Ein Spanier lernt Plattdeutsch

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Ein Spanier lernt Plattdeutsch
WESER-KURIER 02.06.2015
Übersetzungsdienstleister López-Ebri feiert 50-jähriges Jubiläum und lobt Förderpreis über 10 000 Euro aus
Ein Spanier lernt Plattdeutsch
Peter Hanuschke 02.06.2015
Es hat auch am spanischen Diktator Francisco Franco gelegen, dass es in Bremen
die López-Ebri Fachübersetzungen GmbH gibt: Denn eigentlich wollte der Spanier
Enrique López-Ebri einst Diplomat für sein Land werden. Es kam anders: Er lernte
seine spätere Frau kennen und damit war die diplomatische Laufbahn beendet, bevor sie begonnen hatte. Denn seine Frau war protestantische Finnin – das passte
nicht ins streng katholische Spanien. Unter Franco hätte er mit dieser Frau an seiner
Seite keine Karriere als Diplomat machen können. Der sprachbegabte junge Mann
musste umplanen, ging ins Ausland und baute dort etwas auf – mit Erfolg: Seine
1965 gegründete GmbH gehört zu den großen Unternehmen der Branche. 30 festangestellte Mitarbeiter sind im Sitz im Technologiepark in Bremen beschäftigt und
weltweit arbeiten 400 freie Fachübersetzer für López-Ebri.
Die Handelskammer-Urkunde zum Firmenjubiläum überreichte Präses Christoph
Weiss (links) am Montag an Enrique López-Ebri, Inhaber und Geschäftsführer der
Bremer López-Ebri Fachübersetzungen GmbH.
Am Montag wurde das 50-jährige Jubiläum des Unternehmens in der Handelskammer Bremen gefeiert. Die Urkunde der Kaufmannsvereinigung nahm der 76-jährige
López-Ebri persönlich entgegen. Mit dabei seine Tochter Carola López HänninenDessau. Die 52-Jährige ist seit 27 Jahren mit im Unternehmen, seit sieben Jahren als
Co-Geschäftsführerin aktiv.
Die Handelskammer hat für López-Ebri eine besondere Bedeutung – vor allem der
Spruch über dem Portal: „Buten un binnen – wagen un winnen“ von Bremens Bürgermeister Otto Gildemeister aus dem 19. Jahrhundert. „Als ich mich das erste Mal
an einem verregneten Oktobertag auf dem Bremer Marktplatz befand, las ich den
Spruch, und obwohl ich ihn damals nicht verstand – Plattdeutsch hatte bis dahin
noch nicht auf meinem Lehrplan gestanden – wurde er zum Leitfaden meines privaten und unternehmerischen Lebens.“
Das Wagnis, fernab der Heimat ein Unternehmen aufzubauen, war aber mit einer
durchdachten Geschäftsidee hinterlegt, die heute einer der entscheidenden Schlüssel des Erfolgs ist: López-Ebri bot ausschließlich Fachübersetzungen an, die nur von
Muttersprachlern gemacht werden und damit eine hohe Qualität haben. „Das war
damals einzigartig, aber auch überzeugend: Bereits die alten Phönizier als hervorragende Kaufleute der Antike wussten, wenn man verkaufen will, muss man den Käufer in seiner Sprache ansprechen.“ Das, was ihm logisch erschien, sei aber in der
Umsetzung manchmal nicht so einfach gewesen. „In den Anfangsjahren gab es immer wieder intensive Auseinandersetzungen mit dem Arbeitsamt, weil es nicht verstehen konnte, dass ich nicht nur deutsche Übersetzer, sondern in erster Linie Muttersprachler aus den jeweiligen Ländern beschäftigen wollte.“ Da war häufiger Überzeugungsarbeit notwendig, damit diese Mitarbeiter auch die entsprechenden Papiere
erhielten.
Dass der Stammsitz in Bremen ist und bleiben soll, hat einen einfachen Grund: „Ich
liebe Bremen, die Stadt bietet alles, was man benötigt, und man ist im Vergleich zu
anderen Großstädten schnell im Grünen beziehungsweise am Wasser – und ich bin
leidenschaftlicher Segler.“ Das alles habe mit eine Rolle gespielt, „als meine Frau
und ich uns überlegten, wo wir außerhalb von Spanien und Finnland uns eine Existenz aufbauen wollen – sozusagen für uns beide in einem Niemandsland“.
Dass er Bremen überhaupt kennengelernt hat, hatte mit seinem Sprachstudium in
Heidelberg zu tun, das der Jurist mit Blick auf seine damals noch geplante Diplomatenkarriere gemacht hatte. „Um von den süddeutschen Mundarten wegzukommen,
wurde uns von der Universität empfohlen, sich länger in Celle oder Bremen aufzuhalten, um Hochdeutsch zu lernen. Ich entschied mich für Bremen, weil mir Celle dann
doch zu provinziell erschien, und machte ein sechsmonatiges Praktikum in einem
Handelsunternehmen.“
Neben dem Aufbau des Unternehmens blieb López-Ebri manchmal Zeit für ganz besondere Aufträge: So etwa der Besuch des spanischen Königspaars Mitte der 70erJahre in Bremen. Damals durfte er als Dolmetscher arbeiten. Ein anderes Highlight:
Der Firmenchef begleitete einen Großteil der Verhandlungen, die nötig waren, damit,
aus dem deutschen Luft- und Raumfahrtunternehmen Dasa der europäische AirbusKonzern entstand – unter anderem mit spanischer Beteiligung. Zur Luft- und Raumfahrt hat das Übersetzungsunternehmen bis heute enge Beziehungen: „Dieser Bereich ist eines unserer Fachgebiete, auf die wir uns besonders spezialisiert haben“,
sagt seine Tochter Carola López Hänninen-Dessau. Dazu zähle auch der Bereich
Medizintechnik.
Diese Spezialisierung, die ein hohes Maß an Fachwissen erfordere – „wir haben bei
uns auch Ärzte mit Doppellaufbahn“ – unterscheide die Firma von dem Großteil der
Mitbewerber, die Standard-Übersetzungen anbieten und sich manchmal wenig von
maschinellen Übersetzungstools abheben würden, so Carola López HänninenDessau. Durch diese Spezialisierung sei es eben auch erst möglich, etwa 160 Seiten
lange Bedienungsanleitungen für Röntgengeräte in 30 Sprachen zu erstellen.
Entscheidend für solche Aufträge oder auch die Erstellung von Geschäftsberichten
sei, „dass sie fehlerfrei sind, juristische Rahmen berücksichtigen wie etwa das europäische Produkthaftungsgesetz und auch zum vereinbarten Termin abgeliefert werden“, sagt Gründer López-Ebri. Es erfolge immer eine dokumentierte Qualitätskontrolle nach dem Vieraugenprinzip auf allen Produktionsebenen bis hin zur Druckvorstufe. „Ich habe immer nach dem Motto gehandelt, nicht das zu machen, was andere
können, sondern das, was sie nicht können.“ Sich vom Wettbewerb abzusetzen, das
ist nach dem Geschmack des 76-Jährigen, der 1997 die Vereinigung „Qualitätssprachendienste Deutschlands“ gründete und 2002 sein Unternehmen nach eigenen Angaben als erster deutscher Übersetzungsdienstleister nach der internationalen Qualitätsnorm ISO 9001 zertifizieren ließ.
Das alles zusammen, so López-Ebri, schaffe viel Vertrauen und sei entscheidend für
langjähriges Zusammenarbeiten. Es gehe schließlich häufig um sehr sensible Informationen. „Vielfach wusste ich längst von geplanten Fusionen, die aber erst ein Jahr
später erfolgten.“
Förderpreis „Neue Wege“
Firmeninhaber Enrique López-Ebri will mit seinem Förderpreis, der mit insgesamt 10 000 Euro dotiert ist und am 10. November verliehen werden soll, junge
Bremer Unternehmer fördern, die „ähnlich wie ich immer wieder unruhig waren
und sind und nach neuen Visionen gucken“. Der Preis soll die Chancen des
internationalen Miteinanders innerhalb eines Unternehmens verdeutlichen und
honorieren – und das auch ganz im Sinne der bremischen Tradition „Buten un
binnen – wagen un winnen“. Infos zu den Teilnahmebedingungen gibt Prokurist Wolf Freise, 04 21 / 3 63 04 19.