Schleichwerbung - HÄRTING Rechtsanwälte

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Schleichwerbung - HÄRTING Rechtsanwälte
SPORTLERWERBUNG IN SOZIALEN NETZWERKEN:
WAS IST ZULÄSSIG UND WO BEGINNT SCHLEICHWERBUNG?
HÄRTING Rechtsanwälte
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Die deutsche Fußballnationalmannschaft ist zum
vierten Mal Weltmeister geworden und die
Begeisterung der Öffentlichkeit scheint grenzenlos.
Gerade in sozialen Netwerken wie Facebook und
Twitter ziehen die Sportler die Aufmerksamkeit
eines Millionenpublikums auf sich.
Bei
genauerer
Betrachtung
der
vermeintlich harmlosen Beiträge fällt jedoch auf,
dass sehr häufig nicht nur der Sport, sondern
beiläufig auch gewisse Produkte und Hersteller in
den Mittelpunkt gerückt werden. Oft stellt sich
dann die Frage, ob es sich bei derartigen Inhalten
in nicht grundsätzlich kommerziell angelegten
Profilen schlicht um einen geschickten Werbetrick
handelt oder ob diese potenziell absatzfördernden
Verhaltensweisen rechtlich als verdeckte Werbung
zu beanstanden sind.
Beispielhaft für die juristische Bewertung
soll der folgende Facebook-Beitrag des
Nationalspielers Bastian Schweinsteiger auf seiner
Fanseite bei Facebook dienen, der hier abgerufen
werden kann. Der Beitrag besteht lediglich aus
einem unkommentierten Foto von Herrn
Schweinsteiger in versonnener Pose vor der Kulisse
eines Sees. Auf dem Kopf trägt er Kopfhörer,
darauf prangt unübersehbar das Logo der Marke
„Beats by Dr. Dre“, für die der Fußballer auch
offizieller Werbeträger ist.
Was ist wettbewerbsrechtlich ge- oder verboten?
Denkbar ist zunächst, dass derartige Beiträge eine verbotene unlautere
geschäftliche Handlung darstellen, weil der unzutreffende Eindruck erweckt
wird, dass der Facebooknutzer nicht zur Förderung seines Geschäfts,
Handels, Gewerbes oder Berufs tätig wird. Ein solches Verhalten kann
gegen das per-se-Verbot des Nr. 23 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG
verstoßen, wonach es gegenüber Verbrauchern immer unzulässig ist, den
Anschein zu erwecken, man selbst sei Verbraucher oder werde nicht für
Zwecke seines Geschäfts, Handels, Gewerbes oder Berufs tätig. Allerdings
besteht der Zweck dieser Norm darin, zu verhindern, dass ein Angebot vor
einem vorgeblich nicht unternehmerischen Hintergrund (z. B. humanitäre
Hilfe) getätigt wird, während es tatsächlich im Rahmen unternehmerischen
Betätigung erfolgt. Der hier in Rede stehende Beitrag stellt jedoch kein
konkretes (Kauf-) Angebot, sondern nur eine private Kundgabe dar, die
keineswegs auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge – etwa den Abschluss
eines Kaufvertrages – gerichtet ist. Unter diesem Aspekt muss ein Verstoß
gegen Nr. 23 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG abgelehnt werden.
Allerdings kann ein solches Posting gegen § 4 Nr. 3 UWG verstoßen. Danach
ist es unlauter, den geschäftlichen Charakter von Werbemaßnahmen zu
verschleiern – die Norm verbietet Schleichwerbung. Vor der Frage, wann
Schleichwerbung vorliegt, drängt sich jedoch zunächst die Frage auf, warum
eine wettbewerbsrechtliche Vorschrift überhaupt auf an sich private
Beiträge anwendbar sein sollte. Die Vorschriften des UWG finden nur auf
geschäftliche Handlungen Anwendung, also ein Verhalten mit
Unternehmensbezug. In den in Rede stehenden Beiträgen werden jedoch
gerade keine (eigenen) Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt
angeboten. Es handelt sich zwar in der Regel um offizielle Fan-Pages,
woraus aber noch nicht zwingend ein geschäftlicher Charakter abzuleiten
sein dürfte: Solche Seiten können beispielsweise auch auf politische oder
soziale Themen aufmerksam machen, die offenbar keinen geschäftlichen
Zweck verfolgen.
Jedoch muss die geschäftliche Handlung nicht notwendigerweise in eigener
Sache vorgenommen werden, um den Anwendungsbereich des UWG zu
eröffnen. Es genügt ebenso, dass das Verhalten einer (privaten) Person
zugunsten eines fremden Unternehmens erfolgt, indem fremder Absatz
oder der Bezug von Waren oder Dienstleistungen gefördert wird, § 2 Abs. 1
Nr. 1 UWG.
Dafür muss aber ein objektiver Zusammenhang zwischen dem privaten
Inhalt und dem potenziell absatzfördernden Verhalten zugunsten eines
fremden Unternehmens festgestellt werden. Dies ist nicht so zu verstehen,
dass ein bestimmtes Produkt explizit beworben werden muss.
Grundsätzlich genügt jede Aufmerksamkeits- und Imagewerbung, die
darauf ausgerichtet ist, auf ein Unternehmen aufmerksam zu machen
beziehungsweise ihm ein bestimmtes Image zu verleihen und um mitteloder langfristig eine absatzfördernde Wirkung zu erzielen. Hierfür genügt
zwar schon ein beliebiges Auftragsverhältnis zwischen dem beworbenen
Unternehmen und dem Handelnden, was jedoch in den seltensten Fällen
bekannt beziehungsweise nachweisbar sein dürfte. Da dies jedoch
nachgewiesen werden muss, ist dies bereits die erste Hürde, wenn gegen
Schleichwerbung rechtlich vorgegangen werden soll.
Doch auch wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass ein
Auftragsverhältnis zwischen dem Handelnden und dem beworbenen
Unternehmen besteht, ist für einen Verstoß gegen § 4 Nr. 3 UWG weiter
Voraussetzung, dass der Werbecharakters einer geschäftlichen Handlung
verschleiert wird.
Wann wird der werbliche Charakter verschleiert?
Vereinfacht gesprochen liegt eine Verschleierung des werblichen
Charakters grundsätzlich vor, wenn der durchschnittlich aufmerksame,
informierte Betrachter (Verbraucher) aufgrund der Aufmachung eines
Beitrages nicht erkennt, dass ein Produkt oder eine Dienstleistung
beworben wird. Insbesondere bei Nutzern von sozialen Netzwerken ist es
jedoch
unmöglich,
zur
Bewertung
die
Sichtweise
eines
„Durchschnittsbetrachters“ zu bilden. Facebook, Google+, Twitter etc.
werden in unterschiedlichster Weise von Personen nahezu jeden Alters und
jeden Bildungsgrades genutzt. Somit lässt sich nicht pauschal feststellen,
wann eine Information so verpackt wird, dass der werbliche Charakter
möglicherweise „übersehen“ werden kann. Es muss also im Einzelfall
ermittelt werden, ob eine Verschleierung des werblichen Charakters
vorliegt. Dafür lassen sich die folgenden Kriterien heranziehen:
Ø Wie ist der optische Gesamteindruck der in Rede stehenden Seite?
Wirkt sie insgesamt ausschließlich privat, rechnet der Verbraucher
grundsätzlich weniger damit, mit Werbung in Berührung zu
kommen. Gerade wenn auf den ersten Blick nichts nach Werbung
aussieht, können „versteckte“ werbliche Beiträge im Sinne des
Gesetzes verschleiert sein.
Ø Wirken einzelne Bilder und Videos auf der Seite des Stars wie
zufällige Aufnahmen? Gerade in Fällen von amateurhaft wirkenden
Aufnahmen ist erhöhte Vorsicht geboten, da der Verbraucher dabei
tendenziell nicht an Werbung denkt. Ist eine Aufnahme hingegen
qualitativ hochwertig (professioneller Ausleuchtung, nachträgliche
Bearbeitung etc.), geht man eher von einem geschäftlichen
Hintergrund aus.
Ø Auch das Bewusstsein des Handelnden darf als subjektive
Komponente nicht außer Acht gelassen werden. Gerade im Netz
besonders aktive Stars erreichen mehrere Millionen Personen und
sind sich dessen bewusst. Dann muss aber auch klar sein, dass ein
Schnappschuss mit einem bestimmten Produkt durchaus zugunsten
eines Dritten absatzfördernd sein kann.
Im Beispiel von Bastian Schweinsteiger wird ein Verstoß gegen § 4 Nr. 3
UWG zu bejahen sein. Alle oben genannten Kriterien sind erfüllt, was für
eine verschleierte Werbemaßnahme spricht. Insbesondere eine derart
bekannte Persönlichkeit, die in einem äußerst populären Bereich tätig ist
und rege Aktivität in sozialen Netzwerken zeigt, muss sich ihrer
imagefördernden Wirkung auch zugunsten Dritter bewusst sein.
Gegen wen bestehen welche Ansprüche?
Bei einem Verstoß gegen § 4 Nr. 3 UWG kommt zunächst nach § 8 Abs. 1
UWG ein Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung in Betracht. Neben
dem Handelnden selbst kommt gemäß § 8 Abs. 2 UWG auch eine Haftung
des Inhabers des beworbenen Unternehmens in Betracht. Vorausgesetzt es
liegt ein wie auch immer geartetes Auftragsverhältnis vor, kommt es für
den Anspruch dann gar nicht darauf an, ob die (konkrete)
Werbemaßnahme dem Unternehmensinhaber bekannt war oder ob es ihm
möglich war, sie zu verhindern. Diese strenge Haftung setzt jedoch
insbesondere voraus, dass der werbliche Effekt dem Unternehmen zu Gute
kommt und dass das Risiko einer unlauteren Handlung eines Dritten zu
seinen Gunsten in gewisser Weise beherrschbar ist, er also Einfluss auf das
Gepostete hat. Dies muss im Einzelfall geprüft werden. In einem kürzlich
entschiedenen Fall, in dem ein für ein Autohaus tätiger Mitarbeiter auf
seinem privaten Facebook-Profil für den Kauf eines KFZ bei dem namentlich
benannten Autohaus unter Hinweis auf seine dienstliche Telefonnummer
warb, haftete beispielsweise auch das Autohaus für den
wettbewerbsrechtlichen Verstoß seines Mitarbeiters (LG Freiburg, Urteil
vom 4.11.2013, Az. 12 O 83/13). Dieser Fall war jedoch anders als in
unserem Beispiel deutlich, da ein Auftragsverhältnis in Form eines
Arbeitsverhältnisses zweifelsfrei bestand.
Auch ist denkbar, dass bei einem Verstoß gegen § 4 Nr. 3 UWG gemäß § 9
UWG Schadensersatzpflichten entstehen, sofern aus der unlauteren
Handlung einem Mitbewerber ein Schaden entstanden ist. Hier gilt
wiederum, dass als Verletzer wettbewerbsrechtlicher Vorschriften
durchaus eine Person haften kann, die lediglich ein fremdes Unternehmen
gefördert hat. Zudem ist möglich, dass ein Unternehmen sich wegen der
ihm zugute kommenden Beiträge eines Dritten schadensersatzpflichtig
macht: Zwar greift bei Schadensersatz nicht die Haftung nach § 8 Abs. 2
UWG. Handelt jedoch ein Mitarbeiter oder Beauftragter des beworbenen
Unternehmens, kommt eine Haftung des Beworbenen aus § 831 Abs. 1 S.1
BGB in Betracht. Es dürfte in der Praxis jedoch nur in den seltensten Fällen
möglich sein, gegen das beworbene Unternehmen tatsächlich einen
Schadensersatzanspruch durchzusetzen: Dass die im sozialen Netzwerk
aktive Person tatsächlich dem Unternehmen gegenüber weisungsgebunden
ist, stellt hierbei ebenso eine Hürde da wie die Tatsache, dass dem
beworbenen Unternehmen nicht selten die Entlastung über § 831 Abs. 1 S.
2 BGB gelingen dürfte.
Schließlich ist noch eine Haftung des sozialen Netzwerkes selbst aus § 7
Abs. 1 TMG, der die allgemeinen Gesetze für anwendbar erklärt, in Betracht
zu ziehen. Hier käme aber allenfalls eine Haftung für fremde Inhalte aus § 7
Abs. 1 TMG i. V. m. § 8 Abs. 1 UWG in Betracht. Diese ist jedenfalls im
vorliegenden Fall abzulehnen, da lediglich eine Kommunikationsplattform
zur Verfügung gestellt wird, ohne dass sich die dort geteilten (fremden)
Inhalte in irgendeiner Form zu Eigen gemacht werden.
Zusammenfassung und Praxistipps
Die offensichtliche Schwierigkeit bei der Verfolgung rechtswidrigen
Verhaltens von Mitbewerbern besteht entweder in dem Nachweis einer
Verbindung zwischen dem Handelnden und dem beworbenen
Unternehmen oder in der Frage, ob das Unternehmen Einfluss auf die im
sozialen Netzwerk handelnde Person hatte, wenn es selbst zur
Verantwortung gezogen werden soll. Doch selbst wenn der Nachweis
gelingt, liegt nicht automatisch eine Schleichwerbung vor. Vielmehr müssen
stets alle maßgeblichen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden, zu
dessen Bewertung sich die oben dargestellten Kriterien anbieten.
In der Praxis sollte beachtet werden, dass § 4 Nr. 3 UWG in Lichte von Art. 7
Abs. 2 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (Rl. 2005/29/EG)
auszulegen ist. Demnach verbietet § 4 Nr. 3 UWG nicht nur die
Verschleierung des werblichen Charakters, sondern gebietet auch positiv,
den geschäftlichen Zweck kenntlich zu machen. Um wettbewerbsrechtliche
Abmahnung zu vermeiden, sollte dementsprechend auf eine hinreichende
Kennzeichnung des potenziell absatzfördernden Beitrages durch einen
Wortzusatz („Ad“, „Werbung“ etc.) geachtet werden, um nicht
geschäftliche Handlungen erkennbar von kommerziellen zu trennen.
Gerne beraten wir Sie zu rechtlichen Fragen rund um Werbung im Internet und sozialen Medien.
Fabian Reinholz
Rechtsanwalt
Fachanwalt für gewerblichen
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Robert Golz, LL.M.
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