Feuer und Flamme

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Feuer und Flamme
Nachdiplomstudium HF in Angewandter Erlebnispädagogik 2009/10
Feuer und Flamme
Metaphern als Möglichkeit zur Stärkung der
Sozialkompetenz einer Schulklasse
Wie wirkt sich metaphorische Arbeit auf die Sozialkompetenz einer Schulklasse aus?
Diplomarbeit von
Claudia Arnold
Stanserstrasse 6
6373 Ennetbürgen
eingereicht im Juli 2010
Planoalto | Erlebnispädagogik, Naturtherapie, Aufstellungsarbeit | Lindenstrasse 69 | 9000 St. Gallen
in Kooperation mit CURAVIVA Weiterbildung | HF für Sozialpädagogik | Abendweg 1 | 6006 Luzern
Feuer fängt mit Funken an.
(Deutsches Sprichwort)
Inhaltsverzeichnis
1
Vorwort ........................................................................................................................... 4
2
Einleitung ....................................................................................................................... 5
3
Metaphern ...................................................................................................................... 6
3.1
Was sind Metaphern? ............................................................................................. 6
3.2
Wann werden Metaphern verwendet? ..................................................................... 6
3.2.1
Die Metapher als sprachliches Mittel in der Pädagogik ..................................... 6
3.2.2
Metaphern als Ablenkungsmanöver ................................................................. 7
3.2.2.1
3.3
Wann und wie wirken Metaphern? .......................................................................... 7
3.3.1
Die Botschaft der Metapher gelangt ins Unbewusste ....................................... 8
3.3.2
Metaphern wirken, wenn sie isomorph sind ...................................................... 8
3.4
Metaphern als Kommunikationsmittel – ein kurzer Exkurs ....................................... 8
3.4.1
Metaphern – die Zauberkraft des NLP .............................................................. 9
3.4.2
Metaphern als Führungsintervention ................................................................ 9
3.5
Metaphern in der Erlebnispädagogik ......................................................................10
3.5.1
Was ist Erlebnispädagogik? ............................................................................10
3.5.2
Die Verwendung von Metaphern in der Erlebnispädagogik .............................11
3.5.2.1
3.6
4
5
Märchen ................................................................................................... 7
Die Macht der Archetypen .......................................................................11
Theoretische Reflexion ...........................................................................................12
Feuer und Flamme ........................................................................................................13
4.1
Feurige Sinnbilder in unserer Sprache ...................................................................13
4.2
Das Feuer – ein wichtiges Element in der Erlebnispädagogik ................................13
4.3
Das Feuer zur Stärkung der Sozialkompetenz einer Schulklasse ...........................14
4.3.1
Soziale Kompetenz .........................................................................................14
4.3.2
Warum die Kombination von Sozialkompetenz & Feuer in einer Schulklasse? 14
Projekte mit Feuer und Flamme ....................................................................................16
2
5.1
Das Klassenfeuer als Impuls für den Klassenzusammenhalt ..................................16
5.1.1
5.2
Positive Werte verstärken – der Transfer in den Unterricht.....................................17
5.2.1
5.3
Zum Klassenfeuer einen Beitrag leisten und davon zehren .............................20
Die Helden der Märchen ........................................................................................21
5.6.1
Märchen im Schulzimmer ................................................................................21
5.6.2
Märchen in der Waldstube...............................................................................21
5.7
Visionen – ein ausstehendes Projekt ......................................................................23
5.7.1
6
Gemeinsam über dem Feuer kochen ..............................................................19
Die Botschaft einer Metaphergeschichte ................................................................20
5.5.1
5.6
Was kann ich für Licht in unsere Klasse bringen? ...........................................18
Teamarbeit mit Kopf, Herz und Hand trainieren......................................................19
5.4.1
5.5
Symbole im Schulzimmer ................................................................................17
Ein Zitat zur Selbstreflexion ....................................................................................18
5.3.1
5.4
Zum Schuljahresstart ein Klassenfeuer entfachen ...........................................16
Eine Himmelslaterne voll mit Wünschen fürs neue Schuljahr ..........................23
Schluss .........................................................................................................................24
6.1
Auswertung mit der Schulklasse.............................................................................24
6.2
Fremdbetrachtung ..................................................................................................25
6.3
Persönliche Betrachtung ........................................................................................25
6.4
Fazit .......................................................................................................................26
7
Literaturverzeichnis .......................................................................................................27
8
Medienverzeichnis .........................................................................................................27
9
Anhang ..........................................................................................................................28
9.1
Auswertungsfragen an die Schulklasse ..................................................................28
9.2
Interviewfragen an die schulische Heilpädagogin ...................................................29
3
Das innere Feuer macht das äussere dienstbar.
(Oswald Spengler)
1
Vorwort
Die Gruppennamen meiner neuen Schulklasse sollten aussagekräftig und symbolhaft sein.
Am besten wäre sogar, wenn sich dazu erlebnispädagogische Settings inszenieren lassen
würden. Wie war ich Feuer und Flamme, als ich auf die zündende Idee der Gruppennamen
„Feuer“ und „Flamme“ kam!
So war diese Idee auch der springende Funke, der zur Freude an der Arbeit mit Metaphern
beigetragen hat.
Nun sehe ich es als meinen Auftrag, mit meiner Diplomarbeit dieses Feuer der Begeisterung
weiterzugeben, vielleicht wird dessen Licht auch in anderen Schulklassen leuchten. In diesem Sinne entzünde ich dieses Feuer im Folgenden gerne mit einer Metaphergeschichte
und wünsche dazu viel Freude beim Lesen.
Claudia Arnold
Ennetbürgen, im Juli 2010
Es kam der Tag, da sagte das Zündholz zur Kerze: “Ich habe den Auftrag, dich anzuzünden.”
“Oh nein”, erschrak da die Kerze, “nur das nicht.”
Das Zündholz fragte: “Aber willst du denn dein Leben lang kalt und hart bleiben, ohne je gelebt
zu haben?”
“Aber Brennen tut doch weh und zehrt an meinen Kräften”, schluchzte die Kerze unsicher und
voller Angst.
“Das ist schon wahr”, entgegnete das Zündholz. “Aber das ist auch das Geheimnis unserer Berufung: Wir sind berufen, Licht zu sein. Was ich tun kann, ist wenig. Zünde ich dich aber nicht
an, so verpasse ich den Sinn meines Lebens. Ich bin dafür da, das Feuer zu entfachen. Du bist
eine Kerze, du sollst für andere leuchten und Wärme schenken. Alles, was du an Schmerz und
Leid und Kraft hingibst, wird verwandelt in Licht. Du gehst nicht verloren, wenn du dich verzehrst. Andere werden dein Feuer weiter tragen. Nur wenn du dich versagst, wirst du sterben.”
Da spitzte die Kerze ihren Docht und sprach voller Erwartung: “Ich bitte dich, zünde mich an!”
(Verfasser unbekannt)
4
Der Geist des Menschen ist kein Gefäss, das gefüllt,
sondern ein Feuer, das entfacht werden muss.
(Plutarch)
2
Einleitung
Gewaltbereitschaft und Aggressionen unter Kindern sind an Schulen immer wieder Themen.
Gegenseitiger Respekt, Rücksichtnahme auf Mitmenschen, Teamfähigkeit und das konstruktive Lösen von Konflikten sind nur einige Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche ein Gemeinschaftsleben positiv beeinflussen. Diese Fähigkeiten und Fertigkeiten wollen aber ebenso
geübt sein wie beispielsweise das Schreiben, Lesen und Rechnen.
Unser Gehirn hat eine Vorliebe für Bilder. Fast alle Menschen verstehen abstrakte Aufgaben
schneller, wenn sie sich ein Bild dazu vorstellen. Ist dies vielleicht auch eine Möglichkeit, um
soziales Lernen verständlicher zu machen?
Das Thema Metaphern als Möglichkeit zur Stärkung der Sozialkompetenz einer Schulklasse
führt in meiner Diplomarbeit auf eine dreiteilige Reise.
Auf dem ersten Wegabschnitt widme ich mich dem Begriff Metapher. Die Etappe führt zu der
Frage nach der Wirkung und Verwendung von Metaphern. Mit Antworten und Erkenntnissen
bereichert führt der Weg auf einen kurzen Exkurs. Dabei erläutere ich zwei verschiedene
Anwendungsbereiche: Der Gebrauch von Metaphern beim Neuro-Linguistischen Programmieren und beim Change-Management. Nach diesem kurzen Abstecher führt die Reise weiter in die Welt der Erlebnispädagogik. Mit der Beschreibung metaphorischer Modelle beende
ich den ersten Teil der Reise.
Der zweite Teil der Reise mag im ersten Augenblick vielleicht als Umweg daher kommen.
Doch wenn man sich ein Ziel setzt, kann man sich auch kompliziertere Umwege erlauben.
So schreibe ich im mittleren Teil meiner Arbeit zuerst über die Bedeutungen des Feuers in
der Sprache. Die nächste Station enthält Informationen über die Bedeutung des Feuers in
der Erlebnispädagogik. Das verfolgte Ziel dabei ist, die metaphorische Bedeutung des Feuers mit der Idee von der Stärkung der Sozialkompetenz einer Schulklasse zu kombinieren.
Im dritten und letzten Wegabschnitt beschreibe ich durchgeführte Klassenprojekte. Theoretische Aspekte verschmelzen mit feurigen Impulsen. Mit dem Schildern von gemachten Erfahrungen, schaffe ich einen ganz konkreten Einblick in die Welt der mächtigen Metaphern.
Selbst ein blinder Mensch würde die mächtigen Bilder, welche auf dieser Reise über Handlung entstanden sind, im übertragenen Sinne sehen. Erfreuliche Auswertungen runden die
Reise im Schlussteil ab.
Wie doch im Wort die Flamme herrlich bleibt.
(Rainer Maria Rilke)
5
3
Metaphern
Der Duden definiert den Begriff Metapher als Wort mit übertragener Bedeutung oder als bildliche Wendung, wie z.B. „Haupt der Familie“. (vgl. Drosdowski 1996, S.489)
3.1
Was sind Metaphern?
Metaphern sind Sinnbilder. Das Wort Metapher (metaphora) kommt aus der griechischen
Sprache und bedeutet so viel wie ~Übertragung.
Die Definitionen, die das Wort Metapher erklären, sind aber so vielschichtig wie deren Bedeutungen, die sich hinter diesem Begriff verbergen.
Eine Metapher ist grundsätzlich ein sprachliches Mittel, um etwas auszudrücken oder bildlich
darzustellen, und verknüpft sprachlich zwei Bedeutungsebenen.
Wenn man zum Beispiel vom Feuer der Liebe spricht, wird der abstrakte Begriff Liebe mit
den Eigenschaften des Feuers charakterisiert.
Da aber diese Verknüpfungen nicht nur auf Wörtern basieren müssen, sondern gleich auf
ganze Aussageinhalte übernommen werden können, zählen auch Gleichnisse, Zitate oder
Geschichten wie Märchen, Erzählungen und Sagen zu Metaphern. (vgl. www.lexolino.de,
16.05.2010)
3.2
Wann werden Metaphern verwendet?
Metaphern werden dann gebraucht, wenn für eine gemeinte Sache kein eigenes Wort existiert oder wenn ein abstrakter Begriff über einen anschaulicheren Sachverhalt verständlicher
gemacht werden soll (siehe 3.1). Weiter werden Metaphern auch verwendet, wenn ein Begriff nicht ausgesprochen werden will. So vermeiden wir zum Beispiel das Wort „sterben“ und
umschreiben es mit „von uns gehen“. (vgl. www.lexolino.de, 16.05.2010)
3.2.1 Die Metapher als sprachliches Mittel in der Pädagogik
Die Sprache ist ein Instrument, das dem Mensch eigen ist. Sie ermöglicht ihm, sein Denken
und seine Gefühle mitzuteilen. Die Wahl der Sprache ist wesentlich für eine gut funktionierende Gemeinschaft. Es ist die Sprache, die Gemeinschaft schafft. Somit ist die Sprache
zentrales Element der Pädagogik.
In der Pädagogik wurden Metaphern seit jeher eingesetzt. Mit ihrer kraftvollen Art, etwas
auszudrücken oder zu versinnbildlichen, wurden sie immer wieder zur Vermittlung von Lebenseinstellungen, Ideen und Veränderungen genutzt. Schon Jesu als Geschichtenerzähler
nutzte die Wirkung der Metaphern in zahlreichen Gleichnissen.
6
Aber auch neuere Lehr- und Lernmethoden beinhalten metaphorische Arbeit und auch Pädagogen und Pädagoginnen von heute wissen um die Kraft der Metaphern und nutzen diese
zur Förderung und Unterstützung von Veränderungs- und Lernprozessen. (siehe 3.4.1, 3.4.2
und 3.5.1)
3.2.2 Metaphern als Ablenkungsmanöver
Man könnte sagen, dass es nichts Menschlicheres gibt, als die Tatsache, dass es immer
wieder zu Konflikten kommt, wenn Menschen auf engem Raum zusammenleben oder zusammenarbeiten. Immer wieder gibt es Probleme zu bewältigen oder Veränderungen wollen
und müssen angestrebt werden. Manchmal fehlen dem Menschen aber die Ideen zur Problemlösung. Hierfür eignet sich die metaphorische Arbeit besonders gut, denn in Erzählungen
werden Probleme bewältigt und Lösungen aufgezeigt. Oft nimmt der Zuhörer die Wegweisungen aber ganz unbemerkt auf, denn der Inhalt der Metapher lenkt auf das eine Ereignis,
während das Wesentliche und Entscheidende woanders passiert (siehe 3.3.1). Beste Beispiele für solche Erzählungen sind Kindergeschichten und Märchen.
3.2.2.1 Märchen
Kinder brauchen Märchen. Noch immer oder vielleicht mehr als auch schon. „… Ursprünglich
richteten sich die Märchen an Erwachsene, ihre Botschaft und Heilkraft war keineswegs nur
für Kinder gedacht. Märchen sind bedeutend, weil sie die Seelenlandschaft des Menschen
und seinen Suchweg beschreiben, die Heldenreise, die er zu beschreiten hat. (…) Durch ihre
bildhafte Sprache wirken Märchen direkt auf der tieferen Ebene des Unterbewusstseins. (…)
Der strukturell gute Ausgang, das Happy End der Märchen fördert positive Kräfte wie Mut
und Zuversicht, Vertrauen und Gelassenheit, Ausdauer und Geduld. …“ (Zuffellato/ Kreszmeier 2007, S. 98) Nicht nur wegen ihrer bildhaften Sprache, sondern auch wegen der Sinnbilder für relevante Lebensthemen der Zuhörer und Zuhörerinnen, können Märchen als Metaphern verstanden werden. Inhalte der Geschichte werden bewusst, oftmals aber auch unbewusst auf eigene Konflikte übertragen.
3.3
Wann und wie wirken Metaphern?
Metaphern können sehr wirkungsvoll sein und erwünschte Veränderungen mit sich bringen,
aber nur, wenn sie behutsam gewählt werden. Nach Stephen Bacon (vgl. Bacon 1998, S. 13)
gibt es drei grundlegende Prinzipien für erfolgreiche Metaphern. Zum einen sollen die Archetypen bei der Arbeit mitwirken (siehe 3.5.2.1) und zum anderen sollen isomorphe Metaphern
gebildet werden (siehe 3.3.2). Zuletzt erwähnt Bacon die Wichtigkeit von Erfolgserlebnissen.
Dabei geht er davon aus, dass Erfolg machbar ist.
7
3.3.1 Die Botschaft der Metapher gelangt ins Unbewusste
Ständig nimmt unser Hirn Informationen auf. Das Bewusstsein kann aber nur eine gewisse
Menge an Informationen aufnehmen. Mit jeder Informationseinheit, die dieses Mass übersteigt, wird das Bewusstsein unfähiger, unbewusste Prozesse zu beeinflussen. Somit gelangen die Informationen nahezu ungefiltert in das Unterbewusstsein. Metaphern funktionieren
auf ähnliche Weise. „… Der rote Faden der Metapher vertreibt der linken Gehirnhälfte die
Zeit, die Botschaft der Metapher gelangt direkt ins Unbewusste. …“ (Hücker 2009, S. 91)
Dies erinnert vielleicht an Zauberei, denn auch ein Zauberer verfährt so, dass er unsere
Aufmerksamkeit auf das Unbedeutende lenkt, während das Bedeutende sonst wo geschieht.
(vgl. Watzlawick/Kreuzer 1991, S. 17 ff.)
Metaphern können von beiden Hirnhälften verarbeitet werden, da Bild und Sprache miteinander verknüpft sind. Weiter ermöglichen Metaphern dem Unbewussten, andere Menschen
zu betrachten, die ein ähnliches Problem bewältigt haben. Das Unbewusste gibt dem Menschen über die Metapher zu erkennen, wie das Problem lösbar ist. Dies setzt aber voraus,
dass die Metapher isomorph (siehe 3.3.2) zur aktuellen Situation der betreffenden Person ist.
3.3.2 Metaphern wirken, wenn sie isomorph sind
Das Wort Isomorphie setzt sich aus den Wortteilen isos~gleich und morph~Gestalt zusammen und ist griechischen Ursprungs.
Spricht man von einer isomorphen Metapher, so besteht eine Strukturgleichheit zwischen der
Metapher und der realen Lebenssituation. Je mehr die Geschichte der wirklichen Situation
des Zuhörers oder der Zuhörerin gleicht, desto besser begünstigt die Geschichte den betreffenden Menschen zur Lösungsfindung. Dies geschieht aber meist unbewusst. Doch umso
isomorpher Geschichten sind, desto schneller gewinnen sie für den Zuhörer und die Zuhörerin an Bedeutung. „… Die Art und Weise, wie der Held das Problem löse, könne einem Menschen in einer ähnlichen Lage eine Lösung zeigen. …“ (Hücker 2009, S. 13)
Die Strukturgleichheit ist somit von Bedeutsamkeit für die nachhaltige Wirkung einer Metapher.
3.4
Metaphern als Kommunikationsmittel – ein kurzer Exkurs
Das Wort Kommunikation stammt aus dem Lateinischen communicare und bedeutet ~teilen,
~mitteilen, ~teilnehmen lassen, ~gemeinsam machen, ~vereinigen.
„Kommunikation als Sozialhandlung dient der Problemlösung: Durch Kommunikation werden
Hindernisse überwunden, die sich allein nicht bewältigen lassen.“ (www.wikipedia.de,
05.05.2010) In diesem Sinne kann die Metapher auch als Kommunikationsmittel betrachtet
werden. Denn in sozialen Organisationen sind Zusammenarbeit und Vereinigung Dauerthemen und die Metapher ist bei sorgfältiger Auswahl (siehe 3.3) sehr erfolgversprechend. Die
8
beste Geschichte gewinnt – diesem Ansatz folgen auch Menschen, die mit Metaphern bei
Gruppen und Einzelpersonen Veränderungs- und Lernprozesse fördern und unterstützen
möchten.
3.4.1 Metaphern – die Zauberkraft des NLP
Dr. Franz-Josef Hücker schreibt in seinem Buch Metaphern – die Zauberkraft des NLP über
die Anwendung von Metaphern beim Neuro-Linguistischen Programmieren, kurz NLP.
NLP heisst zu Deutsch „Neu-Prägung der Verbindungen zwischen Nerven und Sprache“.
Richard Bandler, John Grinder und andere entwickelten die Grundlagen des NLP, dabei
spricht man von einem Meta-Modell für Kommunikation und Veränderung.
Hücker zählt die Metaphermethode als eines der acht methodischen Elemente im NLP auf.
„… Die Metaphermethode wird insbesondere genutzt, wenn dem Menschen Lösungen angeboten werden sollen, die sein Bewusstsein noch nicht akzeptieren kann. Die metaphorische Lösung ist: Die Metapher lenkt das störende – oder sollte man sagen störrische? – Bewusstsein ab und kommuniziert mit dem Unbewussten (…). Das Unbewusste ist wesentlich
experimentierfreudiger als das Bewusstsein und weiss, wie und wann etwas erforderlich ist.“
(Hücker 2009, S. 91)
NLP-Anwender und NLP-Anwenderinnen gehen davon aus, dass es das Unbewusste sei,
das Metaphern schätzt, Freude an ihnen findet und aus ihnen lernt. Hücker betont weiter,
dass eine Prise Humor in den Geschichten die Wirkung der Metaphern zusätzlich erhöht.
Die erzählten Parabeln und Geschichten können Botschaften und Lösungen zu verschiedenen Themen wie Einschüchterung, Selbstverantwortung, Ungeduld, Ressourcennutzung,
Rollenverhalten usw. liefern.
3.4.2 Metaphern als Führungsintervention
In seinem Buch The Art of Change schreibt Michael Loebbert über Veränderungen in Unternehmen und Organisationen. „Bei organisatorischen Veränderungen kommt es darauf an,
die Menschen, die daran beteiligt sind, miteinander in Verbindung zu bringen. (…) Nur wenn
sie miteinander verbunden sind, können sie auch an einem Strang ziehen. Insofern gibt es
keine gute und keine schlechte Kommunikation, es gibt nur Kommunikation, die wirkt.“
(Loebbert 2006, S. 77) Dabei geht er davon aus, dass sich möglichst konkrete Metaphern als
Führungsintervention bewähren. Das heisst, er nutzt Metaphern oft als Überschrift für die
individuellen und gemeinsamen Erlebnisse, die Menschen in bestimmten Veränderungen
haben. Es sei ein Unterschied, ob er als Managementberater den Zusammenschluss zweier
Unternehmen mit „Liebesheirat“, „Eroberung“, „Sieg“, oder „Bildung einer neuen Mannschaft“
betitelt. (vgl. Loebbert 2006, S. 50)
9
Loebbert betont, dass es die Geschichten und Erlebnisse von Veränderungen sind, die einen
Schatz an Regeln, Handlungsmustern und Werten bereitstellen und somit neue Veränderungen erleichtern und unterstützen.
Damit sich Menschen aber für eine Veränderung einsetzen, muss die Geschichte Sinn machen. NLP-Geschichten sind oft erfunden, Loebbert tendiert hingegen vielmehr auf wahre
Geschichten mit wirklichen Personen.
Weiter schreibt Loebbert, dass durch die bewusste Arbeit mit positiven Geschichten Werte
von Beteiligten herausgehoben werden. Er geht davon aus, dass diese Geschichten weiter
erzählt und auch gelebt werden. Von den Zuhörern und Zuhörerinnen werden die positiven
Geschichten als authentisch erlebt. Über die Geschichten werden die darin gelebten positiven Werte verstärkt. Daher sieht er die Arbeit mit Geschichten sogar als „Königsweg“ zur
Dynamisierung und Gestaltung eines organisationsübergreifenden kulturellen Wandels. (vgl.
Loebbert 2006, S. 126 und 127)
3.5
Metaphern in der Erlebnispädagogik
Metaphern sind zielstrebige Umwege in der Pädagogik – so auch in der Erlebnispädagogik.
Auch hier ist man sich bewusst, dass Märchen und Geschichten Identifikationen mit Personen und Problemen anbieten. Während es in der Realität noch keine Lösung zu scheinen
gibt, zeigen die Geschichten bereits Lösungsmöglichkeiten auf. Im Unterschied zu anderen
Gebieten, werden in der Erlebnispädagogik diese Geschichten in Bewegung und Handlung
umgesetzt. Die Botschaften in den Geschichten werden so nicht nur gehört, sondern auch
mit Kopf, Herz und Hand erfahren. Die Umsetzung von einem Ziel erfolgt über eine metaphorische Aktivität. So kann das Begehen eines Baches von der Mündung bis zur Quelle auch
als Weg in die Kindheit betrachtet werden oder eine innere Vertiefung kann man mit einem
Gang in die Tiefe einer Höhle verbinden. (vgl. Michl 1999, S. 13)
3.5.1 Was ist Erlebnispädagogik?
Eine allgemeingültige und abgesicherte Definition für den Begriff Erlebnispädagogik lässt
sich nicht finden, denn allzu breit ist dessen Anwendung im deutschsprachigen Raum.
Koruforyou erklärt die Absicht der Erlebnispädagogik sehr treffend:
„Erlebnispädagogik ist Lernen in verschiedenen Naturräumen. Anhand bewusst gewählter
Mittel, Methoden und Settings sollen Menschen in ihrer Selbst- und Sozialkompetenz gestärkt und gefördert werden. Dabei werden Prozesse ausgelöst, die bei den Beteiligten zu
nachhaltigen Veränderungen im Denken und Handeln führen. Diese Persönlichkeitsentwicklungen werden gestützt durch Ziele, die sich die Menschen selber setzen. Die Erlebnispädagogin ist dabei Begleiterin.“ (www.koruforyou.ch, 24.05.2010)
10
Die Natur bietet mit ihren zahlreichen verschiedenen Naturräumen eine Fülle verständlicher
und starker Bilder. Deshalb kommen den Menschen bei erlebnispädagogischen Settings
viele Metaphern in den Sinn. Mit der Wahl des Naturraums – welcher eingepackt in eine Metapher immer auch Lernraum ist – können unterschiedliche Lösungen herangezogen werden.
3.5.2 Die Verwendung von Metaphern in der Erlebnispädagogik
Im Verlauf ihrer Geschichte entwickelten sich in der Erlebnispädagogik unterschiedliche Modelle. Das metaphorische Modell bedient sich der Kraft und Wirkung von Bildern. Man geht
davon aus, dass ein Erlebnis dann nachhaltig wirkt, wenn es gekoppelt mit einer Metapher in
den Alltag transferiert werden kann. Wichtig ist aber auch bei diesem metaphorischen Ansatz, dass zwischen dem Erlebnis und der Alltagssituation eine Strukturgleichheit (siehe
3.3.2) besteht. Innerhalb des metaphorischen Modells wird zwischen Trainings-, Impuls- und
Fantasiemetapher unterschieden.
Während Trainingsmetaphern auf Grund von Kurszielen und individuellen Zielen im Voraus
bewusst geplant werden können, ergeben sich Impulsmetaphern (Bilder, Erfahrungen, Szenen) erst im Verlauf eines Kurses und können somit nicht geplant werden. Trainings- und
Impulsmetaphern unterscheiden sich zur Fantasiemetapher in jenem Punkt, dass bei beiden
mit konkreten Bildern oder Begegnungen handelnd in und mit der Natur gearbeitet wird. Bei
den Fantasiemetaphern handelt es sich um innere Bilder und Begegnungen, welche sich der
Mensch selber im Geist ausmalt. Diese inneren Bilder werden zur Prozessunterstützung eingesetzt. (vgl. Zuffellato/Kreszmeier 2007, S. 239 und 240)
3.5.2.1 Die Macht der Archetypen
Die Arbeit mit Archetypen ist eine weitere Form des metaphorischen Modells.
Archetyp bedeutet wörtlich Druckvorlage oder originales Muster. Das tiefenpsychologische
Konzept der Archetypenlehre wurde von Carl Gustav Jung entwickelt. Er ging davon aus,
dass bestimmte Bilder und Themen – die sogenannten Archetypen – immer wiederkehren,
unabhängig von Individuum, Geschichte und Kultur.
Archetypen – auch Urfiguren des Unbewussten – sind in symbolischen Bildern wie beispielsweise Träumen, Visionen und Märchen erfahrbar. Sie erscheinen aber nicht in einem
Archetypus der Urform wie „göttliches Kind“, „grosse Mutter“, „Schatten“ oder „Held“, sondern vielmehr in spezifisch ausgeprägten Formen. So zählt man das Meer, die Höhle, die
Erde usw. genauso zu den Mutterarchetypen wie die Grossmutter oder Stiefmutter. In einem
erlebnispädagogischen Setting erscheint der mütterliche Archetyp mit seinen nährenden
Kräften aber nicht nur in Form eines Naturraums, sondern auch beim Kochen, Sichern oder
Spenden von Trost.
11
Die Arbeit mit Archetypen nutzt die „Inhalte des kollektiven Unbewussten“ als Ressource.
Metaphern, Bilder und Assoziationen, die bei Menschen auftauchen, werden als Unterstützung für den individuellen Prozess aufgenommen. Meist setzt ein solcher Prozess Heilungsund Lösungspotenzial frei. (vgl. Zuffellato/Kreszmeier 2007, S. 240)
3.6
Theoretische Reflexion
Es ist ohne Zweifel, Metaphern sind und bleiben ein faszinierendes sowie bewegendes
Thema. Schon oft führten Metaphern über Umwege zielstrebig zu Lernfortschritten und Veränderungen. Um aber andere nicht auf Abwege zu führen, muss jeder, der mit Metaphern
arbeitet, seinen eigenen Weg suchen und finden. Hauptpfad meiner weiteren Arbeit soll ganz
klar die Metapher zur Stärkung der Sozialkompetenz einer Schulklasse sein. Das Element
Feuer soll dabei Boden des Hauptpfades werden. Die Theorien über die Arbeit mit den Archetypen und dem Unterbewusstsein sind lehrreich und als Nebenpfade lohnenswert zu
kennen. Dennoch möchte ich im Weiteren nicht mehr darauf eingehen. Schön, wenn diese
Theorien unbewusst mitwirken und mithelfen, für die Arbeit mit den Kindern möchte ich mich
jedoch auf Fassbareres beschränken – ohne mir dabei die Finger zu verbrennen.
12
„Der Mensch hat sich die Elemente zunutze gemacht;
im Unterschied zu allen anderen Lebewesen sogar das Feuer.“
(Kreszmeier 2008, S. 154)
4
Feuer und Flamme
Die Wahl der Gruppennamen meiner Schulklasse (siehe Vorwort) setzt im Zusammenhang
mit dem Thema Metaphern auch eine Auseinandersetzung mit der Bedeutung des Feuers
voraus.
Die Beherrschung des Feuers gehört zu den höchsten kulturellen Errungenschaften des
Menschen. Es hat sein Leben wie kaum eine andere Entdeckung verändert. Feuer war kostbar, denn es gab in feuchtkalten Höhlen Licht und Wärme, es vertrieb wilde Tiere und machte Fleisch besser geniessbar.
Dort, wo ein Feuer brennt, versammeln sich noch heute Menschen und erzählen sich Geschichten.
4.1
Feurige Sinnbilder in unserer Sprache
Zahlreiche Redewendungen, Sprichwörter und Zitate beinhalten Wörter wie Feuer, Licht,
Flamme, Glut oder Hitze. Ein gemeinter Sachverhalt (siehe 3.2) wird durch den Gebrauch
dieser „feurigen“ Wörter verständlicher gemacht. So sprechen wir zum Beispiel von einem
feurigen Temperament, von lodernder Begeisterung, von heissen Diskussionen oder von
einer brennenden Leidenschaft.
Das Feuer ist Sinnbild für Herzlichkeit, Gemütlichkeit und Zuneigung – steht aber andererseits für ein feuriges, aufbrausendes Gemüt sowie Streitlust. Weiter verkörpert es auch Kraft,
Mut, Aufbruch und Neubeginn oder aber Gewalt, Zerstörung und Gefahr. In der Feuerenergie steckt nebst der wärmenden Hitze auch die bewegende Hitze, welche zu Fortschritt,
Vermehrung und Entwicklung antreibt. (vgl. Kreszmeier/Hufenus 2000, S. 68)
Auch benutzen verschiedene Religionen das Feuer als Sinnbild. Jesu wird beispielsweise
von Johannes als Licht der Welt bezeichnet oder Gott erscheint dem Moses in einem brennenden Dornbusch. Sinnbilder für die Auferstehung Jesu sind noch heute das Osterfeuer
und die Osterkerze.
4.2
Das Feuer – ein wichtiges Element in der Erlebnispädagogik
Das Feuer ist in der erlebnispädagogischen Arbeit ein wichtiges und zentrales Element. Die
Feuerstelle (lat. ´fokus`) ist Zentrum des Geschehens, wenn rundherum Menschen sitzen
und sich einander Geschichten erzählen, wenn nasse Kleider getrocknet werden müssen,
wenn gekocht wird und wenn Licht und Wärme vor Dunkelheit und Kälte schützen. Das Feu13
er muss gehütet werden, denn es soll schön brennen und nicht verglimmen oder ausser
Kontrolle geraten. Am Feuer verbrennt man sich aber auch, der Rauch kratzt in den Augen
und vertreibt. (vgl. Zuffellato/Kreszmeier 2007, S. 212)
In der Erlebnispädagogik sorgt das Element Feuer nicht nur für unser physisches Wohlergehen, sondern es verfügt im übertragenen Sinne über weitere Qualitäten und kann zum zentralen methodischen Element werden. So kann es beispielsweise den Prozess unterstützen,
sein eigenes inneres Feuer wieder zu finden oder es so im Gleichgewicht zu halten, dass es
weder erlischt noch verzehrt. Weiter ist das Feuer ein geeigneter Lehrmeister zwischen Unabhängigkeit und Anpassung: Man erfriert, wenn man sich zu weit von ihm entfernt; kommt
man zu nahe, verbrennt man sich, und überlässt man es sich selbst, kann man böse Überraschungen erleben. (vgl. Kreszmeier 2008, S. 154)
4.3
Das Feuer zur Stärkung der Sozialkompetenz einer Schulklasse
Hilbert Meyer erwähnt in seinem Buch Was ist guter Unterricht? das lernförderliche Klima. Er
sagt, dass die gute Unterrichtsatmosphäre durch gegenseitigen Respekt, verlässliche Regeln, geteilte Verantwortung, Gerechtigkeit und Fürsorge geprägt wird. (vgl. Meyer 2004, S.
47) All diese lernförderlichen Kriterien führen zu einem positiven Unterrichtsklima. Aggressives Verhalten und Gewalt nehmen ab. In diesem Zusammenhang ist das Stärken der Sozialkompetenz unerlässlich.
4.3.1 Soziale Kompetenz
Soziale Kompetenz (Sozialkompetenz) ist die Fähigkeit, souverän, einfühlsam, fair und konstruktiv mit Mitmenschen umzugehen. Dazu gehört Teamfähigkeit, die Fähigkeit zu Empathie
sowie das konstruktive Lösen von Konflikten. Zu sozialer Kompetenz gehört die Bereitschaft
zu Kooperation mit Menschen, Rücksicht auf die Umwelt und auf die Mitmenschen zu nehmen sowie ehrlich und verlässlich gegenüber anderen aufzutreten und zu handeln. (vgl.
www.soft-skills.com, 17.05.2010)
4.3.2 Warum die Kombination von Sozialkompetenz & Feuer in einer Schulklasse?
Einleitend erwähnte ich, dass Gewaltbereitschaft und Aggressionen immer wieder Themen
an Schulen sind. Ein positives Unterrichts- und Schulhausklima, welches über gestärkte Sozialkompetenz gefördert wird, beeinflusst die Gemeinschaftsbildung positiv. Die Fähigkeiten
und Fertigkeiten, Probleme zu bewältigen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen, wollen
aber trainiert und geübt sein. Hierfür eignet sich das metaphorische Lernen besonders gut.
Das Feuer im konkreten bietet eine optimale Identifikation mit der thematischen Auseinandersetzung, ohne dass auf das eigentliche Problem – Aggression und Gewaltbereitschaft –
eingegangen werden muss. Im übertragenen Sinne werden Verantwortung, Respekt und
Fürsorge geübt: Das Feuer will gepflegt, umsorgt und genährt werden, denn sonst über14
rascht es vielleicht mit seiner zerstörerischen Kraft, lässt gefährliche Brandwunden zurück
oder erlischt stillschweigend. Als Dank spendet es uns Wärme und Licht – Sinnbilder für
Wohlbefinden und Herzlichkeit. Auch die Schulklasse als Gemeinschaft will umsorgt sein, um
leuchten zu können, strukturgleich zum Feuer!
15
Lieber ein kleines Licht anzünden,
als in der Dunkelheit schimpfen.
(Konfuzius)
5
Projekte mit Feuer und Flamme
Hätte ich meine Projekte für metaphorisches Lernen dem Element Wasser und seinen methodischen Qualitäten gewidmet, würde folgendes Sprichwort passen: Steter Tropfen höhlt
den Stein. Nichts desto trotz beschreibe ich in diesem Kapitel gleich mehrere Projekte – kleinere Projekte nämlich –, aber dafür haben sie während des ganzen Schuljahres immer wieder stattgefunden.
Die folgenden Projektbeschriebe sind im Voraus jeweils ganz kurz mit den theoretischen
Ansätzen verknüpft.
5.1
Das Klassenfeuer als Impuls für den Klassenzusammenhalt
Auf Grund meiner theoretischen Auseinandersetzungen (siehe 3.3.2 und 4.3.2) betrachte ich
das Feuer als einen isomorphen Impuls zur Gemeinschaftsbildung und Stärkung von Sozialkompetenz. Zugleich ist das Feuer auch Symbol für Neubeginn: Altes kann man hinter sich
lassen und verbrennen, Neues kann mit viel Kraft aufleuchten.
5.1.1 Zum Schuljahresstart ein Klassenfeuer entfachen
Am ersten Schultag nach den Sommerferien klebte an der Schulzimmertür der Drittklässler
und Drittklässlerinnen ein Kroki. Auf dem Plan war ein Weg eingezeichnet. Sie folgten diesem Weg bis zum Endpunkt. Von dort führten Kerzen durch einen kurzen Waldabschnitt.
Vom letzten Kerzenlicht führte sie ein langes Kletterseil zu einer Feuerstelle. Mit dabei hatte
jedes Kind ein Stück Holz. Zu Beginn wollte ich von den acht- bis neunjährigen Kindern wissen, für was ein Feuer gut ist. Es kamen Antworten wie: Das Feuer gibt mir warm; es spendet Licht; man kann damit eine Cervelat grillieren und es schützt vor dem Fuchs. Auf die
Frage, was das Feuer denn überhaupt brauche, um all diese schönen Sachen zu ermöglichen, entgegneten sie: Das Feuer braucht Holz; es braucht jemand, der es vor dem Auslöschen bewahrt; es braucht ein Streichholz, um das Feuer zu entfachen, und es braucht viel
Geduld. Ich wollte von den Buben und Mädchen wissen, was es bedeutet, wenn wir das
Feuer als Symbol für unsere Klasse betrachten: Wer ist das Streichholz? Wie kommen wir zu
Holz? Wer ist das Holz? Wie passen wir auf unser Klassenfeuer auf? Erstaunliche Aussagen
nahm ich erfreut entgegen: Wir müssen alle miteinander geduldig sein; wir müssen alle einander helfen, damit das Klassenfeuer schön brennt; Frau Arnold entzündet das Klassenfeuer, aber wir müssen immer gut mitmachen, so brennt es kräftig usw. Nun entzündeten wir
unser erstes gemeinsames Klassenfeuer. Ich ermöglichte die ersten Funken und Flammen.
Genährt wurde das Feuer von den Kindern. Während dem Hineinlegen des Holzstückes
16
äusserten sie ihren Beitrag zu einem toll lodernden Klassenfeuer. Ziele einzelner Kinder waren: Mit allen fair spielen; beim Turnen mehr Geduld zeigen; auch mal mit anderen Kindern
abmachen; in der Schule besser aufpassen sowie den anderen Kindern beim Lernen und
Aufräumen helfen. Mit diesen neuen kräftigen Vorsätzen machten wir uns vor dem Mittag
wieder auf den Weg ins Schulzimmer. Schlechte Erinnerungen liessen wir in der Asche des
Klassenfeuers zurück. Nach dem anschliessenden Deutschunterricht kam ein Junge zu mir
und teilte mit, dass er stolz sei, so lange ruhig gearbeitet zu haben. Dies freute mich sehr,
denn genau dieser Junge ist mir während des Schnuppermorgens in der zweiten Klasse als
extrem schwatzhaft aufgefallen. Die ersten Funken des Klassenfeuers scheinen also bereits
übergesprungen zu sein.
5.2
Positive Werte verstärken – der Transfer in den Unterricht
Positive Geschichten stellen Regeln, Handlungsmuster und Werte bereit (siehe 3.4.2). Der
gelungene Start mit dem Klassenfeuer kann durchwegs als eine gute Geschichte angesehen
werden. Mit dem Transfer in den Schulalltag werden die gewonnenen positiven Werte aufrechterhalten.
5.2.1 Symbole im Schulzimmer
Damit die Beiträge für das wärmende Klassenfeuer nicht in Vergessenheit geraten, zeichneten die Schüler und Schülerinnen ein grosses Zündholz auf Papier. In den Kopf des Zündholzes klebten sie ihr Porträtfoto und auf den Griff schrieben sie ihre Zielformulierung. Der
Satz fing folgendermassen an: Mein Beitrag für ein wärmendes Klassenfeuer ist: …
Anschliessend klebten wir die gestalteten Zündhölzer an unsere Schulzimmertür. Jeder, der
im Gang vorbei läuft, weiss nun, was die Kinder zum Klassenfeuer beitragen. Erst kürzlich
teilte mir ein Mädchen mit, dass sie jetzt noch Freude an diesem Zündholz hätte, denn es
erinnere sie immer an Freundschaft und an das Zusammensein.
Weiter gestaltete jedes Kind eine Schreibunterlage mit einem Feuer aus Seidenpapier. Seidenfein werden die jungen Menschen beim Betrachten der Schreibunterlage an das Klassenfeuer erinnert. Im Technischen Gestalten bildeten sie aus einem Drahtgeflecht und Kunstperlen ein schönes Teelicht für ihren Nachttisch. Die Flamme ist den Kindern Zeichen für Mut
und Wille. Für den Klassenrat falteten wir Diamanten aus Papier. Die Diamanten klebten wir
um Lämpchen einer Lichterkette. Immer wenn der Klassenrat tagt, bringen die Kinder ihre
„wertvolle“ Diamantenkette zum Leuchten. Im Klassenrat sind alle Beiträge wichtig. Die Buben und Mädchen suchen nach Lösungen bei Konflikten und teilen mit, wenn sie etwas oder
jemand gefreut hat.
Die positiven Werte, die mit dem Symbol Feuer in Verbindung gebracht werden, sind im
Schulzimmer omnipräsent. Geraten sie in der Hitze des Gefechts trotzdem einmal in Verges17
senheit, brauchen wir nur wieder einmal ein Licht oder ein Feuer anzuzünden, um uns dessen wieder bewusst zu werden.
5.3
Ein Zitat zur Selbstreflexion
Kinder, aber auch Erwachsene lernen über Bilder besser als über logische Ebenen. Das Zitat
von Konfuzius „Lieber ein kleines Licht anzünden, als in der Dunkelheit schimpfen.“ verknüpft
die sprachliche Ebene mit Bildern (siehe 3.1). Das Zitat leitet zur Reflexion des eigenen
Denkens und Handelns an.
5.3.1 Was kann ich für Licht in unsere Klasse bringen?
Mit dieser Frage und dem Zitat von Konfuzius liess ich die Kinder im Wald einen eigenen
schönen Platz suchen. Mit dabei hatten sie eine Kerze, deren Licht ihre eigene Person symbolisierte. Um das Licht herum legten sie aus Naturmaterialien (Moos, Nüsse, Farne, Gräser
usw.) spiralförmige Mandalas. Während des Handelns hatten sie über folgende Fragen
nachzudenken: Wann schimpfe ich mit meinen Klassenkameraden und Klassenkameradinnen? Welche dunklen Situationen habe ich in der Schule erlebt und warum waren sie dunkel? Was könnte ich machen, damit es in solcher Dunkelheit heller wird? Wie kann ich meiner Klasse Licht sein?
Die Kinder verteilten sich im Wald. Es war ein schöner Morgen und die Strahlen der Sonne
rückten den Wald in ein goldenes Licht. Als Sonnenkind wunderte ich mich, dass ein Mädchen die dunkelste Ecke des Waldes als seinen Platz aussuchte. Als ich es fragte, warum es
diesen Platz auswählte, meinte es, es wolle sein Licht auch richtig leuchten sehen. Während
manche Kinder zu Beginn nicht recht wussten, was sie jetzt mit diesem Zeitgefäss anfangen
sollten, legten andere wiederum fleissig feinste Naturmaterialien um ihre Kerze. Irgendwann
waren alle mit sich und ihrem Mandala beschäftigt. Es kam eine meditative Stimmung auf
und sogar ein Junge, der sonst ständig schaut, was andere machen, war völlig mit sich
selbst beschäftigt.
In der Schlussrunde ging ich nur auf die Frage Wie kann ich meiner Klasse Licht sein? ein.
Die Kinder teilten mit, dass sie der Klasse Licht sein könnten, indem sie Rücksicht auf andere nehmen und für andere gerade stehen. Anschliessend schauten wir bei allen entstandenen Mandalas vorbei. Dabei galt es gleich ernst mit dem Rücksichtnehmen: Wo stellen wir
unsere Füsse hin, um nicht in ein Mandala eines anderen Kindes zu stehen? Nicht nur die
Kerzen, sondern auch die Kinderaugen leuchteten, als die Mitschüler und Mitschülerinnen
über ihre Mandalas – welche zum Teil wirklich kleine Kunstwerke waren – staunten. Wir
machten uns wieder auf den Heimweg und nahmen die Kerzen mit aus dem Wald in unser
Schulzimmer, so dass sie dort noch weiter zünden konnten. Ein Mädchen, welches zwei Ta-
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ge später wegen Wohnortwechsels wegzog, äusserte sich während der Rückkehr wie folgt:
Ich freue mich, wenn ich in der neuen Klasse ein helles Lichtlein sein kann.
5.4
Teamarbeit mit Kopf, Herz und Hand trainieren
In der Erlebnispädagogik erfolgt die Umsetzung von Zielen über Handlung. Kopf, Herz und
Hand erfahren mittels metaphorischen Aktivitäten lehrreiche Botschaften (siehe 3.5). Im
Schulzimmer fehlt jedoch manchmal die Einsicht, warum Teamfähigkeit entscheidend sein
kann. Geht man in Handlung, können diesbezüglich nachhaltige Erfahrungen gesammelt
werden.
5.4.1 Gemeinsam über dem Feuer kochen
Wir machten uns auf den Weg, um unser zweites gemeinsames Klassenfeuer zu entfachen.
Das Feuer sollte uns nun auch physisch nähren und deswegen kochten wir darüber Spaghetti. Jedes Kind brachte eine Zutat mit: Sauce, Tomaten, Karotten, Spaghetti, Zwiebeln,
Salz usw. Die Kinder wussten, dass die Zeit bis zur Rückkehr knapp war und sie kannten
ihren Auftrag: Spaghetti und heisser Tee zum Mittagessen. Klar war, dass so eine Aufgabe
nur im Team zu lösen ist. Eingeteilt in Ressourcengruppen machten sich die Kinder ans
Werk: Die Experten im Feuermachen, die Küchenerfahrenen und die Konstrukteure des Regendaches. Es ging herbei wie in einem Bienennest. Fleissig wurde eine Menge Gemüse
geschnetzelt: Einige schälten die Karotten und Zwiebeln, andere schnitten sie in kleine Stücke. Es machte den Eindruck, als würden die Kinder im Akkord für eine grosse Küche arbeiten. Die Dachexperten wiederum spannten miteinander von Baum zu Baum Schnüre. Es
fand dabei ein reger Austausch statt: „Hilfst du mir den Knoten zu lösen?“; „Kannst du die
Plache bitte an jenem Ende festhalten?“; „Wer hilft mir auf diesen Ast hoch?“ usw. Es hat
zwar an jenem Tag nicht geregnet, doch sassen die meisten Kinder während dem Essen
trotzdem unter Plachen. Die Feuergruppe entfachte zwei Feuer. Eines war für die Sauce
vorgesehen und das andere für die Spaghetti. Für die Töpfe wurden Steine und Astgabeln
herbei getragen. Nur steckten die Astgabeln nicht im harten Boden. Deswegen kamen die
Kinder auf die Idee, dass immer jemand die Astgabeln festhalten musste. Ein Junge erklärte
sich bereit dafür, doch während er mit anderen schwatzte, schwappte Wasser ins Feuer und
es zischte laut auf. Ein anderer Junge rief. „Pass auf, sonst gibt es keine Spaghetti!“ Dieser
übernahm dann den Job des Astgabelhalters. Nur war dies genau der Knabe, der im Schulzimmer sonst keine fünf Minuten konzentriert an seinem Platz arbeiten kann! Umso überraschter war ich, als er dann eine Ewigkeit nahezu regungslos im beissenden Rauch stand.
Scheinbar fühlte er sich berufen, die Astgabel zu halten. Im Gegensatz zum Schulalltag war
auf ihn Verlass, nur einmal war er kurz unachtsam und schon schwappte Wasser ins Feuer.
Darauf sagte er: Frau Arnold, hier ist es wichtig, konzentriert zu arbeiten. Dank dem Beitrag
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aller, kamen wir innerhalb kurzer Zeit in den Genuss nahrhafter Spaghetti. Zum Schluss wollte ich von den Buben und Mädchen wissen, was sie denn jetzt gelernt und erfahren hätten.
Es kamen Beiträge wie: Es braucht viel Zeit und Geduld, um über dem Feuer zu kochen; es
werden alle Hände gebraucht; im Team geht es schneller; wir müssen Sorge zur Umwelt
tragen oder alleine hätte ich die Schnur wohl kaum so gut spannen können. Dieses Erlebnis
war noch lange Thema im Schulzimmer und auch der Junge war von dieser Erfahrung für
eine Weile wie gefesselt.
5.5
Die Botschaft einer Metaphergeschichte
Metaphergeschichten können Botschaften und Lösungen zu verschiedenen Themen (siehe
3.4.1) liefern. Manchmal fehlt es den Kindern an Mut. Sie fühlen sich ihrer Aufgabe nicht gewachsen. In diesem Falle ist es wichtig, ihre Stärken hervorzuheben. Das Feuer und eine
Metaphergeschichte sollen dabei unterstützend wirken.
5.5.1 Zum Klassenfeuer einen Beitrag leisten und davon zehren
Nach einigen strengen Schulwochen war es wieder einmal an der Zeit, ein Feuer zu entfachen. Einige Kinder waren etwas müde und ausgepowert, andere wiederum zweifelten an
ihren Leistungen. Wir liefen zu dem Platz, an welchem wir unser Schuljahr gestartet haben.
Ich erinnerte sie daran, dass sie damals sagten, ich sei für das Entfachen des Klassenfeuers
zuständig. Selbstverständlich hätten auch sie einen Beitrag zu leisten, um das Feuer zum
Lodern zu bringen. So sorgte ich für ein winzig kleines Feuer und stellte nebenan einen wassergefüllten Krug hin. Die Idee war, dass wir mit unserem Klassenfeuer das Wasser zum
Kochen bringen und dann anschliessend ein kraftspendendes Bouillonsüppchen geniessen
können. Wiederum lud ich die Kinder ein, nach und nach Holz ins Feuer zu legen und sich
dabei zur folgenden Frage zu äussern: Was kann ich dazu beitragen, dass wir auch im
Schulzimmer wieder zu mehr Kraft und Energie kommen? Einmal mehr war ich beeindruckt,
von jungen Menschen Antworten wie folgt zu hören:
Ich spende Humor und mache Witze; ich werde netter zu einem bestimmten Knaben sein;
ich helfe bei den Ämtchen gut mit und ich werfe wieder mehr Briefe in den Briefkasten unseres Schulzimmers.
Inzwischen brannte das Feuer lichterloh. Plötzlich begann auch das Wasser kräftig zu sprudeln – da staunten einige Kinderaugen. Mit ihren Beiträgen haben sie es geschafft, zum Genuss eines kraftbringenden Süppchens zu kommen. Anschliessend erzählte ich ihnen die
Geschichte von dem Zündholz und der Kerze (siehe Vorwort). Das Fazit dieser Geschichte
ist gemäss meiner Schüler und Schülerinnen, dass jeder und jede wichtig ist!
20
Zur Erinnerung an diese Geschichte schenkte ich den Kindern eine Kerze. Ermutigt und bestärkt in ihren Fähigkeiten spitzten sie den Docht der Kerze und entzündeten ihn mit der Glut
des soeben gemachten Klassenfeuers.
5.6
Die Helden der Märchen
Wenn sich Kinder einer Schulklasse mit Figuren einer Erzählung identifizieren können, ist
dies eine gute Möglichkeit, um Veränderungs- und Lernprozesse zu fördern und zu unterstützen (siehe 3.2.2.1). Es findet sich immer eine Gelegenheit, um Märchen zu erzählen.
5.6.1 Märchen im Schulzimmer
Während des ganzen Schuljahres habe ich immer wieder Märchen erzählt. Die Kinder lieben
Märchen. Wir sprachen über die Helden der Märchen und über ihre Probleme. Die Kinder
stellten fest, dass alle Märchen gut enden. Überall gäbe es zwar Probleme zu bewältigen,
doch kämen immer Helfer, wie beispielsweise andere Menschen, Tiere oder sonstige Fabelwesen. Manche Botschaften von Märchen nahmen die Buben und Mädchen bewusst auf. So
zum Beispiel wurde ihnen beim Grimm-Märchen Der König Drosselbart wieder aufgezeigt,
dass das Auslachen anderer Menschen böse Folgen haben kann. Auch bemerkten sie, dass
das Aussehen nichts über die inneren Werte einer Person aussagt. Der Junge mit der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte konnte sich mit der Figur des Königs Drosselbart bestens identifizieren. Er meinte, dass er wegen seines Aussehens auch schon ausgelacht wurde, aber
dennoch sei er ja ein netter Junge. Die anderen Kinder nickten bestätigend.
5.6.2 Märchen in der Waldstube
Feuer und Flamme sowie Märchen haben uns während des ganzen Schuljahres immer wieder begleitet. Kurz vor den Sommerferien machten wir uns an einem Abend auf den Weg in
den Wald. Die Kinder vollbepackt mit ihren Sachen glichen den sieben Zwergen, die sich
aufmachten, um wertvolle Diamanten zu finden – an diesem Abend waren es 14 Zwerge!
Schlafsäcke, Liegematten, Plachen und Trinkwasser transportierten wir mit zwei kleinen
Leiterwagen. Der Weg führte zuerst auf einem langen schmalen Pfad über eine Wiese. Zwischendurch fiel ein Schlafsack oder eine Liegematte vom Wagen und es musste wieder neu
geladen werden. Es war mir eine riesige Freude zu sehen, wie sich die Kinder im Schieben,
Ziehen und Tragen abwechselten – Teamwork pur!
Nun galt es noch den letzten Wegabschnitt zu meistern. Doch bereits im Voraus fragte ich
mich, ob wir die beiden Leiterwagen wohl beladen zu unserem Übernachtungsplatz hoch
bekommen. Denn der Weg dorthin war steil und mit Wurzeln und Wurzelstöcken versehen.
Doch mutig vereinten die Kinder alle Kräfte. Mit viel Power und gegenseitigem Anspornen
hievten die Kinder zuerst den einen, dann den anderen Leiterwagen über den rumpligen
Weg nach oben. Es stimmte mich freudig, den Kindern dabei zuzusehen. Doch am meisten
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beeindruckt war ich von der Aussage eines Knaben. Er sagte: „Keine Wurzel kann unserem
Klassenfeuer im Wege stehen!“.
Oben angekommen waren zuerst einmal alle richtig stolz auf ihre Leistung. Macht man sich
aber die Natur zum Zuhause und will man es gemütlich haben, kann man sich nicht lange
auf den Lorbeeren ausruhen. Deswegen richteten wir als nächstes unsere Übernachtungscamps ein. Wieder brauchte es die Hände aller: Schnüre spannen, Knoten machen,
Plachen straffen usw. Langsam wurde es dunkel. Einige Kinder würden zu Hause bereits
unter die Decke schlüpfen und schlafen. Draussen ist dies anders, da muss man sich zuerst
sein Bettchen einrichten. Im Schulzimmer ist man als Lehrperson immer erpicht darauf, dass
Ordnung herrscht. Im Wald, vor allem bei einbrechender Dunkelheit, ist dies selbsterklärend:
„Wo ist meine Stirnlampe?“; „Wer hat meinen Becher gesehen?“. Wenn man den Weg in der
Dunkelheit nicht mehr findet und wenn man Durst hat, macht Ordnung plötzlich Sinn!
Nun waren unsere Schlafplätze eingerichtet und wir konnten mit dem gesammelten Holz
endlich unser Klassenfeuer entfachen. Obwohl es schon spät war, wollten alle noch ein Märchen hören. Die Heldin des Märchens Däumelinchen (von Hans Christian Andersen) sollte
die Mädchen und Buben für die Nacht draussen im Wald ermutigen. Das Märchen erzählt
von einem daumengrossen Mädchen – stets kleiner und feiner als alle anderen –, welches
nach mehreren unangenehmen Bekanntschaften schlussendlich ihren Traummann fand.
Nach diesem Happy End und nach so viel Arbeit gönnten wir uns vor dem Schlafengehen
noch ein stärkendes Dessert: Schokoladenbananen. Langsam verschwanden in der dunklen
Waldstube nach und nach die Lichter der Stirnlampen. Nur noch der Mond und das Feuer
erhellten die Nacht.
Eine Nacht draussen im Wald macht hungrig. Zuhause steht das Frühstück vielleicht bereits
auf dem Tisch. In der Waldstube muss man zuerst wieder anpacken: Biwaks abbauen,
Schlafsäcke einrollen, Birchermüesli machen, Holz sammeln, Feuer machen usw. Die
Müdigkeit von der kurzen Nacht war spürbar, manche hatten zuerst ihre Mühe, wieder in die
Gänge zu kommen.
Bevor wir die Frühstücksrunde eröffneten, wollte ich noch Stimmen zu der Nacht hören. Die
meisten Kinder schliefen prima. Manche hörten in der Nacht einen seltsamen Vogel, es war
ein Kauz. Ein Mädchen erzählte mir, das kleinste der Klasse (!), dass sie einmal kurz Angst
hatte, aber dann an Däumelinchen dachte und darauf wieder einschlief. Für die Kinder, die
weniger gut schliefen, hatte ich noch ein Märchen bereit: Die Prinzessin auf der Erbse, ebenfalls von Hans Christian Andersen. Obwohl die Prinzessin auf 20 Matratzen lag, bemerkte sie
die auf der Bettstelle platzierte Erbse und schlief deswegen entsetzlich. So feinfühlig könne
nur eine Prinzessin sein.
Selbstverständlich haben die Kinder nicht auf 20 Matratzen geschlafen. Dennoch bissen
manche anschliessend stolz und genüsslich in ihr Schlangenbrot – als wären sie für einmal
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Prinzessinnen. Nach einer Auswertungsrunde (siehe 6.1) machten wir uns zufrieden und
gestärkt auf den Heimweg. Es war deutlich spürbar, dass dieses Projekt die Klasse noch
mehr zusammen schweisste. Doch am meisten erfreute ich mich beim Anblick zweier Knaben: Sie zogen den kleinen Leiterwagen wie ein Herz und eine Seele und sangen dabei ein
Lied. Diese beiden Knaben sind sonst eher wie Katz und Hund!
5.7
Visionen – ein ausstehendes Projekt
Visionen können auch Zukunftsentwürfe sein. Im nächsten Schuljahr werden drei Mädchen
neu in die Klasse kommen. Sie sollen möglichst bald Flammen unseres Klassenfeuers sein.
Das Feuer soll sich ausbreiten und auch die Eltern aller Kinder bestärken.
5.7.1 Eine Himmelslaterne voll mit Wünschen fürs neue Schuljahr
Eltern und Kinder sollen sich zu Hause überlegen, was sie sich voneinander für das neue
Schuljahr wünschen. Diese Wünsche schreiben wir auf eine Himmelslaterne. An einem
Abend werden wir uns versammeln und ein Feuer entfachen. Mit einer Flamme dieses Feuers wird der Brennkörper der Himmelslaterne entzündet. Mit der Laterne sollen all unsere
Wünsche zum Himmel hochgetragen werden. Vielleicht werden bei einem Gute-Nacht-Tee
einige Wünsche bereits verwirklicht oder sonst wird er uns schöne Träume besorgen.
23
Ist das Feuer, da es Licht spendet,
nicht auch Urheber des grössten Wortes?
(Gaston Bachelard)
6
Schluss
Feuer und Flamme begleiteten uns nun während eines ganzen Schuljahres. Unser Klassenfeuer hat uns bewegt, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Aber reflektieren Licht und
Wärme dieses Feuers auch auf die Sozialkompetenz der Schulklasse?
6.1
Auswertung mit der Schulklasse
Bevor ich mit den Kindern wieder aus dem Märchenwald (siehe 5.6.2) zog, veranlasste ich
eine Rückschau auf das Schuljahr. Im Fokus dieser Rückschau waren das Klassenfeuer und
die Klassengemeinschaft. Die Rückschau sollte zugleich die Funktion einer Auswertung haben. Damit diese Auswertung den inzwischen neun- bis zehnjährigen Kindern gerecht wurde,
überlegte ich mir ein Setting, das mündlich und handelnd zu bewältigen war. Manche Fragen
richtete ich an die Kinder so, dass sie sich nicht nur mündlich, sondern auch mit einer Positionierung dazu äussern konnten (siehe Anhang 9.1).
Wir dachten uns eine Linie zwischen unserem Feuer und einem Baum. Je näher sich die
Kinder am Feuer platzierten, umso positiver fiel ihre Bewertung aus. Nachträglich bereue ich,
dass ich die Kinder aufforderte, die gedachte Linie nicht zu verlassen, denn nach den Fragen, wie der Klassenzusammenhalt denn jetzt sei und ob das Thema Feuer und Flamme
unterstützend für die Klassengemeinschaft war, bildete sich um das Feuer ein aussagekräftiger Menschen-Cluster. Aufgrund der äusserst positiven Rückmeldungen wollte ich von den
Kindern ebenfalls noch wissen, ob sie glauben, dass dasselbe tolle Resultat auch ohne Feuer und Flamme möglich gewesen wäre. Ein einstimmiges „Nein“ war ihre Antwort. Es seien
nämlich ganz klar die kleinen Abenteuer und Erlebnisse, an welche sie sich erinnern könnten. Mit dem Feuer hätten sie sich auch alles viel besser vorstellen können. Überraschenderweise konnten sich die Kinder sogar noch an ein weiteres Klassenfeuer erinnern –
angeblich entzündeten wir für einen Jungen vor seinem Wegzug noch ein Abschiedsfeuer,
um ihm Mut mit auf den Weg zu geben. Allein dies unterstreicht den Erfolg metaphorischer
Arbeit. Vielmehr beeindruckte und begeisterte mich aber die Äusserung eines Mädchens: Sie
meinte, dass andere Schulklassen ja auch Feuer und Flamme zum Jahresthema machen
könnten, dann gäbe es vielleicht weniger Streit im Schulhaus!
24
6.2
Fremdbetrachtung
Jede Woche besucht eine schulische Heilpädagogin während vier Lektionen meinen Unterricht. Sie ist verantwortlich für die integrative Förderung. Als aussenstehende Person konnte
sie den Entwicklungsprozess der Klasse aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Den
Start mit dem ersten Klassenfeuer zu Schuljahresbeginn hat sie als Begleitperson miterlebt,
alle weiteren erlebnispädagogischen Settings nicht mehr. Bei unserer letzten Besprechungsstunde stellte ich ihr ein paar Fragen (siehe Anhang 9.2). Sie erinnerte sich sofort an den
ersten Schultag. Bereits innerhalb dieses Morgens sei ein Wandel sichtbar gewesen. Sie
habe beobachtet, dass zu Beginn viele Schüler und Schülerinnen mit sich beschäftigt gewesen seien. Doch dann stellte sie fest, dass die Kinder nach und nach Teil einer Gemeinschaft
wurden. Wenn sie das Verhalten der Kinder von damals mit dem jetzigen Auftreten vergleiche, sei dies nicht wieder erkennbar. Die Klasse hätte gewaltige Fortschritte in Bezug auf die
sozialen Kompetenzen gemacht. Sie nehme auch wahr, dass die Kinder untereinander einen
sehr fairen Umgang haben und sie könne sich sehr wohl vorstellen, dass dies der metaphorischen Arbeit zu verdanken sei. Bestimmt können sich die Mädchen und Buben besser vorstellen, dass alle für einen guten Klassenzusammenhalt verantwortlich sind. Es sei eben wie
mit dem Feuer – wird nichts dafür getan, gerät es entweder ausser Kontrolle oder es erlischt.
Zum Schluss fügte sie hinzu, dass sie diese Form von sozialem Lernen nicht nur in anderen
Klassen, sondern gleich zur Entwicklung einer ganzen Schulhauskultur begrüssen würde.
6.3
Persönliche Betrachtung
Seit neun Jahren bin ich nun als Lehrperson tätig. Immer schon habe ich Wert auf einen
friedvollen Umgang in der Klassengemeinschaft gelegt. Es ist meine Stärke, die Kinder zu
einer Gemeinschaft zu führen und sie zu motivieren. Dies habe ich nun auch wieder geschafft und es bereitet mir Freude, zu sehen, wie die Kinder fair und respektvoll miteinander
umgehen, selbstständig arbeiten und Konflikte lösungsorientiert bewältigen. Wenn ich die
bisherigen Klassen mit der jetzigen Klasse vergleiche, stelle ich fest, dass diese Kinder viel
bewusster miteinander umgehen und viel mehr Verständnis füreinander haben. Ich bin mir
sicher, dass dazu die metaphorische Arbeit einen grossen Teil beigetragen hat. Wenn ich
von den Kindern höre, dass für sie das Feuer Wärme, Licht, Teamwork, Arbeit, Freundschaft, Ehrlichkeit, Zuneigung, Hilfsbereitschaft und Mut (siehe Anhang 9.1) bedeutet, dann
staune ich einmal mehr über die Kraft der Metaphern.
25
6.4
Fazit
Mit dieser Arbeit beweise ich die positive Auswirkung metaphorischen Lernens zur Stärkung
der Sozialkompetenz einer Schulklasse nicht empirisch. Tatsache ist jedoch, dass der soziale Umgang unter den Kindern deutlich besser ist als zu Beginn des Schuljahres. Daraus folgere ich, dass Kinder positiv auf Metaphern reagieren. Über Bilder und Handlungen verstehen sie nicht nur mathematisch abstrakte, sondern auch soziale Zusammenhänge besser.
Ich vermute aber, dass die gestärkten sozialen Fertigkeiten und Fähigkeiten nicht nur der
Arbeit mit Metaphern zu verdanken sind. Meine positive Haltung und Wertschätzung gegenüber den Lernenden betrachte ich als Fundament für den erzielten Erfolg. So komme ich
zum Ergebnis, dass Lehrpersonen in dieser Hinsicht Vor-Bilder sind – Metaphern sind SinnBilder. Schlussfolgernd wage ich zu behaupten, dass das Übereinanderlegen beider „Bilder“
Erfolgsrezept für soziales Lernen ist. Im übertragenen Sinne bin ich Feuer und Flamme für
dieses Rezept!
26
Das Flammenzeichen ist ein Zeichen für Sprache.
(Joseph Beuys)
7
Literaturverzeichnis
Bacon, S. (1998): Die Macht der Metaphern. Augsburg (Ziel), 2. überarb. Aufl. 2003.
Drosdowski, G. (1996): Duden, Rechtschreibung der deutschen Sprache. Mannheim;
Leipzig; Wien, Zürich (Dudenverlag), 21. neu bearb. und erw. Aufl. 1996.
Hücker, F. J. (2009): Metaphern – die Zauberkraft des NLP. Berlin (Akazien).
Kreszmeier, A. H. & Hufenus, H. P. (2000): Wagnisse des Lernens. Bern (Haupt).
Kreszmeier, A. H. (2008): Systemische Naturtherapie. Heidelberg (Carl-Auer).
Loebbert, M. (2006): The Art of Change. Leonberg (Rosenberger), 2. Aufl. 2008.
Meyer, H. (2004): Was ist guter Unterricht? Berlin (Cornelsen).
Michl, W.; Schödlbauer, C. & Paffrath, F. H. (Hrsg.) (1999): Metaphern-Schnellstrassen,
Saumpfade und Sackgassen des Lernens. Augsburg (Ziel).
Von Münchhausen, M. & Trageser, W. (2004): Die Metaphern-Kartei. Paderborn (Junfermann).
Watzlawick, P. & Kreuzer, F. (1991): Die Unsicherheit unserer Wirklichkeit. München (Piper),
3. Aufl. 1991.
Zuffellato, A. & Kreszmeier, A. H. (2007): Lexikon Erlebnispädagogik. Augsburg (Ziel).
8
Medienverzeichnis
http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Kommunikation&printable=yes [05.05.2010].
http://koruforyou.ch/erlebnispadagogik/ [24.05.2010].
http://www.lexolino.de/c,,metapher [16.05.2010].
http://www.soft-skills.com/sozialkompetenz/index.php [17.05.2010].
27
Leute, die sich die Finger verbrennen,
verstehen nichts vom Spiel mit dem Feuer.
(Oscar Wilde)
9
Anhang
9.1
Auswertungsfragen an die Schulklasse
Im Plenum habe ich folgende Fragen an die Kinder gerichtet:
1. Was bedeutet dir das Feuer? Was kommt dir dazu in den Sinn?
2. Was haben wir zu Feuer und Flamme gemacht? Warum kannst du dich daran erinnern?
3. Positionierungsfrage:
Wie war der Klassenzusammenhalt, bevor du in die dritte Klasse gekommen bist?
[Feuer = sehr gut / Baum = sehr schlecht] → siehe Bild a)
4. Positionierungsfrage:
Wie ist der Klassenzusammenhalt jetzt am Ende der dritten Klasse?
[Feuer = viel besser / Baum = viel schlechter] → siehe Bild b)
5. Warum glaubst du, stehst du jetzt so?
6. Positionierungsfrage:
Hat dir das Thema Feuer und Flamme geholfen, besser auf die Klassenkameraden
und Klassenkameradinnen aufzupassen?
[Feuer = sehr geholfen / Baum = gar nicht geholfen] → siehe Bild c)
7. Weshalb hat dir das Feuer (gar nicht) geholfen? Begründe!
Bild a)
Bild b)
Bild c)
28
9.2
Interviewfragen an die schulische Heilpädagogin
Für die mündliche Kurzbefragung hielt ich mich an folgenden Leitfaden:

Hast du im Verlaufe des Schuljahres eine Stärkung der sozialen Kompetenzen in dieser Schulklasse wahrgenommen und beobachtet?
o
Wenn ja: Glaubst du, die metaphorische Arbeit mit Feuer und Flamme könnte
dazu beigetragen haben? Warum?
o

Wenn nein: Was glaubst du, könnte der Grund dafür gewesen sein?
Du besuchst auch andere Klassen. Würdest du das metaphorische Lernen in andern
Klassen als Möglichkeit zur Unterstützung der Gemeinschaftsbildung sehen?
29

Documents pareils