ESMT Working Paper

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ESMT Working Paper
DER TAGESSPIEGEL vom 02.07.2015
Seite:
Ressort:
011
BRANDENBURG
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BRANDENBURG
Tageszeitung
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Abba bitte mit Erich
Ein Fund im ehemaligen Staatsratsgebäude gibt neue Einblicke in die Fankultur der DDRHardliner
Berlin - Walter Ulbricht, Willi Stoph
und Erich Honecker vergaben im ehemaligen Staatsratsgebäude auf der Spreeinsel am Schloßplatz Auszeichnungen
und empfingen Diplomaten. Doch
eigentlich sehnte man sich auch an diesem hohen Ort der DDR nach Robert
Redford, den Rubettes und Abba, wie
ein Fund im prestigeträchtigen Regierungsgebäude beweist. In den Verwaltungsräumen des Seitentraktes ist eine
verdeckte Postercollage mit Ost- und
Weststars gefunden worden.
Vermutlich verschwand die Collage im
Zuge eines Umbaus vor der Wende hinter einer Schallschutzwand. Erst in den
90ern wurde die Doppelwand geöffnet.
Doch seit der Wende blieb der Raum in
der vierten Etage ungenutzt. Auch während das Bundesbauministerium oder
Bundeskanzler Gerhard Schröder das
Staatsratsgebäude als ihren Sitz nutzten,
stand der Raum vermutlich leer.
"Im vergangenen Frühling wurden die
Räume für Initiativen zur Förderung von
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Start-ups saniert", berichtet Fabian Steinecke, Sprecher der ansässigen European School of Management and Technology. "Dabei fanden die Bauarbeiter
die Wandcollage im sogenannten Kanzleitrakt des Gebäudes."
Seit 1993 steht das Gebäude unter
Denkmalschutz, nebenan entsteht an der
Stelle des abgerissenen Palastes der
Republik das rekonstruierte Stadtschloss. Im Staatsratsgebäude konnten
einige Symbole der DDR, wie die farbigen Glasfenster Walter Womackas zur
Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung oder ein Mosaik des Staatswappens, erhalten werden. Der Kontext beider Symbole für Macht, Geschichte und
Kunst ist recherchierbar und stehen im
öffentlichen Interesse. Die Collage hingegen scheint bisher niemandem aufgefallen zu sein, obwohl sie in ihrem Kontext eine starke Botschaft vermittelt.
"Neben beliebten DDR-Stars wie den
Puhdys, Kati Kovacs und Veronika
Fischer sind unter anderem Starschnitte
der britischen Band The Rubettes und
Robert Redford zu sehen", erzählt Steinecke. Dass Ost- und Weststars auf derselben Collage zu sehen sind, zeigt, dass
selbst Mitarbeiter der Regierung dem
Reiz des Westens nicht widerstehen
konnten. Interessant ist, dass die große
Wand für alle Mitarbeiter der Abteilung
sichtbar war und bis zum Umbau geduldet wurde. Waren vielleicht sogar Stoph
und Honecker AbbaFans? Immerhin ist
auch bekannt, dass Honecker Westfilme
guckte - er ließ sogar Pornos in WestBerlin ordern.
Eine Firma namens GTEC fördert hier
nun junge und internationale Start-ups,
was im Kontext des DDR-Gebäudes den
Wandel zur Weltoffenheit und Globalisierung verdeutlichen soll. Die Collage
wird zur Erinnerung und als Symbol des
Gegensatzes in einem der MeetingRäume des "Metro TechStars Accelerators" hängen. So weltgewandt klingt
man hier, zumindest jetzt. Jan Russezki