Eduardo Chillida Raumformung II 1963 Skulptur Eisen, geschmiedet

Transcription

Eduardo Chillida Raumformung II 1963 Skulptur Eisen, geschmiedet
1|2
Eduardo Chillida
Raumformung II
1963
Skulptur
Eisen, geschmiedet
57 × 78 × 61,5 cm
—
Lehmbruck Museum
Die prozesshafte Vergegenwärtigung und Verdichtung von Raum ist in
Modulation d’espace von Eduardo Chillida das Hauptthema der Gestaltung.
Die Formen erzeugen erst in ihrer Verklammerung und Durchdringung
Volumen und formieren sich in Analogie zu einer menschlichen Faust oder
einer Vogelkralle zu einem Raumgehäuse.
Eduardo Chillidas Hauptaugenmerk gilt, wie in der Modulation d’Espace II
(Raumformung II ) von 1963 zu beobachten, der Schaffung von Raum. Die
Konturen der gekrümmten und kantigen Eisenbänder, und seien sie auch
noch so scharfkantig umrissen, sind nicht als Grenzen zu verstehen, sondern
als den Freiraum umreißende Modulationsgeste. Massengefüge und
Binnenraum entwickeln sich hier sowie in dem Vorgänger-Exemplar
Modulation d’Espace I (London, Tate Gallery) in einer diagonal ansteigenden
Verknotung, wobei Rundformen und Kantenstege der Ring- und Stabformen
als Fußpunkt dienen, während sich die Kanteisen im Binnenbereich
labyrinthisch verhaken und zu höhlenartigen Gängen mit lichtdurchlässigen
Durchsichten verknoten.
Die prozesshafte Vergegenwärtigung und Verdichtung von Raum ist hier das
Hauptthema der Gestaltung. Die Formen erzeugen erst in ihrer
Verklammerung und Durchdringung Volumen und formieren sich in Analogie
zu einer menschlichen Faust oder einer Vogelkralle zu einem Raumgehäuse.
Die kantigen Barren verkörpern darüber hinaus die Eigendynamik von
Energieströmen, die sich der Basisfläche des Sockels zu entziehen suchen
und sich gleichzeitig mit der nach innen gekehrten Bewegungsrichtung auf
2|2
ein dramatisches Licht-Schattenspiel einlassen. Die Vorstellung von einem
archaischen Zentrum und Gesetz der Entwicklung tritt hier ins Spiel, »wo das
Zentralorgan aller zeiträumlichen Bewegtheit (heiße es nun Stirn oder Herz
der Schöpfung) alle Funktionen veranlasst« (Paul Klee, 1924).
Mit dieser Vorstellung einer raumschaffenden Skulptur, die Chillida selbst
mit dem Vorgang des an- und abschwellenden Atems vergleicht, nimmt er
eine entscheidende Gegenposition auch zur Minimal Art ein, nach der
»riesige plastische Raumobjekte als fassbare Realitäten aufgestellt werden
und erst durch die Reaktion des Beschauers der eigentliche künstlerische
Akt vollzogen ist« (C. Giedion-Welcker, 1956). Insofern konkurriert jede Arbeit
von Chillida nicht mit der Technik, sondern allein mit den Gesetzen der
Natur.
Eduardo Chillidas Werk steht ganz im Gegensatz zu den Eisen- und
Stahlplastiken von Julio González, César oder Jean Tinguely, deren Rohstoff
aus Schrott und Abfallprodukten besteht. Hier dominiert die Assemblageund Schweißtechnik und die Infragestellung einer perfekt funktionierenden
Produktionsmaschinerie, während in der Monumentalplastik der Amerikaner
Alexander Calder und David Smith letztlich immer noch eine durch
Naturformen inspirierte Gegenständigkeit mitschwingt. Chillida dagegen
benutzt in ähnlicher Weise wie Norbert Kricke oder Berto Lardera Eisen und
Stahl, Schamott oder Stein als ein nach eigenen Gesetzen formbares
Material. Er ist gleichsam ein »mit den Händen denkender« Künstler und
wählt das Eisen einerseits wegen seines Widerstandes, den dieser dem
Amboss, seinem täglichen Arbeitsgerät, entgegengesetzt, andererseits
wegen seiner Gefügsamkeit und Geschmeidigkeit. Chillida arbeitet ohne
Vorentwurf und Skizze direkt mit dem Material: »Ich bearbeite das Material
selbst. Es ist ein eigener Entwurf, eine Skizze, die sich in dem Maße
korrigiert, wie der Rhythmus erkennbar wird, an Macht gewinnt, wechselt
und sich schließlich einpendelt (…) Wie das Ton-Volumen, das in der Stille
Spannung schafft, setzt das plastische Volumen die Leere des Raumes
voraus, in der sich die Schwingung der Form über ihre Grenzen hinaus
fortsetzt und mit dem Raum zusammen die wirkliche Figuration der
möglichen Strukturen bildet.« (Chillida, 1972)
© museumsplattform nrw [email protected] nrw-museum.de nrw-kultur.de
N R W K U L T U R sekretariat Friedrich-Engels-Allee 85 42285 Wuppertal T +49 (0)202 698 27 00 F +49 (0)202 698 27 203