Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung (bis 31. Juli
2013 Kinder ab dem vollendeten dritten Lebensjahr).
Der beste Schutz der Eltern besteht also darin, sich auf
entsprechende Kopplungsmodelle nicht einzulassen.
2. Aufsichtsbehörden sind in aller Regel mit Kündigungen
von Betreuungsverhältnissen nicht befasst. Daten hierzu
werden daher nicht erhoben. Entsprechende Fälle sind
bilateral zwischen Trägern und Eltern zu klären. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe als Aufsichtsbehörden
sind nicht Partei. Infolge der Vertragsfreiheit freier oder
sonstiger Träger ist die Möglichkeit einer Intervention
gering.
4. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayKiBiG ist in jeder geförderten Einrichtung ein Elternbeirat einzurichten. Dies
gilt auch für Elternvereine. Eine Interessenkollision ist
nicht zu befürchten. Der Elternbeirat mit seinem Anhörungs- und Informationsrecht fungiert in diesen Fällen
als vorberatendes Gremium. Die endgültige Entscheidung fällen die Vereinsmitglieder, soweit die Entscheidung nicht dem Vorstand übertragen wurde. Es besteht
insoweit kein Handlungsbedarf, eine Unvereinbarkeit
von Vereinsmitgliedschaft und Vertretung im Elternbeirat klarzustellen.
Eine Ombudsstelle, die als unparteiische Schiedsstelle fungiert, kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn
hierfür Bedarf besteht und sich möglichst alle Träger mit
einem Schiedsverfahren einverstanden erklären. Derzeit gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die
Notwendigkeit einer Ombudsstelle. Eltern von Kindertageseinrichtungen können sich bei Problemen an die Aufsichtsbehörden wenden, wenn eine Lösung vor Ort nicht
möglich erscheint.
Die Einflussmöglichkeit beschränkt sich allenfalls darauf, auf die Belange des Kindeswohls hinzuweisen und
5. Eltern schützen sich vor unzumutbar hohen Aufnahmeund Besuchsgebühren am besten, indem sie entspre-
Zu den einzelnen Fragen:
1. Die Staatsregierung hält die geltenden gesetzlichen Vorgaben für ausreichend. Die Eltern haben die Möglichkeit,
eine ungerechtfertigte Kündigung bzw. Auflösung des
Betreuungsverhältnisses gerichtlich überprüfen zu lassen. Entsprechendes gilt, wenn Vereinsmitglieder ausgeschlossen werden. Ein Handlungsbedarf des zuständigen
Bundesgesetzgebers besteht nicht.
Drucksache 16/18285
Bayerischer Landtag · 16. Wahlperiode
chende Angebote von Vereinen meiden und auf sonstige
Angebote ausweichen. In diesem Zusammenhang ist es
Angelegenheit der Gemeinden, für ein ausreichendes und
finanziell zumutbares Betreuungsangebot bzw. für eine
Wahlmöglichkeit Sorge zu tragen.
Soweit die Gemeinde über die gesetzliche Leistung hinaus betriebliche Kosten bezuschusst, wäre zu überlegen,
diese zusätzlichen Leistungen von einer Begrenzung der
Elternbeitragshöhe abhängig zu machen. Eine Änderung
der staatlichen Leistung ist nicht veranlasst. Der Freistaat
refinanziert die Gemeinde. Die Förderung ist abhängig
von einem dem BayKiBiG und der AVBayKiBiG entsprechenden Bildungsangebot. Solange die Elternvereine
entsprechende Leistungen erbingen und einen Beitrag
zur Versorgung an Betreuungsplätzen liefern, besteht
keine Veranlassung, die Förderung infrage zu stellen.
6. Eine Verschärfung der rechtlichen Standards für die
Erteilung einer Betriebserlaubnis in den Fällen von Elternmitgliedschaften oder Trägern mit Gewinnerzielungsabsicht ist nicht möglich. Der Vereinsausschluss
wegen „vereinsschädigendem Verhalten“ ist per se nicht
kindeswohlgefährdend. Ebenso wenig ist die Gewinnerzielungsabsicht ein Kriterium, das von vornherein auf
eine Kindeswohlgefährdung oder eine mangelnde Qualität der Einrichtung schließen lässt. Ganz im Gegenteil,
mit Blick auf die geringe Zahl an Negativmeldungen aus
der Praxis hat sich die Öffnung der staatlichen Förderung
zugunsten sonstiger Träger bewährt.
Seite 3
7. Die Träger nach Art. 19 Nr. 2 BayKiBiG sind verpflichtet, geeignete Qualitätssicherungsmaßnahmen
durchzuführen, d. h. die pädagogische Konzeption zu
veröffentlichen sowie Elternbefragungen oder sonstige,
gleichermaßen geeignete Maßnahmen der Qualitätssicherung jährlich durchzuführen. Eltern sollen dadurch in
die Lage versetzt werden, die Qualität der Einrichtung
einzuschätzen und z. B. über den Elternbeirat Einfluss
auf die qualitative Entwicklung der Einrichtung zu nehmen.
Um die Eltern dabei zu unterstützen hat das StMAS in
Zusammenarbeit mit dem Staatsinstitut für Frühpädagogik eine Broschüre zur Arbeit des Elternbeirats veröffentlicht: (http://www.stmas.bayern.de/imperia/md/con
tent/stmas/stmas_internet/familie/bep-elternbeirat.pdf).
Für die externe Kontrolle der Bildungsziele und der
personellen und finanziellen Standards sind einerseits
die Gemeinden und andererseits die staatlichen Bewilligungsbehörden zuständig. Um dieses System der externen Qualitätssicherung zu verbessern, ist im Rahmen des
Bildungsfinanzierungsgesetzes der Einsatz von bis zu
200 Qualitätsbegleitern vorgesehen. Nach Auffassung
der Trägerverbände ist diese Maßnahme die effektivste,
um das pädagogische Personal vor Ort zu unterstützen.