Niedersächsischer Landtag − 14. Wahlperiode Drucksache 14/2622

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Niedersächsischer Landtag − 14. Wahlperiode Drucksache 14/2622
Niedersächsischer Landtag − 14. Wahlperiode
Drucksache 14/2622
Kleine Anfrage mit Antwort
Wortlaut der Kleinen Anfrage
des Abg. Golibrzuch (GRÜNE), eingegangen am 20. März 2001
Devisentermingeschäfte der Kreissparkasse (KSK) Nordhorn
Durch entsprechende Anlageberatung ihres Kreditinstitutes motiviert, haben mehrere
Dutzend Kunden der KSK Nordhorn ruinöse finanzielle Verluste erlitten. Schätzungen
der Aktionärsvereinigung DSW zufolge könnte der durch hochspekulative Devisentermingeschäfte erlittene Schaden 100 Mio. DM übersteigen.
In der Antwort auf meine parlamentarische Anfrage im März-Plenum des Landtages differenziert Finanzminister Aller (SPD) zwischen „Kunden der Kreissparkasse“, die Verluste erlitten haben, und „einige(n) dieser Sparkassenkunden“, die der Sparkasse vorwerfen, dass ihre Verluste das Ergebnis einer falschen Beratung sei. Da dem Minister insoweit offenbar weitergehende Erkenntnisse vorliegen, frage ich die Landesregierung:
1.
Wie viele Kunden der KSK Nordhorn haben durch Termingeschäfte auf Dollar oder
Yen Verluste erlitten?
2.
Wie viele dieser Kunden werfen der KSK Nordhorn vor, falsch beraten worden zu
sein?
3.
Wie hoch ist der finanzielle Gesamtschaden aller durch Termingeschäfte auf Dollar
oder Yen betroffenen Kunden der KSK Nordhorn?
4.
Wie viele der betroffenen Anleger sind Vollkaufleute, haben also eine Beratungsformular der KSK nicht unterschrieben?
5.
Trifft es zu, dass die KSK ihr eigenes Anlagerisiko über Rückgeschäfte mit der
Nord/LB abgesichert hat, nicht aber das ihrer Kunden?
6.
Wie viele der betroffenen Anleger sind von sich aus an die KSK Nordhorn mit dem
Wunsch herangetreten, ihr Geld in Devisentermingeschäften anzulegen, und in wie
vielen Fällen ging die entsprechende Initiative von der Sparkasse aus?
7.
Wie beurteilt die Landesregierung die Auffassung, dass die KSK - trotz der von den
Anlegern unterschriebenen Beratungsformulare - die Unerfahrenheit einzelner Kunden ausgenutzt und damit gegen das Börsengesetz verstoßen hat?
8.
Welche anderen Sparkassen in Niedersachsen bieten Privatkunden Termingeschäfte
auf Dollar oder Yen an?
(An die Staatskanzlei übersandt am 26. März 2001 – II/721 – 796)
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Antwort der Landesregierung
Hannover, den 6. August 2001
Niedersächsisches Finanzministerium
– 45-20 50 02-499 (57) –
Mit Verfügung vom 2. April 2001 habe ich die Prüfungsstelle des Niedersächsischen
Sparkassen- und Giroverbandes beauftragt, bei der Kreissparkasse Grafschaft Bentheim
zu Nordhorn (nachfolgend Sparkasse genannt) eine Prüfung der im Kundenauftrag von
der Sparkasse abgeschlossenen Devisentermin- und Devisenoptionsgeschäfte in USDollar (USD) und japanischen Yen (JPY) durchzuführen. Aufgrund des Prüfungsauftrages umfasste die Prüfung den Zeitraum ab dem 1. Januar 1999, wobei auch Geschäfte einbezogen wurden, die vor dem Stichtag abgeschlossen wurden, aber zu Jahresbeginn noch nicht erfüllt waren.
Dieses vorausgeschickt beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung
wie folgt:
Zu 1:
66 Kunden der Sparkasse haben im Prüfungszeitraum Verluste aus Devisentermin- und
Devisenoptionsgeschäften in JPY und USD erlitten.
Zu 2:
– 34 Kunden haben sich im Zeitraum von September 1999 bis März 2001 unmittelbar
bei der Sparkasse beschwert. Zwölf dieser Kunden haben im Zeitraum von November
2000 bis Februar 2001 ihre Beschwerden zusätzlich auch bei der Bezirksregierung
Weser-Ems als zuständiger Sparkassenaufsichtsbehörde vorgetragen.
– Am Prüfungsstichtag (05.04.2001) waren Zivilrechtsverfahren mit 5 der insgesamt 34
Beschwerdeführer anhängig. In drei Fällen tritt die Sparkasse als Klägerin auf, um ihre aus der Erfüllung von Devisengeschäften herrührenden Forderungen gegen die entsprechenden Kunden gerichtlich durchzusetzen (1,3 Mio. DM). In den beiden anderen
Fällen ist die Sparkasse von den Kunden auf Verlustausgleich verklagt worden. Die
Ansprüche der Kunden werden mit einer Verletzung der Aufklärungs- und Beratungspflichten durch die Sparkasse begründet.
Zu 3:
Die Höhe der bei den ermittelten 66 Kunden realisierten Verluste stellt sich wie folgt dar:
2
Devisentermingeschäfte
Devisenoptionsgeschäfte
JPY/USD
JPY/USD
Saldierter
Verlust
Gewinn
Verlust
Gewinn
Verlust
Prämieneinname
TDM
TDM
TDM
TDM
TDM
TDM
272,6
9 294,9
496,4
14 690,8
6 471,8
16 744,9
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Zu 4:
10 der 66 betroffenen Anleger sind Kaufleute im Sinne des Handelsgesetzbuches bei denen die Sparkasse nach § 53 Abs. 1 BörsG auf die Unterzeichnung eines Merkblatts
„Wichtige Informationen über Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften“ verzichten
konnte.
Zu 5:
Die geprüften Devisentermin- und Devisenoptionsgeschäfte wurden von der Sparkasse
im Auftrag der Kunden für deren Rechnung abgeschlossen. Dabei wurde die Sparkasse
jeweils „im Wege des Eigenhandels für andere“ (sog. Eigenhandelsgeschäfte i. S. des § 2
Abs. 3 Nr. 2 des Wertpapierhandelsgesetzes) für die Kunden tätig. Im Unterschied zum
Kommissionsgeschäft tritt die Sparkasse hierbei als Verkäufer bzw. Käufer auf.
Die von der Sparkasse abgeschlossenen Finanzgeschäfte entsprechen den sparkassenrechtlichen Vorschriften. Nach § 24 Nr. 3 der Niedersächsischen Sparkassenverordnung
(NSpVO) ist die Sparkasse zur Anschaffung und Veräußerung von Rechten aus Terminund Optionsgeschäften in Wertpapieren und Devisen im Kundenauftrag berechtigt.
Geschäftliches Ziel der Sparkasse waren nicht eigene Spekulationsgewinne, sondern die
Vereinnahmung von Provisionserträgen aus der Veräußerung von Finanzprodukten. Zu
den Kundengeschäften tätigte die Sparkasse deshalb währungs-, betrags- und laufzeitkongruente Gegengeschäfte, sodass jedem Devisengeschäft der Sparkasse mit den betroffenen Kunden ein entsprechendes Gegengeschäft der Sparkasse mit einem anderen Kreditinstitut gegenüberstand und Devisenkursschwankungen für die Sparkasse damit ergebnisneutral waren (sog. geschlossene Position). Insofern bestand für die Sparkasse weder
eine Spekulationschance noch ein Spekulationsrisiko, das gesondert hätte abgesichert
werden müssen.
Im Gegensatz dazu führt der Abschluss eines Devisentermin- oder Devisenoptionsgeschäfts für den Kunden gewollt zu einer offenen Position, der kein kongruentes Gegengeschäft gegenüber steht. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass der spekulierende Kunde
an den erwarteten Devisenkursentwicklungen teilnehmen und Devisenkursgewinne realisieren kann - mit allen Chancen aber auch allen Risiken.
Zu 6:
Derartige Feststellungen lassen sich im Nachhinein nicht mehr treffen.
Zu 7:
Die Sparkassenaufsicht beurteilt den in Frage stehenden Sachverhalt einzig danach, ob
ein Einschreiten im Rahmen nach dem Niedersächsischen Sparkassengesetz (NSpG) geboten ist. Nach dem NSpG hat die Sparkassenaufsicht sicherzustellen, dass Verwaltung
und Geschäftsführung der Sparkasse dem geltenden Recht entsprechen. Gegenstand der
Prüfung war daher u. a. festzustellen, ob die Vorschriften des § 53 BörsG und sonstige
gesetzliche Bestimmungen beachtet worden sind. Die Beurteilung rein zivilrechtlicher
Streitigkeiten zwischen Kunden und Sparkassen ist dagegen grundsätzlich nicht Aufgabe
der Aufsichtsbehörde und war daher nicht Gegenstand der durchgeführten Prüfung.
Bei 82 Kunden (bei Gemeinschaftskunden jede Person getrennt) wurde die Herstellung
der Börsentermingeschäftsfähigkeit sowie ihre Aufrechterhaltung durch die gesetzlich
vorgeschriebenen Folgeunterrichtungen geprüft.
Dabei wurde festgestellt, dass bei 5 Kunden keine Börsentermingeschäftsfähigkeit hergestellt worden ist. Die zunächst unverbindlichen Termin- und Optionsgeschäfte wurden
aber nachträglich von den Kunden bestätigt und damit rechtsverbindlich. Bei weiteren
sieben Kunden fehlte bei einzelnen Termin- und/oder Optionsgeschäften ebenfalls die
Börsentermingeschäftsfähigkeit. In diesen Fällen wurde es versäumt, die Geschäfte
nachträglich von den Kunden bestätigen zu lassen. Aus diesen Geschäften, bei denen
Gewinne von 16 TDM und Verluste von 77 TDM realisiert wurden, entstanden daher
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keine einklagbaren Ansprüche für die Sparkasse. Die wirtschaftlichen Risiken für die
Sparkasse aus diesen Geschäften sind indes begrenzt. Im Übrigen hat die Sparkasse vor
dem Abschluss weiterer Geschäfte mit diesen Kunden in jedem Fall die Börsentermingeschäftsfähigkeit hergestellt.
Im Rahmen der Prüfung haben sich für die Sparkassenaufsicht keine Anhaltspunkte ergeben, dass die Sparkasse die Unerfahrenheit einzelner Kunden ausgenutzt hat.
Zu 8:
Nach § 4 NSpG in Verbindung mit § 24 Nr. 3 NSpVO ist die Sparkasse zur Anschaffung
und Veräußerung von Rechten aus Termin- und Optionsgeschäften in Wertpapieren und
Devisen im Kundenauftrag berechtigt. Die branchenüblichen Usancen für diese Geschäfte sind dabei zu beachten.
Derartige Geschäfte gehören nach hiesiger Kenntnis heutzutage bei allen Kreditinstituten
(Sparkassen, Landesbanken, genossenschaftlichen Kreditinstituten, Privat- und Geschäftsbanken) zu den Geschäften, die für den interessierten Kunden abgewickelt werden.
In Vertretung
Dr. Le m me
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(Ausgegeben am 8. August 2001)