Frauen

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Frauen
Britta Thege
Gender and HIV/AIDS in Afrika
UN-Statusbericht zur AIDS-Epidemie 2006
Weltweit stieg die Anzahl der erwachsenen Frauen mit dem HIVirus im Vergleich zu 2004 um 1 Million auf 17,7 Millionen an.
(siehe Abbildung)
im südlichen Afrika sind es 59%,
in der Karibik, dem Nahen Osten, Nordafrika und Ozeanien
fast die Hälfte
in Asien, Osteuropa und Lateinamerika steigt der Anteil der
HIV-positiven Frauen weiterhin an.
Afrika südlich der Sahara
Im gesamten Gebiet südlich der Sahara infizieren sich Frauen
mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als Männer mit HIV,
d.h. die Epidemie betrifft hier überproportional stark Frauen, vor
allem in den jüngeren Altersgruppen.
Die Ansteckung erfolgt überwiegend durch heterosexuellen
Geschlechtsverkehr und unsafe sex ist die Hauptursache für die
Ansteckung. Der Mann bestimmt, ob er ein Kondom benutzt
oder nicht.
In Südafrika beispielsweise haben sich die Todesfallraten bei
Frauen zwischen 1997 - 2004 verfünffacht, bei Männern
verdoppelt – Südafrika hat jetzt ein Stadium erreicht, in dem
immer mehr Menschen sterben.
Wie lässt sich das erklären?
These 1
Für ein besseres Verständnis des sexuellen Verhaltens,
insbesondere der schwarzafrikanischen Bevölkerung, muss das
kulturelle Konzept von Sexualität, dem Körper und der
Person berücksichtigt werden.
Bedeutung kultureller Systeme (Thornton 2002)
Vorstellungssystem: Körper von Mann und Frau beim Sexualakt als
„durchlässig“ gedacht, beide tauschen Körperflüssigkeiten aus (flow of
substance) und absorbieren sexuelle Substanzen von einander (semen and
vaginal fluid)).
Beide sexuellen Substanzen werden als Ausprägungen von Blut gedacht,
das beim sexuellen Kontakt beider Partner gemischt wird. Beim
Sexualakt wird das Blut an die Kinder weiter gegeben, wenn es zu einer
Befruchtung kommt, und diese Blutlinie verbindet auf die Zukunft
(Kinder) mit der Vergangenheit (Ahnen).
Diese traditionellen südafrikanischen Vorstellungen von Sexualität und
Körper haben Einfluss auf den Kondomgebrauch und erklären die oft
gehörte Betonung des „flesh to flesh contact“.
Auf den sozialen Kontext erweitert, wird der “flow of sexual substance
between persons” durch den “flow of gifts and money” (Geschenke und
Geld) begleitet.
“Contemporary southern African representations of the body and
practices of sexuality point toward a concept of ‘flows’ of bodily
substance and gifts that go both ways in the (hetero-) sexual
encounter, that is, both men and women absorb the sexual fluids
of each other in a sexual contact. This implies a concept of the
person that is permeable to both physical and ‘spiritual’
substances of other persons, rather than – or perhaps in addition to
– a (‘Western’) concept of ‘the individual’. … It suggests a
different concept of the biological boundaries of the person that is
rooted in cultural concepts of the body, especially the sexual body.
This has far-reaching effects in decision about use of condoms,
but more than this, points towards a set of distinctive beliefs about
sex that must be understood in terms of representations of the
body, of sex and sexuality, and of the notion of the nature of the
person in southern African society.” (Thornton 2002).
Ursachen?
Die überproportionale Betroffenheit von Frauen und Mädchen
hat jedoch andere Ursachen und basiert auf dem
Geschlechterverhältnis, das durch traditionelle patriarchale
Normen und Wertvorstellungen geprägt ist.
These 2
Die sexuelle Unterdrückung der Frauen ist eine der
Hauptursachen für die rapide Ausbreitung von HIV/AIDS auf
dem afrikanischen Kontinent. Es gibt einen eindeutigen
Zusammenhang zwischen der Konstruktion weiblicher Sexualität
und der Verbreitung von HIV/AIDS. Während HIV/AIDS ein
Gesundheitsproblem ist, ist die Epidemie ein Genderproblem.
Durch die Epidemie werden extreme Gewaltbeziehungen
zwischen den Geschlechtern ans Licht gebracht, die auf rigiden
Gendernormen basieren und durch Kultur und Religion - sowohl
traditionell wie christlich - legitimiert sind.
Eine Vielzahl von Studien belegt den weit verbreiteten Missbrauch
von Frauen durch Männer, es gibt ein sehr hohes Ausmaß von
„non-consensual sex“. Die Realität vieler Frauen in Afrika ist
eine anhaltende Verletzung ihrer reproduktiven und sexuellen
Rechte.
Es ist Frauen nicht möglich, safer sex in einer Missbrauchsund Gewaltbeziehung durchzusetzen.
Gewalt in intimen Beziehungen und HIV/AIDS
spielen wie folgt zusammen (WHO):
Direkte Ansteckung durch sexuelle Gewalt, d.h. durch
erzwungenen Geschlechtsverkehr mit einem HIV-infizierten
Partner,
indirekte Ansteckung durch sexuelles Risikoverhalten, d.h.
Mehrfachpartnerschaften oder transaktionalen Sex,
indirekte Ansteckung durch unsafe sex, z.B. wenn Gewalt bei dem
Wunsch nach Kondomgebrauch angedroht wird,
indirekte Ansteckung durch die Partnerschaft mit älteren Männern
(WHO 2004).
Die HIV/AIDS Pandemie enthüllt die Widersprüche zwischen den
formalen bzw. gesetzlichen Rechten der Frauen in postkolonialen
Staaten wie Südafrika (u.a.), und ihrer anhaltenden kulturellen und
sexuellen Unterdrückung Es spiegelt sich hierin der Einfluss von Armut,
Geschlechterrollen, Kultur und Religion wieder. Fast überall in Afrika
ermutigen soziale Normen und kulturelle Werte Männer dazu, Macht
über Frauen auszuüben und oftmals befürworten sie das Ausüben von
Gewalt und sexuellem Zwang, inklusive Zwangsheiraten.
In der Regel finden die sexuellen Bedürfnisse von Männern zu einem sehr
viel größeren Ausmaß Berücksichtigung als die von Frauen; viele Frauen
und Männer definieren Sexualität zum größten Teil durch das, was
Männern gefällt, dazu gehören auch eine Reihe kultureller Praktiken
(“dehumanising cultural practices”; Sakala 1998), die
nachgewiesenermaßen das Risiko der Übertragung von
Geschlechtskrankheiten und HIV bei Frauen erhöhen, wie trockener Sex,
Witwenvererbung und Witwenreinigung, Genitalverstümmelung.
Sexuelle Gewalt ist besonders in Südafrika eskaliert, die
Erfahrung von non-consensual sex scheint fast die Norm im
Leben einer südafrikanischen Frau zu sein. Alle 36 Sekunden
wird dort eine Frau vergewaltigt, alle 6 Stunden ein Frau von
ihrem Intimpartner getötet.
Vergewaltigung ist die sexuelle Manifestation männlicher
Aggression und ein Akt extremer Gewalt mit sexuellen Mitteln
sowie eine Manifestation männlicher Dominanz über Frauen. Was
die HIV/AIDS Epidemie im südlichen Afrika letztendlich offen
legt, ist das Fortbestehen der sexuellen Unterdrückung von
Frauen, die durch Kultur und Religion verstärkt wird. AIDSPrävalenz in Afrika ist eine direkte Folge der Menschenrechtsverletzungen von Frauen und Mädchen.
Befragung südafrikanischer Mädchen (Kaiser
Family Foundation 2000):
„Ich wurde zum Sex gezwungen.“
ja: 39%
„Ich hatte Angst, nein zu Sex zu sagen.“
„Manchmal möchte ich keinen Sex, aber mein Freund besteht
darauf.“ ja: 55%
ja: 33%
Sugar Daddies
Ein weit verbreitetes Verhaltensmuster im südlichen Afrika ist die
Beziehung junger Frauen zu älteren, wohlhabenderen
Männern, den sogenannten „Sugar Dadddies“ - wobei Sex als
Tauschmittel für Geld, Güter oder geldwerte Vorteile eingesetzt
wird.
These 3
Genauso unwahrscheinlich wie in Gewaltbeziehungen aber ist
Kondomgebrauch in nicht-gewalttätigen Beziehungen. Auch
Frauen in einem nicht-gewalttätigen Kontext haben wenig bis gar
keine Macht, in den verschiedenen Beziehungsformen safer sex
und Schutz vor HIV-Infektion zu verhandeln, und zwar sowohl
aus ökonomischen wie auch romantischen Gründen.
Kondomgebrauch in nicht-gewalttätigen
Beziehungen
Junge Frauen “’cash in’ durch ‘transaktionalen Sex’”, sie
initiieren diese Beziehungen häufig aktiv, um Zugang zu
Ressourcen zu bekommen. Sex steht in Zusammenhang mit dem
Lebensunterhalt und wo nicht notwendig zum Überleben mit
status-erhöhenden Konsumgütern.
Geschenke sind ein wichtiger Teil in Beziehungen in Südafrika,
auch über Sugar-Daddy-Beziehungen hinaus. Carol E. Kaufman
& Stavros E. Stavrou (2002) untersuchten den ökonomischen
Kontext von Geschenken und den Zusammenhang mit
risikohaftem Sexualverhalten, wie unsafe sex und sexueller
Gewalt. Die Studie fand, dass Geschenke unter gleichaltrigen
Jugendlichen üblich sind und wichtig für die Form der sexuellen
Beziehung.
Studie Kaufman & Stavrou (2002)
Die Frauen gaben an: Wollten sie den Mann wieder sehen, wurde das
Thema Kondomgebrauch zum Un-Thema. Aber bis sie den Mann
besser kannten, würden sie darauf bestehen, ein Kondom zu benutzen.
Männer waren der Ansicht, dass, wenn eine Frau ein Geschenk vor oder
nach dem Sex akzeptiert habe, sie kein Recht mehr habe, den Mann um
die Benutzung eines Kondoms zu bitten. Schwarzafrikanische und weiße
Männer bevorzugten Sex ohne Kondom und erwarteten von den Frauen
die Zustimmung, nach ein paar “Sessions” ihren Wunsch nach
Kondombenutzung aufzugeben oder würden sie nicht mehr treffen.
Besonders ältere Männer wollen Sex ohne Kondom mit jungen Frauen
und erwarten Zustimmung, wenn sie ein größeres „Fahrgeld“ anbieten.
Eine wesentliche Erkenntnis der Studie ist, dass nach zwei bis drei
sexuellen Begegnungen weder Männer noch Frauen weiterhin
Kondomgebrauch erwarten.
Studie von Parikh (2004)
Sex ohne Kondom spielt eine wichtige Rolle bei der Umwerbung
(courtship practices). Für viele bedeutet es, dass die Beziehung
von seinem frühen eventuell durch Misstrauen geprägten Stadium
in eine reife monogame Bindung übergegangen ist. Romantische
Liebe also senkt das bis dahin vorhandene Bedürfnis nach
Kondomen/safe sex. Monogamie und Kondome
repräsentierten zwei sich gegenseitig ausschließende Optionen
für safer sex.
Als Strategie, ihre Bindung zu zeigen, schlugen die jungen Frauen
ihrem Partner vor, mit Kondomen aufzuhören. Romantik also
erhöht das Risiko von Frauen. Frauen, die eine romantische
Beziehung haben, verleugneten ganz leicht ihr Ansteckungsrisiko,
um ihr Ideal von Romantik und Monogamie zu bewahren.
Studie von Campbell (2003)
Beobachtung, dass Sex Worker dem erhöhten Risiko einer HIVInfektion ausgesetzt sind, weil ihre Kunden Kondomgebrauch ablehnen,
obwohl die Frauen es wünschten.
Was dann unerwarteterweise zum Vorschein kam und was die
Programmplanung vergessen hatte, war die Tatsache, dass nicht eine
einzige dieser Frauen mit ihrem richtigen Freund/Partner Kondome
benutzte, eben als Bestätigung/Symbol für Vertrauen und Treue.
Das Aufrechterhalten von Mythen über Treue spielte eine
wesentliche Rolle in einer Community, wo es in Wirklichkeit nur
sehr wenig Treue gab (
Ehefrauen).
Dementsprechend fanden junge Leute Kondome in einer festen
Partnerschaft überflüssig und nannten Vertrauen als Hauptgrund für
den Nicht-Kondomgebrauch. Kondome benutzte man allenfalls bei
sexuellen Beziehungen außerhalb der festen Partnerschaft.
Fazit
Generationsübergreifende und transaktionale sexuelle
Beziehungen sind durch materielle Abhängigkeit der Frau vom
Mann charakterisiert und sozio-ökonomische Benachteiligung
wird mit einer Reihe von unsafe sex Verhalten assoziiert.
Geschenke verringern die Chance der Frau, Kondomgebrauch
einzufordern.
Romantische Liebe vermindert das sehr wohl vorhandene
Bedürfnis, Kondome zu benutzen, da der Nichtgebrauch von
Kondomen als Bestätigung (Affirmation) der Liebe, des
Vertrauens und der Treue gesehen wird.
Ehefrauen wiederum sind gefährdet, da sie mit Normen zur Treue
konform gehen (müssen) in einer Wirklichkeit, in der es kaum
Treue gibt.
Präventionsbotschaften gehen an der Realität
von Frauen vorbei, wenn
Abstain from sex
Be faithful
Condomise
… Vergewaltigung und erzwungener Sex „alltäglich“ sind.
Frauen haben keine Wahl
… monogame Frauen durch ihre
Partner angesteckt werden.
Frauen verhalten sich nicht
riskant, ihre Lebenssituation
ist es
… Nötigung und Missbrauch die
Beziehungen prägen.
Frauen können nicht
verhandeln

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