Warum Liebig trotz präzise
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Warum Liebig trotz präzise
Der Irrtum Irrtum mit den Äquivalentmassen – Warum Warum Liebig trotz präziser Analysen „falsche“ falsche“ Verhältnisformeln formulierte Ein Blick in Liebigs Rechnungen macht rasch deutlich, dass trotz hervorragender Ergebnisse seiner Analysen offenbar falsche Schlüsse aus denselben gezogen wurden. Wie wir aus heutiger Sicht wissen, entsprechen die von Liebig in der Rechnung eingesetzten „Äquivalentmassen“ nicht den heute bekannten Atommassen. Dies verwundert nicht, wurde doch die Theorie zum Aufbau der Atome erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch Rutherford und Bohr entscheidend weiter entwickelt. Nichtsdestotrotz war es in den 1840er Jahre der Liebig-Schüler Charles Frederic GERHARDT, der – entgegen der verbreiteten Lehrmeinung – ein anderes, neues Konzept zum Umgang mit Äquivalentmassen formulierte. Leitfragen 1. Erläutern Sie anhand eines Beispiels aus dem 6. Chemischen Brief, welcher Fehleinschätzung Liebig aufgesessen ist. 2. Was versteht man unter der sog. „Radikaltheorie“ Liebigs zum Aufbau organischer Verbindungen? Erläutern Sie die Bedeutung der Radikaltheorie für die Entwicklung der Organischen Chemie. Grenzen Sie den damaligen Radikalbegriff vom heute üblichen ab. 3. Charles Frederic GERHARDT und Auguste LAURENT widersprachen Liebig und formulierten eine neue Theorie zum Verständnis der „Äquivalentmassen“. Erläutern Sie die zentralen Annahmen dieser neuen Sichtweise. 4. Diskutieren Sie folgendes Zitat aus einem Brief Liebigs an seinen Freund Friedrich Wöhler vom 13. Januar 1844: „Ich bin eben mit Mellon beschäftigt. GERHARDT hat eine neue Ansicht darüber construirt, ohne alle Versuche; er ist ein rechter Schwindler.“ Hinweis: Unter Mellon versteht man eine Verbindung aus Kohlenstoff und Stickstoff (C18N13). Literatur BROCK, WILLIAM H. (1997): Viewegs Braunschweig/Wiesbaden, S. 144-146 Geschichte der Chemie, Vieweg Verlag LIEBIG, JUSTUS V. (1841): Sechster chemischer Brief. In: Chemische Briefe von Justus von Liebig, 6. Auflage, Neuer unveränderter Abdruck der Ausgabe letzter Hand Leipzig und Heidelberg. C.F. Winter'sche Verlagshandlung. 1878 LIEBIG-GESELLSCHAFT: Die Radikaltheorie – eine radikale Änderung der Sicht der Dinge, Tafel im Liebig-Museum, online abrufbar unter http://www.liebig-museum.de/tafeln/hh1qh.pdf Zwei streitbare streitbare Geister: Die Auseinandersetzung zwischen Justus von LIEBIG und Eilhard MITSCHERLICH Justus von LIEBIG war eine durchaus streitbare Persönlichkeit. So kam es nicht selten zu Auseinandersetzungen mit anderen Wissenschaftlern über die Gültigkeit von Hypothesen bzw. Theorien. Darüber hinaus strebte selbstverständlich ein jeder nach Anerkennung und beanspruchte die Meilensteine unter den Erfindungen und Entdeckungen für sich. Ähnliches zeigte sich bei der Entwicklung der organischen Elementaranalyse: Da neben Liebig auch Eilhard MITSCHERLICH auf diesem Gebiet arbeitete und dabei ähnliche Apparaturen einsetzte, wollte dieser sich die Verdienste um die Elementaranalyse aneignen. Leitfragen 1. Stellen Sie die Ursachen für die Feindschaft zwischen Liebig und Mitscherlich dar. Inwiefern haben auch unterschiedliche Ansichten zu einer wissenschaftlichen Theorie eine Rolle gespielt? 2. Sind Liebigs bisweilen böse Äußerungen gegenüber Mitscherlich und der von ihm postulierten Variante der Elementaranalyse nachvollziehbar? Bewerten Sie seine Aussagen (Zitat in: Jansen, S. 2), indem Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Apparaturen Liebigs und Mitscherlichs aufzeigen. 3. Liebig kritisiert auch die Ausbildung von Chemiestudenten bei Mitscherlich. In diesem Zusammenhang formuliert Liebig: „Er [Mitscherlich] konnte bis jetzt keinem jungen Manne sein Laboratorium eröffnen, er hat bis jetzt keinen unterrichtet, der die Wissenschaft auch nur mit einer einzigen neuen Thatsache bereichert hatte.“ (Schütt, S. 157) Bewerten Sie dieses Zitat und diskutieren Sie den Begriff „Tatsache“ im Kontext von Naturwissenschaften. Überlegen Sie auch, aus welchen Gründen Liebig die praktische Ausbildung für sehr bedeutend hielt. Literatur JANSEN, WALTER H. (2003): Justus Liebig, Veröffentlichung der Universität Oldenburg anlässlich des 200. Geburtstags Justus von Liebigs, online abrufbar unter http://www.chemiedidaktik.unioldenburg.de/download/Justus_Liebig.pdf SCHÜTT, HANS WERNER (1992): Eilhard Mitscherlich: Baumeister am Fundament der Chemie, Deutsches Museum und Oldenbourg München, S. 152 ff. SIMON, DR. J. FRANZ (1840): Handbuch der angewandten medizinischen Chemie, 1. Teil, Albert Förstner, Berlin, S. 496-506 Inspiration in Frankreich: Justus Justus von Liebig und die Anfänge der Organischen Chemie Im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts befand sich die Naturwissenschaft Chemie in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Justus von Liebig, der als großes chemisches Talent galt und bei seinem Lehrmeister Kastner, der eher als Vertreter der Naturphilosophie zu sehen war, rasch an Grenzen stieß, begab sich nach Frankreich, um der dort bereits wesentlich weiter entwickelten Chemie als experimentelle Wissenschaft nachzuspüren. Er traf dort auf bekannte Vertreter wie Gay-Lussac und Thenard, die sich auch schon mit der organischen Elementaranalyse befasst hatten, und konnte wertvolle Erkenntnisse für seine weiteren Arbeiten im Gießener Laboratorium sammeln. Leitfragen 1. Beschreiben Sie die Anfänge der Organischen Chemie, indem Sie wesentliche Erkenntnisse aus der Zeit um 1830 darstellen. 2. Inwiefern lässt sich die Elementaranalyse als „Meilenstein“ der Organischen Chemie bezeichnen? Welche Perspektiven eröffneten sich mit Liebigs Erfindung? 3. Ordnen Sie Liebigs Arbeiten in einen gesellschaftlichen und kulturellen Kontext ein. Mit welchem Ziel machte sich Liebig auf den Weg nach Frankreich? Stellen Sie auch den Bezug zu einer weiteren bedeutenden Erfindung Liebigs her. 4. Charakterisieren Sie die Person des Naturwissenschaftlers Liebig auf der Basis der Darstellungen in den Kapitel aus Wilhelm Strubes Biographie. Literatur JUSTUS-LIEBIG-GESELLSCHAFT: Die Person Liebig – Karriere auf Umwegen, Kurzporträt auf www.liebig-museum.de. In: Siegfried Heilenz: „Das Liebig-Museum in Gießen - Führer durch das Museum und ein Liebig-Porträt, aktuell kommentiert“, Verlag der Ferber'schen Universitätsbuchhandlung Gießen, 2. Auflage 1988 STRUBE, WILHELM (1998): Justus Liebig – eine Biographie, 2. Auflage 2005, Sax-Verlag Beucha, S. 62-83 Zwischen LAVOISIER und LIEBIG – Die Entwicklung der Elementaranalyse von den Anfängen bis zum FünfFünf-KugelKugel-Apparat Die von LIEBIG entwickelte Apparatur zur Analyse der Zusammensetzung organischer Verbindungen gilt als Meilenstein in der Entwicklung der Organischen Chemie. Liebig aber war keinesfalls der erste, der sich mit der Frage nach dem Aufbau organischer Substanzen auseinandersetzte. Bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden „erste Gehversuche“ unternommen, so beispielsweise von LAVOISIER. Leitfragen 1. Beschreiben Sie die Entwicklung der Apparaturen zur Analyse organischer Verbindungen ausgehend von den Überlegungen Lavoisiers. 2. Vergleichen Sie die verschiedenen Apparaturen im Hinblick auf ihre Praktikabilität und die Sicherheit im chemischen Labor. 3. Erläutern Sie, warum die Liebigsche Apparatur als bedeutende Errungenschaft gilt. Inwiefern hat Liebig die Elementaranalyse entscheidend optimieren können? 4. Der in modernen Labors verwendete CHN-Analyser bedient sich hinsichtlich seiner Grundidee dem Liebigschen Verfahren (Verbrennung und Quantifizierung der Oxidationsprodukte). Vergleichen Sie beide Apparaturen vor dem Hintergrund des jeweiligen naturwissenschaftshistorischen Kontextes (damals – heute). Äußern Sie sich in diesem Zusammenhang auch zu den Begriffen „Komplexität“ und „Bedienbarkeit/Praktikabilität“. Literatur GESELLSCHAFT DEUTSCHER CHEMIKER (2003): Historische Stätten der Chemie – Justus Liebig, eine Broschüre in Zusammenarbeit mit der Justus-Liebig-Gesellschaft und der Justus-Liebig-Universität Gießen, online abrufbar unter www.liebig-museum.de/dokumente/historische_staetten.pdf LIEBIG, JUSTUS VON (1853): Anleitung zur Analyse organischer Körper, zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage, Vieweg Verlag Braunschweig, S. 1-7 Zum CHN-Analyser: http://www.univie.ac.at/Mikrolabor/chn.htm Die Kunst der vollständigen Verbrennung: Alternativen zum klassischen Verfahren Die Auswertung unserer Analysen zeigt es deutlich auf: Um auf der Basis der ermittelten Massen an Kohlenstoffdioxid und Wasser tatsächlich Rückschlüsse auf die Verhältnisformel eines organischen Moleküls ziehen zu können, bedarf es einer nahezu optimalen Apparatur. Dabei spielt die Steuerung der Verbrennung eine entscheidende Rolle: Um sämtlichen in der Probe vorhandenen Kohlenstoff und Wasserstoff in die Auffanggefäße zu überführen, muss der Verbrennungsvorgang vollständig ablaufen. Es stellt sich also die Frage, ob durch die Verwendung weiterer Oxidationsmittel neben dem von uns genutzten Kupfer(II)-oxid effektivere Analysen zu erzielen wären. Liebig und andere Wissenschaftler haben dazu entsprechende Möglichkeiten aufgezeigt. Leitfragen 1. Stellen Sie die genannten Varianten zur Verbrennung der organischen Substanz dar und benennen Sie die entsprechenden Vorzüge gegenüber dem klassischen Verfahren. 2. Informieren Sie sich über die Stoffe „Chromsaures Bleioxyd“ und „Chlorsaures Kali“. Warum haben wir uns dieser Stoffe im Experimentalpraktikum nicht bedient? 3. Stellen Sie die oben abgebildete Apparatur mit allen Teilen vor und beschreiben Sie die Durchführung der zugehörigen Analyse. 4. Ein kleiner Blick über den Tellerrand: Erläutern Sie, warum mit der Liebigschen Apparatur eine Bestimmung von Stickstoff (welche wir im Praktikum nicht durchgeführt haben) nur schwerlich möglich war. Literatur GESELLSCHAFT DEUTSCHER CHEMIKER (2003): Historische Stätten der Chemie – Justus Liebig, eine Broschüre in Zusammenarbeit mit der Justus-Liebig-Gesellschaft und der Justus-Liebig-Universität Gießen, online abrufbar unter www.liebig-museum.de/dokumente/historische_staetten.pdf, S. 6 LIEBIG, JUSTUS VON (1853): Anleitung zur Analyse organischer Körper, zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage, Vieweg Verlag Braunschweig, S. 32-40