Das Gymnasium in Rheinland-Pfalz 1-2014
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Das Gymnasium in Rheinland-Pfalz 1-2014
GRUSSWORTE 15 Foto: Carsten Costard Vertreterversammlung 2013 Bildungsministerin Doris Ahnen nahm zu aktuellen bildungs- und schulpolitischen Themen Stellung von Josef Zeimentz Es ist inzwischen ein guter Brauch, dass die Spitze des Bildungsministeriums an der Festveranstaltung im Rahmen der Vertreterversammlung des Philologenverbandes teilnimmt und ein Grußwort an die Festversammlung richtet. In ihrer Grußansprache in Stromberg nahm Bildungsministerin Doris Ahnen zu den aktuellen bildungs- und schulpolitischen Themen Stellung und ging auf einzelne Punkte der Begrüßungsrede des Landesvorsitzenden Malte Blümke ein. Zu Beginn ihrer etwas mehr als halbstündigen Rede vor der Festversamm- lung in Stromberg bedauerte sie, wie schon zuvor der Landesvorsitzende, mit Blick auf die gerade abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen in Berlin, dass man sich dort nicht auf ein Beenden des Kooperationsverbotes zwischen dem Bund und den Ländern einigen konnte. Eine solche Aufhebung wäre ein wichtiger Schritt für die Länder bei der Finanzierung ihrer Bildungseinrichtungen gewesen. Ausgehend vom Motto der Vertreterversammlung »Mit uns macht Bildung Schule« beschäftigte Bildungsministern Doris Ahnen sich sodann mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten dieses Mottos, je nachdem wo man den Betonungsschwerpunkt setze. Sie erklärte, wenn dabei der Bedeutungsschwerpunkt auf den Begriff Bildung gelegt werden sollte, dann könne sie sich selbst ebenfalls gut mit diesem Motto als Grundlage und Mittelpunkt des schulischen Lebens identifizieren, denn es müsse immer klar sein: »Man kann unterschiedliche Ansätze haben, aber die große Brücke, über die wir gehen, ist die, dass wir für unsere Kinder eine möglichst gute, eine optimale Bildung wollen«, so Bildungsministerin Ahnen wörtlich. Heft 1/2014 GRUSSWORTE Was ist gute Bildung? Bildungsministerin Ahnen betonte, dass in ihrem Verständnis für eine gute Bildung ein hoher fachlicher Standard der Lehrkräfte unabdingbar sei, »weil in dieser Welt kein Mensch so viel fachliches Wissen haben kann, dass er ohne Orientierung und ohne permanente Weiterentwicklung seiner Kompetenzen überhaupt noch sinnvolle Antworten geben könnte, und deswegen spielt dieser Aspekt eine zunehmende Rolle.« Dazu gehöre aber unabdingbar, dass gleichzeitig die »personalen Kompetenzen« der Lehrkräfte gestärkt würden. Nur so könne auch die Fachlichkeit auf Dauer erhalten bleiben. Zu Bildungschancen Für Bildungsministerin Ahnen gehört es dazu, dass in der Frage der Bildungschancen diese nicht einfach zugeteilt werden, sondern jeder einzelne die gleichen Bildungschancen hat und sich dann die eigenen Chancen und den Fortschritt selbst erarbeitet. Dazu gehört für sie ein weiterer Abbau der sozialen Disparitäten. »Ich will ein hohes Leistungsniveau, aber ich will auch einen Abbau der sozialen Disparitäten«, so die Bildungsministerin. Vertreterversammlung 2013 der gibt, die signifikant über dem Bundesdurchschnitt liegen – Bayern und Rheinland-Pfalz«. Auch in der Frage der »sozialen Selektivität« sei Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren messbar besser geworden. Dies sei ein Beleg dafür, dass der Abbau von sozialen Disparitäten und die Beibehaltung eines hohen Leistungsstandes durchaus machbar seien. Dies müsse auch weiterhin gewährleistet werden, denn sonst drohe auf lange Sicht die Gefahr, »dass die Gesellschaft ihren Zusammenhalt verliert«, so Ahnen wörtlich. Zur Arbeit in den Schulen und zur Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit Bildungsministerin Ahnen betonte die Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit und zeigte sich überzeugt, dass die guten Ergebnisse für Rheinland-Pfalz bei den Ländervergleichen auch viel mit der guten Arbeit in den Schulen zu tun habe, die in den letzten Jahren auch sehr viel stärker in der Öffentlichkeit anerkannt werde. In der Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit pflichtete sie dem Landesvorsitzenden Malte Blümke bei, dass es in den Schulen zu allererst auf »das tägliche Handeln« und auf die einzelne Lehrerpersönlichkeit ankommt, und das »jenseits aller Strukturen und jenseits aller strukturellen Fragen«, so Ahnen und hob hervor, Schulen müssten aber nicht nur durch gute Lehrerpersönlichkeiten und gute Ressourcen unterstützt werden, »sondern auch durch förderliche Strukturen.« Zur Schulstrukturdebatte Bildungsministerin Doris Ahnen betonte, dass in der Schulstrukturfrage bislang die Landesregierung manche Dinge, wie die überstürzte flächendeckende Einführung eines achtjährigen Gymnasiums gegen den Bundestrend nicht gemacht habe, andere Dinge wie die Ganztagsschule aber sehr wohl. So habe man mit guten Gründen auch das achtjährige Gymnasium nur im Verbund mit der Ganztagsschule zugelassen. Generell erklärte die Bildungsministerin zum Konzept der Landesregierung: »Wir wollen alle Kinder gleich gut fördern und wollen jedem Kind und jedem Jugendlichen ein Angebot machen, dass jedes Kind optimal geFoto: Carsten Costard 16 Rheinland-Pfalz im Ländervergleich Doris Ahnen verwies auf die sehr guten Ergebnisse für Rheinland-Pfalz bei Ländervergleichen im Leseverständnis und in den Fremdsprachen, aber auch bei Mathematik und den Naturwissenschaften. Diese Ergebnisse seien nicht nur in den Gymnasien, sondern in allen Schularten erzielt worden. Die Bildungsministerin zeigte sich stolz darauf, dass es bei dem sehr guten Ergebnis bei den Naturwissenschaften »nur zwei westdeutsche LänHeft 1/2014 Dr. Thorsten Ralle (Vorsitzender Landeselternbeirat), Dr. Irmtraud Heym (Vorsitzende Elternverein Rheinland-Pfalz), Dr. Birgit Pikowsky (Direktorin Pädagogisches Landesinstitut), Klaus-Günter Süssmann (Leiter der Schulabteilung bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier) 1.Reihe v.r.n.l.: GRUSSWORTE Vertreterversammlung 2013 17 Dazu erklärte sie, sie könne die regelmäßig geäußerten Sorgen des Philologenverbandes um die Gefährdung des Gymnasiums nicht teilen, wenn in den letzten Jahren fast auf jeder Vertreterversammlung von der Einrichtung neuer Gymnasien berichtet werde. Zur immer wieder geäußerten Bevorzugung der integrativen Systeme durch die rot-grüne Landesregierung verwies sie auf die hohe Zahl der verschiedenen Schulformen in Rheinland-Pfalz, die gleichmäßig über das Land verteilt seien. Alleine diese Zahlen zeigten, dass die Gymnasien in Rheinland-Pfalz nicht an den Rand gedrängt würden. Zu der Freigabe des Elternwillens führte die Ministerin aus, sie habe gute Erfahrungen mit den Entscheidungen der Eltern. Viele Eltern wollten ihr Kind zum Beispiel an einer IGS anmelden, »da sie die Wege für die Kinder suchen, die für sie am geeignetsten sind.« Deshalb gebe es auch keinen Grund, den Übergang zu reglementieren. Die Übergangsquoten seien zudem bundesweit gestiegen, auch in Ländern, die die Übergänge mehr reglementiert haben. Ahnen ergänzte, da Bildungswege nicht über administrative Wege »zugeschrieben werden« könnten, müsse das Land überzeugende Alternativen bieten. So gebe es zum Beispiel inzwischen viele unterschiedliche Wege zum Abitur, über das Gymnasium, die IGS, die Realschule plus und zunehmend über die beruflichen Gymnasien, und alle diese Wege seien »qualitativ gut abgesichert«, so die Ministerin. Zur Unterrichtsversorgung Bildungsministerin Doris Ahnen konzedierte, dass es im letzten Jahr für die Gymnasien »einen Ausreißer« ge- Foto: Carsten Costard fördert wird und es gleichzeitig eine großes Durchlässigkeit gibt.« Die Felke Sinfonics, Emanuel-Felke-Gymnasium Bad Sobernheim, Leitung Studiendirektorin Stefanie Ludes geben habe. Man habe aber »nachsteuern« können und die Versorgung habe sich deutlich verbessert. Dieser Versorgungsgrad werde auch bei der neuesten Statistik zur Unterrichtsversorgung ungefähr so bleiben. Zum »guten Lehrer« und dem Lehrerpreis des Philologenverbandes Ahnen freute sich, dass mit Peter Seufert vom Immanuel Kant-Gymnasium in Pirmasens ein rheinland-pfälzischer Lehrer einen der Hauptpreise gewonnen habe. Dies zeige das hohe Ansehen, dass die rheinland-pfälzischen Lehrkräfte auch bei den Schülern genössen, denn schließlich sei dieser Lehrerpreis auf Vorschlag der Schüler vergeben worden. Sie zitierte aus den Begründungen der Schüler für ihre Nominierungen zur Preisvergabe, die zum Beispiel als Begründung für die Nominierung festhielten, »weil sie [die Lehrkraft] ihren Beruf mit viel Freude und Leidenschaft ausübt« oder »weil sie [die Lehrerin] extensive Freude daran hat, andere beim Lernen zu unterstützen«. Oder: »Er [der Lehrer] will, dass alle Schüler dem Unterricht problemlos folgen können«. Sowie; »Er [der Lehrer] versucht, aus jedem das Beste rauszuholen.« Bildungsministerin Ahnen hielt fest, ein besseres Urteil könne über die Arbeit der rheinland-pfälzischen Lehrkräfte nicht abgegeben werden, denn dabei gehe es »immer um einen guten, einen interessanten Unterricht, […] aber auch darum, dass Lehrerinnen und Lehrer auch außerhalb der Schulen für die Probleme und Sorgen der Schülerinnen und Schüler ansprechbar sind.« Und weiter: »Dies tun Lehrer in Rheinland-Pfalz in hervorragender Weise, die Quote derjenigen, wo es nicht so gut läuft, ist vergleichsweise gering.« Zur Einstellungspolitik und zur Forderung nach Übernahme der Zeitarbeitsverträge Bildungsministerin Ahnen betonte in diesem Teil ihrer Rede vor der Versammlung in Stromberg zunächst, dass Rheinland-Pfalz inzwischen den höchsten Anteil junger Lehrkräfte im bundesweiten Vergleich habe. Dies sei aber im Gegensatz zu anderen Bundesländern nur deshalb gelungen, weil Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren deutlich mehr junge LehrkräfHeft 1/2014 18 GRUSSWORTE Vertreterversammlung 2013 Preis bezahlen müssen.« Über den Weg und ob die Durchführung der Schulbuchausleihe zu bürokratisch sei, sei sie bereit zu streiten, insgesamt sei dies aber »ein Thema, an dem Schule und Bildungspolitik nicht vorbei kann.« Foto: Carsten Costard Abitur und Bildungsstandards te eingestellt habe. Jetzt gelte es auch, einen Einstellungskorridor zu erhalten, denn sonst werde es in naher Zukunft überhaupt keine Einstellungen mehr geben können. Deshalb könne man auch nicht »jedes Jahr absolut stellen«. Eine sofortige Entfristung aller Zeitarbeitsverträge würde im Übrigen einen Einstellungsstopp für alle Referendarinnen und Referendare bedeuten. Deshalb bemühe sich das Land um den allmählichen Aufbau eines Vertretungs-Pools von eintausend Beamtenstellen über mehrere Jahre hinweg. Zur Debatte um die Inklusion Wie schon zuvor der Landesvorsitzende des Philologenverbandes verwies Bildungsministerin Ahnen auf die hohe Emotionalität dieses Themas auch für Eltern und bat um einen sensiblen Umgang. Mit Blick auf die Kritik an den neuen Regelungen im Schulgesetz zeigte sie sich überzeugt, dass »ein Staat, der versucht, alles zu entscheiden und bestimmte Wege vorzugeben«, an dieser Stelle einen Fehler mache. Zielvorgabe der neuen Regelungen sei eine »Wahlmöglichkeit für alle Heft 1/2014 Eltern, die sie realisieren können«. Außerdem zeigten die Zahlen, dass die Eltern ihre Kinder auch weiterhin an den Förderschulen anmeldeten. Die Bildungsministerin erklärte weiter, als Konsequenz aus diesen Überlegungen solle nun ein System von Förderschulen und Schwerpunktschulen in der Region aufgebaut werden, und auch die Gymnasien könnten sich nicht verschließen. Nicht wenige an den Gymnasien wollten im Übrigen schon jetzt Wege entwickeln, wie Inklusion auch am Gymnasium gehen könne, und diese wolle sie nicht aufhalten. Zur Lernmittelfreiheit Die Ministerin führte aus, sechzig Prozent der Schülerinnen und Schüler des Landes nähmen schon jetzt an dieser Ausleihe teil. Dies zeige, dass in der Vergangenheit »bei vielen Eltern in diesem Bereich ein Problemdruck« gewesen sei und »dass es für nicht wenige in dieser Gesellschaft eine richtig große Rolle spielt, ob sie nur ein Drittel des Schulbuches bezahlen müssen oder sie den vollen Als letztes Thema schnitt Bildungsministerin Doris Ahnen das Thema der bundesweiten Qualitätsstandards und des Abiturs an. Bekanntlich ist Rheinland-Pfalz das letzte Bundesland mit dezentralem Abitur, und im Zuge der Reformen sollen zentrale Elemente auch in das rheinland-pfälzische Abitur eingeführt werden. Die bundesweiten Bildungsstandards befinden sich zur Zeit in der sogenannten Implementierungsphase, und es soll in der nächsten Zeit noch viele und intensive Beratungen der Expertengruppen dazu geben. Ministerin Ahnen erklärte, dabei setze sie auch auf die Expertise der Fachleute des Philologenverbandes. Die Ministerin hielt abschließend fest, dass das rheinland-pfälzische Abitur ein sehr hohes Ansehen genieße und dass auch Rheinland-Pfalz Aufgaben in den bundesweiten Aufgabenpool einbringen werde. Dabei erweise sich ironischerweise die Dezentralität des bisherigen Abiturs in Rheinland-Pfalz geradezu als Vorteil, denn »Länder mit Zentralabitur haben nur wenige Aufgaben, die sie beisteuern können«, und Lehrer aus Rheinland-Pfalz seien in den Kommissionen deshalb sehr begehrt. Insgesamt soll aber an dem grundsätzlichen dezentralen Abitur in Rheinland-Pfalz festgehalten werden. Es komme darauf an, dass ein neues Verhältnis gefunden werden müsse »zwischen dem, was dezentral gestellt und was zentral gestellt wird«, so die Ministerin.