Der Sound der blauen Berge
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Der Sound der blauen Berge
28 REISEN Frankfurter Rundschau, Samstag, 17. März 2007 I Nr. 65 I D Der Sound der blauen Berge Bluegrass ist überall – Werbung für den Freizeitpark von Dolly Parton auf einem Parkplatz in Pigeon Forge. Tennessee entdeckt den Bluegrass wieder. Eine Reise zu den Ursprüngen der Country-Musik. VON FREDERIK JÖTTEN Mitschläfer gesucht Freunde von Städtereisen mit schmalem Budget finden neue Hilfe im Internet: Unter www.bettfrei.com werden kostenlos Privatwohnungen und -zimmer in Deutschland vermittelt. Der Bett-Suchende kann in einem Anzeigenmarkt, in dem Privatpersonen gratis inserieren können, im gewünschten Ort nach einer passenden Wohnung stöbern und dann direkten Kontakt mit dem Vermieter aufnehmen. Wer seine Wohnung, ein WG-Zimmer oder eine Schlafmöglichkeit anpreist, muss vom eingenommenen Geld nichts an das Bettfrei-Portal abgeben. So sind den Betreibern zufolge Unterkünfte bereits ab einem Euro pro Nacht zu finden, der Durchschnittspreis liege zwischen 5 und 15 Euro pro Wohnung. AuskünfteperE-Mail: [email protected]. sgey Im Rollstuhl auf Segeltörn BILD: NADINE BRACHT SERVICE TENNESSEE Beste Reisezeit: Am angenehmsten sind die Temperaturen im Frühjahr (Ende März bis Mitte Mai) mit 23 bis 25 Grad und im Frühherbst (September bis Oktober). Im Sommer ist es heiß und schwül. Der Kongress „World of Bluegrass“ findet vom 1. bis zum 7. Oktober im Hotel Renaissance in Nashville statt. Information unter www.ibma.org. Bei den Jam-Sessions im Hotel kann jeder mitmachen, der ein Instrument dabei hat. Einreise: Besucher aus Deutschland benötigen einen Reisepass, aber kein Visum, wenn sie als Touristen in die USA reisen und weniger als 90 Tage bleiben. Hat man nur einen vorläufigen Reisepass, muss ein Visum beantragt werden. Anreise: Von Frankfurt a. M. aus kommt man mit einem Zwischenstopp (Chicago) nach Nashville (Flugzeit zwischen 12 und 18 Stunden). Flüge gibt es ab 520 Euro (z.B. American Airlines). Unterkunft: Nashville: Ein Doppelzimmer im Vier-Sterne-Hotel Renaissance gibt es ab 200 Euro, (Reservierungen unter Tel. 0800 / 1 / 85 44 22 oder Internet: http://marriott.com/hotels/travel/bnash-renaissancenashville-hotel). In einfachen Gästehäusern kann man ab 70 Euro pro Nacht unterkommen (zum Beispiel: Guesthouse International Inn and Suites, Tel. 001 / 615 / 329 / 10 00, Internet: www.guesthouseintl.com). K E N T U C K Y MISSOURI Paducah Norris TENNESSEE Memphis Greenville 100 km Knoxville Pigeon Forge NORTH CAROLINA Chattanooga Te n n N A S H V I L L E V I R G I N I A Nashville MISSISSIPPI WEST VIRGINIA es se e ALABAMA Charlotte G E O R G I A Birmingham Essen und Trinken: Wer die Küche des Südens in historischer Umgebung probieren möchte, ist im Monell’s richtig (1235 6th Avenue North, Tel. 001 / 615 / 248 / 4747, http://monellsdining.citysearch.com, etwa zwei Kilometer entfernt vom Zentrum); serviert wird hier im „family style“, das heißt die Schüsseln mit den Speisen werden von Tisch zu Tisch gereicht. Sehr empfehlenswert ist auch das Loveless Café (8400 Highway 100, Tel. 001 / 615 / 646 / 9700, www.lovelesscafe.com), besonders fürs Frühstück. Ausgehen: Auf dem Broadway zwischen 4th und 5th Avenue befinden sich die Honkytonks – unter anderem das im Text erwähnte Atlanta Ch ur ch SOUTH CAROLINA Columbia Tennessee Sehenswürdigkeiten: Museum of Appala- chia, 16 Meilen nördlich von Knoxville, an der Interstate 75, Abfahrt Norris, Tennessee. Information: Tel. 001 / 865 / 494 / 76 80, Internet: www.museumofappalachia.com. Smoky Mountains National Park und Dolly Partons Freizeitpark „Dollywood“: Abfahrt 407 von der Interstate 40, Richtung Pi- Convention Center St. 24 o Br ad wa y Ryman n d Auditorium R i v er 400 m 40 65 Geld: 1 US-Dollar ist im Moment 76 Cent wert, man kann überall auch mit Kreditkarte bezahlen. Hall of Fame D O W N T O W N USA „Legends Corner“, das „Tootsies“ und „Layla’s Bluegrass Inn“ – das sind Lokale mit Live-Musik, in denen getrunken, getanzt und geraucht wird (Tennessee hat noch kein Rauchverbot). Hier gibt es bei weitem nicht nur Country-Musik, sondern auch Rock’n’Roll. würdigkeiten liegen verteilt auf etwa einem Quadratkilometer. Für Ausflüge nach Tennessee braucht man ein Auto. Sinnvoll ist, einen Leihwagen über einen deutschen Anbieter zu buchen (Tel. 01805 / 17 91 91, Internet: www.holidayautos.de), weil er dann inklusive Versicherungen meist billiger ist als bei US-Firmen. rla Die EM-Qualifikationsspiele der Nationalmannschaft vor Ort miterleben, genauso wie die Rennen der Moto GP Saison in Barcelona, Assen und Chemnitz oder gar selbst beim New York Halbmarathon starten – zu all diesen Sportereignissen organisiert Dertour Reisen. Wer beispielsweise die Nationalelf am 13. Oktober in Dublin unterstützen möchte, bekommt für 584 Euro eine Reise mit zwei Übernachtungen im Drei-Sterne-Hotel sowie dem Transfer zum Stadion gebucht. Nicht enthalten ist die Eintrittskarte. Bei eigener Anreise kostet der Aufenthalt 321 Euro. Informationen gibt es per E-Mail unter [email protected], Betreff „Dublin“. Mehr über Sportevent-Reisen auf der Internetseite ben www.dertour-live.de. Geldbündel, wohl an die 100 Dollar, das er sich in zwei Stunden erspielt hat. 50 Meter entfernt vom „Legends Corner“ steht das Ryman-Auditorium, ein Backsteingebäude, Ende des 19. Jahrhunderts als Kirche gebaut. Zwischen 1943 und 1974 wurde von hier aus die legendäre Country-MusikSendung „Grand Ole Opry“, die älteste Radioshow der USA, übertragen. Das Ryman gilt als eine Geburtsstätte der Country-Musik. Der 34-jährige Bill Monroe trat im Dezember 1945 erstmals mit seiner Band „Bill Monroe and his Blue Grass Boys“ hier auf. Das Publikum war begeistert von der Country-Musik, die mit Gospel-, Blues- und Swing-Elementen angereichert war. Bluegrass war bis Anfang der 60er Jahre die populärste Stilrichtung des Country, dann kam der glattere, elektrisch verstärkte Nashville Sound Drinnen im Ryman-Auditorium sieht es noch genauso aus wie in den 40er Jahren. Tageslicht fällt durch rote, blaue und grüne Scheiben auf die dunklen Kirchenbänke, die Platz für 2362 Menschen bieten. Die Dielen knarzen, es riecht nach altem Holz. Auf der Bühne stehen zwei Western-Gitarren und ein Mikrophon. Ein Mann und eine Frau, beide um die 60, halten sich die Gitarren vor den Bauch und lassen sich für fünf Dollar fotografieren. In den 70er Jahren zog die Institution „Grand Ole Opry“ in einen Betonklotz außerhalb der Stadt. 20 Jahre stand das Ryman-Auditorium leer, bis man es 1994 renovierte. Seitdem ist es wieder ein beliebter Veranstaltungsort, Bluegrass-Größen spielen hier regelmäßig. Fortsetzung auf der nächsten Seite Eine betagte Bluegrass-Band spielt auf der Freilichtbühne im Museum of Appalachia. be Reisen zu Sportevents Towne nimmt es mit Humor. Eine Frau geht nach vorne, um eine CD des Musikers zu kaufen. „Darf ich ein Foto von Ihnen machen, Sie sind die Erste, die jemals eine CD von mir gekauft hat“, sagt er. Er lacht über seinen Witz, die Zuschauer auch. Nach dem Konzert sagt er an der Bar: „Die meisten Leute, die nach Nashville gehen, machen den Fehler, ganz groß rauskommen zu wollen – ich bin mit dem zufrieden, was ich habe. Ich kann von der Musik leben.“ Er zeigt stolz das Cum Zu einem barrierefreien Segelausflug lädt der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) für September ein. Start und Ziel der Rundreise ist das nordholländische Enkhuizen am Ijsselmeer-See. Der Segelklipper Lutgerdina ist laut BSK so gebaut, dass auch Rollstuhlfahrer das Schiff bedienen können. Die Mannschaft erklärt den Gästen die Grundlagen der Navigation, legt mit ihnen gemeinsam den Kurs des Schiffes fest und lässt sie das Logbuch führen. „Alle helfen an Bord mit“, erklärt der Veranstalter. Details zu dem Segeltörn sowie zu anderen barrierefreien Reiseangeboten des BSK finden sich unter www.bsk-ev.org (Stichwort Reisen). Den Gesamtkatalog 2007 können Interessierte, die einen mit 1,45 Euro frankierten Rückumschlag beilegen, anfordern bei: BSKReiseservice, Altkrautheimer Straße sgey 20, 74238 Krautheim. Auf der Bühne singt ein schnauzbärtiger Mittvierziger mit Cowboyhut „I’m gonna love you forever…“ Verhaltener Applaus, nachdem er das Lied beendet hat. „Besonders liebe ich es, wenn ihr mir euer Geld gebt!“ Einige Zuschauer lachen. Skip Towne, so heißt der Sänger, reicht einen Kübel fürs Trinkgeld herum. Musiker in Nashvilles Kneipen bekommen selten eine Gage, es gibt so viele, dass die meisten glücklich sind, wenn sie für Trinkgeld spielen können. BILD: NADINE BRACHT „London by bike“: Das klingt verwegen – bei chaotischem Stoßverkehr, Linksfahrern und raren Radwegen. Aber der Reise-Veranstalter „Key Move“ (Internet: www.keymove.net) macht es möglich. Die Drei-Tage-Tour führt auch zu wenig bekannten Orten wie „Little Venice“, dem Battersea Park, nach Wapping – und abends rollen die Räder bis vor die Kneipen. Dafür, dass es endlich gelungen ist, London für Radfahrer zu erschließen, erhielt „Key Move“ jetzt vom Reisemagazin „Geo Saison“ in der Kategorie Kurztrips die Goldene Palme. Der renommierte Preis steht für innovative und originelle Reisen, die Länder jenseits der üblichen Touristenattraktionen vorstellen. Wie „Gesichter Hongkongs“, ein Angebot von Gebeco (www.gebeco.de), dem ersten Preisträger der Kategorie „Entdeckerreisen“. Der erste Preis in der Kategorie Sportund Aktivreisen ging an den Veranstalter „Wikinger Reisen“ (www.wikingerreisen.de). Der verspricht Begegnungen mit dem Volk der Basotho auf einer Trekkingtour durch Lesotho im ole südlichen Afrika. FR-InfoGrafik Goldene Palmen ARKANSAS REISEMARKT Es ist 23 Uhr, als das „Renaissance“, ein VierSterne-Hotel im Zentrum von Nashville, kapituliert. Neben einer Couch im Foyer knien zwei junge Männer mit Geigen, die ein ekstatisches Duett fiedeln. Zehn Meter weiter, direkt neben einem Schild mit der Aufschrift „No Jamming Area“, stehen acht Leute zusammen, darunter eine Familie mit vier jugendlichen Kindern, alle spielen Instrumente: Bass, Banjo, Gitarre und Mandoline. Etwa 20 Musikergruppen jammen in den verschiedenen Ecken der Lobby. Wenn man nicht unmittelbar neben einer von ihnen steht, verschwimmt die Musik zu einem dissonanten Brei. Durch den Hoteleingang kommen ständig neue Menschen mit Instrumentenkoffern, die wenigsten haben hier ein Zimmer gebucht. Auf dem roten Teppichboden mit den wappenartigen Ornamenten sitzen jugendliche Zuhörer mit großen McDonald’s-Bechern in den Händen. Viele qualmen, trotz Rauchverbots. „Es ist nicht zum Aushalten“, sagt ein Page in Uniform. Wir sind in Nashville, Hauptstadt des USBundesstaates Tennessee, 600 000 Einwohner, genannt „Music City“. 180 Aufnahmestudios gibt es hier, 130 Musikverlage, tausende Musiker, die auf den großen Durchbruch warten. Der Umsatz von Nashvilles MusikIndustrie beträgt im Jahr 6,38 Milliarden US-Dollar. Der Rummel im „Renaissance“ gehört dazu: Im Hotel findet der jährliche Kongress „World of Bluegrass“ statt, eine Verkaufsmesse für Musikerbedarf, eine Talentbörse, ein Ort, wo sich die Szene trifft, jammt und feiert. Bluegrass, das ist eine ursprüngliche Form der Country-Musik, rein akustisch, Banjo, Bass, Gitarre, Dobro (eine Gitarre mit einer im Korpus eingebauten ResonanzMembran), Mandoline, mehrstimmiger Gesang. Und Bluegrass, diese Rückbesinnung auf die Wurzeln der Country-Musik nach Stimme ein – und die ganze Band lächelt seJahrzehnten, in denen weichgespülte Varian- lig in den leeren Raum. ten à la Garth Brooks das Bild der Szene beAn einer Bar vor dem Saal steht Jon Lohstimmten, gewinnt mehr und mehr Fans, be- man, Mitte 30, blondes Haar und gerötetes geistert nicht nur die Hillbillies, die Hinter- Gesicht, Direktor des „Virginia Folklife Prowäldler aus den Bergen, sondern auch die ur- gram“, einer Organisation, die sich um die bane Jugend. Bewahrung des kulturellen Erbes in VirgiGespräch mit den Kids, die auf dem Tep- nia bemüht. „Kommerzpop, Shopping pichboden sitzen und zuhören. Marc, 19, wu- Malls, Fastfood-Ketten – wir Amerikaner haschelige, braune Haare, Kapuben den ganzen Scheiß erfunzenpulli, Typ Skater: „Wir sind „Wir sind die den, der dafür sorgt, dass es überdie Pop-Klone leid, wir wollen all auf der Welt gleich ist“, sagt echte Musik.“ Nate, 19, rotblon- Pop-Klone leid, er, „jetzt sehnen wir uns nach etder Pilzkopf, College-T-Shirt: wir wollen echte was Echtem.“ „Die Leute hier können wirk- Musik“ – Stadtrundgang durch die „Mulich was an ihren Instrumenten, Marc, 19, ein sic City“ am nächsten Tag. 150 das ist etwas anderes als BritMeter vom Hotel entfernt liegt ney Spears.“ Ihr Freund Scott Skatertyp, steht das Amüsierviertel. Auf dem bringt Bier – er ist der Einzige, auf Bluegrass. Broadway zwischen 5th und 1st der schon 21 ist und Alkohol Avenue reihen sich dreistöckige kaufen darf. „Hey, ich habe Eintrittskarten Backsteinhäuser aneinander. Im Erdgebesorgt – ich musste dafür mit einem hässli- schoss sind Bars und die Geschäfte, in denen chen Mädchen flirten, also seid dankbar“, Cowboyhüte, Stiefel und Souvenirs verkauft sagt er. werden. Die Obergeschosse stehen meist leer Die Jugendlichen machen sich auf den oder dienen als Lager, in den Seitenstraßen Weg ins benachbarte Kongress-Zentrum. verfallen Häuser aus dem 19. Jahrhundert. Auf zwei Stockwerken treten hier Bluegrass- Downtown Nashville hat den Charme des heBands auf, 400 in sieben Tagen. Die Konzer- runtergekommenen, besonders am Tage. te finden in Tagungssälen statt, die den Für eine Handvoll Trinkgeld Charme der 70er Jahre versprühen, grelles Licht, Betonwände, grauer Teppichboden, Einkehr im „Legends Corner“, einer der MuSitzreihen. In einem Raum mit 60 Plätzen sit- sikkneipen auf dem Broadway mittags um zen acht Zuschauer, vorne steht die fünfköp- drei. Die Wände sind mit alten LP-Covern tafige Band, vier junge Männer in Hemden, in peziert, Gitarren und Saxophone hängen der Mitte eine Frau Mitte 20, Lederjacke. Sie dort, wo die Besucher nicht drankommen. spielt Mandoline. Der Junge am Banjo be- 25 Leute sitzen an der Bar und an Tischen, ginnt zu singen, sie setzt mit der zweiten für zehnmal so viele Besucher wäre Platz. geon Forge. Das Festival „Bluegrass & BBQ“ in Dollywood findet vom vom 14. bis 30. September statt. Veranstalter: Viele Reiseveranstalter bieten Touren durch den Süden der USA an, bei denen auch Tennessee besucht wird. Zum Beispiel Dertour die Busrundreise „SüdstaatenMelodie“ mit Besuch in Nashville und dem „Great Smoky Mountains National Park“ inklusive Flug, 13 Übernachtungen mit Frühstück ab 1801 Euro, Information: Tel. 0180/ 533 76 66 , Internet: www.dertour.de. Verkehrsmittel: Die Innenstadt von Nashville kann man gut zu Fuß erkunden, die Sehens- Souvenirs: Obligatorisch für jeden echten Cowboy: ein Hut der Marke Stetson. Erhältlich in verschiedenen Läden auf dem Broadway zwischen 1st und 5th Avenue. Kleidung: Sowohl leichte Kleidung als auch eine Jacke mitnehmen, selbst im Hochsommer. Klimaanlagen kühlen Hotels und Restaurants meist auf klamme Temperaturen herunter. Literatur: „USA – Der große Süden. Die Südstaaten, das andere Amerika“, Reise KnowHow, 23,50 Euro. Auskunft: Tennessee Tourism, Verkehrsbüro des Staates Tennessee, Horstheider Weg 106a, 33613 Bielefeld, Tel. 0521/ 986 / 04 15, Fax -04 11, E-Mail: [email protected], Internet: www.tennessee.de.