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NETZ & BETRIEB
Neue Zahnradbahn auf den Puy de Dôme
von Dr.-Ing. Christoph Groneck, Bonn
GTW2/6-Doppeltraktion vor dem Wahrzeichen der Auvergne, dem 1465 m hohen Puy de Dôme
Seit Sommer dieses Jahres ist der Aussichtsberg von Clermont-Ferrand,
der 1465 m hohe Puy de Dôme, auf der Schiene erreichbar. Eine Zahnradbahn ersetzte die steile Gipfelstraße auf den als „Grande Site de France“
klassifizierten Vulkan, der jährlich von knapp einer halben Million Ausflüglern besucht wird – damit steht er in der Rangliste der meistbesuchten französischen Naturdenkmäler an zehnter Stelle. Die Zahnradbahn ist
das Produkt langjähriger Bemühungen um einen nachhaltigeren Tourismus, sie setzte sich in der Abwägung gegen Alternativen wie eine Seilbahn, eine Standseilbahn oder ein Translohr-ähnliches Gummireifensystem durch. Ihre Realisierung wurde durch eine Sicherheitsdebatte
beschleunigt, nachdem im Sommer 2007 ein polnischer Reisebus auf einer ähnlich steilen Straße bei Vizille in eine Schlucht gestürzt war und 27
Menschen in den Tod riss.
Bauherr der Zahnradbahn ist das Departement Puy-de-Dôme, dem
auch die vorherige Straße gehörte. Realisierung, Betrieb und Unterhaltung wurden im Januar 2008 für 35 Jahre an den Konzessionär TC Dôme
vergeben, er setzt sich aus SNC Lavalin (51 %) und der staatlichen Sparkassentochter CDC Infrastructures (49 %) zusammen. Die bauliche Ausführung oblag der Sersa Group AG und der Laurent Membrez SA. Stadler
lieferte vier zweiteilige GTW-2/6-Züge ähnlich denen der katalonischen
FGC für die Zahnradbahnen Montserrat und Nuria. Sie sind 36.432 mm
lang, 2600 mm breit und 43,5 t schwer. Jeder Zug fasst 200 Fahrgäste, davon 100 auf 3+1-Bestuhlung sitzend. Einge weitere Daten: Bodenhöhe
595/950 mm, Türweite 1300 mm, Kasten-Längsdruckkraft 800 kN, Achsstände: Motorfahrwerk 2540 mm, Laufdrehgestelle 1800 mm, Raddurchmesser (neu): Triebrad 795 mm, Laufrad 666 mm. Daneben gibt es einen
Plateauwagen, er wird insbesondere zur Versorgung des Gipfelrestaurants
eingesetzt. Insgesamt benötigte man zehn Monate für die Vorbereitung,
neun Monate für den Bau und zwei Monate für die Inbetriebnahme, der
Zeitplan konnte damit eingehalten werden. Allerdings wurden die Eröffnungsfeierlichkeiten am 26. Mai 2012 durch ein starkes Gewitter jäh beendet, die anschließende Beseitigung erheblicher Schäden ließ eine kommerzielle Betriebsaufnahme erst am 16. Juni 2012 zu. Auch danach war
man nicht frei von Pannen. Am 28. Oktober entgleiste ein talfahrender
Zug, der Zwischenfall verlief jedoch glimpflich.
Die insgesamt 5,3 km lange eingleisige Strecke beginnt im Betriebshof
auf 498 m Höhe und führt dann als Adhäsionsbahn bis zur Talstation, an
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Aufnahmen ohne anderen Vermerk: C. Groneck
die auch ein neues Besucherzentrum angegliedert wurde. Anschließend
klettert die Bahn wie im Bilderbuch spiralenförmig den Berg hinauf. Die
mit Fahrgästen zurückgelegte Strecke ist 4,9 km lang und durchgehend
mit Zahnstange versehen. Etwa in Streckenmitte gibt es eine zweigleisige Ausweiche. Parallel zum Gleis wurde auf der Hangseite eine schmale
Asphaltfahrbahn für Notfälle erhalten, die jedoch nicht mehr dem allgemeinen Verkehr zur Verfügung steht. Die einst sehr beliebten Bergankünfte der Tour de France sind ebenfalls nicht mehr möglich, wegen finanzieller Streitereien zwischen lokaler Administration und Veranstalter
hat es sie ohnedies seit 1988 nicht mehr gegeben. Etwas unterhalb des
Gipfels befindet sich auf 1406 m Höhe die Bergstation. Sie ist mit einem
Restaurantkomplex überbaut und damit komplett eingehaust, um im Falle kurzfristiger Witterungsumschwünge auch als Schutzraum für bis zu
1000 Menschen fungieren zu können. Beide Stationen sind eingleisig und
verfügen über beidseitige Bahnsteigkanten zur Trennung von Ein- und
Steilstrecke an der Flanke des Vulkans: Die vorherige Gipfelstraße wurde auf
eine einspurige Notfahrbahn reduziert, um Platz für die Zahnradbahnstrecke zu
schaffen.
stadtverkehr 12/12 (57. Jahrgang)
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Blick in das Fahrzeug; die Panoramablicke richten sich stets zur gleichen Seite
Beachtliche Dimensionen: Die Talstation mit dem neuen Besucherzentrum
Ausstieg. Der Mindestradius der Strecke beträgt 70 m, die Maximalsteigung 155 ‰. Verbaut wurden Y-Stahlschwellen, VST-36-Schienen und
eine lückenlos verschweißte Zahnstange mit dem Profil Strub TN 70. Die
Fahrstromversorgung mit 1500 V Gleichstrom erfolgt per Seilgleiterfahrleitung, im oberen Teil der Strecke ist die Oberleitung durch Metallgitterplatten vor Unwetterschäden geschützt. Theoretisch kann etwa die Hälfte der bei der Talfahrt gewonnen Energie für die Bergfahrt rekuperiert
werden, bei fehlendem Abnehmer geht die Bremsenergie in die Heizung
oder die Klimaanlage.
Gefahren wird bergwärts mit maximal 30 km/h und talwärts mit 27,5
km/h bzw. bei Gefälle von über 120 ‰ mit 24,5 km/h. Die Fahrzeit für
eine Berg- oder Talfahrt beträgt jeweils etwa zwölf Minuten. Betrieben
wird die Bahn ganzjährig, allerdings mit einer knapp zweiwöchigen Sperrpause im November. In den Sommerferien pendeln zwei Züge im 20-Minuten-Takt. Ansonsten fährt nur ein Zug, der in den anderen Ferien sowie
an Feiertagen einen 30-Minuten-Takt sowie ansonsten einen Stundentakt
herstellt. In den Ferien an allen Tagen und außerhalb der Ferien freitags
und samstags gibt es auch abendliche Fahrten mit einer letzten Talfahrt
um 23.30 Uhr. Bei hohem Fahrgastaufkommen werden Doppeltraktionen
eingesetzt. Sind damit im Sommer alle vier verfügbaren GTW 2/6 im Einsatz, können bis zu 1200 Menschen pro Stunde und Richtung barrierefrei
befördert werden.
Gekostet hat die Anlage 86,6 Mio. EUR. Davon stammen 30 Mio. vom
federführenden Departement, 27,6 Mio. vom Konzessionär, 12 Mio. von
der EU, jeweils 6 Mio. von der Region Auvergne und dem Kommunalverband Clermont-Ferrand und 5 Mio. EUR vom Staat.
Die Bahn hat übrigens eine historische Vorläuferin, die 1907 eröffnet
und bereits 1925 zugunsten der zwischenzeitlichen Straße geopfert wurde. Damals konnte man sogar aus dem Zentrum von Clermont-Ferrand bis
auf den Berg fahren. Mit der neuen Zahnradbahn hat man nun immerhin
erreicht, dass pro Jahr rund 50.000 Straßenfahrzeuge vom Gipfel verbannt
werden, der große Gipfelparkplatz wird renaturiert. Allerdings, und das ist
schon ein gewisses Manko, wurde er letztendlich durch rund 1000 neue
Stellplätze an der neuen Talstation ersetzt. Ein neu eingerichteter Pendelbus aus dem rund 15 km entfernten Clermont-Ferrand wird am ModalSplit der Fahrten bis zum Fuß des Berges wohl kaum etwas ändern können, solange er lediglich ein kümmerliches Angebot mit sieben Hin- und
Rückfahrten pro Tag bietet, und das auch nur in der Sommersaison. ■ ■
Strecke der Zahnradbahn Panoramique des Dômes, Aussicht nach vier Himmelsrichtungen
stadtverkehr 12/12 (57. Jahrgang)
Abbildung/Aufnahmen: G. Fayet für SNC-Lavalin/TC Dôme
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