Erfahrungsbericht - Akademisches Auslandsamt
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Erfahrungsbericht - Akademisches Auslandsamt
Erfahrungsbericht Name: T o b i a s J i l g Studiengang und -fach: Anglistik Austauschjahr: Sommersemester 2015 Gastuniversität: Università degli Studi di Palermo Stadt: Palermo Land: Italien Aus Spam- und Datenschutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht. Studierende der Universität Augsburg können diese auf Anfrage im Auslandsamt erhalten. Die Erfahrungsberichte werden von Studierenden verfasst und spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Universität Augsburg wider. Für den Inhalt des Berichts ist der/die Verfasser/in verantwortlich. Das Akademische Auslandsamt behält sich vor, ggf. Änderungen vorzunehmen. Mit meiner Entscheidung ein Semester im Ausland in Palermo zu verbringen, stoß ich anfangs auf breites Unverständnis in meinem Freundeskreis und meiner Familie. Denn eigentlich sprach nichts vernünftiges für eine Studienbemühung im Süden von Italien: ich studiere nichts mit Schwerpunkt Italienisch, sondern bin ja sprachlich und akademisch im Englischen verhaftet, über Palermo bekam man die letzten Jahre, naturgemäß der Mafia wegen, immer wieder schlechte Presse zu lesen und mein Italienisch lag damals wohl unter jedem verträglichem Umgang. Wahrscheinlich, und jetzt im Rückspiegel besehen, war der Entschluss nach Palermo hin, einer aus Trotz. Trotz vor allem mir selbst gegenüber. Ich hatte mich noch nie aus meinem Orbit in Augsburg wirklich langfristig entfernt und ich sah im Auslandsstudium vor allem eine Prüfung meiner bisherigen Qualitäten und einen Test mit mir selbst, wie ich mit dieser Überforderung umgehe. Denn eins war von Anfang klar: fachlich würde dieses halbe Jahr auf Sizilien nicht gerade studienförderlich sein. Ich ging diese schwierige Wahl ganz bewusst ein. Nach dem ich also über das Nachrückverfahren im Akademischen Auslandsamt für das Programm zu gelassen wurde, stand für mich fest, dass es wohl ein sehr anstrengendes, aber auch spannendes halbes Jahr werden würde. Ich nahm das als Herausforderung und machte mich rund ein halbes Jahr vorher an Vorbereitungen. Ich befasste mich also eingehend mit der Sprache, belegte zwei Italienisch-Kurse hier in der Uni in Augsburg, las einige Bücher über Italien und Reiseführer im Speziellen über Sizilien und fühlte mich immer mehr aufgeklärt und sicher informiert, was mich erwarten würde. Zwei oder drei Monate vor Beginn meines Semesters buchte ich den Flug und trat mit der Universität in Palermo in Kontakt. Dieser war freundlich wenn auch schon zu diesem Zeitpunkt reichlich unorganisiert. Ich bekam die Materialien für eine ordentliche Einschreibung für die Kurse in Palermo per Mail zu geschickt und einen Link zur hochschulinternen Kurswebseite. Leider war dabei es so gut wie unmöglich herauszufinden, welche Kurse in welchem Semester angeboten werden und überhaupt hat die Studienstruktur in Italien wenig mit dem Bachelor-System in Deutschland zu tun. Die meisten Kurse werden immer ganzjährig und nicht in Semester besucht und geprüft. Bis ich zu diesem Schluss kam, vergingen gut ein, zwei Stunden mit Telefonat und Suche und Lösungen im Internet. Danach wurde es auch nicht gerade einfacher. Zwischen Unübersichtlichkeiten und kaputten Hyperlinks, nach einigem Fluchen und bestimmt weiteren, ich übertreibe jetzt nicht, drei oder vier Stunden, auf zwei Tage verteilt, ich hatte zwischendrin wirklich die Beherrschung verloren, hatte ich dann gerade mal zwei Kurse, die meinem Studium anträglich waren. Natürlich, ist das auch meiner Studienwahl und meinem fortgeschrittenen Studium in der Anglistik und Geschichte geschuldet, trotzdem fand ich es sehr ermüdend mich so quälen zu müssen. Die Kurse wurden auch von meinen Fachbetreuern in mein Learning Agreement zu gelassen. Als dann der Tag der Abreise anstand, ich entschied mich, gut zwei Wochen vor Semesterbeginn anzureisen, fühlte sich das aufgeregt-angespannt aber auch gut vorbereitet an. Ich hatte aus Deutschland mich für eine Woche in einem Airbnb in der palermitanischen Altstadt eingemietet; für rund 8€ die Nacht war das sehr fair. (Die Uni bietet auch ein schmales Angebot an Plätzen in einem Hotel; 5€ die Nacht für max. eine Woche) Angekommen in Palermo, in der Nacht, fühlte ich mich gleich unverstanden. Denn, überraschend war es nicht, die Sizilianer sprechen ein Italienisch, dass mit einem Hochitalienisch herzlich wenig zu tun. Ich hatte zwar davon gelesen und mich auch darauf eingestellt Verständigungsschwierigkeiten zu bekommen, aber das ich gleich in in der ersten Trattoria einfach nicht verstand, was der etwas barsche Kerl an der Theke sagte, fühlte ich mich unangenehm berührt. Sizilianisches Italienisch ist anfangs wirklich, wirklich anstrengend, wenn man es kennenlernt wirklich, wirklich witzig. Darauf muss man sich also einstellen. Ich fiel die ersten Tage immer total erschöpft von Worten und Stimmengewirr und Wohnungssuche und Eindrücken ins Bett. Eine Wohnung fand ich dann innerhalb dieser ersten Woche auf der Webseite „easystanza.it“, die ähnlich wie „wg-gesucht.de“ in Deutschland funktioniert. Leider muss man hier einen kleinen Monatsbeitrag von etwa 5€ bezahlen um das volle Angebot nutzen zu können – und das lohnt sich, sonst macht es einem die Webseite schwer gute Angebote zu finden. Ich rate übrigens allen, sich die Zimmer vor Ort anzuschauen. Viele italienische Vermieter unterschlagen gern Details einer frühmorgens lärmenden Baustelle oder ähnlichen Unannehmlichkeiten. Ich fand ein Zimmer am letzten Zipfel der Altstadt und war mit 150€ Monatsmiete dabei ganz gut arrangiert. (Schnitt in Palermo ist so zwischen 200-230€, dazu kommt alle 2-3 Monate noch die Nebenkostenzahlung „bolleta“, etwa 40€) Darauf einstellen, dass man in Palermo ein Zimmer findet, das nach deutschem Standard eingerichtet ist, braucht man sich nicht. Die Wände sind sehr dünn, die Fenster schlecht isoliert und die Zimmer recht spartanisch eingerichtet. Bett, Schrank, Schreibtisch, Stuhl – alles im Patchwork arrangiert. Durch die schlechte Isolierung der Wohnungen und fehlende Heizungs- oder Klimatisierungssysteme ist es im Winter sehr kühl bis wirklich kalt und im Sommer irre heiß. Und ganz ehrlich, zu leicht darf man diesen Umstand mit den niedrigen Temperaturen nicht nehmen. Ich habe mich ganz schön dumm gefühlt, als es dann in meiner zweiten Woche in Süditalien, zu schneien anfing .. Ich habe frieren lernen müssen. Winterjacke in der Wohnung tragen war nicht unbedingt eine mögliche Vorstellung war, die ich vor der Abreise hatte.. Dafür entschädigte aber der im März einsetzende Frühling und darauf folgende Sommer ganz gewaltig die erlittenen Strapazen. Die Küste Richtung Osten (Cefalù) und Westen (Zingaro) oder der Stadtstrand in Mondello, Wanderungen am Monte Pellegrino und das sizilianische Hinterland laden zu sportlicher oder entspannter Freizeitbeschäftigung ein. Die Insel bietet wirklich jedem etwas. Am besten mietet man sich dafür mal ein Auto mit Freunden (das ist relativ unkompliziert und auch überraschend günstig) und kann so auch die etwas unwegsamen oder nahverkehrsunerschlossenen Orte besuchen (z.B Zingaro, Cala dei Turchi, „micro“-Strände bei Siracusa). Denn Zug fahren ist in Italien zwar sehr günstig, aber auf Sizilien eine Prüfung mit den Nerven oder durch schlechte Anbindungen schier unmachbar. Es gibt Fernbusse die zwischen den größeren Ortschaften in Sizilien korrespondieren, jedoch fahren diese, wenn es nicht gerade nach Trapani, Cefalù oder Catania gehen soll, nur sehr unregelmäßig. Und keine Angst vor dem palermitanischen Verkehr. Eherner Grundsatz ist: „Mach was du willst - aber mach es klug und ohne Zögern“. Das ist sehr gewöhnungsbedürftig. Allerdings ist es notwendig um eine Straße zu überqueren oder mit dem Auto in den Verkehr zu kommen, denn es gibt reichlich wenig Ampeln in Palermo und die wenigen die es dann gibt, sind wahrscheinlich außer Betrieb. Also muss man sich irgendwann ein Herz nehmen und mit überlegten und selbstbewussten Schritten über die Straße – es klingt albern, aber die Autos werden (!) bremsen. Und wirklich: Einmal auf der Straße, niemals anhalten oder zurück! Das bringt den Verkehr total durcheinander und dich in gefährliche Situationen. Am besten hängt man sich dafür die ersten Tage in den Windschatten der Einheimischen, so dass man ein Gefühl für die Situation bekommt. Ist nämlich nicht ganz so einfach, spielt sich dann aber schnell in einen Automatismus um. So sehr dass ich zurück in Augsburg ein, zweimal in eine reichlich gefährliche Situation kam.. Zur Lebenshaltung in Palermo gilt nur folgendes zu sagen. Solange man sich traut auf die entsprechenden Stadtmärkte (Vucciria, Ballaró,..) zu gehen und zu kaufen, sind die Kosten für frisches Gemüse, gutes Fleisch und wirklich guten Fisch gemessen an Deutschland verschwindend gering. Supermärkte verkaufen genormte Produkte wie in Deutschland (es gibt Lidl in Palermo) sind aber auch etwa im Rahmen der deutschen Preise - nur Milchprodukte und Kosmetika explodieren preislich nach obenhin. Ich habe eigentlich immer auf dem Ballarò eingekauft – leider habe ich aber oft um einen fairen Preis diskutieren müssen. Handeln muss man schon können und lernen, wenn man auf den Märkten bestehen will. Am besten sucht man sich dafür einen speziellen Stand aus, nach dem man sich ein wenig durchprobiert hat und hält diesem die Treue. Dann kann eine gewisse Sympathie und Vertrautheit zwischen dir und dem Händler entstehen und auch, ich nenne es mal, ein freundschaftliches Verhältnis. Das war für mich sehr schwer und hat erst ab dem letzten drittel meines Aufenthalts geklappt. Denn ich als blonder, offensichtlich Deutscher mit einer Handvoll Schulitalienisch als verbale Ausstattung hatte immer auf Unerwünschtheit und Dreistheit zu parieren. So wollten mir die Händler anfangs das Kilo Orangen nicht zum ausgezeichneten Preis geben, das Kilo bei 80 Cent, sollte 2€ kosten. Oder im Kiosk/Späti kostete das Bier auf einmal 2,5€, obwohl ich es gestern noch für 1,5€ bekommen hatte. Auf meine freundlichen Hinweise dass ich nur den Preis zahlen will, der angeboten wurde, schlugen mir mehrfach, mir unverständliche aber ziemlich barsche und böse Verwünschungen, entgegen. Diese Art von Spielchen waren für mich anfangs sehr frustrierend und ermüdend, so dass ich zeitweise keine Lust mehr hatte auf den Markt zu gehen. Ich habe lange gebraucht bis ich verstanden habe, dass man Feuer mit Feuer bekämpfen muss und mit der Zeit und einigen palermitanischen Redewendungen, z. T. ziemlich üblen, habe ich es dann auch geschafft mir einen Duldungsstatus und Respekt zu verschaffen. Trotz der Rückschläge und der häufigen Überforderung, hat das ganze dann auch irgendwann Spaß gemacht. Man darf nur nicht den Mut verlieren. Vom kulinarischen und kulturellen zum eigentlich wesentlichen eines Auslandssemesters: den Kursstrukturen und Studium selbst. Leider hat es bei mir studientechnisch nicht so wirklich hingehauen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Die von mir gewählten Kurse im Fachbereich Englisch wurden allesamt auf Italienisch gehalten, was so nicht in der Kursbeschreibung einsichtig war. Ich fand es wenig hilfreich einen Kurs über Shakespeare oder die Geschichte der englischen Sprache in einer Lehrsprache zu besuchen, die ich nicht wirklich verstand. Ich habe also versucht den Vorlesungen trotzdem zu folgen. Nach 6 Wochen habe ich dann den Besuch der entsprechenden Kurse abgebrochen. Die regelmäßigen Verspätungen der Dozenten, manchmal bis zu 45-60 Minuten, der allgemeine Lautstärkepegel im Hörsaal und das ausschließliche Dozieren und Vorlesen aus Lehrbüchern war mir schlicht zu lahm und hat mich nur Nerven gekostet. Dieses Kurs- und Vorlesungsverhalten ist aber in italienischen Universitäten üblich. Fachlich hatte ich auch einfach schon vieles in Kursen in Augs- burg gehört oder geprüft bekommen und hatte darum nicht wirklich einen informativen Mehrwert von alldem. (Leider waren die Kursbeschreibungen im Internet sehr undetailliert beschrieben, sonst hätte ich mich vielleicht für andere entscheiden können) Weiterhin konnte ich mir die Veranstaltungen in Augsburg nicht so anrechnen lassen (wäre bei mir in den Wahlbereich gewertet gewesen), dass es die Mühe noch gelohnt hätte. Auch die organisatorischen Mühen wegen dem Learning Agreement oder der allgemeinen Einschreibung erforderten große Geduld von mir. Wartezeiten bis zu einer Stunde sind normal und dann war noch nicht mal sicher ob die entsprechende Person, sich dafür zuständig sieht. Häufig wurde ich weitergeschickt. Ich fühlte mich zeitweise wie in „Asterix erobert Rom“ auf der Suche nach „Passierschein A38“. Irgendwann begegnet man diesem Chaos mit Gelassenheit – man muss ja auch, sonst verliert man die Nerven. Ich hatte immer ein Buch zu lesen mit. Hat dann doch alles ganz in Ordnung bei mir geklappt und im Zweifel ist Hr. Orthofer im Auslandsbüro, den man gerne bei Schwierigkeiten oder einfach so mal für einen kulinarischen Tipp besuchen und fragen kann. Trotz dieser Probleme für mich an der Uni und in den Kursen, erwarb ich einige Credits. Am Anfang des Semesters hatte ich einen zwei-wöchigen Italienisch-Kurs der Uni Palermo besucht, den ich mir in den Wahlbereich in Augsburg anrechnen ließ. Dieser ist kostenlos und absolut zu empfehlen, man lernt nicht nur die Sprache sondern auch die kulturellen Eigenheiten Siziliens kennen und nebenzu noch seine ERASMUS-Kommilitonen. So habe ich erste Kontakte und lose Bekanntschaften machen können. Wenn man es nicht in den Sprachkurs schafft, dann gibt es aber auch genügend andere Möglichkeiten neue Leute kennen zu lernen. Die ERASMUS-Organisationen ESN und ETU veranstalten regelmäßig Partys oder organisieren Trips, helfen bei Problemen mit der Wohnungssuche oder bieten einen ungezwungen Plausch mit Tutoren im Café an. Ich persönlich habe vom Angebot eher mäßigen Gebrauch gemacht, weil mir die Feierei irgendwann zu viel wurde und ich für mich festgestellt hatte, dass man die Insel und die Attraktionen in und um Palermo besser allein oder in kleinen Gruppen erlebt. Trotzdem: um Anschluss zu bekommen und einfach auch nur wegen der Erfahrung, scheint es mir wichtig sich dieser Sensation ein paar Mal hinzugeben. Man findet dann schon die Leute mit denen man sich längerfristig unterhalten und beschäftigen möchte. Leider ist es mir nie wirklich gelungen aus der Peer-Group „ERASMUS“ hinauszukommen. Gespräche mit Einheimischen oder Italienern (ausgenommen einem ERASMUS-Studenten aus dem Alto-Adige) blieben immer auf einem sehr oberflächlichen, zwar sehr freundschaftlichen aber eben auch distanziertem Level. Der Wunsch, den ich vor meinem ERASMUS hatte, dass ich mich auf Zeit in die italienische Gesellschaft integrieren würde, wurde also irgendwie enttäuscht und ich auf den Boden der Tatsachen geholt. Man ist eben doch nur Besucher und lebt mit ERASMUS und dem Studium immer in einer Art Parallelgesellschaft, die wenig mit dem Status des Landes zu tun hat. Es gibt Überschneidungen dieser Wirkungsfelder, aber keine ausreichende Durchdringung des Nationalsentiments oder Landesmentalität. Vielleicht habe ich auch einfach zu wenig Zeit in Italien gehabt um bestimmte Schlüsse ziehen und Verständnis für Sachlagen entwickeln zu können. Manches fühlte sich so widersinnig und antiquiert an, vor allem die gesellschaftlichen Zustände, dass es lange gebraucht hat, bis ich Dinge so annehmen konnte wie sie eben waren. Besonders schön illustriert sich das am Beispiel der Mafia. Die Cosa Nostra oder ähnliche Kriminalsysteme treten nicht wie im Actionfilm in der Gegend auf. Trotzdem ist sie da, auch wenn man eine Zeit dafür braucht, die Details zu sehen und man nie selbst davon betroffen werden würde. Das liegt auch im Interesse der Verursacher, denn am meisten verdient die Mafia am Tourismus auf Sizilien. Deutlich treten diese Verhältnisse in der Hotel/Übernachtungsbranche oder im illegalen Straßenverkauf auf. Man kann leicht jede Wette gehen, dass das Hotel das man bucht, Schutzgelder abtritt oder durch einen Strohmann, nicht sogar ganzheitlich in die kriminelle Wertschöpfung gehört. Das Strandtuch oder Sonnenbril- len werden am Strand von dutzenden Flüchtlingen aus Südostasien verkauft, die unter falschen Versprechungen nach Italien geholt und dann zu Zwangsarbeit genötigt werden, da die behördlichen Kosten, die die Mafia übernommen hat, abgearbeitet werden müssen. Die Mafia hält sich solche modernen Sklaven jahrelang, bis diese dann in die „Freiheit“ entlassen werden. Auch der Umgang mit Flüchtlingen und den Armen in der Gesellschaft ist einfach miserabel. Viele Leute schlafen unter Brücken oder in Hausgängen und haben meistens nichts bis auf das was sie am Körper tragen. Das alles resultiert aus den Mühlen der Mafia: sie ist Motor und Problem der Region. Ohne Mafia würde jede Art von Wirtschaft in Sizilien zum raschen Stillstand kommen, mit der Mafia entstehen die prekären Zustände der Gegenwart. In der Bevölkerung gibt es keine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema: man nimmt es gern als ewigen Teil des Lebens hin und zeigt keine große Initiative ein Problem zu lösen. Die Sizilianer fühlen sich von der italienischen Regierung in Rom enttäuscht und belassen die Dinge so, wie sie immer irgendwie liefen: und zwar mit der Mafia. Solche Zustände haben mich wirklich betroffen gemacht. Trotzdem haben mich diese Erfahrungen sensibilisiert und reifer werden lassen. Angst hatte ich nie, weil das ja immer gleich gefragt wird, und solange man mit einem gesunden Menschenverstand die Situationen lesen kann und bestimmte Gegenden zu bestimmten Zeiten meidet, braucht man das auch nicht. Nur eine Bitte: als Besucher von Palermo so wenig als möglich die mafiösen Zusammenhänge unterstützen. Man unterstützt Kriminalität nie wieder so unmittelbar wie dort. Als Fazit lässt sich für mich feststellen, dass die Zeit in Palermo zwar sehr schön, lehrreich und spannend war, aber leider nicht besonders hilfreich im Bezug auf mein Studium. Natürlich ist das meiner Studienwahl Anglistik vor allem anzulasten und dass ich ohnehin schon relativ weit in meinem Studium bin. Trotzdem hat mich es schon massiv enttäuscht, einen Englischkurs zu belegen der nicht in Englisch gehalten und dann noch so uninformativ war. Ich würde also jedem der nicht gerade, Italo-Romanistik oder Geschichte mit Schwerpunkt „Alte Geschichte“ studiert, empfehlen, sich und die angebotenen Kurse ganz aber auch wirklich ganz genau zu prüfen, ob ein Aufenthalt fachlich lohnt. Meine Kommilitonen aus der Kulturwissenschaft waren begeistert von Filmseminaren und Tourismuskursen. Vielleicht ist da auch wieder was die nächsten Jahre dabei. Das kam also gut an. Studenten der Anglistik würde ich kategorisch davon abraten. Ich halte es einfach für wenig clever. Einheimische übrigens auch nicht: die haben gelacht, als ich gesagt habe, ich wäre hier um Englischkurse zu belegen. Abgesehen davon habe ich eine Menge über mich, den Umgang mit fremden Menschen und eine Sprache besser verstehen und sprechen gelernt. Auch hat der Aufenthalt mir meine persönlichen Probleme in voller Deutlichkeit präsentiert. Dazu habe ich dann auch Lösungen finden müssen und auch gefunden. Geholfen hat mir das italienische Flair und die häufige Überforderung, der ich mit Lösungsstrategien ja irgendwann begegnen musste um nicht völlig den Verstand zu verlieren. Ich nehme vor allem für meine doch sehr deutsche Einstellung mit, dass egal welche Situation man gerade erfährt, so bedrohlich und unmittelbar wie es auch geht, man mit törichter Gelassenheit und Übersicht, die Sache schon irgendwie gut geschaukelt bekommt. Ob auf dem Markt mit dem brüllenden Lärm der Händler, die einen über's Ohr hauen wollen, oder den absurden bürokratischen Wegen, wenn man sich im Wald verlaufen hat, weil die Beschilderung falsch war oder im reißenden, hupenden Stadtverkehr. Alles nicht zu ernst nehmen, locker bleiben, leben und leben lassen. Man kommt immer lebend raus. Damit führt man ein deutlich entspannteres Leben. Genug vom Phrasendreschen. Ein Aufenthalt in der sizilianischen Hauptstadt lohnt sich – wahrscheinlich ist ein ganzes Jahr noch schöner. Promis! Palermo war also eine Erfahrung dir mir wirklich alles bedeutet.