ABC-Schutz: Vorbereitung in Berner Spitälern

Transcription

ABC-Schutz: Vorbereitung in Berner Spitälern
Schweiz aktuell
Actualité suisse
Attualità svizzera
ABC-Schutz: Vorbereitungen in Berner Spitälern
Optimierung des Umgangs mit stark verunreinigten Patienten im Hospitalisationsraum
Von Jürg Leu, Dr. Markus Flisch und Dr. Otmar Deflorin, Kantonales Laboratorium Bern
Bei ABC-Ereignissen kommt nicht nur
den Ersteinsatzkräften eine wichtige
Rolle zu, sondern auch denjenigen Helfern und Institutionen, welche sich dann
um die Aufnahme der Patienten kümmern müssen. In Bern wird deshalb ein
entsprechendes Schutzkonzept in den
Spitälern ausgebaut.
Das Kantonale Laboratorium ist Fachstelle für den ABC-Schutz im Kanton Bern.
Es unterstützt und koordiniert die Massnahmen zur Abwehr und Vermeidung
atomarer (A), biologischer (B) und chemischer (C) Bedrohungen und Gefahren.
Eine wichtige Aufgabe im ABC-Schutz
übernehmen die Spitäler. Bedingt durch
Unfälle mit Gefahrstoffen oder terroristische Aktivitäten muss grundsätzlich
jedes Spital mit der Einweisung von Patienten mit ABC-Kontamination rechnen
und entsprechend vorbereitet sein.
Patienten mit ABC-Kontaminationen
Ätzende Flüssigkeit trifft Passanten
bei einem Transportunfall. Weisses Pulver verursacht Panik bei Besuchern eines
Sportstadions. Eine Festgesellschaft mit
schweren Brechdurchfällen verunglückt
mit dem Kleinbus: In allen Fällen können beim Spital verunreinigte Patienten
als Selbsteinweiser, per Privattransport
oder per Ambulanz eintreffen. Die rasche
Entfernung der Verunreinigung (Dekontamination) entlastet nicht nur die kontaminierten Personen. Sie ist wichtige
Voraussetzung für die medizinische Behandlung und dient dem Eigenschutz
der Mitarbeitenden sowie der anderen
Patienten im Spital. Deshalb wurden
die Akutspitäler Lindenhof, Sonnenhof,
Tiefenau und Ziegler in der Stadt Bern
sowie die Akutspitäler Münsingen und
Aarberg für eine Grobdekontamination
ausgerüstet und das Personal entsprechend ausgebildet. Diese Spitäler sind
heute in der Lage, bis zu zehn Personen
vor dem Spitaleintritt mittels einer einfachen, schnell verfügbaren Dekontamina6
star of life 2/10
Der Rettungsdienst hat einen «Patienten» in die Deko-Stelle (entspricht dem «Bereich
rot») gebracht. Hier wird der «Kontaminierte» von den Kleidern befreit und geduscht.
tionseinrichtung mit Wasser und neutraler Seife zu reinigen. Die Nähe dieser Einrichtung zur Notfallstation gewährleistet
die meist rasch nötige Weiterbehandlung
der dekontaminierten Patienten.
Vier Spitäler
für Massenanfall vorbereitet
Die Akutspitäler in Burgdorf, Thun
und Biel sowie das Inselspital sind zudem für den Massenanfall von Patienten
vorbereitet und haben eine Dekontaminationskapazität von bis zu 30 Patienten
pro Stunde. Sie gelten als eigentliche
Deko-Spitäler. Diese sind auf die vollständige Behandlung schwerstkontaminierter Patienten vorbereitet. Sie sind
in der Lage, eine Feindekontamination
mit spezifischen Dekontaminationsmitteln auszuführen und gefährliche Giftstoffe oder Krankheitserreger mit geeigneten Mitteln zu inaktivieren.
Vom «Bereich rot» aus geht es weiter in
den «Bereich gelb», wo Abtrocknen und
Einkleiden auf dem Programm stehen.
(Bilder: Kantonales Laboratorium Bern)
Ablauf einer Dekontamination
Akutspitäler mit Deko-Stellen sind in
der Lage, verunreinigte Patienten vor
der medizinischen Behandlung in einer
entsprechend geeigneten Einrichtung,
eben der Deko-Stelle, zu reinigen und
für die medizinische Behandlung vorzu-
bereiten. Deko-Stellen in Spitälern der
Schweiz sind in die drei Bereiche rot,
gelb und grün eingeteilt.
Nach der Ankunft gelangen die Patienten in den ersten Bereich, den Bereich rot. Dort werden sie empfangen,
Schweiz aktuell
Actualité suisse
Attualità svizzera
von ihren verschmutzten Kleidern befreit
und geduscht. Lebensrettende Sofortmassnahmen (Blutstillung, Kreislaufund Atmungskontrolle usw.) werden
während der Dekontamination durch
medizinisch ausgebildetes Personal mit
spezieller Dekontaminationsausbildung
(medizinische Dekontaminationsspezialisten) in angepasstem Schutz durchgeführt. Der Reinigungsprozess erfolgt mit
Wasser und neutraler Seife oder je nach
Art der Verunreinigung mit entsprechenden Mitteln. Wegen des hohen Verunreinigungsgrades im Bereich rot muss auch
das Personal gut geschützt sein. Deshalb
tragen Mitarbeitende im Bereich rot eine
persönliche Schutzausrüstung, bestehend aus Atemschutzeinheiten und chemikalienbeständigen Schutzanzügen.
Die von groben Verunreinigungen,
Giftstoffen, radioaktiven Substanzen
oder Krankheitserregern weitgehend befreiten Patienten gelangen anschliessend in den Bereich gelb, wo sie abgetrocknet und eingekleidet werden. Im
Bereich gelb tragen die Mitarbeitenden
zum Selbstschutz noch eine leichte
Schutzkleidung bestehend aus Schutzbrillen, Atemschutzmasken und spritzwasserfesten Schutzanzügen.
Danach gelangen die Patienten in den
Bereich grün. Hier werden sie registriert
und anschliessend der medizinischen
Behandlung zugeführt.
Weiterbildung und Schutzausrüstung
auch für RD
Heute muss bei Massenveranstaltungen auch mit beabsichtigten, kriminellen
oder terroristischen Aktionen gerechnet
werden. Gemäss Konzept «ABC-Dekontamination von Personen im Hospitalisationsraum» des Koordinierten Sanitätsdienstes Schweiz (KSD) sollen mit den
vorgesehenen Massnahmen vor allem
auch Grossereignisse bewältigt werden
können. Deshalb werden bis 2011 im
Kanton Bern zusätzlich zu den heute bestehenden zehn Spitälern weitere Akutspitäler mit Deko-Stellen ausgerüstet
und Mitarbeitende ausgebildet. Einheitliche Schutzausrüstung und Ausbildung
ermöglichen bei Grossereignissen den
Personalaustausch zwischen den Akutspitälern für Ablösungen bei Schichtbetrieb. Zudem werden die Rettungsdienste im Kanton Bern im ABC-Schutz
weitergebildet und mit entsprechenden
Schutzausrüstungen versorgt. Mit diesem Vorgehen kann der ABC-Schutz für
Patienten, Personal, Bevölkerung und
Umwelt vom Ereignisort über die Rettungsdienste bis zur medizinischen Behandlung sichergestellt werden.
Jürg Leu ist Ingenieur für Chemiesicherheit in der Abteilung Umweltsicherheit
am Kantonalen Laboratorium Bern und
unter anderem zuständig für die Ausbildung des ABC-Deko-Personals im Hospitalisationsraum. Dr. phil. nat. Markus
Flisch leitet die Abteilung Umweltsicherheit. Die Abteilung ist mitwirkende Fachinstanz für ABC-Fragestellungen. Dr. ès
sc. Otmar Deflorin ist Mitglied des Kantonalen Führungsorgans und leitet das
Kantonale Laboratorium Bern als Amtsstelle der Gesundheits- und Fürsorgedirektion.
Messerangriff
bei RD-Einsatz
sol. Zu einem sehr ungewöhnlichen Zwischenfall ist es am 9. April bei einem
Rettungsdienst-Einsatz in Solothurn gekommen. Ein RD-Team war kurz vor 23
Uhr wegen einer Patientin mit Atembeschwerden ausgerückt. Beim Einladen
der Frau drängten sich dann mehrere Jugendliche um das Fahrzeug, wie die Kantonspolizei Solothurn mitteilte. Zwei
Männer um die 20 versuchten, die drängelnden Teens von der Ambulanz fernzuhalten. Dabei wurden sie von einem
Mann mit einem Messer angegriffen und
leicht verletzt. Die zwei Verletzten mussten ins Spital gebracht werden.
Der Täter flüchtete nach dem Angriff,
konnte aber kurz darauf ermittelt werden. Wie ein Polizeisprecher auf Anfrage
des «Star of life» erklärte, kann der Messerstecher, ein 17-jähriger Schweizer,
kein Motiv für sein Handeln nennen.
Gegen umfassende AED-Verteilung
sol. Der Zürcher Kantonsrat hat sich an seiner ersten Sitzung im März gegen eine flächendeckende Verteilung von AEDs ausgesprochen. Der Entscheid fiel allerdings
knapp aus: 60 Stimmen wären für die
vorläufige Unterstützung einer entsprechenden Einzelinitiative nötig gewesen,
57 Parlamentarier stimmten dafür.
Eingereicht hatten die Initiative zwei
Hausärzte aus Landgemeinden. Da es bei
einem Herz-Kreislauf-Stillstand auf jede
Minute ankommt, seien die gesetzlichen
Grundlagen zu schaffen, dass im Kanton
Zürich genügend öffentlich zugängliche
automatische externe Defibrillatoren vorhanden seien, forderten die beiden Mediziner. Gegner der Initiative sagten unter
anderem, dass die flächendeckende Verteilung von AEDs nur einen «mässigen
Nutzen» bringe, jedoch «erhebliche Kosten» verursachen würde.
star of life 2/10
7