Ein kleines Geschenk für Herrn Muhl

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Ein kleines Geschenk für Herrn Muhl
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Klasse
Ein kleines Geschenk für Herrn Muhl
Tekstopgave nr.
Ein kleines Geschenk für
Herrn Muhl
(G 2000-3-1)
Aufgaben
Übersetze den dänischen Text ins Deutsche.
1. Gib eine zusammenhängende Darstellung von Khalids Erlebnissen in
Deutschland.
Folgendes muss in der Darstellung behandelt werden:
Khalid har forladt sit hjemland Egypten på grund af den hårde militærtjeneste. Han er rejst illegalt til Berlin og har lejet et lille værelse i en baggård, hvor der bor andre udlændinge. Han håber at kunne opbygge et
handelsfirma i Tyskland. Den første morgen vil han opsøge udlændingekontoret1 for at få et visum. Hans vært fortæller ham, at han skal henvende sig til en hr. Muhl, og at han skal medbringe en gave, hvis han vil have
et visum. Khalid tror ham ikke, men da han træffer Muhl, bliver han
brutalt afvist.
Modløs vender Khalid tilbage til sin vært, for han har ikke penge til en
gave. Værten smiler og siger, at man let kan skaffe sig penge. Han nævner
en park, hvor mange joggere2 parkerer deres biler. Han forklarer Khalid,
hvordan man bryder ind i en bil, og han giver ham også Muhls privatadresse.
Khalid kommer til parkeringspladsen.
1
udlændingekontor Ausländeramt n
2
jogger Jogger m –
– die Gründe Khalids, sich als Dieb zu versuchen
– die Begegnung mit Christian und Sonja
– die Folgen dieser Begegnung.
2. Wähle eine der folgenden Aufgaben:
a. Charakterisiere Khalid.
b. Beschreibe Khalids erste Eindrücke von Deutschland.
c. Kommentiere die Methoden des Herrn Muhl.
d. Nimm zur folgenden Behauptung Stellung: Christian handelt falsch.
Er hätte sofort Khalid verhaften sollen.
e. Viele Flüchtlinge und Asylbewerber bevorzugen Deutschland als
Einreiseland. Welche Gründe könnte es dafür geben?
Afleveres den
Nachdem er eine Stunde auf und ab gewandert war, beschloß Khalid zu
handeln.
Ein junger, kräftiger Mann im Jogginganzug hatte gerade sein Auto abgeschlossen und trabte los. Khalid ging zu dem Wagen und um ihn her um. Er sollte den Schraubenzieher durch das Gummi an der Tür schieben und damit den Knopf hochdrücken. Wenn die Tür offen war, sollte
er sich in das Auto setzen und unter den Vordersitzen nachsehen. Am
besten wäre es sogar zu beobachten, ob jemand wirklich etwas unter dem
Sitz verstaut hatte, da wäre dann die Ausbeute höher.
Die Ratschläge waren einleuchtend, und Khalid beschloß, es zu wagen.

Er stand an der Beifahrertür und setzte den Schraubenzieher an. Das
Gummi an der Tür war schwer zu durchdringen. Khalid wurde ganz
mutlos und setzte den Schraubenzieher wieder ab. »Na, Autos knacken,
am hellichten Tag«, sagte jemand hinter ihm. Erschrocken drehte Khalid
 sich um. Ein junger Mann hatte ihn am Arm gepackt und schaute ihn
kopfschüttelnd an.
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
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

»Du bist wohl noch ein Anfänger, was hast du denn für Probleme, daß
du so was machst?«
»Nix verstehen«, stammelte der Ertappte hilflos.
»Sollen wir gleich zur Polizei gehen, oder willst du mich lieber doch
verstehen?« sagte der Mann ungehalten.
»Laß ihn doch, Christian, das ist doch ein ganz armer Hund, das sieht
man doch«, sagte eine junge Frau neben dem Mann, die Khalid nun erst
bemerkte.
»Nichts da, Autos knacken ist ’ne ganz üble Nummer«, wandte sich der
Mann an die Frau, ohne den Griff um Khalids Arm zu lösen.
»Ich wollte nicht stehlen«, sagte Khalid. »Keine Polizei, bitte.« »Na bitte.
Also, ich habe dich beobachtet. Du wolltest ein Auto knacken, also lüg
nicht.«
»Laß ihn doch erst mal erklären, vielleicht braucht er Hilfe. Du siehst
immer nur Verbrecher«, mischte sich die Frau wieder ein.
Khalid verstand zwar nicht genau, was sie sagte, merkte aber, daß sie
ihm freundlich gesonnen war. Er lächelte ihr zu.
»Ich brauche, äh, a little present, äh, ein Geschenk.«
»So, a little present brauchst du, und das wird einfach geklaut«, fuhr der
Mann ihn an.
»Wir trinken jetzt da drüben an der Ecke einen Kaffee, und du läßt ihn
mal erzählen, warum er in dieser Notlage ist«, sagte die Frau.
»Wie du willst, wir hören uns seine Geschichte an, und dann entscheide
ich, ob wir ihn laufenlassen oder ob wir zur Polizei gehen. Kommt!«
Immer noch am Arm festgehalten, begleitete Khalid die beiden über
die Straße. Er fühlte sich schlecht. In Deutschland schienen alle aufzupassen, daß niemand einem anderen etwas wegnahm.
Sie setzten sich an einen kleinen Tisch neben dem Eingang in dem
Café in der Körtestraße, und der Fremde bestellte drei Tassen Kaffee.
Dann wandte er sich wieder an Khalid: »Also ein Geschenk, für die
Freundin etwa, oder ist schon wieder Muttertag, und ich hab’s wieder
mal verschwitzt?«
»Nein, ich brauch’ Geschenk, a little present for Mister Muhl«, platzte
Khalid heraus.
»Für Mister Muhl, wer ist Mister Muhl, daß man für ihn Geschenke
klauen muß?«
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
Khalid erzählte, von der Freundlichkeit der Frau überwältigt, seinen
ganzen Kummer. Er berichtete von der harten Militärzeit, die ihn in
Ägypten erwartete, von dem Plan seiner Familie, ihn nach Deutschland
zu schicken, und von der langen Fahrt im Lkw. Das Paar hatte Mühe, ihn
zu verstehen, und er mußte oft nach Worten suchen, um sich verständlich
zu machen.
Dann, bereits beim zweiten Kaffee, erzählte er von dem bedrohlichen
Herrn Muhl, der ohne Geschenke keine Aufenthaltsgenehmigungen erteilte, und von seinem Gastgeber, der ihm freundlicherweise erklärt hatte,
wie man an solche Geschenke kommt. Der Mann fragte immer wieder
nach, um auch alles genau zu verstehen, und zu Khalids Erleichterung
glaubte er ihm.
»Siehst du, wir müssen ihm helfen«, sagte die Frau schließlich. »Ich
kann das zwar eigentlich nicht unterstützen, aber an deiner Notlage bist
du ja wirklich nicht schuld«, sagte der Fremde. »Ich heiße übrigens Christian, und das ist meine Frau, Sonja. Kommt, besorgen wir ein Geschenk
für deinen Mister Muhl.«
»Danke, ich bin Khalid Al’Said«, antwortete Khalid verblüfft und deutete der Frau gegenüber eine Verbeugung an.
Sie gingen ein Stück die Körtestraße hinauf zu einem kleinen Juweliergeschäft, und Khalid wählte ein Goldkettchen mit einem Anhänger in
Form einer Pyramide.
»Sehr geschmackvoll, vielleicht sollten wir ein bißchen Bargeld dazulegen«, schlug Christian vor.
Khalid war von dem Einfühlungsvermögen seiner neuen Freunde begeistert. »Ich gebe alles wieder, wenn ich Geschäft mach’«, versicherte er.
»Das kriegen wir schon. Am besten fahren wir hin zu deinem Mister
Muhl, und du bringst ihm sein Geschenk. Oder, noch besser, ich bringe
es ihm, mit deinen besten Empfehlungen.« Das gefiel Khalid. So würde er
den furchtbaren Herrn Muhl erst wiedersehen, wenn er den Bakschisch1
schon hätte, und außerdem erschien es ihm weit höflicher, das Geschenk
durch einen Boten überbringen zu lassen. Sie verpackten das Geschenk in
einer Tüte, und Christian legte noch Geld dazu. Dann gingen sie zusammen zur U-Bahn. Sie fuhren bis zur »Wutzkyallee« und gingen diese
1
Bakschisch n i orienten en gave, evt. penge, som man giver til gengæld for en
tjeneste.
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entlang bis zum Meißner Weg. »Dort ist das Haus, was muß ich sagen?«
fragte Christian und zeigte auf ein graues Einfamilienhaus. »Du klingelst
und sagst schönen Gruß von Khalid Al’Said und gibst Mister Muhl present.«
»Gibt es kein Codewort oder Erkennungszeichen? Wie leichtsinnig!«
Christian ging zu dem Haus.
Khalid stand mit Sonja ein Stück entfernt an einem Gartenzaun, und
sie sahen zu, wie Christian mit Mister Muhl redete und ihm das Geschenk überreichte. Erst war Mister Muhl etwas ungehalten, dann lachte
er und öffnete das Päckchen. Die fünf blauen Scheine steckte er sofort in
die Hosentasche, das Kettchen hielt er ein wenig hoch, und dann verabschiedete sich der Überbringer bereits wieder.
»Das war leicht. Dein Mister Muhl wollte mich noch zu einem Kaffee
einladen, das mußte ich aber leider ablehnen.«
»Siehst du, alles wird sich zum Guten wenden«, sagte Sonja.
»Danke vielmals, du gibst mir Adresse, und ich bring’ alles wieder,
wenn ich Geschäft gemacht habe.« Khalid war erleichtert, daß alles so
einfach gelaufen war. Christian gab ihm einen Zettel mit seinem Namen
und seiner Adresse, und dann verabschiedeten sich die beiden von ihm.
Khalid fand ohne Probleme den Weg zur U-Bahn. Diesmal mußte er
den Zug mit der Aufschrift »Spandau« nehmen. An der Station »Möckernbrücke« wechselte er in die U 1 und stieg am Görlitzer Bahnhof aus.
Er freute sich, daß diese Stadt so voller freundlicher Menschen war, und
lächelte jedem zu. Fast niemand lächelte zurück, manche waren sogar
offenbar empört, wenn er sie anstrahlte. Khalid spürte, daß er die Sache
mit seiner Aufenthaltsgenehmigung gut geregelt hatte.
Sein Wirt war gut gelaunt, als er die Tür öffnete. Er bot seinem Gast
ein Bier an, das dieser, aus Angst, unhöflich zu sein, annahm. Er trank
das ungewohnte Getränk und bat dabei im stillen den Propheten um Vergebung. Seinem Wirt erzählte Khalid nichts von seinem neuen Freund,
sondern tat so, als habe er ein Auto geknackt. Sein Wirt war begeistert,
nur daß Khalid von seinem kleinen Bruch nichts mehr übriggeblieben
war, gefiel ihm nicht. Er ließ sich alles im Detail erklären, und Khalid
freute sich über die Verständigungsschwierigkeiten, die sie hatten. So
konnte er alle Fragen ausweichend beantworten, und der Mann gab sich
die Erklärungen dann selber. Er plante für Khalid bereits ein wenig die
Karriere eines Autoknackers und Exporteurs. Nach zwei weiteren Höflichkeitsbieren verabschiedete Khalid sich und legte sich schlafen.
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Am nächsten Morgen saß Khalid mit schwerem Kopf und etwas ängstlich
wieder in dem Gang im Ausländeramt. Als er das Büro von Muhl betrat,
stand dieser auf und schüttelte ihm die Hand.
»Herr Al’Said, wie schön, daß alles so wunderbar geklappt hat, jetzt
wird es von meiner Seite keine Probleme mehr geben.«
Mit einer Aufenthaltsgenehmigung und einem sauberen Stempel im

Paß verließ Khalid nach ein paar Minuten das Amt. Auf der Treppe kamen ihm einige Männer entgegen. Zu seinem Erstaunen war Christian
unter ihnen. »Khalid, wie schön, dich zu sehen. Ist alles gutgegangen?«
Christian schüttelte Khalid die Hand.
»Was machst du hier?« fragte der verblüfft.
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»Ich bringe a little present for Mister Muhl«, sagte Christian und zog
ein paar Handschellen aus der Tasche. »Er stand schon länger unter Verdacht, Bestechungsgelder angenommen zu haben. Das haben die Kollegen gesagt. Mit deiner Hilfe bekamen wir jetzt einen Beweis gegen ihn.«
Die Männer gingen weiter. Christian drehte sich noch einmal um.
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»Melde dich morgen bei mir, wir brauchen dich noch. Und, Khalid, zieh
besser schnell um, und sag deinem Wirt nichts von unserer Bekanntschaft.«
(Nach Klaus-J. Frahm: Little present for Mister Muhl. In Karl-Michael Stöppier
(Hrsg.): Der Bär schießt los. Criminale-Geschichten aus der Hauptstadt. Ullstein 1998)

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