Prostatakrebs

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Prostatakrebs
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Prostatakrebs
Gesundheit ist unser Ziel!
& Soziales
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dass ich nicht mehr selbst entscheiden kann?
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Die Broschüren bieten gebündelt und verständlich sozialrechtliche und psychosoziale
Informationen zur folgenden Themen und Krankheiten:
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Zu Asthma, Brustkrebs, Darmkrebs, Demenz, Depression, Diabetes,
Osteoporose, Rheuma, Schlaganfall.
Die Initiative „betaCare – Verbesserung der Patientenversorgung und Prävention“
wird gefördert durch die betapharm Arzneimittel GmbH,
ein Generika-Unternehmen mit hochwertigen und
preiswerten Qualitätsarzneimitteln.
www.betaCare.de
Michael Ewers
Liebe Leserin, lieber Leser,
der vorliegende Ratgeber „Prostatakrebs & Soziales“ thematisiert die häufigste Krebs­
erkrankung bei Männern. Obwohl so verbreitet, ist der Umgang damit schwierig und
mit Tabus belegt, denn Prostatakrebs betrifft die Intimsphäre. Gute Informationen
können den Umgang mit der Erkrankung erleichtern.
Neben einem verständlichen Überblick über die Behandlung geht es vor allem um
hilfreiche Informationen für den Alltag sowie um sozialrechtliche Fragen: Wie lange
gibt es Krankengeld? Wie können finanzielle Engpässe überbrückt werden, wenn das
Gehalt ausfällt oder die Rente nicht mehr reicht? Welche Heil- und Hilfsmittel gesteht
die Krankenkasse zu? Was muss der Patient zuzahlen und wann gibt es Zuzahlungs­
befreiungen?
betapharm setzt sich seit Jahren aktiv für eine verbesserte Versorgungsqualität im
Gesundheitswesen ein. Aus diesem Engagement heraus hat sich betaCare – das
Wissenssystem für Krankheit & Soziales – entwickelt, welches Antworten auf alle
sozialen Fragen rund um eine Krankheit bietet.
Mit herzlichen Grüßen
Michael Ewers
Geschäftsführer betapharm & beta Institut
Weitere Informationen sowie alle bisher erschienenen Ratgeber
finden Sie auch unter www.betaCare.de.
Mehr über das soziale Engagement und die Produkte der
betapharm Arzneimittel GmbH finden Sie unter www.betapharm.de.
Impressum
Herausgeber und Redaktion
beta Institut gemeinnützige GmbH
Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement,
Entwicklung und Forschung in der Sozialmedizin
Geschäftsführer: Michael Ewers
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Telefon 0821 45054-0,
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Text
Maria Kästle
Andrea Nagl
Layout und Gestaltung
Manuela Mahl
Autoren und Herausgeber übernehmen keine Haftung
für die Angaben in diesem Werk.
Alle Rechte vorbehalten
© 2014
Copyright beta Institut gemeinnützige GmbH
Der Ratgeber einschließlich all seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes
ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen
und die Reproduzierung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen
Systemen oder Daten­verarbeitungsanlagen.
1. Auflage, April 2014
Schutzgebühr 5,– Euro
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung________________________ 2
Prostatakrebs_________________________ 3
Kurzinfo zur Krankheit__________________ 4
Früherkennung_______________________ 5
Begleit- und Folgeerkrankungen__________ 7
Selbsthilfe__________________________ 10
Behandlung_________________________
Operation___________________________
Bestrahlung_________________________
Hormontherapie______________________
Strahlen- und Chemotherapie bei
Metastasen_________________________
Alternative Therapien__________________
Abwarten und Beobachten_____________
11
12
13
13
15
15
16
Arbeitsunfähigkeit und finanzielle
Absicherung_________________________ 17
Arbeitsunfähigkeit____________________ 18
Entgeltfortzahlung___________________ 19
Krankengeld_________________________ 20
Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit___ 26
Arbeitslosengeld II und Sozialgeld________ 28
Übergangsgeld_______________________ 28
Erwerbsminderungsrente_______________ 31
Altersrente für Schwerbehinderte________ 33
Sozialhilfe__________________________ 35
Wohngeld__________________________ 38
Zuzahlungen in der gesetzlichen
Krankenversicherung__________________ 39
Übersicht über Zuzahlungen____________ 40
Zuzahlungsbefreiung bei Erreichen der
Belastungsgrenze_____________________ 42
Zuzahlungsbefreiung für chronische
Kranke_____________________________ 45
Hilfsmittel und Heilmittel______________ 47
Hilfsmittel bei Impotenz_______________ 48
Hilfsmittel bei Inkontinenz_____________ 49
Hilfsmittel Kostenübernahme___________ 50
Heilmittel___________________________ 51
Heilmittel Kostenübernahme____________ 53
Rehabilitation und Nachsorge__________ 55
Rehabilitation_______________________ 56
Medizinische Rehabilitation_____________ 56
Onkologische Nachsorgeleistung_________ 60
Anschlussheilbehandlung______________ 61
Berufliche Reha______________________ 63
Stufenweise Wiedereingliederung________ 64
Nachsorge__________________________ 66
Schwerbehinderung___________________ 67
Schwerbehindertenausweis_____________ 69
Grad der Behinderung_________________ 70
Merkzeichen________________________ 71
Nachteilsausgleiche___________________ 72
Partnerschaft und Sexualität___________ 77
Impotenz (erektile Dysfunktion)_________ 78
Psychoonkologie_____________________ 82
Psychotherapie_______________________ 83
Kinder krebskranker Eltern______________ 85
Ernährung, Sport und Freizeit__________ 89
Ernährung__________________________ 90
Bewegung und Sport__________________ 92
Reha-Sport_________________________ 94
Urlaub_____________________________ 95
Patientenvorsorge____________________ 99
Gründe und Argumente_______________ 101
Patientenverfügung__________________ 101
Vorsorgevollmacht___________________ 103
Betreuungsverfügung________________ 104
Formales___________________________ 105
Hilfen im fortgeschrittenen Stadium____ 107
Pflege: Hilfen der Pflegekasse im
Überblick__________________________ 108
Pflegeantrag________________________110
Pflegestufen_________________________ 111
Angehörige pflegen zu Hause___________113
Hilfen bei der Pflege von außen_________117
Häusliche Krankenpflege______________ 120
Vollstationäre Pflege im Heim__________ 121
Palliativversorgung__________________ 122
Anhang____________________________ 125
Adressen___________________________ 126
Leitlinien__________________________ 127
Bücher und Broschüren_______________ 127
Impressum__________________________ 129
1
Vorbemerkung
Prostatakrebs (Prostatakarzinom) ist ein bösartiger Tumor an
der Prostata und die mit Abstand häufigste Krebserkrankung
bei Männern. In Deutschland erkranken etwa 70.000 Män­
ner pro Jahr daran. Die Betroffenen sind selten jünger als
45, mit steigendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit der
Erkrankung zu.
„Krebs“ ist immer eine bedrohliche Diagnose – auch wenn relativ
viele Patienten mit Prostatakrebs geheilt werden oder aber viele
Jahre damit leben können. Tatsache ist, dass jeder weiß, dass
Krebs nicht immer heilbar ist. Diese Bedrohung ist real und der
Umgang damit ist individuell verschieden: faktenorientiert,
offensiv, kämpferisch, bisweilen mit Humor, sachlich, … jeder
Mann wird seinen Weg damit finden. Dieser Ratgeber will dabei
mit sachlicher Information begleiten.
Die besondere Belastung bei Prostatakrebs ist, dass er den Intimbereich betrifft und dass auch die Behandlung einschneidende
Folgen wie Inkontinenz, Impotenz und sexuelle Lustlosigkeit
haben kann. Dieser Krebs kann deshalb auch das männliche
Selbstbild, das Selbstbewusstsein, die Partnerschaft und die
Familie bedrohen.
Zu diesen Verunsicherungen und Belastungen kommen oft noch
finanzielle, krankenversicherungs- und rentenrechtliche Fragen.
Speziell hier möchte dieser Ratgeber helfen, indem er das
komplizierte Sozialrecht für Betroffene verständlich erklärt.
Aufgrund der unterschiedlichen Behandlungen und persönlichen
Lebenssituation der Betroffenen werden nicht alle Kapitel dieses
Ratgebers auf jeden Patienten zutreffen. Die Themenauswahl
richtet sich danach, welche Fragen erfahrungsgemäß bei
Prostatakrebs aufkommen können und welche sozialversicherungsrechtlichen Leistungen von Bedeutung sind.
Aus medizinisch-therapeutischer Sicht gibt dieser Ratgeber
nur einen kurzen Überblick, soweit dieser nötig ist, um die Auswirkungen der Krankheit zu verstehen. Im Kern informiert er wie
alle betaCare-Ratgeber zu sozialrechtlichen und psychosozialen
Themen. Betroffene und Angehörige sollten sich dabei bewusst
machen, dass im Sozialrecht Formalitäten wie Voraussetzungen,
Anträge und Fristen schwerwiegende Konsequenzen auf
mögliche (finanzielle) Leistungen und den Versicherungsschutz
haben können. Sie sind deshalb sorgfältig zu beachten.
2
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Prostatakrebs
Prostatakrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern.
Folgen der Krebsbehandlung können Inkontinenz und sexuelle Probleme sein,
nicht selten auch psychische Probleme. Selbsthilfegruppen sind hier hilfreiche Anlaufstellen.
Viele Männer tauschen sich auch in Internetforen mit Gleichbetroffenen aus.
3
Kurzinfo zur Krankheit
Die Prostata (Vorsteherdrüse) ist eine kastanienförmige
Drüse unterhalb der Harnblase des Mannes, die den oberen
Teil der Harnröhre wie ein Ring umschließt. Die Prostata
bildet ein Sekret, das einen Teil der Samenflüssigkeit aus­
macht.
Beim Prostatakrebs verändern sich die Prostatadrüsenzellen
und vermehren sich unkontrolliert. Es bildet sich ein Tumor,
der das umliegende Gewebe zerstört. Diese entarteten Zellen
können sich über die Blut- oder Lymphbahnen auch auf andere
Organe ausbreiten und dort zu Metastasen (Tochtergeschwülste)
führen. Von den Metastasen des Prostatakarzinoms sind vor
allem Lymphknoten im Becken und Knochen betroffen, seltener
Lunge oder Leber. Prostatatumoren wachsen in der Regel sehr
langsam. Häufig sind ältere Männer davon betroffen.
4
Epidemiologie
Prostatakrebs ist die häufigste Krebsart bei Männern. Nach
Angaben des Zentrums für Krebsregisterdaten in Zusammen­
arbeit mit dem Robert-Koch-Institut Berlin sind 2010 in
Deutschland 65.800 Männer neu an Prostatakrebs erkrankt.
Für 2014 wird mit ca. 70.000 Neuerkrankungen gerechnet.
Die Erkrankungshäufigkeit steigt mit zunehmendem Alter.
Die stark steigenden Zahlen der letzten Jahre hängen allerdings
auch mit einer verbesserten Früherkennung zusammen.
Ursachen
Die Ursachen für Prostatakrebs sind weitgehend unbekannt.
Diskutiert werden als Risikofaktoren eine erbliche Veranlagung,
Umweltfaktoren und die Ernährung. Gutartige Veränderungen
der Prostata oder Prostataentzündungen stellen kein erhöhtes
Risiko für Prostatakrebs dar.
Früherkennung
Für die Heilung ist es entscheidend, dass der Krebs frühzeitig
erkannt wird. Eine Früherkennung ist nur durch Vorsorge­
untersuchungen möglich.
Die Vorsorgeuntersuchungen sind deshalb unumgänglich, weil
das Frühstadium der Erkrankung meist symptomlos verläuft.
In manchen Fällen kann es zu Blasenentleerungsstörungen
kommen. Im fortgeschrittenen Stadium engt die Prostata die
Harnröhre zunehmend ein, was sich durch häufigen Harndrang
vor allem nachts, Harntröpfeln und Impotenz bemerkbar macht.
Wenn der Tumor außerhalb der Prostata weiter wächst, treten
zudem Schmerzen im Genitalbereich auf. Oft findet sich Blut im
Urin oder Sperma. Auch typische Begleitsymptome von Krebs­
erkrankungen wie Fieber, Nachtschweiß, Abgeschlagenheit,
Leistungsknick und ungewollter Gewichtsverlust treten häufig
auf.
Vorbeugende Maßnahmen sind bisher nicht bekannt. Allgemein
anerkannt ist aber, dass eine gesunde Ernährung das Risiko für
Erkrankungen ganz allgemein senkt (siehe S. 89).
Tastuntersuchung der Prostata
Die Krankenkassen bezahlen Männern ab dem 45. Lebensjahr
jährlich eine Vorsorgeuntersuchung zur Früherkennung von
Prostatakrebs. Diese beinhaltet eine Tastuntersuchung der
Prostata durch den Enddarm (digital-rektale Untersuchung,
DRU).
Vorsorgeuntersuchungen
Männer, bei denen nahe Verwandte (auch der Mutter) Prostatakrebs hatten, sollten dies mit dem Arzt besprechen und
gegebenenfalls bereits früher Früherkennungsuntersuchungen
machen lassen.
Bestimmung des PSA-Werts
Eine weitere Vorsorgeuntersuchung ist die Bestimmung des
PSA- bzw. des cPSA-Werts im Blut. PSA (prostataspezifisches
Antigen) ist ein Eiweißstoff, der in der Prostata gebildet wird
und im Blut nachweisbar ist. Bei Erkrankungen der Prostata
(Entzündungen, gutartige Vergrößerung oder Tumor) wird
dieser Stoff vermehrt ins Blut abgegeben. Ein Teil des PSA, das
complexierte cPSA, ist besonders bei Prostatakrebs erhöht im
Blut. Der cPSA-Test wird erst seit einigen Jahren angeboten und
ist aussagekräftiger als der PSA-Test.
5
Die Kosten für die Bestimmung des PSA- oder auch des cPSAWerts im Rahmen der Früherkennung werden von den Krankenkassen nicht übernommen. Es handelt sich hierbei um eine
sogenannte „IGeL“, eine Individuelle Gesundheitsleistung. Das
sind Diagnose- und Behandlungsmethoden, die vom Patienten
privat bezahlt werden müssen, weil sie nicht zum Leistungs­
katalog der Krankenkassen gehören.
Wenn der Arzt bei der Tastuntersuchung allerdings Veränderungen
findet und für die Abklärungsuntersuchung einen PSA-Test
veranlasst, dann übernimmt die Krankenkasse die Kosten.
Ultraschalluntersuchung
Als ergänzende Maßnahme kann im Verdachtsfall eine trans­
rektale Ultraschalluntersuchung (TRUS) durchgeführt werden.
Bei dieser Untersuchung wird der Ultraschallkopf in den Enddarm eingeführt. Dadurch können Veränderungen des Prostatagewebes festgestellt werden.
Biopsie
Im Verdachtsfall veranlasst der Arzt außerdem eine Biopsie.
Bei einem kleinen operativen Eingriff wird Gewebe aus
verschiedenen Prostatabereichen entnommen und anschließend
in einem medizinischen Labor untersucht. Der Eingriff erfolgt
meist unter örtlicher Betäubung.
Diskussion
Unumstritten ist, dass Männer Früherkennungsuntersuchungen
wahrnehmen sollten. Umstritten ist allerdings in Fachkreisen der
tatsächliche Nutzen der gängigen Tastuntersuchung und der
PSA-Wert-Bestimmung. Bei der Tastuntersuchung können
Tumore je nach Lage gar nicht erkannt werden. Die PSA-Untersuchung ist umstritten, weil hohe Werte auch „blinden Alarm“
auslösen können oder die Werte niedrig sind, obwohl ein Tumor
vorhanden ist. Dennoch lässt sich festhalten, dass eine teilweise
zielführende Vorsorgeuntersuchung wohl immer noch besser ist
als keine.
Praxistipps!
Der Krebsinformationsdienst (KID) gibt interessierten Männern
hierzu viele Informationen und auch Entscheidungshilfen unter
www.krebsinformationsdienst.de/tumorarten/prostatakrebs/
psa-test-frueherkennung.php.
6
Ausführliche Informationen und Entscheidungshilfen zur Früherkennung von Prostatakrebs bietet auch die Patientenleitlinie,
siehe S. 127
Begleit- und
Folgeerkrankungen
Durch die Behandlung von Prostatakrebs können sowohl
körperliche wie auch psychische Begleit- und Folge­
erkrankungen auftreten.
Folgen einer Operation sind z. B. Inkontinenz, Impotenz
oder Lymphödem.
Ursache für die Inkontinenz ist das Versagen des Verschlussmechanismus am Blasenausgang. Konsequentes und gezieltes
Beckenbodentraining oder eine Elektrostimulationstherapie
können diese Störung in vielen Fällen beheben, so dass der
Patient die Kontrolle über seine Ausscheidungen wiedererlangt,
Näheres siehe ab S. 49.
Inkontinenz
Sollte Training und Stimulation nicht den gewünschten Erfolg
bringen, kann auch mit operativen Maßnahmen eine Besserung
erreicht werden. Nähere Informationen geben der behandelnde
Arzt oder Selbsthilfegruppen (Adressen siehe S. 126).
Eine Erektion ist ein komplexer Vorgang, bei dem Sinnesreize
und Körperfunktionen nahtlos zusammenwirken müssen.
Ausgang ist immer ein sexueller Reiz, der im Gehirn des Mannes
wahrgenommen wird. Was als erotischer Reiz angesehen wird,
ist individuell sehr unterschiedlich. Ein attraktiver Anblick, aber
auch Berührungen, Gerüche oder Musik können die Fantasie
beflügeln.
Impotenz
Nimmt das Gehirn einen sexuellen Reiz wahr, sendet es durch
Nervenimpulse anregende Signale über das Rückenmark zum
Penis. Dieser schwillt dann in einem Wechselspiel zwischen
Blutzufuhr und -abfuhr an. Es entsteht eine Erektion.
Eine Störung dieses Ablaufs kann zu einer Impotenz (erektile
Dysfunktion [ED]) führen. Dies kann körperliche oder/und
psychische Ursachen haben.
Körperliche Ursachen, die durch die Behandlung von
Prostatakrebs bedingt sein können:
• Schädigung im zentralen oder peripheren Nervensystem
(neurogene Ursache)
• Schädigung bei Blutzufuhr oder Blutabfluss
(vaskuläre Ursache)
• Hormonstörung (endokrine Ursache)
7
Durch Operationen an der Prostata können die Erektionsnerven
oder die Blutgefäße entfernt oder geschädigt werden. Dadurch
kann es vorübergehend zu einer Impotenz kommen. Bei der
Entfernung der Erektionsnerven ist sie allerdings dauerhaft.
Empfindungen, Lust und Orgasmusfähigkeit bleiben jedoch
erhalten.
Infolge einer Hormonbehandlung wird das Testosteron unterdrückt – Testosteron ist jedoch maßgeblich für den sexuellen
Reiz und die Erektionsfähigkeit verantwortlich.
Bei einer psychischen Ursache werden bei der Wahrnehmung
eines sexuellen Reizes mehr erektionshemmende als erektions­
fördernde Nervensignale erzeugt.
Psychische Ursachen können z. B. sein:
• Angst vor der Behandlung, einem Wiederauftreten der Tumors
• Angst um den Arbeitsplatz, finanzielle Probleme
•Partnerschaftsprobleme
• Erschöpfung, Niedergeschlagenheit
• Versagensängste, unrealistische Erwartungen
•Depressionen
• Angst vor dem Tod
Prostatakrebs ist eine lebensgefährliche Erkrankung und der
Umgang damit verlangt dem Mann und der Partnerin einiges
ab. Diese psychische Belastung kann allein oder zusammen
mit körperlichen Ursachen eine ED verursachen, verstärken oder
verlängern.
Nähere Informationen zu den Auswirkungen von Impotenz auf
Partnerschaft und Sexualität, zum Umgang damit und zu den
Behandlungsmöglichkeiten siehe S. 77.
Lymphödem
Nach einer Krebsoperation oder Bestrahlung kann es zu einem
Lymphödem in den Beinen oder im Hoden kommen. Bei einem
ausgeprägten Lymphödem ist dauerhaft eine Komplexe Physi­
kalische Entstauungstherapie (KPE) nötig (siehe S. 52).
Lymphödeme können schmerzen und die Lebensqualität massiv
beeinträchtigen – dies ist aber, von verschwindend wenigen
Ausnahmen abgesehen, nur der Fall, wenn das Ödem nicht
kontinuierlich und richtig behandelt wird.
Lymphexperten beklagen allerdings, dass bei Ärzten und
Therapeuten oft das Spezialwissen für die richtige Therapie fehlt.
Wenn sich ein Lymphödem nach längerer Behandlung nicht
bessert oder wenn ein Arzt keine Behandlung verschreiben
möchte, sollten Betroffene um die Überweisung zu einem
Spezialisten bitten.
8
Ursache und Folgen
Ein Lymphödem ist ein Stau von Lymphflüssigkeit. Das Lymph­
system ist ein über den ganzen Körper verteiltes System von
Kanälen und Lymphknoten, das Lymphflüssigkeit, aber auch
Erreger, Eiweiß und Stoffwechselreste von außen (Hände, Füße)
nach innen transportiert. Das Lymphgefäßsystem mündet in
der Nähe des Herzens in das Venensystem.
Lymphknoten sind zentrale „Kreuzungen“ im Lymphsystem.
Wenn sie nicht mehr vorhanden sind oder nicht mehr richtig
funktionieren, kommt der Abtransport der Lymphe in den
Bereichen vor dieser Kreuzung ins Stocken. Bei einer Prostatakrebsoperation werden Lymphknoten im Becken entfernt, wenn
sie von Tumorzellen befallen sind. Bei einer Bestrahlung kann es
sein, dass nahegelegene Lymphknoten und Lymphbahnen durch
die Strahlen mit betroffen und beschädigt werden. Die Lymphe
staut sich dann und das Bein oder die Beine vor der beschädigten
Region oder der Hodensack schwellen an. Weil es sich um eine
Folge der Operation oder Bestrahlung handelt, spricht man von
einem „sekundären“ Lymphödem.
Anfangs ist die Schwellung blass und weich. Ein Fingerdruck tut
nicht weh, hinterlässt aber eine Delle. Das Bein fühlt sich oft
schwer an, die Beweglichkeit wird im Verlauf immer mehr eingeschränkt. Im fortgeschrittenen Stadium wird die Schwellung
immer dicker, das Gewebe infolge von Ablagerungen immer
härter, und der Patient bekommt Schmerzen. Zudem erhöht sich
die Gefahr von Entzündungen selbst bei kleinen Verletzungen.
Wenn Patienten mit Lymphödem Veränderungen bemerken, z. B.
Verhärtungen oder Rötungen, sollten sie immer sofort einen Arzt
aufsuchen. Weitere Patienteninformationen, auch Adressen von
speziell fortgebildeten Therapeuten, bietet der Fachverband
Lymphologicum unter www.lymphologicum.de/patienten.html.
Informationen zur Lymphdrainage siehe S. 52.
Eine Chemotherapie wird in der Regel begleitet von Übelkeit,
Erbrechen, starker Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue)
und Haarausfall.
Fatigue bezeichnet den absoluten Erschöpfungszustand bei Krebs­
patienten. Anders als bei üblicher Müdigkeit kann Fatigue nicht
durch Schlaf und Erholung überwunden werden. Typische Merkmale sind eine anhaltende körperliche und seelische Erschöpfung
und Abgeschlagenheit trotz ausreichender Schlafphasen, schnelle
Überforderung, Reizbarkeit und Interesselosigkeit.
Fatigue
9
Haarausfall
Die meisten Patienten leiden während einer Chemotherapie
unter teilweisem oder vollständigem Haarverlust. Etwa 4 Wochen
nach Ende der zytostatischen Therapie wächst das Haar wieder
nach. Aber nicht alle Medikamente, die für eine Chemotherapie
eingesetzt werden, führen zu Haarausfall.
Die Kosten für Perücken übernehmen die Krankenkassen bei
Männern nur in Ausnahmefällen, z. B. bei entstellenden Ver­
änderungen der Kopfhaut.
Psychische
Beeinträchtigungen
Auch psychische Beeinträchtigungen wie Stimmungs­
schwankungen, Verzweiflung, Ängste, Niedergeschlagenheit,
Verlust des Selbstwertgefühls oder ein sozialer Rückzug
können Folgen der Krebserkrankung bzw. deren Behandlung sein.
Näheres siehe S. 83.
Selbsthilfe
Vielen Männern fällt es sehr schwer, über die Auswirkungen
der Krankheit bis hin zum Sexualleben mit anderen Menschen
zu sprechen. Es ist aber wichtig, dass die Betroffenen sich
nicht zurückziehen, nicht gesellschaftlich und schon gar
nicht innerhalb der Familie und im Freundeskreis.
Besonders hilfreich kann der Kontakt zu Gleichbetroffenen
über Selbsthilfegruppen und -verbände sein, da das Wissen
um die „Gleich-Betroffenheit“ des Gegenübers eine besondere
Vertrauensbasis bildet. Der Anschluss an eine Selbsthilfegruppe,
der Austausch über Medikamente und deren Nebenwirkungen,
über Therapien und den Alltag mit der Erkrankung hilft vielen
Betroffenen.
Eine Alternative zu Selbsthilfegruppen vor Ort sind Internetforen
für Patienten, wo Männer die Möglichkeit haben, anonym zu
bleiben.
Adressen zu Gruppen und Foren siehe S. 126
10
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Behandlung
Art und Stadium des Tumors, das Alter des Patienten sowie dessen individuelle Bedürfnisse
sind bei der Auswahl der Therapieform maßgeblich. Selbstverständlich kann hier keine
Empfehlung für die eine oder andere Therapieart gegeben werden. Arzt und Patient sollten
immer die individuellen Möglichkeiten besprechen und gemeinsam entscheiden.
11
Manchmal ist die Kombination aus mehreren Therapien sinnvoll.
Einen Überblick über die verschiedenen Therapien bieten auch
die Patienten­verbände bzw. die regionalen Selbsthilfegruppen
(Adressen siehe S. 126).
Im Wesentlichen unterschieden werden 3 Stadien des
Tumors:
• Lokal begrenzter Tumor: nur in der Prostata
• Lokal begrenzt, aber bereits über die Prostata hinaus­
gewachsen
• Metastasen: Absiedelung des Tumors in andere
Körperregionen
Operation
Die Therapie der Wahl im Frühstadium ist die Entfernung
der Prostata durch Operation (Prostatektomie). Auch die
Lymphknoten im Becken werden dabei teilweise entfernt.
Es gibt verschiedene Operationsmethoden.
Voraussetzung für eine Operation ist, dass der Tumor auf die
Prostata beschränkt ist und keine Tochtergeschwülste (Metastasen) gebildet hat. Nebenwirkungen der Operation können
Harninkontinenz (niedriges Risiko, siehe S. 7) und Verlust der
sexuellen Potenz (Risiko recht hoch, siehe S. 7) sein. Um diese
Risiken zu senken, gibt es eine „nervenschonende“ Operationsmethode, bei der aber die Gefahr besteht, dass die Tumorzellen
nicht komplett entfernt werden. Über die geeignete Operationsmethode müssen Arzt und Patient miteinander entscheiden.
12
Bestrahlung
Die Strahlentherapie (Radiatio) kann sowohl von außen als
auch von innen erfolgen. Die Strahlung hat das Ziel, die
Krebszellen zu zerstören.
Die externe (perkutane) Strahlentherapie wird in der Regel in
einem ambulanten Therapiezentrum durchgeführt. Für diese Therapie ist keine Betäubung erforderlich. Im Normalfall wird
der Patient 5 Mal pro Woche etwa 7–9 Wochen lang behandelt.
Externe Strahlentherapie
Bei der inneren Strahlentherapie (Brachytherapie) wird radio­aktives Material in die Prostata eingebracht.
Innere Strahlentherapie
Es gibt zwei Möglichkeiten:
• LDR-Brachytherapie (low-dose-rate = niedrig dosiert):
Seeds (wenige Millimeter große, radioaktiv geladene Metallstifte) bleiben dauerhaft in der Prostata.
• HDR-Brachytherapie (high-dose-rate = hoch dosiert):
Hoch dosiertes radioaktives Material wird nur für eine jeweils
vorausberechnete Dauer in die Prostata eingebracht. „Afterloading“ ist der Fachbegriff für diese Methode, die auch mit
anderen Therapien kombiniert werden kann.
Die Kostenübernahme für die innere Strahlentherapie ist im Voraus mit der Krankenkasse zu klären.
Hormontherapie
Prostatakrebs ist häufig – nicht immer – hormonabhängig.
Vor allem das männliche Sexualhormon Testosteron be­
günstigt das Krebswachstum. Der Entzug oder die Blockade
von Testosteron kann den Krebs zwar nicht heilen, aber unter
Umständen sein Wachstum bremsen und damit die Lebens­
zeit verlängern. Eine Hormontherapie kann auch das Wachs­
tum von Metastasen an anderen Stellen im Körper bremsen.
Es gibt mehrere Arten von Hormontherapien:
• Unterdrückung der Testosteronproduktion (Kastration)
Die geschieht heute meist chemisch durch Gabe von
Medikamenten, die verhindern, dass der Körper Testosteron
produziert. Nur noch selten erfolgt die chirurgische Kastration
durch die operative Ausschälung der Hoden (Orchiektomie).
13
• Unterdrückung der Testosteronwirkung
Eingesetzt werden sogenannte Antiandrogene (Mittel,
die gegen männliche Hormone wirken). Sie verhindern,
dass das Testosteron das Tumorwachstum fördert, aber der
Testosteronspiegel im Blut ist normal.
•Die maximale Androgenblockade (MAB) ist die Kombination
der beiden vorgenannten Methoden. Sie ist wirkungsvoller,
aber auch nebenwirkungsreicher.
Allerdings verliert der Hormonentzug nach etwa 2 Jahren seine
Wirkung, weil Krebszellen mit der Zeit hormonunempfindlich
werden.
Nebenwirkungen
Therapieansatz
14
Nebenwirkungen infolge des Testosteronentzugs können z. B.
starkes Schwitzen, Gewichtszunahme, Muskelabbau, depressive
Stimmungsveränderungen, Impotenz und wenig bis kein sexuelles
Interesse sein. Bei Gabe von Antiandrogenen treten weniger
Nebenwirkungen auf, am häufigsten ist hier ein Brustwachstum.
Früher wurden Hormontherapien nur durchgeführt, wenn
der Krebs bereits fortgeschritten war. Heute werden sie in
ver­schiedenen Situationen eingesetzt – die Entscheidung
ist individuell zu treffen:
•Als alleinige Therapie beim lokal begrenzten Tumor wird die
Hormontherapie empfohlen, wenn der Mann nur noch eine
geringe Lebenserwartung oder schwere Begleiterkrankungen
hat.
• Bei fortgeschrittenen Stadien mit Metastasen kann die
Hormontherapie alleinig oder unterstützend (adjuvant)
ein­gesetzt werden.
•Eine neoadjuvante Therapie wird etwa 3 Monate lang
vor einer Behandlung eingesetzt, am ehesten vor einer
Bestrahlungstherapie.
•Eine adjuvante Therapie wird häufig während oder nach
einer Bestrahlung eingesetzt, seltener nach einer Operation.
•Eine intermittierende Therapie (regelmäßige Unterbrechung
der Behandlung soll die Nebenwirkungen phasenweise
lindern und verhindern, dass die Krebszellen nicht mehr
auf die Hormontherapie ansprechen.
Strahlen- und Chemotherapie
bei Metastasen
Metastasen werden üblicherweise durch lokale Strahlen­
therapie oder die Gabe von radioaktiven Substanzen in die
Knochenmetastasen behandelt.
Auch kann versucht werden, Tochtergeschwülste mittels
Zytostatika (Chemotherapie) zu zerstören. Eine Chemotherapie
wird in der Regel begleitet durch Übelkeit, Erbrechen, starke
Müdigkeit und Erschöpfung (Fatigue, siehe S. 9) und Haar­ausfall
(siehe S. 10).
Alternative Therapien
Alternative Therapien können durchaus wirksam sein,
sie sind aber noch nicht ausreichend erprobt und deshalb
nicht Teil der offiziellen Leitlinien für die Prostatakrebs­
behandlung.
Ultraschallwellen entwickeln im Tumor eine Hitze von 90–100° C.
Durch diese Hitze wird das Prostata- bzw. Krebsgewebe zerstört.
Die Reste werden vom Körper abgebaut. Das Impotenzrisiko liegt
im mittleren Bereich und eine dauerhafte Inkontinenz ist eher
selten. Der Ultraschallkopf wird durch den Darm eingeführt, im
Allgemeinen ist nur eine Behandlung notwendig. Deshalb ist der
HIFU nicht sehr belastend für den Patienten und kann auch bei
älteren, an weiteren Krankheiten leidenden Patienten eingesetzt
werden.
Hochintensiv fokussierter
Ultraschall (HIFU)
Die Kostenübernahme ist im Voraus mit der Krankenkasse zu
klären.
Kryotherapie ist die Anwendung extremer Kälte („gefrieren“), um
Zellen zu zerstören. Diese recht junge Methode ist nur bei örtlich
begrenztem Tumor eine Behandlungsalternative. Durchgeführt
wird die Kryotherapie bei Prostatakrebs unter Vollnarkose von
Urologen oder Radiologen unter Aufsicht eines Anästhesisten.
Häufige Nebenwirkung ist eine Impotenz.
Kryotherapie
Die Kostenübernahme ist im Voraus mit der Krankenkasse zu
klären.
15
Abwarten und Beobachten
Abwarten und Beobachten ist zwar keine Therapie, sondern
ein Verschieben bzw. Umgehen einer Therapie, kann aber
insbesondere bei älteren Patienten in Absprache mit dem
Arzt die beste Möglichkeit sein.
Folgende Aspekte werden dabei in der Regel abgewägt:
• Patient hat einen schlechten Allgemeinzustand und die
Therapie wäre zusätzlich belastend.
• Niedrige Hormonaktivität.
• Der Tumor verursacht keine Beschwerden.
• Der Tumor ist klein, auf die Prostata beschränkt und wächst
nur langsam.
Beim „Abwarten“ wird die Tumorentwicklung durch regelmäßige
Kontrollen überwacht. Im Bedarfsfall kann dann immer noch
eine geeignete Therapie erfolgen.
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Arbeitsunfähigkeit und
finanzielle Absicherung
17
Arbeitsunfähigkeit
Bei Patienten mit Prostatakrebs, die im Berufsleben stehen,
kann eine Krankschreibung erfolgen. Die Arbeitsunfähigkeit
hängt sehr stark davon ab, in welchem Stadium der Krebs
festgestellt wurde und wie intensiv die Behandlung erfolgt.
Definition „Arbeitsunfähigkeit“:
Arbeitsunfähigkeit (AU) ist ein durch Krankheit oder Unfall
hervorgerufener regelwidriger Körper- oder Geisteszustand,
aufgrund dessen der in der Krankenversicherung Versicherte
seine bisherige Erwerbstätigkeit nicht oder nur unter Gefahr
der Verschlimmerung des Zustands weiter ausüben kann.
Die Arbeitsunfähigkeit (AU) ist Voraussetzung für Entgelt­
fortzahlung und Krankengeld.
• Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die AU
und die voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen.
• An die Krankenkasse muss die AU spätestens nach einer Woche
gemeldet sein.
Praxistipp!
Für einen späteren Anspruch auf Krankengeld ist es wichtig,
auf eine lückenlose Krankschreibung durch den Arzt zu achten.
Der Anspruch entsteht erst einen Tag nach der ärztlichen Feststellung der AU. Spätestens am letzten Tag der Krankschreibung
muss deshalb beim Arzt ein neues Attest ausgestellt werden.
Auch das Wochenende zählt bei der Berechnung mit. Ist das
ärztliche Attest beispielsweise bis Freitag gültig, ist spätestens an
diesem Freitag der Arzt aufzusuchen. Ein Arztbesuch am Montag
ist zu spät, denn unter bestimmten Voraussetzungen, z. B. einer
Kündigung vom Arbeitgeber, kann der Anspruch auf Kranken­geld durch eine lückenhafte Krankschreibung verloren gehen.
18
Arbeitsunfähigkeit: Welche Hilfen greifen wann?
Nachfolgend eine vereinfachte grafische Darstellung,
welche Hilfen greifen (können), wenn ein Arbeitnehmer längere Zeit arbeitsunfähig ist.
Arbeitsunfähigkeit (Krankmeldung) – Seite 18
Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber
(in der Regel 6 Wochen) – Seite 19
Krankengeld von der Krankenkasse
(bis max. 78 Wochen) – Seite 20
Aussteuerung aus der Krankenkasse – Seite 25
Erwerbsminderungsrente
Seite 31
Arbeitslosengeld
bei Arbeitsunfähigkeit
Seite 26
Medizinische Rehabilitation
Seite 56
Berufliche Reha – Seite 63
Übergangsgeld – Seite 28
Entgeltfortzahlung
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhalten alle Arbeit­
nehmer, auch geringfügig Beschäftigte, unabhängig von der
wöchentlichen Arbeitszeit, sofern sie ein ununterbrochenes
Arbeitsverhältnis von 4 Wochen haben.
Die Arbeitsunfähigkeit muss dem Arbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden. Die gesetzliche Anspruchsdauer auf Entgeltfortzahlung beträgt 6 Wochen und wird in Höhe von 100 % des
üblichen Arbeitsentgelts bezahlt.
Falls während einer Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, verlängern sich die 6 Wochen Entgeltfortzahlung nicht.
Falls der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung leistet und die
Krankenkasse noch nicht zahlt, keine Einkünfte oder kein
verwendbares Vermögen zur Verfügung stehen, ist es sinnvoll,
sich bezüglich finanzieller Hilfen an das Sozialamt oder die
Agentur für Arbeit zu wenden.
Wenn gesetzlich pflichtversicherte Patienten über die Zeit der
Entgeltfortzahlung hinaus krankgeschrieben sind, bekommen
sie Krankengeld.
19
Krankengeld
Gesetzlich pflichtversicherte Patienten, die länger als
6 Wochen arbeitsunfähig sind oder während der Arbeitsunfähigkeit ihren Arbeitsplatz verlieren, erhalten Krankengeld von der Krankenkasse.
Voraussetzungen
Das Krankengeld ist eine sogenannte Lohnersatzleistung, d. h.
es wird nur gezahlt, wenn nach 6 Wochen kein Anspruch (mehr)
auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber besteht.
Weitere Voraussetzungen sind:
• Versicherteneigenschaft zum Zeitpunkt des Eintritts der
Arbeitsunfähigkeit.
• Arbeitsunfähigkeit aufgrund Krankheit oder stationäre
Behandlung in Krankenhaus, Vorsorge- oder Reha-Einrichtung
auf Kosten der Krankenkasse.
• Es handelt sich immer um dieselbe Krankheit bzw. um eindeutige Folgeerkrankungen derselben Grunderkrankung. Tritt
während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit auf,
verlängert sich die Leistungsdauer dennoch nicht.
Anspruch auf Krankengeld
Kein Anspruch
Anspruch auf Krankengeld entsteht:
• bei Krankenhausbehandlung mit der stationären Aufnahme im
Krankenhaus bzw. in Vorsorge- oder Reha-Einrichtungen.
• bei Arbeitsunfähigkeit mit dem auf die ärztliche Feststellung
der Arbeitsunfähigkeit folgenden Tag.
Keinen Anspruch auf Krankengeld haben:
• Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben
sowie zur Berufsfindung und Arbeitserprobung, die nicht
nach dem Bundesversorgungsgesetz erbracht werden;
Ausnahme bei Anspruch auf Übergangsgeld (siehe S. 28).
•Familienversicherte.
• Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente, Erwerbsunfähigkeitsrente, einer Vollrente wegen Alters, eines Ruhegehalts, eines versicherungspflichtigen Vorruhestandsgehalts.
• Bezieher von Arbeitslosengeld II.
Mit dem Tage der Bewilligung einer Rente endet der Anspruch
auf Krankengeld. Wurden für eine gewisse Zeit gleichzeitig
Rente und Krankengeld gezahlt, so fordert die Krankenkasse
das Krankengeld zurück. Der Versicherte darf unter Umständen
lediglich den Teil des Krankengelds behalten, der über die Rente
hinausging (sogenannter Spitzbetrag).
20
Die Satzung einer Krankenkasse kann den Anspruch auf Krankengeld für freiwillig Versicherte, die selbstständig tätig sind, ausschließen oder erst zu einem späteren Zeitpunkt entstehen lassen,
je nachdem, welchen Tarif der Versicherte gewählt hat.
Freiwillig Versicherte
Freiwillig Versicherte, die angestellt sind und deren Einkommen
über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, bekommen Krankengeld.
Die Höhe des Krankengelds beträgt
• 70 % des Arbeitsentgelts (sogenanntes regelmäßiges Bruttoentgelt),
• maximal aber 90 % des Nettoarbeitsentgelts.
Höhe des Krankengelds
Definition „regelmäßig“:
Bezüge, die wegen außergewöhnlicher Umstände gewährt
wurden oder ausfielen, bleiben beim „regelmäßigen“ Entgelt
unbeachtet. Einmalige Zahlungen wie z. B. Weihnachts–
oder Urlaubsgeld gehören, wenn sie tatsächlich regelmäßig
wiederkehrend geleistet werden, zum „regelmäßigen“ Bruttoentgelt.
Abgezogen vom Krankengeld werden Sozialversicherungs­
beiträge für die Arbeitslosen-, Pflege- und Rentenversicherung.
Die Krankenkasse übernimmt die Beiträge der Krankenversicherung und jeweils die Hälfte der drei genannten Versicherungen.
Damit ergibt sich in der Regel ein Abzug von 11,98 % bei
Krankengeldempfängern mit Kindern bzw. von 12,23 % bei
kinderlosen Empfängern.
Das Krankengeld beträgt 2014 höchstens 94,50 e pro Tag.
Das Krankengeld wird kalendertäglich für 30 Tage je Kalendermonat gezahlt.
Höchstbetrag
des Krankengelds
Bei Bezug von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld wird
Krankengeld in Höhe dieser Leistungen gezahlt.
Die Dauer des Krankengelds wegen derselben Krankheit beträgt
maximal 78 Wochen (546 Kalendertage) innerhalb von 3 Jahren
ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
Dauer
21
„Dieselbe Krankheit“ heißt:
identische Krankheitsursache. Dazu zählen Krankheitsschübe
oder Folgeerkrankungen einer nicht ausgeheilten Grundkrankheit, z. B. bei Prostatakrebs eine weitere Therapie,
wenn der Tumor wieder auftritt (Rezidiv).
Die Blockfrist (= 3 Jahre) beginnt mit dem erstmaligen Eintritt
der Arbeitsunfähigkeit für die ihr zugrunde liegende Krankheit.
Bei jeder Arbeitsunfähigkeit wegen einer anderen Erkrankung
beginnt eine neue Blockfrist. Es ist möglich, dass mehrere Blockfristen nebeneinander laufen.
Die Leistungsdauer verlängert sich nicht, wenn während der
Arbeitsunfähigkeit eine andere Krankheit hinzutritt. Es bleibt
bei maximal 78 Wochen.
Nach Ablauf der Blockfrist, in der der Versicherte wegen
derselben Krankheit Krankengeld für 78 Wochen bezogen
hat, entsteht ein erneuter Anspruch auf Krankengeld wegen
derselben Erkrankung unter folgenden Voraussetzungen:
• erneute Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit,
• mindestens 6 Monate lang keine Arbeitsunfähigkeit wegen
dieser Krankheit und
• mindestens 6 Monate Erwerbstätigkeit oder der Arbeits­
vermittlung zur Verfügung stehend.
Beispiel
Der Arbeitgeber zahlt bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeit­
nehmers dessen Arbeitsentgelt bis zu 6 Wochen weiter
(§ 3 EntgeltfortzahlungsG), d. h.: Der Anspruch auf Krankengeld besteht zwar, aber er ruht (§ 49 Abs. 1 SGB V).
Erst danach gibt es Krankengeld. Die 6 Wochen Entgelt­
fortzahlung werden aber wie Krankengeld-Bezugszeiten
behandelt, so dass noch maximal 72 Wochen (78 Wochen
abzüglich 6 Wochen = 72 Wochen) Krankengeld gezahlt wird.
22
Der Anspruch auf Krankengeld ruht:
• bei Erhalt von (mehr als einmalig gezahltem) Arbeitsentgelt.
Das gilt besonders bei Entgeltfortzahlung (§ 3 EntgeltfortzahlungsG) bis zu 6 Wochen.
• bei Inanspruchnahme von Elternzeit nach dem Bundes­
elterngeld- und Elternzeitgesetz bis zum 3. Geburtstag eines
Kindes. Dies gilt nicht, wenn die Arbeitsunfähigkeit vor Beginn
der Elternzeit eingetreten ist oder wenn das Krankengeld aus
einer versicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung während
der Elternzeit errechnet wird.
• bei Bezug von Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld,
Arbeitslosengeld, Kurzarbeitergeld, Winterausfallgeld;
auch bei Ruhen dieser Ansprüche wegen einer Sperrzeit.
Ruhen des Anspruchs
Krankengeld wird gekürzt um den Zahlbetrag der
• Altersrente, Rente wegen Erwerbsminderung oder Land­
abgabenrente, jeweils aus dem Gesetz über die Alterssicherung
der Landwirte
• Teilrente wegen Alters oder Teilrente wegen Erwerbsminderung bzw. Berufsunfähigkeit aus der Rentenversicherung
• Knappschaftsausgleichsleistung, Rente für Bergleute
Kürzung des Krankengelds
soweit die Leistung nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder
stationären Behandlung zuerkannt wird.
Praxistipp!
Wenn eine der genannten Zahlungen eintrifft, ist dies der
Krankenkasse schnellstmöglich mitzuteilen. Das erspart spätere
Rückzahlungen.
Krankengeld ist ausgeschlossen bei Bezug von:
•Regelaltersrente
• Altersrente für langjährige Versicherte, für Schwerbehinderte,
wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit
• Voller Erwerbsminderungsrente
• Ruhegehalt nach beamtenrechtlichen Grundsätzen
•Vorruhestandsgeld
Ausschluss von Krankengeld
Mit Beginn dieser Leistungen bzw. mit dem Tage der Bewilligung
einer Rente endet der Anspruch auf Krankengeld. Wenn eine
Rente rückwirkend bewilligt wird, können sich Anspruchszeit­
räume für Krankengeld und Rente theoretisch überschneiden.
Die Krankenkasse und der Rentenversicherungsträger rechnen
dann direkt miteinander ab. Das Krankengeld wird in diesem Fall
nicht vom Versicherten zurückgefordert.
23
War das Krankengeld niedriger als der Rentenanspruch für den
Zeitraum, erhält der Versicherte den Differenzbetrag als Ausgleichszahlung vom Rentenversicherungsträger.
War das bezogene Krankengeld höher als der Rentenanspruch,
muss der Versicherte den Differenzbetrag jedoch nicht zurückzahlen.
Wegfall des Krankengelds bei
geminderter Erwerbsfähigkeit
Wenn der behandelnde Arzt oder der Arzt des MDK die Erwerbsfähigkeit des Versicherten als erheblich gefährdet oder gemindert
einschätzt und dies der Krankenkasse mitteilt (häufig kontaktieren
die Krankenkassen Ärzte gezielt mit dieser Fragestellung, um den
weiteren Rehabilitationsbedarf abzu­klären), kann die Krankenkasse dem Versicherten eine Frist von 10 Wochen setzen, um
einen Antrag auf Rehamaßnahmen zu stellen.
Kommt der Versicherte dieser Aufforderung nicht frist­
gerecht nach,
• ruht mit Ablauf der Frist der Anspruch auf Krankengeld und
• endet die Mitgliedschaft bei der Krankenkasse in der
bisherigen Form (= Aussteuerung, siehe unten).
Wird der Antrag später gestellt, lebt der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag der Antragstellung wieder auf, aber die Mitgliedschaft in der Kasse endet trotzdem.
Praxistipp!
Zu beachten ist hier, dass der Rentenversicherungsträger nach
Prüfung des Reha-Antrags zur Erkenntnis kommen kann, dass
Rehamaßnahmen keine Aussicht auf Erfolg (= Wiederherstellung
der Erwerbsfähigkeit) mehr haben, und den Antrag auf Reha­
maßnahmen dann direkt in einen Antrag auf Erwerbsminderungs­
rente umwandelt.
Wegfall des Krankengelds
bei Rentenanspruch
Wenn ein Patient die Voraussetzungen für den Bezug von
Regelaltersrente oder Altersrente aus der Alterssicherung
der Landwirte erfüllt (2014: ab dem 65. Geburtstag und
3 Monate), kann die Krankenkasse ebenfalls eine Frist von
10 Wochen setzen, innerhalb der er den Rentenantrag stellen
muss.
Hat er noch Anspruch auf Krankengeld, erhält er dieses weiter, bis
über den Rentenantrag entschieden ist. Hat er keinen Anspruch
auf Krankengeld mehr, kann er bei der Agentur für Arbeit
Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit (siehe S. 26) beantragen.
Mit Rentenbezug endet das Krankengeld auf jeden Fall, siehe
oben.
24
Wird der Anspruch auf Krankengeld (78 Wochen Arbeits­
unfähigkeit innerhalb von 3 Jahren wegen derselben Erkrankung)
ausgeschöpft und ist der Versicherte noch immer arbeitsunfähig,
dann endet seine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dieser Vorgang wird auch Aussteuerung genannt.
Aussteuerung:
Ende des Krankengelds
durch Höchstbezugsdauer
Die Krankenkasse informiert das Mitglied rund 2 Monate vor
der Aussteuerung darüber. Damit weiter ein Anspruch auf
medizinische Leistungen besteht, ist es wichtig weiterhin
Mitglied einer Krankenversicherung zu bleiben.
Es gibt folgende Möglichkeiten:
• Freiwillige Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse
• Familienversicherung (wenn z. B. die Ehefrau Mitglied einer
gesetzlichen Krankenkasse ist)
• Beantragung von Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit
(siehe S. 26)
• Private Krankenversicherung
Praxistipp!
Einige Krankenkassen fordern den Patienten auf, einen Antrag
auf Erwerbsminderungsrente zu stellen. Dies darf aber nicht
stattfinden, ohne dass vorher geprüft wird, ob Rehamaß­
nahmen durchgeführt werden könnten. Wenn die Kranken­
kasse dies dennoch tut, kann der Patient darauf bestehen, dass
die gesetzliche Reihenfolge eingehalten wird. Das ist dann
sinnvoll, wenn die zu erwartende Erwerbsminderungsrente
deutlich geringer ausfällt als das Krankengeld. Allerdings ist
immer das Wichtigste, dass der Krankenversicherungsschutz
des Patienten erhalten bleibt und er alle Mitwirkungspflichten
wahrnimmt und Fristen einhält.
Ist abzusehen, dass der Krankengeldbezug endet, sollte sich
die Patient unbedingt rechtzeitig mit der Krankenkasse in
Verbindung setzen, um den künftigen Versicherungsschutz zu
klären.
Wer hilft weiter?
Ansprechpartner sind die Krankenkassen.
25
Arbeitslosengeld bei
Arbeitsunfähigkeit
Wenn ein Versicherter keinen Anspruch auf Krankengeld
mehr hat, aber weiterhin arbeitsunfähig ist, kann er
„Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit“ beantragen.
Dieses sogenannte Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld ist eine
Sonderform des Arbeitslosengelds und überbrückt die Zeit ohne
Arbeitslosengeld (weil man nicht vermittelt werden kann), bis
eine andere Leistung, z. B. Weiter­bildung oder Rente, gezahlt
wird.
Informationen zum Ende des Krankengeldanspruchs, der
sogenannten „Aussteuerung“, siehe S. 25.
Voraussetzungen
26
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
•Arbeitsunfähigkeit
• Arbeitslosigkeit oder Bestehen eines Arbeitsverhältnisses,
das jedoch aufgrund einer Krankheit/Behinderung schon
mindestens 6 Monate nicht mehr ausgeübt werden konnte.
• Erfüllung der Anwartschaftszeit
Die Anwartschaftszeit ist erfüllt, wenn der Antragsteller
in den letzten 2 Jahren vor der Arbeitslosenmeldung und
dem Eintritt der Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate
(= 360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis
stand. Über andere berücksichtigungsfähige Zeiten informieren
die örtlichen Agenturen für Arbeit.
• Der Arbeitslose steht wegen einer Minderung seiner Leistungsfähigkeit länger als 6 Monate der Arbeitsvermittlung nicht
zur Verfügung, weswegen kein Anspruch auf Arbeitslosengeld
besteht.
• Es wurden entweder die Erwerbsminderungsrente beim
zuständigen Rentenversicherungsträger beantragt oder Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung Behinderter.
Der Antrag muss innerhalb eines Monats nach Zugang eines
entsprechenden Aufforderungsschreibens der Agentur für
Arbeit gestellt worden sein. Wurde ein solcher Antrag unterlassen, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Ablauf
der Monatsfrist bis zu dem Tag, an dem der Arbeitslose
den Antrag stellt. Hat der Rentenversicherungsträger die ver­
minderte Erwerbsfähigkeit bereits festgestellt, besteht
kein Anspruch auf Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld.
Das Arbeitslosengeld im Wege der sogenannten Nahtlosigkeit
wird gezahlt, bis über die Frage der verminderten Erwerbs­
fähigkeit entschieden wird, längstens bis der Arbeitslosengeld­
anspruch endet. Damit überbrückt es die Übergangszeit, in
der der Rentenversicherungsträger über das Vorliegen einer
verminderten Erwerbsfähigkeit entscheidet.
Dauer
Relevant ist, was der Arbeitslose zuletzt im Bemessungszeitraum
(in der Regel die letzten 52 Wochen vor Arbeitslosigkeit) als
Voll-Erwerbstätiger verdient hat. Es kommt nicht darauf an,
was der Arbeitslose aufgrund der Minderung seiner Leistungs­
fähigkeit verdienen könnte. Wird für die Zeit des NahtlosigkeitsArbeitslosengelds rückwirkend Übergangsgeld gezahlt oder Rente
gewährt, erhält der Arbeitslose nur den evtl. überschießenden
Betrag. War das Nahtlosigkeits-Arbeitslosengeld höher, muss er
den überschießenden Betrag jedoch nicht zurückzahlen.
Höhe
Praxistipp!
Wird dem Arbeitslosen vom Rentenversicherungsträger Leistungsfähigkeit von mehr als 15 Stunden wöchentlich bescheinigt,
muss er sich, um weiterhin Arbeitslosengeld zu beziehen, der
Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen – auch wenn er mit
der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers nicht ein­
verstanden ist und gegen diese gerichtlich vorgeht.
Obwohl das Verhalten des Arbeitslosen gegenüber dem Rentenversicherungsträger (Geltendmachung von Leistungsunfähigkeit)
im Widerspruch zum Verhalten gegenüber der Agentur für Arbeit
(Leistungsfähigkeit und Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme) steht,
muss der Arbeitslose im Verfahren mit dem Rentenversicherungsträger keine Nachteile befürchten, da die Beurteilung über die
Leistungsfähigkeit ausschließlich nach objektiven Maßstäben
erfolgt. Auf subjektive Erklärungen des Arbeitslosen („sich dem
Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen“) kommt es nicht an.
Wer hilft weiter?
Die örtliche Agentur für Arbeit informiert über alle Belange rund
um das „Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit“.
27
Arbeitslosengeld II
und Sozialgeld
Arbeitslosengeld II (ALG II) und Sozialgeld werden umgangs­
sprachlich als „Hartz IV“ bezeichnet.
Arbeitslosengeld II
ALG II erhalten Arbeitslose im Anschluss an das Arbeitslosen­
geld, wenn sie:
• 15 Jahre bis 65 Jahre und 3 Monate alt sind (Stand 2014).
• erwerbsfähig sind, d. h.: mindestens 3 Stunden täglich arbeiten
können.
• hilfebedürftig sind, d. h.: ihren Lebensunterhalt nicht aus
eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten können.
ALG II ist eine Leistung zur Grundsicherung für Arbeitssuchende.
Sozialgeld
Höhe
Sozialgeld erhalten Angehörige von ALG-II-Empfängern, die
selbst nicht erwerbsfähig oder unter 15 Jahre alt sind.
ALG II und Sozialgeld entsprechen dem Niveau der Sozialhilfe
und setzen sich aus drei Bausteinen zusammen: den Regel­
bedarfen (391,– e für Alleinstehende), den Kosten für Miete
und Heizung sowie den Mehrbedarfen in besonderen Situationen.
Näheres siehe S. 36.
Übergangsgeld
Übergangsgeld überbrückt einkommenslose Zeiten während
der Teilnahme an Rehamaßnahmen oder an Maßnahmen zur
Teilhabe am Arbeitsleben.
Übergangsgeld wird je nach Voraussetzungen vom jeweiligen
Reha-Träger gezahlt. Höhe und Dauer sind im Wesentlichen
einheitlich geregelt, nur die Voraussetzungen unterscheiden sich
bei den Leistungsträgern. Reha-Träger können u. a. die Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit sein.
Übergangsgeld ist eine sogenannte Lohnersatzleistung, d. h.:
Es wird nur dann gezahlt, wenn im Krankheitsfall kein Anspruch
(mehr) auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber besteht.
28
In der Regel leistet der Arbeitgeber nach § 3 Entgeltfortzahlungs­
gesetz 6 Wochen Lohnfortzahlung.
Übergangsgeld muss beantragt werden.
Das Übergangsgeld der Rentenversicherung zählt zu den
ergänzenden Leistungen zur Reha.
Voraussetzungen der
Rentenversicherung
Die Rentenversicherung zahlt Übergangsgeld
• bei Erhalt von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
• bei Erhalt von Leistungen zur Medizinischen Reha.
• während der Teilnahme an einer Berufsfindung oder Arbeitserprobung, wodurch kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt
erzielt wird.
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
• Der Antragsteller muss vorher aufgrund einer beruflichen
Tätigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben
und Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet haben oder
z. B. Krankengeld, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosengeld II
bezogen haben.
• Die rentenrechtlichen Voraussetzungen zu den Ergänzenden
Leistungen zur Reha müssen erfüllt sein.
Die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld beträgt bei
allen Trägern 80 % des letzten Bruttoverdienstes, ist jedoch
höchstens so hoch wie der Nettoverdienst.
Höhe
Das Übergangsgeld beträgt:
• 75 % dieser Berechnungsgrundlage bei Versicherten
– die ein Kind haben (§ 32 EStG) oder
– die pflegebedürftig sind und durch ihren Ehegatten
gepflegt werden, der deshalb keine Erwerbstätigkeit
ausüben kann, oder
– deren Ehegatte pflegebedürftig ist und keinen Anspruch
auf Leistungen aus der Pflegeversicherung hat.
• 68 % dieser Berechnungsgrundlage für die übrigen Versicherten.
Das Übergangsgeld wird an die Entwicklung der Bruttoarbeitsentgelte angepasst.
Bei Übergangsgeld während einer Leistung zur Teilhabe am
Arbeitsleben wird 65 % des ortsüblichen Tarifs berechnet, wenn
vor der Maßnahme kein Lohn erzielt wurde oder der errechnete
Betrag zu gering ausfällt.
29
Bei Arbeitslosigkeit im Anschluss an Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben vermindert sich das Übergangsgeld um
8 % auf
• 67 % der Berechnungsgrundlage bzw.
• 60 % der Berechnungsgrundlage
Dauer
Alle Träger zahlen Übergangsgeld
• für den Zeitraum der Leistung zur Medizinischen Reha bzw.
zur Teilhabe am Arbeitsleben.
• während einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben maximal
6 Wochen bei gesundheitsbedingter Unterbrechung einer
Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben,
• nach einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben maximal
3 Monate bei anschließender Arbeitslosigkeit nach einer
ab­geschlossenen Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, soweit
kein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 3 Monate besteht.
• nach Abschluss von Leistungen zur Medizinischen Reha bzw.
zur Teilhabe am Arbeitsleben bei Erforderlichkeit weiterer
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn Arbeits­
unfähigkeit vorliegt und kein Anspruch auf Krankengeld
oder keine Vermittelbarkeit in eine zumutbare Beschäftigung
besteht. Allerdings wird in diesem Fall das Übergangsgeld
reduziert.
• Findet eine Stufenweise Wiedereingliederung (siehe S. 64)
im unmittelbaren Anschluss (innerhalb von 4 Wochen) an
Leistungen zur Medizinischen Reha statt, wird das Übergangsgeld bis zu deren Ende gezahlt.
Wer hilft weiter?
Individuelle Auskünfte erteilt der zuständige Sozialversicherungs­­träger: Rentenversicherungsträger oder Agentur für Arbeit.
30
Erwerbsminderungsrente
Erwerbsminderungsrente erhält, wer aus gesundheitlichen
Gründen in seiner Arbeitsfähigkeit deutlich eingeschränkt
ist.
Es gibt zwei Arten der Erwerbsminderungsrente:
• Voll erwerbsunfähig ist, wer aus gesundheitlichen Gründen
auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, eine berufliche Tätigkeit von mindestens 3 Stunden täglich unter den üblichen
Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben.
• Teilweise erwerbsunfähig ist, wer aus gesundheitlichen
Gründen auf nicht absehbare Zeit eine berufliche Tätigkeit
von mindestens 3, aber weniger als 6 Stunden täglich unter
den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes
ausüben kann.
Diese Renten ersetzen seit 2001 die „Rente wegen Berufs­
unfähigkeit“ und die „Rente wegen Erwerbsunfähigkeit“.
Für vor dem 2.1.1961 Geborene gelten weiterhin die Regelung
der Berufsunfähigkeitsrente, d. h. der bisherige Beruf kann nur
noch weniger als 6 Stunden täglich ausgeübt werden.
Erwerbsminderungsrente muss beantragt werden. Anspruch auf
diese Rente besteht bis zum Beginn des Regelrentenalters
(2014: 65 Jahre und 3 Monate).
Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
• Erfüllung der Wartezeit (= Mindestversicherungszeit) von
5 Jahren (gilt z. B. als erfüllt, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Schädigung
während des Wehr- oder Zivildienstes eingetreten ist) und
• in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit
3 Jahre Pflichtbeiträge geleistet wurden.
Voraussetzungen
Die Erwerbsminderungsrente ist in der Regel befristet.
Sie wird für längstens 3 Jahre gewährt. Danach kann sie wiederholt werden. Unbefristet wird die Rente nur gewährt, wenn keine
Verbesserung der Erwerbsminderung mehr absehbar ist, davon ist
nach 9 Jahren auszugehen.
Befristung
31
Höhe
Die Höhe der Erwerbsminderungsrente wird individuell errechnet.
Sie ist von mehreren Faktoren abhängig, z. B. Beitragszeiten,
Beitragshöhe, Rentenartfaktor. Die monatliche Rentenhöhe kann
beim Rentenversicherungsträger erfragt werden. Die Höhe der
vollen Erwerbsminderungsrente kann auch aus der jährlichen
Renteninformation entnommen werden, in der Regel sind dabei
die Rentenabschläge berücksichtigt.
Praxistipps!
Antrag: Dem Rentenantrag sind zweckmäßige ärztliche Unter­
lagen (z. B. Befundbericht des Onkologen) sowie alle Versicherungs­
nachweise beizufügen, damit er möglichst schnell bearbeitet
werden kann.
Bei Notwendigkeit der Weiterführung der Rente ist ein neuer
bzw. ein Verlängerungsantrag nötig. Im Antrag sind die
Einschränkungen des Versicherten durch den Arzt möglichst
genau zu beschreiben bzw. die Angaben aus dem Erstantrag zu
bestätigen, falls keine Verbesserung eingetreten ist.
Selbstständigkeit
Auch selbstständig Erwerbstätige können eine volle Erwerbs­
minderungsrente beanspruchen, wenn sie nach dem Ergebnis
der medizinischen Untersuchungen nicht mehr in der Lage sind,
3 Stunden täglich zu arbeiten. Die weitere Ausübung der selbstständigen Erwerbstätigkeit auf Kosten der Gesundheit ist renten­
unschädlich. Das erzielte Einkommen ist dabei allerdings auf die
Rente wegen Erwerbsminderung anzurechnen und kann den
Rentenzahlbetrag mindern.
Wer hilft weiter?
Auskünfte und Beratungsstellen vor Ort vermitteln die Rentenversicherungsträger, die auch individuelle Rentenberechnungen
vornehmen.
32
Altersrente für
Schwerbehinderte
Schwerbehinderte (siehe S. 67) können unter bestimmten
Voraussetzungen bereits ab 63 Jahren in Rente gehen.
Zudem können sie ab 60 Jahren eine vorgezogene „Alters­
rente für schwerbehinderte Menschen“ beantragen, aller­
dings mit Abschlägen bis zu 10,8 %.
Die Altersgrenze für eine abschlagfreie Rente wird ab 2015
schrittweise von 63 auf 65 Jahre angehoben, die Altersgrenze
für die vorgezogene Rente wird seit 2012 von 60 auf 62 Jahre
angehoben.
Zu beachten ist, dass der Rentenanspruch auch weiter besteht,
wenn während des Bezugs der Rente die Schwerbehinderung
aufgehoben wird.
Rente ab 63
Anspruch auf abschlagfreie Altersrente ab dem vollendeten
63. Lebensjahr, haben Menschen, die
• die Wartezeit (= Mindestversicherungszeit) von 35 Jahren
erfüllt haben und
• anerkannt schwerbehindert (siehe S. 67) sind oder
vor dem 1.1.1951 geboren wurden und bei Beginn der Altersrente berufs- oder erwerbsunfähig nach dem am 31.12.2000
geltenden Recht waren.
Geburtsjahrgänge
bis Ende 1951
Rentenabschläge bei Rente ab 60
Bereits ab dem 60. Geburtstag kann Altersrente für Schwer­
behinderte beantragt werden. Dabei gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die Rente ab 63 Jahren, aber die vorgezogene
Altersrente für Schwerbehinderte ist niedriger.
Für jeden Monat, den die Rente vor den 63. Geburtstag vor­
gezogen wird, wird sie um je 0,3 % gekürzt. Diese Rentenkürzung
ist dauerhaft, d. h. sie fällt mit dem Erreichen der Altersgrenze
nicht weg und führt nach dem Tod des Versicherten auch zu
einer Kürzung der Hinterbliebenenrente.
33
Geburtsjahrgänge
ab 1952
Ab 2015 wird die Altersgrenze für eine abschlagfreie Altersrente für Schwerbehinderte beginnend mit dem Geburtsjahrgang
1952 schrittweise von 63 auf 65 Jahre angehoben. Seit 2012
wird die Altersgrenze für die vorzeitige Inanspruchnahme dieser
Rente von 60 auf 62 Jahre angehoben. Diese Altersgrenze liegt
2014 bei 60 Jahren und 8 Monaten. Es gilt ebenfalls ein Renten­
abschlag von 0,3 % pro vorgezogenem Monat.
Eine detaillierte Übersicht über den möglichen Rentenbeginn
der Jahrgänge 1952 bis 1963 finden Sie unter
www.gesetze-im-internet.de/sgb_6/__236a.html.
Für Jahrgänge ab 1964 liegt die Altersgrenze bei 65 Jahren bzw.
vorgezogen bei 62 Jahren.
Praxistipp!
Der Antrag sollte innerhalb von 3 Monaten nach Ablauf des
Monats, in dem die Rentenvoraussetzungen erfüllt werden,
gestellt werden. Ansonsten wird Geld verschenkt. Antrags­
formulare gibt es bei den Rentenversicherungsträgern und den
Stadt- und Gemeindeverwaltungen.
Wer hilft weiter?
Auskünfte und Beratungsstellen vor Ort vermitteln die Rentenversicherungsträger, die auch individuelle Rentenberechnungen
vornehmen.
34
Sozialhilfe
Sozialhilfe umfasst Leistungen für Menschen, die nicht
erwerbsfähig und nicht in der Lage sind, für ihren Lebens­
unterhalt selbst aufzukommen. Sozialhilfeleistungen gibt
es nur, wenn weder der Betroffene selbst, noch Angehörige,
noch andere Sozialversicherungsträger für dessen Bedarf
aufkommen können.
Die beiden folgenden Leistungen „Grundsicherung“ und
„Hilfe zum Lebensunterhalt“ zählen zur Sozialhilfe.
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Die Grundsicherung sichert den Lebensunterhalt von Menschen
über 65, die wegen Alters oder aufgrund voller Erwerbsminderung
nicht mehr arbeiten können, und deren Einkünfte für den notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichen.
Grundsicherung
Leistungsberechtigt sind Menschen mit gewöhnlichem
Aufenthalt in Deutschland,
• die die Altersgrenze für Altersrente (2014: 65 Jahre und
3 Monate) erreicht haben oder
• die das 18. Lebensjahr vollendet haben und – unabhängig von
der jeweiligen Arbeitsmarktlage – aus medizinischen Gründen
dauerhaft voll erwerbsgemindert sind,
wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht selbst aus ihrem Einkommen
und Vermögen bestreiten können.
Voraussetzungen
Die Grundsicherung ist abhängig von der Bedürftigkeit und
umfasst folgende Leistungen:
• Den für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz
der Sozialhilfe (siehe Tabelle S. 36)
• Die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (bei nicht getrennt lebenden Ehegatten
oder bei einer eheähnlichen Partnerschaft jeweils anteilig)
• Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge
• Einen Mehrbedarfszuschlag, z. B. bei Behinderung, bei
besonderer Ernährung oder bei verzehrenden Krankheiten
wie Krebs
• Einmalige Leistungen
• Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen, insbesondere
Übernahme von Mietschulden
Umfang und Höhe
35
RS* Regelsätze für
1
2
3
4
5
6
Volljährige Alleinstehende oder Alleinerziehende
Volljährige Ehe- oder Lebenspartner
in einer Bedarfsgemeinschaft
(= gemeinsamer Haushalt) jeweils
Sonstige Volljährige in einer
Bedarfsgemeinschaft
Kinder vom 14. bis zum 18. Geburtstag jeweils
Kinder vom 6. bis zum 14. Geburtstag jeweils
Kinder bis zum 6. Geburtstag jeweils
Höhe
391,– e
353,– e
313,– e
296,– e
261,– e
229,– e
* RS = Regelbedarfsstufe
Von diesem Bedarf wird das eigene Einkommen und Vermögen
abgezogen, die Differenz wird als Grundsicherung ausgezahlt.
Sind Einkommen und Vermögen höher als der Bedarf, besteht
kein Anspruch auf eine Grundsicherungsleistung.
Praxistipp!
Empfänger von Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbs­
minderung werden vom Rundfunkbeitrag befreit und erhalten
eine Telefongebührenermäßigung.
Anrechnung von
Einkommen und Vermögen
Grundsicherungsleistungen erhalten nur Bedürftige, die ihren
Lebensunterhalt nicht oder nicht vollständig bestreiten können.
Angerechnet werden
• eigenes Einkommen und Vermögen und
• Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Eheoder Lebenspartners, soweit es deren Eigenbedarf übersteigt.
Dabei gibt es bestimmte Anrechnungsgrenzen und Schon­
vermögen, die individuell verschieden sind. Detaillierte Aus­künfte gibt der zuständige Sachbearbeiter des Sozialamts.
Unterhaltspflicht
36
Das Sozialamt klärt im Zuge seiner Leistung für den Hilfe­
bedürftigen, ob dessen Angehörige unterhaltspflichtig sind.
Eltern und Kinder sind nur unterhaltspflichtig, wenn das zu
versteuernde Gesamteinkommen jährlich 100.000,– e übersteigt.
Bei einer Unterhaltspflicht von Kindern gegenüber ihren Eltern
gilt diese Einkommensgrenze für jedes einzelne Kind.
Die Grundsicherung wird in der Regel für 12 Kalendermonate
bewilligt.
Dauer
Erstbewilligung und Änderung: Die Auszahlung beginnt am
Ersten des Monats, in dem der Antrag gestellt wurde oder in
dem die Voraussetzungen für die Änderung eingetreten und
mitgeteilt wurden.
Bekommt der Berechtigte infolge der Änderung weniger
Leistungen, beginnt der neue Bewilligungszeitraum am Ersten
des Folgemonats.
Zu Beginn der Altersrente oder nach Arbeitslosengeld II beginnt
der Bezug mit dem Ersten des Folgemonats.
Wer hilft weiter?
Der Antrag kann beim zuständigen Sozialamt gestellt werden,
in dessen Bereich der Antragsberechtigte seinen gewöhnlichen
Aufenthaltsort hat.
Auch Rentenversicherungsträger beraten zum Thema Grund­
sicherung bei Erwerbsminderungsrente, nehmen einen Rentenantrag entgegen und senden diesen gemeinsam mit einer Mit­
teilung über die Höhe der monatlichen Rente an den zuständigen
Träger der Sozialhilfe.
Hilfe zum Lebensunterhalt
Wenn umgangssprachlich von „Sozialhilfe“ gesprochen wird, ist
meist die Hilfe zum Lebensunterhalt gemeint. Sie ist in Höhe und
Umfang praktisch identisch mit der Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung, siehe S. 35.
Hilfe zum
Lebensunterhalt
Sozialhilfeempfänger sind in der Regel krankenversichert. Wenn
nicht, bekommen sie dennoch die gleichen Leistungen wie
„Kassenpatienten“ und ähnliche Leistungen, was die Unter­
stützung bei Pflegebedürftigkeit angeht. Sozialhilfeempfänger
werden im Rahmen ihrer Belastungsgrenzen zu Zuzahlungen
(siehe S. 40) herangezogen.
Krankheit, Pflege und
Zuzahlungen
In Vorleistung geht das Sozialamt, wenn sich die Auszahlung von
Leistungen anderer Sozialversicherungsträger verzögert. Dies ist
z. B. der Fall, wenn bei der Pflegekasse ein Antrag auf Pflege­
leistungen gestellt wurde, das Überprüfungsverfahren mehrere
Wochen dauert und die Pflege schon stattfindet.
Vorleistung
37
Wer hilft weiter?
Zuständig sind die örtlichen Sozialämter und die überörtlichen
Träger der Sozialhilfe. Die überörtlichen Träger sind in der Regel
für Hilfen zuständig, die in Einrichtungen gewährt werden; die
örtlichen Sozialämter in Landkreisen, großen und kreisfreien
Städten für alle anderen Hilfen. Gemeinden sind nicht Träger der
Sozialhilfe, können aber als erste Anlaufstelle genutzt werden
und wissen, wie und wo die Ansprechpartner erreichbar sind.
Wohngeld
Wohngeld ist ein staatlicher Zuschuss zu den Kosten für
Wohnraum. Er ist abhängig von der Zahl der Familienmit­
glieder, deren Einkommen und der regional unterschiedlichen
Höhe der zuschussfähigen Miete oder Belastung. Das Wohn­
geld wird in der Regel für 12 Monate gewährt und muss
möglichst vor Ablauf der Bezugszeit neu beantragt werden.
Keinen Anspruch auf Wohngeld haben u. a. Empfänger von
Arbeitslosengeld II und Sozialgeld (siehe S. 28) oder von Sozialhilfe (siehe S. 35).
Praxistipp!
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
bietet Wohngeld-Tabellen unter www.bmvi.de > Suche nach
„Wohngeld­tabellen“.
Wer hilft weiter?
Der Antrag auf Wohngeld erfolgt bei der örtlichen Wohngeldstelle, die auch weitere Auskünfte erteilt. Hier können auch die
aktuellen Wohngeldtabellen eingesehen werden.
38
Zuzahlungen in der
gesetzlichen Krankenversicherung
39
Übersicht über Zuzahlungen
Versicherte ab dem 18. Geburtstag, zum Teil auch Kinder,
müssen zu bestimmten Leistungen der Krankenkasse
Zuzahlungen leisten, z. B. zu Arzneimitteln, Heil- und Hilfs­
mitteln, Krankenhausaufenthalten, Fahrtkosten und Zahn­
ersatz. Dies gilt auch für Sozialhilfeempfänger.
Die folgende Auflistung enthält alle Zuzahlungen, auch wenn
sie nicht immer im Zusammenhang mit Prostatakrebs stehen,
da für eine mögliche Zuzahlungsbefreiung (siehe S. 45) alle
Zuzahlungen einbezogen werden.
Befreiungsfähige
Zuzahlungen
Arzneimittel
Zuzahlung (umgangssprachlich „Rezeptgebühr“ genannt):
10 % der Kosten, mindestens 5,– e, maximal 10,– e, in keinem
Fall mehr als die Kosten des Arzneimittels.
Preis/Kosten
bis 5,– €
5,01 € bis 50,– €
50,– € bis 100,– €
Ab 100,– €
Zuzahlung
Preis = Zuzahlung
5,– €
10 % des Preises
10,– €
Aufgrund des Arzneimittelwirtschaftlichkeitsgesetzes (AVWG)
entscheidet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen,
welche Arzneimittelwirkstoffe von der Zuzahlung befreit werden
können. Auf www.gkv-spitzenverband.de > Krankenversicherung
> Arzneimittel ist eine Übersicht der zuzahlungsbefreiten Arzneimittel zu finden, die 14-tägig aktualisiert wird.
Darüber hinaus können Medikamente eines Arzneimittelherstellers,
mit dem die Krankenkasse einen Rabattvertrag geschlossen hat,
ganz oder zur Hälfte zuzahlungsfrei sein.
Auskünfte hierzu erteilen Apotheken und Krankenkassen.
Verbandmittel
10 % der Kosten, mindestens 5,– e, maximal 10,– e, in keinem
Fall mehr als die Kosten des Arzneimittels.
Heilmittel
10 % der Kosten zuzüglich 10,– e je Verordnung.
Heilmittel im sozialrechtlichen Sinn sind äußerliche Behandlungsmethoden wie Lymphdrainage (siehe S. 52), Elektrostimulation
oder Beckenbodengymnastik (siehe S. 52).
40
Hilfsmittel
10 % der Kosten, mindestens 5,– €, maximal 10,– €.
Bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt die
Zuzahlung 10 % je Packung, maximal jedoch 10,– € monatlich.
Ein Hilfsmittel ist ein Gegenstand oder ein Gerät, das unmittelbar auf eine Behinderung ausgerichtet ist, z. B. Vorlagen,
Inkontinenzhosen oder Elektrostimulationsgeräte (siehe S. 49).
Häusliche Krankenpflege
10 % der Kosten pro Tag, begrenzt auf 28 Tage im Kalenderjahr,
zuzüglich 10,– € je Verordnung.
Häusliche Krankenpflege bedeutet, dass ein Patient zu Hause von
Fachpersonal versorgt wird.
Soziotherapie
10 % der Kosten pro Tag, mindestens 5,– €, maximal 10,– €.
Soziotherapie ist die ambulante Betreuung schwer psychisch
kranker Menschen.
Haushaltshilfe
10 % der Kosten pro Tag, mindestens 5,– €, maximal 10,– €.
Eine Haushaltshilfe ist eine fremde oder verwandte Person, die
die tägliche Arbeit im Haushalt erledigt.
Krankenhausbehandlung, Anschlussheilbehandlung
10,– € pro Kalendertag, für längstens 28 Tage pro Kalenderjahr.
Bereits im selben Jahr geleistete Zuzahlungen zu Krankenhausund Anschlussheilbehandlung (siehe S. 61) werden angerechnet.
Ambulante und stationäre Leistungen zur Rehabilitation
10,– € pro Kalendertag an die Einrichtung, in der Regel ohne
zeitliche Begrenzung.
Fahrtkosten
10 % der Fahrtkosten (bei medizinisch angeordneten Fahrten),
mindestens 5,– €, maximal 10,– €, in keinem Fall mehr als die
Kosten der Fahrt. Auch für Fahrten von Kindern.
Es gibt auch Zuzahlungen, die bei der Berechnung der
Zuzahlungsbefreiung nicht berücksichtigt werden.
Nicht befreiungsfähige
Zuzahlungen
Dazu zählen Zuzahlungen zu
• künstlichen Befruchtungen,
•Zahnersatz und
• kieferorthopädischen Behandlungen.
41
Zuzahlungsbefreiung bei
Erreichen der Belastungsgrenze
Wer im Laufe eines Kalenderjahres bestimmte Belastungs­
grenzen erreicht, kann sich von vielen Zuzahlungen der
Krankenkasse befreien oder sich am Jahresende den über
der Belastungsgrenze liegenden Betrag erstatten lassen. Die
Belastungsgrenze liegt bei 2 % des Bruttoeinkommens, bei
schwerwiegend chronisch Kranken bei 1 %.
Belastungsgrenze
Bei zahlreichen Leistungen der Krankenversicherung muss der
Patient Zuzahlungen leisten. Die Belastungsgrenze soll ver­
hindern, dass insbesondere chronisch Kranke, Behinderte,
Versicherte mit einem geringen Einkommen und Sozialhilfeempfänger durch die Zuzahlungen zu medizinischen Leistungen
unzumutbar belastet werden.
Berechnung des
Bruttoeinkommens
Das Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt (siehe S. 43) ist
als Familienbruttoeinkommen zu verstehen. Es errechnet sich
aus dem Bruttoeinkommen des Versicherten und den Bruttoeinkommen aller Angehörigen des Versicherten, die mit ihm
in einem gemeinsamen Haushalt leben.
„Angehörige“ des Versicherten sind:
•Ehepartner
• Kinder bis zum Kalenderjahr, in dem sie das 18. Lebensjahr
vollenden
• Kinder ab dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr
vollenden, wenn sie familienversichert sind
• eingetragene, gleichgeschlechtliche Lebenspartner
• sonstige Angehörige nach § 7 Abs. 2 KVLG (Kranken­
versicherung der Landwirte)
Nicht zu den „Angehörigen“ zählen nicht verheiratete oder
nicht eingetragene Partner.
Freibetrag
42
Von diesem Bruttoeinkommen zum Lebensunterhalt wird ein
Freibetrag abgezogen:
• Für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Ange­hörigen
des Versicherten (z. B. Ehegatte oder erstes Kind eines allein­
erziehenden Versicherten): 4.977,– e (= 15 % der jährlichen
Bezugsgröße).
• Für Mitglieder der Krankenversicherung der Landwirte gilt:
Für jeden weiteren im gemeinsamen Haushalt lebenden
Angehörigen des Versicherten und des eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartners: 3.318,– e (= 10 % der
jährlichen Bezugsgröße).
• Für jedes Kind eines verheirateten Versicherten sowie für
jedes Kind eines eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebens­
partners: 7.008,– e als Kinderfreibetrag, wenn es sich um ein
Kind beider Ehegatten handelt, ansonsten 3.504,– e
(§ 32 Abs. 6 EStG).
• Für jedes weitere Kind eines alleinerziehenden Versicherten:
7.008,– e.
Einnahmen zum Lebensunterhalt sind:
• Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen (bei Selbstständigen)
•Krankengeld
•Arbeitslosengeld
• Einnahmen aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung
• Altersrenten, Witwen- oder Witwerrente und andere Renten
wegen Todes
• Einnahmen von Angehörigen im gemeinsamen Haushalt
(Ehepartner, familienversicherte Kinder, eingetragene gleichgeschlechtliche Lebenspartner). Nicht hierzu zählen Partner
einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
• Elterngeld, aber nur der Betrag, der über dem Sockelbetrag von
300,– e liegt (bei doppeltem Bezugszeitraum über 150,– e).
• Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, so
weit diese die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz
(BVG) übersteigt
• Grundrente für Hinterbliebene nach dem BVG
Einnahmen zum
Lebensunterhalt
Nicht zu den Einnahmen zählen zweckgebundene
Zuwendungen, z. B.:
• Pflegegeld (von Pflegeversicherung, Sozialhilfe oder Unfall­
versicherung)
•Blindenhilfe
• Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG)
• Taschengeld vom Sozialamt für Heimbewohner
• Rente oder Beihilfe nach dem Bundesentschädigungsgesetz
bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG
• Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung,
soweit diese der Grundrente nach dem BVG entspricht
•Kindergeld
Bei Empfängern von Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe),
von Arbeitslosengeld II und von Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung wird jeweils nur der Regelsatz der Regel­
bedarfsstufe 1 als Bruttoeinkommen für die gesamte Bedarfs­
gemeinschaft gezählt, d. h.: Der jährliche Zuzahlungsgesamt­
betrag beträgt 93,84 e, bei chronisch Kranken 46,92 e.
Sozialhilfe,
Arbeitslosengeld II,
Grundsicherung
43
Zuzahlungsbefreiung,
Rückerstattung
Zuzahlungen werden als „Familienzuzahlungen“ betrachtet,
d. h. es werden die Zuzahlungen des Versicherten mit den
Zuzahlungen seiner Angehörigen, die mit ihm im gemeinsamen
Haushalt leben, zusammengerechnet.
Ausnahme:
Ist ein Ehepartner beihilfeberechtigt und/oder privat krankenversichert, werden die Zuzahlungen, die auch dieser evtl. leisten
muss, nicht als Familienzuzahlung berechnet. Das bedeutet, die
gesetzliche Krankenkasse erkennt diese nicht als Zuzahlungen
in ihrem Sinne an. Beim Familieneinkommen werden allerdings
beide Einkommen herangezogen und somit als Grundlage für die
Zuzahlungsbefreiung genommen.
Überschreiten die Zuzahlungen 2 % der o. g. Bruttoeinnahmen
im Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhalten der Versicherte
sowie sein Ehegatte und die familienversicherten Kinder, die mit
ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, für den Rest des
Kalenderjahres eine Zuzahlungsbefreiung bzw. den Mehrbetrag
von der Krankenkasse zurückerstattet.
Ist ein Ehepaar bei verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen,
dann errechnet eine Krankenkasse, ab wann die Voraussetzungen
für die Zuzahlungsbefreiung erreicht sind und stellt ggf. eine
Zuzahlungsbefreiung aus. Dies wird der anderen Krankenkasse
mitgeteilt, so dass die Versicherten für den Rest des Jahres keine
Zuzahlungen mehr leisten müssen.
Berechnungsbeispiel
Ehepaar mit 2 Kindern:
Jährliche Bruttoeinnahmen
aller Haushaltsangehörigen:
30.000,– €
minus Freibetrag für Ehegatte
(= erster Haushaltsangehöriger):
4.977,– €
minus Freibetrag für 2 Kinder (2 x 7.008,– €):14.016,– €
ergibt Zwischensumme:11.007,– €
davon 2 % = Belastungsgrenze:
220,14 €
Wenn im konkreten Beispiel die Zuzahlungen die Belastungsgrenze von 220,14 € im Jahr übersteigen, übernimmt die
Krankenkasse die darüber hinausgehenden Zuzahlungen.
Quittungsheft
44
Verschiedene Krankenkassen bieten ihren Versicherten ein
Quittungsheft an, in dem sie übers Jahr alle Quittungen von
Zuzahlungen sammeln können.
Praxistipp!
Die Belastungsgrenze wird im Nachhinein wirksam, weshalb der
Patient und seine Angehörigen im gleichen Haushalt immer alle
Zuzahlungsbelege aufbewahren sollten, da nicht absehbar ist,
welche Kosten im Laufe eines Kalenderjahres auflaufen.
Wenn ein Patient im Lauf des Jahres die „Belastungsgrenze“
erreicht hat, sollte er sich mit seiner Krankenkasse in Verbindung
setzen. Die Krankenkasse wird dem Patienten die Zuzahlungen
zurück­erstatten, die die 2-%-Belastungsgrenze übersteigen.
Bei Erreichen der Belastungsgrenze wird für den Rest des Jahres
eine Zuzahlungsbefreiung bescheinigt.
Zuzahlungsbefreiung
bei chronischer Krankheit
Patienten, die wegen Prostatakrebs in Dauer­behandlung sind,
gelten als schwerwiegend chronisch krank und haben eine
niedrigere Belastungsgrenze: Sie erreichen die Belastungs­
grenze bereits, wenn sie mehr als 1 % der jährlichen Brutto­
einnahmen zum Lebensunterhalt für Zuzahlungen ausgeben
müssen/mussten.
Definition „schwerwiegend chronisch krank“
Als „schwerwiegend chronisch krank“ gilt, wer sich
wenigstens ein Jahr lang wegen derselben Krankheit
mindestens einmal pro Quartal in ärztlicher Behandlung
befindet und mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt:
• Pflegebedürftigkeit mit Pflegestufe 2 oder 3.
• Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 60 oder
eine Minderung der Erwerbsfähigkeit bzw. ein Grad der
Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 60 % (Schwerbehinderte). GdB und GdS muss durch schwerwiegende
Krankheit begründet sein.
• Eine kontinuierliche medizinische Versorgung (ärztliche
oder psychotherapeutische Behandlung, Arzneimittel­
therapie, Versorgung mit Hilfs- und Heilmitteln) ist
erforderlich, ohne die aufgrund der chronischen
Krankheit nach ärztlicher Einschätzung eine lebens­
bedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine
Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte
Beeinträchtigung der Lebensqualität zu erwarten ist.
45
Überschreiten die Zuzahlungen 1 % der Bruttoeinnahmen im
Kalenderjahr (= Belastungsgrenze), erhalten der chronisch
Kranke, sein Ehepartner und die familienversicherten Kinder
für den Rest des Kalenderjahres eine Zuzahlungsbefreiung
bzw. den Mehrbetrag von der Krankenkasse zurück.
Nach Ablauf eines Kalenderjahres ist der Krankenkasse die
weitere Dauer der Behandlung nachzuweisen.
Vorsorge und therapie­
gerechtes Verhalten
Die reduzierte Belastungsgrenze bei Zuzahlungen für chronisch
Kranke gilt seit 1.1.2008 nur dann, wenn sich der Patient an
regelmäßiger Gesundheitsvorsorge beteiligt hat oder sich
therapiegerecht verhält.
Hierbei gelten bestimmte Altersgrenzen:
•Wer nach dem 1.4.1972 geboren ist und das 35. Lebensjahr
vollendet hat, muss jedes 2. Jahr am allgemeinen Gesundheitscheck zur Früherkennung von Krankheiten, insbesondere
von Diabetes, Herz-Kreislauf- und Nierenerkrankungen teilnehmen. Wer das nicht tut und chronisch erkrankt, für den
liegt die Belastungsgrenze bei 2 % vom Bruttoeinkommen.
• Männer, die nach dem 1.4.1962 geboren sind und das
45. Lebensjahr voll­endet haben, und die an einer Krebsart
erkranken, wofür Früh­erkennungsuntersuchungen angeboten
werden, können die 1-%-Belastungs­grenze nur dann in
Anspruch nehmen, wenn sie sich über die Chancen und Risiken
der entsprechenden Untersuchungen von einem hierfür
zuständigen Arzt haben beraten lassen.
• Gesundheitsuntersuchungen und Beratung müssen mittels einer
ärztlichen Bescheinigung über therapiegerechtes Verhalten
dokumentiert werden (sog. Präventionspass). Ausgenommen
von der Feststellung therapiegerechten Verhaltens sind Schwer­
behinderte mit einem Grad der Behinderung über 60 und
Pflegebedürftige der Pflege­­stufen II oder III.
• Ausgenommen von der Pflicht zur Beratung bzw.
zu Gesundheitsuntersuchungen sind Versicherte
– mit schweren psychischen Erkrankungen
– mit schweren geistigen Behinderungen oder
– die bereits an der zu untersuchenden Erkrankung leiden.
Sonderregelung für Sozialhilfeempfänger im Heim
Für Heimbewohner, die Sozialhilfe beziehen, gibt es eine Möglichkeit auch in der Zeit bis sie die 1-%- bzw. 2-%-Grenze erreicht
haben keine Zuzahlung mehr zu leisten. Dafür veranlassen sie,
dass der zuständige Sozialhilfeträger den Zuzahlungsgesamt­
betrag (93,84 e bzw. bei chronisch Kranken: 46,92 e) an ihre
Krankenkasse vorab überweist. Dieser als Darlehen gewährte
Gesamtbetrag wird dann in monatlichen kleinen Ratenbeträgen
mit dem Taschengeld des Heimbewohners verrechnet.
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Hilfs- und Heilmittel
Nach einer Prostata-Operation ist das Risiko von Inkontinenz und Impotenz erhöht. Auch
Lymphödeme können nach einer Bestrahlung oder Operation auftreten. Hilfs- und Heilmittel
können helfen, diese Beschwerden zu lindern. In der Regel übernehmen die Krankenkassen
ganz oder teilweise die Kosten für Heil- und Hilfsmittel, wenn diese ärztlich verordnet sind.
47
Hilfsmittel
Hilfsmittel sind Gegenstände, die im Einzelfall erforderlich sind,
um z. B. den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern.
Hilfsmittel bei Impotenz
Die Entfernung der Erektionsnerven oder die Schädigung der
entsprechenden Nerven oder Blutgefäße kann zu einer zeit­
lich begrenzten oder dauerhaften Impotenz (Näheres
siehe S. 78) führen.
Folgende Hilfsmittel können dazu beitragen, dass der Patient zu
einer den Geschlechtsverkehr ermöglichenden Erektion befähigt
wird.
Erektionsringe
Vakuumerektionshilfen
Bei Erektionsringen handelt es sich um Ringe bzw. Ring­
schläuche aus einem dehnbaren, elastischen Material oder
Silikon-Latex mit nach außen hin formstabiler Wandung.
Die Ringe erzeugen Druck auf den Penis. Dieser Druck drosselt
den Blut-Rückfluss aus dem Glied. Die Ringe gibt es in mehreren
Durchmessern, so dass sie passend zu den anatomischen
Verhältnissen ausgewählt werden können.
Eine Vakuumerektionshilfe ist ein durchsichtiger Plastikzylinder,
der über den Penis geschoben wird. Eine Vakuumpumpe erzeugt
einen Unterdruck, so dass Blut in den Schwellkörper fließt. Liegt
eine ausreichende Erektion vor, verhindert ein Saugring den
Rückfluss des Blutes.
Die Vakuumerektionshilfe und die Erektionsringe sind im
Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenkasse gelistet
(Produktgruppe 99.27.01 bzw. 99.27.02).
48
Hilfsmittel bei Inkontinenz
Inkontinenzprodukte gibt es in verschiedenen Ausführungen
und mit unterschiedlicher Saugfähigkeit.
Man unterscheidet zwischen aufsaugenden und ableitenden
sowie zwischen körperfernen und körpernahen Hilfsmitteln
zur Urininkontinenzversorgung.
Vorlagen und Inkontinenzhosen zählen zu den körpernahen,
aufsaugenden Inkontinenzhilfen.
Vorlagen und
Inkontinenzhosen
Vorlagen können in einer normalen Unterhose oder in einer
sogenannten Netzhose bzw. Fixierungshose getragen werden.
Inkontinenzhosen werden in zwei Formen angeboten: Windel­
hosen mit Klett- oder Haftstreifen sowie Inkontinenz­unterhosen,
sogenannte „Pants“, die kein Verschlusssystem besitzen und wie
normale Unterwäsche angezogen werden. Diese Hilfsmittel sind
bei leichter bis mittlerer Kontinenzstörung geeignet.
Urinalkondome (auch „Kondomurinal“) sind ableitende
Inkontinenzhilfen.
Sie werden wie normale Kondome über den Penis gerollt und mit
Haftstreifen oder Kleber befestigt. Sie fangen den Urin auf und
leiten diesen über Schlauchverbindungen in einen Urinauffangbeutel („Urinal“) weiter. Das Urinal kann tagsüber mittels Holster
am Bein getragen werden und nachts am Bett befestigt werden.
Das Kondomurinalsystem schont die Haut, da der oft sehr
konzen­trierte Urin nicht mit Gesäß und Hoden in Berührung
kommt.
Urinalkondome
Saugende Bettschutzeinlagen sind körperferne Inkontinenzhilfen
und zählen zu den Pflegehilfsmitteln. Sie schützen die Matratze
bei Inkontinenz und ersparen häufiges Wechseln der Bettwäsche.
Die Unterseite der Bettunterlagen besteht aus flüssigkeits­
undurchlässigem Material, die Oberseite aus einer Vliesschicht.
Es gibt Bettschutzeinlagen zum einmaligen Gebrauch oder zum
Waschen sowie in verschiedenen Größen und Qualitäten.
Bettschutzeinlagen
Elektrostimulationsgeräte sind Geräte zum Training der
Beckenbodenmuskulatur. Sie werden in der Regel ergänzend
zum Beckenbodentraining (siehe S. 51) eingesetzt.
Elektrostimulationsgeräte
Die Behandlungselektroden werden durch eine kleine Sonde über
den Anus in den Enddarm eingeführt. Dabei wird die Becken­
bodenmuskulatur durch einen milden Reizstrom kontrahiert.
Der Anwender kann die Intensität der Stimulation selbstständig
regeln. Spezielle Anzeigen geben optisch oder akustisch Rückmeldung (Feedback) über die Qualität der Muskelanstrengung.
49
Hilfsmittel Kostenübernahme
Hilfsmittel zur Inkontinenz und Impotenz können von der
Krankenkasse ganz oder teilweise übernommen werden.
Voraussetzung ist eine ärztliche Verordnung.
Festbetrag
In der Regel wird nur ein Festbetrag erstattet, der je Hilfsmittel
festgelegt ist.
Zudem leistet der Patient Zuzahlungen, die sich nach dem
Festbetrag richten:
• Bei „nicht zum Verbrauch bestimmten“ Hilfsmitteln,
z. B. medizinischen Kompressionsstrümpfen oder Elektro­
stimulationsgeräten: 10 % des Abgabepreises, jedoch
mindestens 5,– und maximal 10,– e.
• Bei „zum Verbrauch bestimmten“ Hilfsmitteln, z. B.
Vorlagen, Inkontinenzhosen, Urinalkondomen oder Vakuum­
erektionshilfen: 10 % des Abgabepreises (je Packung), maximal
10,– e monatlich.
Mengenbeschränkungen durch die Krankenkassen sind bei
zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln unzulässig.
Zur Zuzahlungsbefreiung siehe S. 45.
Praxistipp!
Inkontinenzversorgung
Besteht aufgrund der Krankheit und des Zustands beim Patienten
Inkontinenz, werden die Windeln, Einlagen oder Windelhosen
von der Krankenkasse erstattet. Der behandelnde Arzt muss
ein Hilfsmittelrezept erstellen, auf dem die Krankheit und die
Schwere der Inkontinenz angegeben sind. Wichtig sind auch
die genaue Produktbezeichnung, die gewünschte Größe, die
Stückzahl und der Versorgungszeitraum, z. B.: „Aufsaugende
Inkontinenzversorgung vom 01.05.14–01.07.2014, Pants Größe S,
Marke XY. Diagnose: schwere Harn- und Stuhlinkontinenz bei
Prostatakrebs.“
Mit dieser Verordnung sollte man dann bei der Krankenkasse
nachfragen, ob die Pants vom Sanitätshaus geliefert werden
können. Viele Krankenkassen haben allerdings Vertragspartner,
die Produkte deutschlandweit ausliefern. Bis die Lieferung
erfolgt, können selbst Windeln oder ähnliches gekauft werden,
die Rechnung wird bis zum Festbetrag von der Krankenkasse
erstattet.
50
Pflegehilfsmittel
Die Kostenerstattung von Pflegehilfsmitteln wie Bettschutz­
einlagen erfolgt durch die Pflegekasse und ist nur bei Patienten
mit einer Pflegestufe möglich. Für zum Verbrauch bestimmte
Pflegehilfsmittel erstattet die Pflegekasse monatlich 31,– e.
Voraussetzung ist, dass der Bedarf von der Pflegekasse anerkannt
wurde.
Hilfsmittelverzeichnis
Der GKV-Spitzenverband pflegt ein Verzeichnis, in dem alle
Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel aufgeführt sind, für die die
Kassen die Kosten übernehmen. Darin kann online recherchiert
werden unter https://hilfsmittel.gkv-spitzenverband.de/HimiWeb/
home.action.
Wer hilft weiter?
Individuelle Auskünfte erteilen die Anbieter der Hilfsmittel,
z. B. Sanitätshäuser, Orthopädiehäuser, Reha-Anbieter oder
Apotheken.
Heilmittel
Heilmittel sind medizinische Dienstleistungen, die ärztlich
verordnet und nur von speziell ausgebildeten Therapeuten
erbracht werden dürfen.
Beckenbodengymnastik umfasst physiotherapeutische Maß­nahmen zur Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur, um
die Harnkontinenz bei oder nach Prostatakrebs positiv zu
beeinflussen.
Beckenbodengymnastik
Diese Muskulatur befindet sich beim Mann zwischen Darm­
ausgang und Hoden. Beckenbodentraining kann unter Anleitung
eines speziell dafür geschulten Physiotherapeuten in Einzel­
stunden erlernt werden. Voraussetzung für den Erfolg eines
Beckenbodentrainings ist diszipliniertes Üben über einen
längeren Zeitraum.
Beckenbodengymnastik kann auch Teil von Reha-Sport (siehe
S. 94) sein oder wird von Fitness-Studios und Volkshochschulen
in Kursen angeboten.
51
Lymphdrainage
Lymphödeme (siehe S. 8) sind meist nicht endgültig heilbar,
deshalb ist eine ständige Therapie notwendig, um möglichst
wenig beeinträchtigt zu sein.
Manuelle Lymphdrainage (MLD) ist eine Massage mit schonenden
kreisenden Bewegungen beim Lymphödem. Sie stimuliert das
Lymphsystem, mehr Lymphe abzutransportieren. Damit reduziert
sich die Schwellung.
Ausgeführt wird die MLD von speziell fortgebildeten Masseuren
oder Krankengymnasten (Physio­therapeuten). MLD ist auch Teil
der KPE (Komplexe Physikalische Entstauungstherapie).
Komplexe physikalische
Entstauungstherapie (KPE)
Die Komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) ist
die erfolgreichste Therapie bei vielen Lymphödemen, sie besteht
aus mehreren Bausteinen. Bei leichten Lymphödemen können
auch nur einzelne Bausteine ausreichen, insbesondere die
Lymphdrainage.
Wenn aber eine KPE angezeigt ist, müssen alle Teile konsequent
und langfristig umgesetzt werden, weil sie sich gegenseitig
unterstützen. Wenn ein Teil vernachlässigt wird, verlieren auch
alle anderen Teile erheblich an Wirkung.
Die KPE besteht aus zwei Phasen:
• Initialphase (Anschubphase, Entstauungsphase):
Findet in der Regel in einer Spezialklinik statt, dauert 3 Wochen
und sorgt dafür, dass die akuten Beschwerden gelindert und
die Schwellungen deutlich reduziert sind.
•Die Erhaltungsphase folgt in unmittelbarem Anschluss und
läuft dann beständig.
Die KPE hat vier Bausteine. Die Bausteine werden in beiden
Phasen angewandt:
• Manuelle Lymphdrainage (MLD)
Lymphdrainage (siehe oben) muss vom Arzt verordnet werden
und zählt zu den Heilmitteln.
• Kompression
„Kompression“ heißt Druck. Er wird aufgebaut, damit im
Gewebe kein Platz für zu viel Lymphflüssigkeit ist. Eingesetzt
werden dafür lymphologische Kompressionsverbände in
Phase 1 und flachgestrickte Medizinische Kompressionsstrümpfe (MKS) in Phase 2. MKS sollten täglich und so viel
wie möglich getragen werden. Patienten brauchen deshalb
je Bein 2 Sätze, damit sie wechseln können. Spätestens alle
6 Monate sollten neue Strümpfe verordnet werden.
MKS sind Hilfsmittel (siehe S. 50)
52
• Bewegungsübungen in Kompression
Spezielle Gymnastik fördert den Abtransport, wenn dabei
gleichzeitig der MKS getragen wird. In der Regel werden
Patienten schon im Krankenhaus physiotherapeutische
Übungen gezeigt, diese Übungen müssen auch zu Hause
täglich ausgeführt werden. Wenn nötig, verschreibt der
behandelnde Arzt Krankengymnastik (Physiotherapie).
• Hautpflege
Bei einem Lymphödem ist es wichtig, täglich die Haut zu
begutachten und sorgfältig zu pflegen. Schon kleine Risse
oder Verletzungen können Infektionen verursachen, die nur
schwer abheilen, weil sich Erreger infolge des gestörten
Lymphflusses schnell ausbreiten.
Grundsätzlich zu meiden sind bei Lymphödemen einschnürende
Kleidung und Accessoires, z. B. Socken mit engem Gummibund,
Unterwäsche mit engen Abschlüssen, enge Gürtel, zu enge
Kleidung, die beim Sitzen einschneidet.
In Ruhe sollten, soweit möglich, das betroffene Bein/die Beine
hochgelagert werden.
Heilmittel Kostenübernahme
Heilmittel können von der Krankenkasse übernommen
werden. Voraussetzung ist eine ärztliche Verordnung. Diese
ist in der Regel auf 6 Einheiten pro Verordnung begrenzt.
Bei chronischem Lymphödem infolge Prostatakrebs kann der
Arzt 10 MLD pro Rezept und maximal 50 MLD verordnen. Danach
müsste eine 12-wöchige Therapiepause eingelegt werden.
Allerdings gehört Prostatakrebs zu den Krankheiten, bei denen
eine längerfristige Behandlung erforderlich sein kann. Dafür
kann eine Ausnahmegenehmigung bei der Krankenkasse
beantragt werden, dann entfällt die 12-Wochen-Pause.
Antrag auf Genehmigung
für längeren Zeitraum
Krebspatienten mit langfristigem Behandlungsbedarf im Sinne
einer besonderen Schwere und Langfristigkeit der funktionellen
bzw. strukturellen Schädigungen, der Beeinträchtigungen der
Aktivitäten und des nachvollziehbaren Behandlungsbedarfs
können bei ihrer Krankenkasse einen Antrag stellen, die
53
Lymphdrainage länger als 50 Einheiten zu genehmigen.
Diese Genehmigung kann zeitlich befristet werden, umfasst aber
mindestens ein Jahr.
Die Krankenkasse hat über den Antrag innerhalb von 4 Wochen
zu entscheiden, andernfalls gilt die Genehmigung nach Ablauf
der Frist als erteilt.
Zuzahlung
Der Patient muss in der Regel zuzahlen: 10,– e pro Verordnung
plus 10 % der Heilmittelkosten. Von der Zuzahlung befreit sind
Patienten, die die Belastungsgrenze überschreiten, siehe S. 42.
Für Beckenbodengymnastik-Kurse zahlen die Krankenkassen in
der Regel einen Zuschuss zu den Kursgebühren.
Therapiebesuch zu Hause
Die Verordnung von Heilmitteln außerhalb der Praxis des Therapeuten, insbesondere in Form eines Hausbesuchs, ist ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn der Patient aus medizinischen
Gründen den Therapeuten nicht aufsuchen kann bzw. wenn der
Hausbesuch aus medizinischen Gründen zwingend notwendig ist.
Der Patient muss dann 10,– e pro Verordnung plus 10 % der
Kosten für jeden Hausbesuch plus Fahrtkosten zuzahlen.
Praxistipp!
Der verordnende Arzt muss auf der Verordnung „Hausbesuch“
ankreuzen.
Heilmittel-Richtlinien
und Heilmittelkatalog
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Verordnung von
Heilmitteln sogenannte Heilmittel-Richtlinien erstellt.
Diese Richtlinien können Sie unter www.g-ba.de > InformationsArchiv > Richtlinien downloaden.
Innerhalb der Heilmittelrichtlinien regelt der sogenannte
Heilmittelkatalog die jeweiligen Indikationen zu den einzelnen
Heilmittelmaßnahmen. Den Heilmittelkatalog können Sie als
2. Teil der Heilmittel-Richtlinien (siehe oben) downloaden.
Wer hilft weiter?
Die Krankenkassen beantworten alle individuellen Fragen.
54
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Rehabilitation
und Nachsorge
55
Rehabilitation
Grundsätzlich gilt:
Reha(bilitation) geht vor Rente (§ 9 SGB VI).
Das heißt: Es wird möglichst versucht, mit Rehamaßnahmen
den Renteneintritt zu verhindern oder zu verzögern.
Ambulant vor stationär (§§ 23 Abs. 4, 40 Abs. 2 SGB V).
Das heißt: Erst wenn ambulante Maßnahmen nicht ausreichen, werden stationäre Leistungen erbracht.
Die verschiedenen Arten der Rehabilitation sind ein großer und
komplexer Bereich, für den sämtliche Versicherungsträger zuständig sein können.
Die wichtigsten Bereiche der Rehabilitation sind:
• medizinische Leistungen zur Rehabilitation
• Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, siehe S. 63
• Unterhaltssichernde und ergänzende Leistungen zur
Rehabilitation und Teilhabe
• Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft
Medizinische Rehabilitation
Die Medizinische Rehabilitation ist ein Teilbereich der Rehabilitation. Sie umfasst Maßnahmen, die auf die Erhaltung
oder Besserung des Gesundheitszustandes ausgerichtet sind
und vorwiegend die Durchführung medizinischer Leistungen
erfordern.
Zuständigkeit
56
Zuständig sind nahezu alle Träger der Sozialversicherung.
Sie übernehmen unter bestimmten Voraussetzungen und nach
ärztlicher Verordnung die Kosten für medizinische Rehabilitation.
Der Träger, der die vorhergehenden medizinischen Leistungen
erbracht hat, ist möglichst auch für die Rehabilitation zuständig
(sogenannter Grundsatz der Einheitlichkeit der Trägerschaft).
Prinzipielle Zuständigkeit:
• Die Krankenkasse
übernimmt die Kosten einer medizinischen Rehabilitation,
soweit es um den Erhalt oder die Wiederherstellung der
Gesundheit geht und wenn nicht andere Sozialversicherungsträger solche Leistungen erbringen.
• Die Rentenversicherungsträger
übernehmen die Kosten einer medizinischen Rehabilitation,
wenn die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet oder schon
gemindert ist und durch die medizinische Rehabilitation
wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann
und wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für
die Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation erfüllt sind.
Bei Prostatakrebs sind medizinische Reha-Leistungen sehr oft
Teil des Behandlungskonzepts. Kostenträger ist in der Regel die
Rentenversicherung. Näheres unter „Antrag“, S. 58.
Ziele der Rehabilitation nach einer Behandlung von
Prostatakrebs sind:
• gezielte Behandlung von Funktionsstörungen,
v. a. Harn­inkontinenz und Impotenz
• Wiederherstellung der physischen und psychischen
Leistungsfähigkeit
• Wiederbefähigung zur Teilhabe am normalen
gesellschaftlichen Leben
• Erhalt oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit
Individuell angepasste Maßnahmen wie Krankengymnastik und
Sport (siehe S. 94), Kreativtherapie zur Verarbeitung der lebensbedrohlichen Erkrankung, Seniorengymnastik, Ernährungs- und
Gesundheitsberatung etc. können zur Erholung und Vorbereitung
auf den Alltag beitragen.
Für Prostatakrebs-Patienten können aus dem Bereich
Medizinische Rehabilitation folgende Maßnahmen relevant
sein:
• Onkologische (die Krebsheilkunde betreffende) Nachsorge­
leistungen, siehe S. 59
• Anschlussheilbehandlung, siehe S. 61
• Stufenweise Wiedereingliederung, siehe S. 64
• Berufliche Rehabilitation, siehe S. 63
57
Stationäre
Medizinische Reha
Voraussetzungen
Dauer
Antrag auf
Medizinische Reha
Bei stationären Rehamaßnahmen wohnt der Patient für die Zeit
der Reha in einer entsprechenden Einrichtung. Landläufig wird
die stationäre Reha auch als „Kur“ bezeichnet.
Voraussetzungen für die Kostenübernahme von stationären
Rehamaßnahmen:
• Eine ambulante Rehamaßnahme reicht nicht aus.
• Die stationäre Aufnahme ist aus medizinischen Gründen
erforderlich.
• Die stationäre Rehamaßnahme wird in Einrichtungen mit
Versorgungsvertrag durchgeführt.
Stationäre Medizinische Rehamaßnahmen dauern 3 Wochen.
Eine Verlängerung aus medizinischen Gründen ist möglich.
Der Patient muss die Medizinische Rehamaßnahme beim
zuständigen Träger beantragen.
Erforderlich sind eine ärztliche Bescheinigung, Arztbericht(e)
und möglichst ein vom Patienten selbst verfasstes Schreiben.
Der Leistungsumfang der Rehamaßnahmen liegt im Ermessen
der Krankenkasse bzw. des Rentenversicherungsträgers und wird
aufgrund medizinischer Erfordernisse festgelegt.
Der behandelnde Arzt muss, entsprechend der Rehabilitationsrichtlinien, bei der Krankenkasse einen Antrag auf „Einleitung
zur Rehabilitation oder alternative Angebote“ stellen.
Kommt nach Ansicht der Krankenkasse eine Rehamaßnahme und
sie selbst als Kostenträger in Betracht, dann bekommt der Arzt
die „Verordnung von medizinischer Rehabilitation“ zugeschickt.
Falls der Antrag bei einem anderen Kostenträger gestellt werden
muss, z. B. dem Rentenversicherungsträger, wird dies von der
Krankenkasse mitgeteilt.
Es können nur Ärzte Leistungen zur Medizinischen Reha verordnen,
die gemäß § 11 der Rehabilitationsrichtlinien hierfür qualifiziert
sind.
Eigentlich genügt bei den Anträgen für Rehamaßnahmen die
Angabe der Indikationen nach der ICD 10 (Internationale
Klassifikation der Krankheiten). Es ist jedoch mittlerweile fast
zur Regel geworden, dass der Arzt die Notwendigkeit der
Medizinischen Reha ausführlich begründet.
58
Auf jeden Fall vermindert es das Risiko einer Ablehnung beim
Kostenträger, wenn dem Antrag sofort eine ausführliche
ärztliche Begründung beigefügt wird. Es kann durchaus sein,
dass der MDK über das ärztliche Attest hinaus den Patienten
zu einer Begutachtung einlädt, um die Notwendigkeit der Rehamaßnahme zu prüfen.
Zwischen zwei bezuschussten Rehamaßnahmen muss in der
Regel eine Wartezeit von 4 Jahren liegen.
Wartezeit
Ausnahmen macht die Krankenkasse bei medizinisch dringender
Erforderlichkeit. Dies muss mit Arztberichten oder einem Gutachten des behandelnden Arztes bei der Krankenkasse begründet
werden.
Ausnahmen macht der Rentenversicherungsträger z. B. bei
onkologischen Nachsorgeleistungen (siehe S. 60) oder wenn
vorzeitige Leistungen aus gesundheitlichen Gründen dringend
erforderlich sind, weil ansonsten mit einer weiteren Minderung
der Leistungsfähigkeit zu rechnen ist.
Versicherte müssen bei den meisten Medizinischen Rehamaß­nahmen 10,– e Zuzahlungen pro Tag leisten. Die Dauer der
Zuzahlung ist abhängig von der Art der Leistung, der Dauer der
Leistung, vom Kostenträger und von bereits im selben Kalenderjahr anderweitig geleisteten Zuzahlungen.
Zuzahlungen
Der Patient sollte immer den Kostenträger der Rehamaßnahme
über bereits im Kalenderjahr geleistete Zuzahlungen informieren
und klären, was davon berücksichtigt wird. Unter bestimmten
Voraussetzungen gibt es auch Zuzahlungsbefreiungen, z. B. bei
Überschreiten der Belastungsgrenze (siehe S. 42), bei Bezug von
Übergangsgeld oder bei niedrigem Einkommen.
59
Onkologische
Nachsorgeleistung
Onkologische Nachsorgeleistung sind sogenannte Nach- und
Festigungskuren bei Krebserkrankungen. Sie zählen zur
Medizinischen Reha und müssen beantragt werden.
Voraussetzungen
Damit der Rentenversicherungsträger die Kosten übernimmt,
muss eine der folgenden versicherungsrechtlichen Voraus­
setzungen erfüllt sein:
• Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 15 Jahren oder
• 6 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte
Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten 2 Jahren vor
Antragstellung oder
• innerhalb von 2 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung
wird eine versicherte oder selbstständige Beschäftigung
bis zur Antragstellung ausgeübt oder nach einer solchen
Beschäftigung liegt Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit
bis zur Antragstellung vor oder
• Bezieher einer Rente der Rentenversicherung oder
• Ehegatte eines Versicherten der Rentenversicherung
Zudem müssen folgende persönliche Voraussetzungen erfüllt
sein:
• Eine Diagnose im Sinne einer malignen (= bösartigen)
Geschwulst- und Systemerkrankung muss vorliegen,
z. B. Prostatakrebs.
• Eine Operation oder Strahlenbehandlung muss abgeschlossen
sein. Eine laufende Chemotherapie ist kein Hinderungsgrund.
• Die durch den Prostatakrebs oder dessen Therapie erlittenen
beruflichen, körperlichen, seelischen und/oder sozialen Beeinträchtigungen müssen therapierbar und positiv zu beein­
flussen sein.
• Die Belastbarkeit für eine Nachsorgebehandlung muss gegeben
sein. Der Arzt gibt eine entsprechende Einschätzung ab.
60
Zuzahlung
Patienten zahlen 10,– e täglich zu, für maximal 42 Tage im
Kalenderjahr.
Dauer
Onkologische Nachsorgeleistungen dauern bis zu 3 Wochen,
wenn erforderlich auch länger.
Onkologische Nachsorgeleistungen können bis zum Ablauf eines
Jahres nach einer beendeten Primärbehandlung erbracht werden.
Darüber hinaus können spätestens bis zum Ablauf von 2 Jahren
nach beendeter Primärbehandlung onkologische Nachsorge­
leistungen erbracht werden, wenn erhebliche Funktions­
störungen entweder durch die Tumorerkrankung selbst oder
durch Komplikationen bzw. Therapiefolgen vorliegen.
Die Nachsorgeleistung kann auch als Anschlussheilbehandlung
(siehe unten) erbracht werden.
Praxistipps!
Während einer onkologischen Nachsorgeleistung kann unter
bestimmten Voraussetzungen Übergangsgeld (siehe S. 28)
bezogen werden.
Reisekosten können auf Antrag beim Rentenversicherungsträger
geltend gemacht werden.
Wer hilft weiter?
Auskünfte und Beratungsstellen vor Ort vermitteln die Rentenversicherungsträger.
Anschlussheilbehandlung
Die Anschlussheilbehandlung (AHB) ist eine Rehamaßnahme,
die im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhaus­
behandlung oder eine ambulante Operation erfolgt und
zur Weiterbehandlung erforderlich ist.
Ziel einer AHB ist, verloren gegangene Funktionen oder Fähigkeiten wiederzuerlangen oder auszugleichen und den Patienten
wieder an die Belastungen des Alltags- und Berufslebens heranzuführen.
Ziel
61
Voraussetzungen
Die AHB zählt zur Medizinischen Reha. Sie wird in der Regel von
Krankenhausärzten eingeleitet und über die Sozialberatung der
letzten behandelnden Klinik beantragt. Dort ist eine frühzeitige
Terminvereinbarung sinnvoll. Die AHB muss in der Regel innerhalb von 14 Tagen nach der Entlassung beginnen.
Besonderheit: Onkologische Reha-Leistung als AHB
Ist bei einem Prostatakrebs nach dem Krankenhausaufenthalt
eine ambulante Bestrahlung notwendig, kann die AHB auch
vom niedergelassenen Radiologen eingeleitet werden.
Die AHB sollte dann möglichst innerhalb von 14 Tagen nach
der letzten Bestrahlung beginnen. Wenn der Patient noch nicht
rehafähig ist (z. B. weil die Haut nach der Bestrahlung noch nicht
abgeheilt ist) verlängert sich dieser Zeitraum auf 5 Wochen.
Versicherungsrechtliche
Voraussetzungen
Eine der folgenden versicherungsrechtlichen Voraus­­
setzungen muss erfüllt sein:
• Wartezeit von 15 Jahren oder
• 6 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen in den letzten
2 Jahren oder
• Bezug einer Erwerbsminderungsrente (siehe S. 31) oder
• Wartezeit von 5 Jahren bei verminderter oder in absehbarer
Zeit gefährdeter Erwerbsfähigkeit oder
• Anspruch auf große Witwerrente wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit.
Persönliche und medizinische Voraussetzungen
• Indikation Prostatakrebs
• Akutphase der Erkrankung bzw. Wundheilung muss
abgeschlossen sein.
• Patient muss frühmobilisiert sein.
• Patient muss geistig fähig zur Teilnahme an den Therapien
und weitestgehend selbstständig sein, d. h.: ohne Fremdhilfe
zur Toilette gehen, selbstständig essen, sich allein waschen
und ankleiden können.
• Patient sollte reisefähig sein. Ein Krankentransport ist nur in
Not- und Ausnahmefällen möglich.
• Patient muss der AHB zustimmen.
Dauer
62
Eine AHB dauert normalerweise 3 – 4 Wochen. Eine Verlängerung
ist möglich, wenn Arzt oder Klinik die Verlängerung medizinischtherapeutisch begründen.
Ist die AHB eine Leistung der Krankenkasse, müssen Patienten
10,– e pro Tag für maximal 28 Tage im Kalenderjahr zahlen.
Zuzahlung
Ist die AHB eine Leistung des Rentenversicherungsträgers,
müssen Patienten 10,– e pro Tag für maximal 14 Tage im
Kalenderjahr zahlen.
Zuzahlungsbefreiungen sind unter bestimmten Voraussetzungen
möglich.
Wer hilft weiter?
Individuelle Fragen beantworten die Krankenkassen und Rentenversicherungsträger sowie die Sozialberatung im Krankenhaus.
Berufliche Reha
„Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ ist der sozial­
rechtliche Fachausdruck für die berufliche Reha.
Sie werden von den Versicherungsträgern (Rentenversicherungsträger, Sozialamt, Bundesagentur für Arbeit) übernommen, um
die Erwerbsfähigkeit herzustellen, zu erhalten oder zu verbessern
und die Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Vorrangiges Ziel
ist es, den bisherigen Arbeitsplatz zu erhalten. Ist dies nicht
möglich, wird nach einem anderen, geeigneten Arbeitsplatz im
bisherigen oder aber in einem anderen Betrieb gesucht.
Wer hilft weiter?
Sozialarbeiter in der Reha-Klinik informieren über die Möglichkeiten der beruflichen Re-Integration. Am Heimatort sind die
Berater des Rentenversicherungsträgers, die Reha-Berater der
Agentur für Arbeit und das Integrationsamt für diese Beratung
zuständig. Zusammen mit den Beratern wird in der Regel auch
der Antrag auf entsprechende Maßnahmen gestellt.
Nach einer Prostatakrebsbehandlung können manche Männer
nicht in vollem Umfang sofort wieder in den Beruf einsteigen.
63
Hier kann eine Stufenweise Wiedereingliederung (siehe unten)
den Übergang erleichtern.
Für manche Betroffenen sind Veränderungen am Arbeitsplatz
notwendig. So kommen z. B. innerbetriebliche Umsetzung oder
eine Umschulung in Betracht. Die behandelnden Ärzte sowie die
Ärzte der Reha-Klinik und des Rententrägers schätzen ein,
inwieweit die bisherige Tätigkeit weiter ausgeübt werden kann.
Praxistipp!
Eine Krebserkrankung ist ein Einschnitt im Leben. Sie kann
grund­legende Einstellungen zum Sinn des Lebens, zu Zielen und
Prioritäten verändern. Was den Arbeitsplatz anbelangt, sollten
Patienten jedoch keinesfalls vorzeitig kündigen, sondern sich
Zeit zugestehen und sich ausführlich beraten lassen.
Stufenweise
Wiedereingliederung
Im Anschluss an die Akutbehandlung und die Medizinische
Reha bei Prostatakrebs spielt die Stufenweise Wieder­
eingliederung eine entscheidende Rolle beim Erhalt des
Arbeitsplatzes.
Die Stufenweise Wiedereingliederung (sogenanntes „Hamburger
Modell“) soll arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach längerer
schwerer Krankheit schrittweise an die volle Arbeitsbelastung
heranführen und so den Übergang zur vollen Berufstätigkeit
erleichtern.
Während der Stufenweisen Wiedereingliederung ist der Arbeitnehmer noch krankgeschrieben.
Kostenträger
64
Die Stufenweise Wiedereingliederung ist eine Maßnahme der
Medizinischen Reha. Beginnt sie innerhalb von 4 Wochen nach
Entlassung aus einer Reha-Klinik, ist die Rentenversicherung
Kostenträger. Ansonsten ist meist die Krankenkasse zuständig.
Es müssen bei allen Kostenträgern folgende Voraussetzungen
erfüllt sein:
• Der behandelnde Arzt stellt fest, dass die bisherige Tätigkeit
wenigstens teilweise wieder aufgenommen werden kann.
• Es liegt vor und während der Maßnahme eine Arbeits­
unfähigkeit vor.
• Arbeitgeber und Arbeitnehmer stimmen der Maßnahme zu.
• Der Versicherte wird am bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt.
Voraussetzungen
Schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer haben
im Gegensatz zu nicht Schwerbehinderten einen Anspruch
auf Zustimmung des Arbeitgebers zur Stufenweisen Wieder­
eingliederung, wenn ein Wiedereingliederungsplan vorliegt, der
alle aus ärztlicher Sicht zulässigen Arbeiten enthält und eine
Prognose darüber, ob und wann mit der vollen oder teilweisen
Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. Nur in Einzelfällen kann der
Arbeitgeber eine Stufenweise Wiedereingliederung eines
Schwerbehinderten wegen Unzumutbarkeit ablehnen.
Die Dauer der Stufenweisen Wiedereingliederung ist abhängig
vom individuellen gesundheitlichen Zustand. In der Regel dauert
sie 6 Wochen bis 6 Monate.
Dauer
In der Regel erhält der Versicherte während der Stufenweisen
Wiedereingliederung weiterhin sogenannte Entgeltersatz­
leistungen, also z. B. Krankengeld von der Krankenkasse, Übergangsgeld vom Rentenversicherungsträger oder Arbeitslosengeld
bei Arbeitsunfähigkeit von der Agentur für Arbeit. Falls der
Arbeitgeber während der Maßnahme freiwillig Arbeitsentgelt
entrichtet, wird dies angerechnet und führt zu Kürzungen bzw.
zum Wegfall der Entgeltersatzleistung. Es besteht allerdings
keine Zahlungspflicht für den Arbeitgeber.
Finanzielle Sicherung
Praxistipp!
Findet die Stufenweise Wiedereingliederung unmittelbar im
Anschluss an eine Rehamaßnahme statt, sollte sie im Laufe der
Reha beantragt werden. Dazu füllen Sozialberatung der RehaKlinik in Kooperation mit Arzt und Patient gemeinsam den Antrag
aus und erstellen gemeinsam einen „Wiedereingliederungsplan“
aus dem hervorgeht, mit welcher Tätigkeit und Stundenzahl der
Arbeitnehmer beginnt, in welchem Zeitraum und wie Art und
Umfang der Tätigkeit gesteigert werden.
Wer hilft weiter?
Bei Prostatakrebs in der Regel die Krankenkasse oder der Renten­
versicherungsträger sowie die Sozialberatung der Reha-Klinik,
der behandelnde Arzt oder der Arbeitgeber.
65
Nachsorge
Die Nachsorge hat das Ziel, ein Wiederauftreten von
Prostatakrebs (Rezidiv) frühzeitig zu erkennen und wirksam
zu behandeln, Begleiterkrankungen festzustellen, zu
behandeln bzw. zu lindern und den Patienten bei seinen
physischen, psychischen und sozialen Problemen zu unter­
stützen.
Voraussetzungen
Nach der Behandlung des Prostatakrebses stehen die körperlichen,
speziell die urologischen Untersuchungen und die Kontrolle des
PSA-Werts im Mittelpunkt. Die Kontrolluntersuchungen finden
in der Regel, je nach vorangegangener Therapie, in den ersten
beiden Jahren im Abstand von 3 Monaten, danach alle 6 Monate
und ab dem 5. Jahr jährlich statt. Dabei wird auf eine erneute
Tumorbildung genauso geachtet wie auf mögliche Begleit- und
Folgekrankheiten wie Knochenschmerzen, Probleme beim
Wasserlassen, Thrombosen etc.
Nachbetreuung
Zur Nachsorge gehören nicht nur medizinische Untersuchungen,
sondern auch die Unterstützung des Patienten bei seelischen
Belastungen. Viele Kliniken verfügen über einen Sozialdienst, der
bei sozialen, sozialrechtlichen und finanziellen Problemen hilft,
z. B. bei der Beantragung eines Schwerbehinderten­ausweises
(siehe S. 69) oder bei Fragen der häuslichen Versorgung, z. B.
ambulanter oder stationärer Pflege (siehe S. 108).
Bei Bedarf kann auch psychologische Hilfe in Anspruch genommen
werden. In Gruppengesprächen werden dem Patienten Informationen zur Erkrankung gegeben und die Betroffenen können sich
untereinander austauschen. Dies kann Ängste verringern und der
Patient merkt, er ist mit seinen Sorgen nicht allein. Zudem kann
er von den Erfahrungen anderer lernen. In vielen Kliniken werden
auch Entspannungsübungen für den Alltag angeboten.
Probleme, die der Patient in der Gruppe nicht ansprechen
möchte, kann er in Einzelgesprächen mit einem Psychologen zur
Sprache bringen. Dabei geht es vor allem darum, dass Patient
und Therapeut gemeinsam Strategien zur psychischen Krankheitsbewältigung entwickeln (siehe auch Psychoonkologie S. 82
und Psychotherapie S. 83).
66
Schwerbehinderung
Bei Prostatakrebs kann vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung (GdB) bzw.
Grad der Schädigungsfolgen (GdS) festgestellt werden. Der GdB/GdS richtet sich nach der
Behandlungsnotwendigkeit. Ab einem GdB von 50 gilt ein Patient als schwerbehindert
und kann für sich Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen.
67
Definition „schwerbehindert“
Als schwerbehindert nach dem SGB IX (§ 2 Abs. 2 SGB IX)
gelten Personen mit einem Grad der Behinderung (GdB)
von mindestens 50. Leistungen nach dem SGB IX erhalten
sie nur, wenn sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung in Deutschland haben.
Als behindert nach dem SGB IX (§ 2 Abs. 1 SGB IX) gelten
Personen, deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit
oder seelische Gesundheit zu einer Beeinträchtigung
führen, die für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten
von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht
und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
beeinträchtigt. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn
die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Schwerbehinderte erhalten auf Antrag beim Versorgungsamt einen Schwerbehindertenausweis. Dieser kann je nach
Art der Behinderung Merkzeichen enthalten, wodurch der
Schwerbehinderte Vergünstigungen in Anspruch nehmen
kann.
Wer hilft weiter?
Informationen zum SGB IX und zu Behinderung gibt das
Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
unter 030 221 911 006, Mo–Do von 8–20 Uhr.
Fragen zu Leistungen für Schwerbehinderte oder Unklarheiten
über die Zuständigkeiten der jeweiligen Leistungsträger beantworten die örtlichen Servicestellen.
Praxistipp!
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bietet die
kostenlose CD-ROM „Informationen für behinderte Menschen“
an. Diese kann unter www.bmas.de > Service > Publikationen
bestellt werden.
68
Schwerbehindertenausweis
Der Schwerbehindertenausweis belegt Art und Schwere der
Behinderung und muss vorgelegt werden, wenn Leistungen
oder Vergünstigungen für Behinderte beantragt oder in
Anspruch genommen werden.
Nach der Feststellung des Grades der Behinderung (GdB, siehe
S. 70) bekommt der Behinderte vom Versorgungsamt einen
sogenannten Feststellungsbescheid. Ab einem GdB von 50
besteht die Möglichkeit, einen Schwerbehindertenausweis zu
beantragen. Antragsformulare sind beim Versorgungsamt
erhältlich.
Praxistipps!
Folgende Punkte helfen bei der Antragstellung:
• Nicht nur die Grunderkrankung, sondern auch alle
zusätzlichen Beeinträchtigungen (z. B. Sehfehler) und
Begleiterscheinungen angeben.
• Kliniken und Ärzte anführen, die am besten über die
angeführten Gesundheitsstörungen informiert sind. Dabei
unbedingt die dem Antrag beiliegenden Schweigepflichts­
entbindungen und Einverständniserklärungen ausfüllen,
damit das Versorgungsamt bei den angegebenen Stellen die
entsprechenden Auskünfte einholen kann.
• Antragstellung mit dem behandelnden Arzt absprechen.
Der Arzt sollte in den Befundberichten die einzelnen
Auswirkungen der Erkrankung (z. B. körperliche Belastbarkeit)
detailliert darstellen. Diese Kriterien, nicht allein die Diagnose,
entscheiden über den Grad der Behinderung.
• Bereits vorhandene ärztliche Unterlagen gleich bei Antrag­
stellung mit einreichen, z. B. Krankenhausentlassungsbericht,
Kurbericht, alle die Behinderung betreffenden Befunde in
Kopie.
• Lichtbild beilegen.
• Nach der Feststellung des Grades der Behinderung (GdB)
bekommt der Behinderte vom Versorgungsamt einen so­
genannten Feststellungsbescheid. Ab einem GdB von 50
besteht die Möglichkeit, einen Schwerbehindertenausweis
zu bekommen.
Der Ausweis wird in der Regel für längstens 5 Jahre ausgestellt.
Er kann auf Antrag höchstens zweimal verlängert werden.
Danach muss ein neuer Ausweis beantragt werden.
Gültigkeit
69
Antrag auf Erhöhung
Verschlechtert sich der Gesundheitszustand eines Menschen
mit Schwerbehindertenausweis oder kommt eine weitere dauerhafte Einschränkung durch eine neue Krankheit dazu, dann sollte
beim Versorgungsamt ein Antrag auf Erhöhung des GdB gestellt
werden. Der Vordruck für den Antrag wird auf Anfrage vom
Versorgungsamt zugeschickt und es wird geprüft, ob ein neuer
Schwerbehindertenausweis mit eventuell neuen Merkzeichen
ausgestellt wird.
Grad der Behinderung
Der Grad der Behinderung (GdB) beziffert bei Behinderten
die Schwere der Behinderung. Er wird durch das Versorgungs-­
amt festgestellt, soweit er nicht bereits anderweitig fest­
gestellt wurde, z. B. durch Rentenbescheid oder durch eine
Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung.
GdB und Grad
der Schädigungsfolgen (GdS)
GdB und GdS haben die Auswirkungen von Funktions­
beeinträchtigungen auf alle Lebensbereiche, nicht nur die
Ein­schränkungen im Erwerbsleben zum Inhalt. Sie sind ein Maß
für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Aus­
wirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines
Gesundheitsschadens.
GdB und GdS werden nach gleichen Grundsätzen bemessen.
Die Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass der GdS
nur auf Schädigungsfolgen (kausal) bezogen ist, während der
GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer
Ursache (final) bezogen ist. GdB und GdS werden in 10er-Graden
bis maximal 100 angegeben.
Versorgungsmedizinische
Grundsätze
Das Versorgungsamt richtet sich bei der Feststellung der
Behinderung nach den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“.
Diese enthalten Anhaltswerte über die Höhe des Grads der
Behinderung (GdB) bzw. des Grads der Schädigungsfolgen (GdS).
Die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ können beim
Bundesjustizministerium unter www.gesetze-im-internet.de/
versmedv/anlage_8.html eingesehen werden.
70
Die unten genannten GdB/GdS-Sätze sind Anhaltswerte. Es ist
unerlässlich, alle leistungsmindernden Störungen auf körper­
lichem, geistigem und seelischem Gebiet in jedem Einzelfall zu
berücksichtigen.
Maligner Prostatatumor
ohne Notwendigkeit einer Behandlung
auf Dauer hormonbehandelt
GdB bei Prostatakrebs
GdB/GdS
50
wenigstens 60
Nach Entfernung eines bösartigen Prostatatumors ist eine
Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während einer Heilungsbewährung …
GdB/GdS
… von 2 Jahren nach Entfernung im Stadium
T1a N0 M0 (Grading G1)
50
… von 5 Jahren nach Entfernung in den
Stadien T1a N0 M0 (Grading ab G2) und
(T1b bis T2) N0 M0
50
… von 5 Jahren nach Entfernung
in höheren Stadien
wenigstens 80
Die Heilungsbewährung beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem
der Tumor durch Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie
(Primärtherapie) als beseitigt angesehen werden kann.
Merkzeichen
Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis kennzeichnen die
Art der Behinderung und die damit verbundenen Leistungen
und Vergünstigungen. Zuständig ist das Versorgungsamt.
Nachfolgend einige Merkzeichen, die bei Prostatakrebs in
fortgeschrittenem Stadium in Frage kommen können:
• Merkzeichen aG - außergewöhnlich gehbehindert
• Merkzeichen B - Begleitung erforderlich
• Merkzeichen G - gehbehindert
Das Versorgungsamt richtet sich bei der Zuerkennung der Merkzeichen nach den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“,
Näheres siehe bei GdB auf S. 70.
Versorgungsmedizinische
Grundsätze
71
Nachteilsausgleiche
Hat ein Patient eine anerkannte Schwerbehinderung, kann
er, abhängig vom Grad der Behinderung (GdB) und von
den Merkzeichen, verschiedene Nachteilsausgleiche und
Vergünstigungen in Anspruch nehmen.
Praxistipp!
Zwei umfassende Tabellen zu den Nachteilsausgleichen in
Abhängigkeit vom GdB und vom Merkzeichen können Sie im
Internet downloaden unter:
www.betanet.de/download/tab3-gdb-nachteilsausgl4.pdf
www.betanet.de/download/tab1-merkzeichen-pdf.pdf
Steuervorteile für
Schwerbehinderte
Durch Vorlage des Schwerbehindertenausweises oder des
Bescheids über die Schwerbehinderung können Behinderte
steuerliche Vergünstigungen beim Finanzamt geltend machen.
Zu den Steuervergünstigungen zählen z. B.:
• Pauschbetrag für Behinderte
• außergewöhnliche Belastungen bei Pflegepersonen, Pflegepauschbetrag
• außergewöhnliche Belastungen durch private Kraftfahrzeugkosten
Zudem kann es für Schwerbehinderte Erleichterungen bei der
Kraftfahrzeugsteuer, der Vermögenssteuer, der Erbschafts- und
Schenkungssteuer, der Hundesteuer (Blinde, Gehörlose, Hilflose)
und der Umsatzsteuer geben.
Pauschbetrag für Behinderte
Pauschbeträge für Behinderte sind Freibeträge, die vom zu
versteuernden Einkommen abgezogen werden (§ 33 b EStG).
Der Freibetrag kann
• auf der Lohnsteuerkarte eingetragen oder
• im Jahresausgleich rückwirkend geltend gemacht werden.
Die Pauschbeträge erhalten
• Behinderte mit einem Grad der Behinderung (GdB) von
mindestens 50
• Behinderte mit einem GdB von mindestens 25,
– denen wegen der Behinderung nach gesetzlichen Vorschriften
Renten oder andere laufende Bezüge zustehen, oder
– wenn die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der
körperlichen Beweglichkeit geführt hat.
72
Der Pauschbetrag ist abhängig vom GdB und beträgt jährlich
zwischen 310,– und 1.420,– e. Der Pauschbetrag wird stets in
voller Höhe gewährt, auch wenn die Voraussetzungen nicht
während des ganzen Kalenderjahres vorgelegen haben. Wird der
GdB verringert oder erhöht, gilt für das jeweilige Kalenderjahr
der Pauschbetrag nach dem höchsten GdB.
Beim Pauschbetrag sind keine Nachweise für einzelne Auf­
wendungen nötig. Übersteigen allerdings die tatsächlichen,
zwangsläufigen Mehraufwendungen in der privaten Lebens­
führung des Behinderten die Pauschbeträge, ist es besser, auf
den Pauschbetrag zu verzichten und die tatsächlichen Auf­
wendungen geltend zu machen. Diese müssen dann mit Belegen
nachgewiesen werden.
Wer einen Pflegebedürftigen der Pflegestufe III (siehe S. 112),
einen Schwerbehinderten oder eine hilflose Person (Merk­zeichen H) persönlich pflegt, kann entweder die tatsächlichen
Kosten (sie sind nachzuweisen) oder einen Pflegepauschbetrag
von 924,– e jährlich absetzen. Die Kosten beziehungsweise der
Pflegepauschbetrag gelten als außergewöhnliche Belastung
und können zusätzlich zu den o.g. Pauschbeträgen geltend
gemacht werden.
Außergewöhnliche Belastungen
für Pflegepersonen
Voraussetzung ist, dass die Pflegeperson für die Pflege keine
Einnahmen erhält. Pflegegeld gilt nicht als Einnahme.
Behinderte können behinderungsbedingte Fahrten (z. B. zum
Arzt, zur Apotheke, zur Therapie, zur Behörde) als außer­
gewöhnliche Belastung von der Steuer absetzen:
• GdB ab 80 oder Merkzeichen G mit einem GdB von 70:
Jährlicher Pauschbetrag 900,– e ohne Nachweis. Dies entspricht 3.000 km à 30 Cent. Höhere behinderungsbedingte
Fahrtkosten müssen mit einem Fahrtenbuch nachgewiesen
werden.
• Merkzeichen aG, Merkzeichen Bl und Merkzeichen H:
Fahrten bis zu 15.000 km jährlich (à 30 Ct./km = 4.500,– e)
können abgesetzt werden, sofern sie nachgewiesen oder
glaubhaft gemacht werden (z.B. durch ein Fahrtenbuch).
Außergewöhnliche Belastungen
durch private Kraftfahrzeug­
kosten
Wer hilft weiter?
Individuelle Auskünfte zu allen steuerlichen Vergünstigungen
geben die zuständigen Finanzämter, speziell Behinderte
betreffend auch das Versorgungsamt.
73
Zusatzurlaub
Kündigungsschutz
Gleichstellung
Schwerbehinderte haben Anspruch auf zusätzlich 5 bezahlte
Urlaubstage im Jahr. Bei mehr oder weniger als 5 Arbeitstagen
in der Woche erhöht bzw. vermindert sich der Zusatzurlaub
entsprechend.
Die Kündigung eines Schwerbehinderten bedarf in der Regel der
vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens 4 Wochen.
Arbeitnehmer mit einem GdB von 30 bis unter 50 sind beim
Kündigungsschutz Schwerbehinderten „gleichgestellt“, wenn
sie infolge ihrer Behinderung keinen geeigneten Arbeitsplatz
erlangen oder behalten können.
Die Gleichstellung erfolgt durch die Agentur für Arbeit. Der
Antrag muss unmittelbar dort gestellt werden, unter Vorlage
des Feststellungsbescheids des Versorgungsamts und eines
Schreibens des Arbeitgebers, der den Behinderten als Schwer­
behinderten einstellen bzw. weiterbeschäftigen würde. Die
Gleichstellung wird mit dem Tag der Antragstellung wirksam.
Sie kann befristet werden.
Fahrdienste für
Schwerbehinderte
Als „Erleichterung im Personenverkehr“ können Schwerbehinderte
Fahrdienste kostenlos oder gegen eine geringe Gebühr benutzen.
Die Fahrdienste sind von den Wohlfahrtsverbänden eingerichtet
und werden vom örtlichen Sozialhilfeträger finanziert. Dabei
werden kostenlose Fahrgutscheine ausgegeben oder aber vom
Behinderten der Nahverkehrstarif für die private Beförderung
verlangt.
Fahrdienste sind freiwillige Leistungen der Gemeinden, auf die
kein Rechtsanspruch besteht.
Öffentliche Verkehrsmittel
74
Behinderte können öffentliche Verkehrsmittel vergünstigt oder
kostenlos benutzen. Eine notwendige Begleitperson fährt umsonst
mit.
Beförderung im Nahverkehr
Definition „öffentlicher Nahverkehr“
• Straßenbahnen, Busse, U- und S-Bahnen.
• Zug (2. Klasse), wenn er in einen Verkehrsverbund einbezogen ist und mit Verbundfahrschein benutzt werden
kann.
• Züge der Deutschen Bahn in der 2. Klasse im gesamten
Bundesgebiet. Zuschläge (z.B. für EC, IC, ICE) müssen
allerdings gezahlt werden.
• Schiffe im Linien-, Fähr- und Übersetzverkehr im Ortsund Nachbarschaftsbereich.
Voraussetzungen für die unentgeltliche Beförderung sind:
• Schwerbehindert mit Merkzeichen G, Merkzeichen aG,
Merkzeichen H, Merkzeichen Bl und
• Orangefarbener Flächenaufdruck auf dem Schwerbehindertenausweis und
• Gültiges Beiblatt mit Wertmarke
Voraussetzungen
Es gibt 2 Wertmarken:
• Wert 36,– e für die kostenlose Beförderung für 6 Monate
• Wert 72,– e für die kostenlose Beförderung für 12 Monate
Schwerbehinderte mit Merkzeichen G, Merkzeichen aG oder
Merkzeichen Gl müssen das weiße Beiblatt mit 72-e- oder
36-e-Wertmarke bezahlen.
Die 72-e-Wertmarke ist kostenlos für:
• Schwerbehinderte, die Arbeitslosengeld II, Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung (siehe S. 31) oder Sozialhilfe
erhalten.
• Schwerbehinderte mit Merkzeichen H oder Merkzeichen Bl
Die Wertmarken müssen beim Versorgungsamt beantragt werden.
Eine BahnCard ermöglicht den Kauf von Bahnfahrkarten zum
reduzierten Preis.
• Schwerbehinderte mit einem GdB von mindestens 70 können
die BahnCard 50 und die Bahncard 25 zum ermäßigten Preis
erwerben.
• Rollstühle, Führhunde und orthopädische Hilfsmittel werden
unentgeltlich befördert. Die Platz- oder Abteilreservierung ist
kostenlos.
Ermäßigte Bahnfahrten
75
Wer hilft weiter?
Auskünfte und Ausweise gibt es bei den Versorgungsämtern, den
Verkehrsbetrieben vor Ort und der Deutschen Bahn.
Hilfen im Flugverkehr
Begleitperson
Die meisten deutschen Linienfluggesellschaften befördern notwendige Begleitpersonen von Behinderten mit Merkzeichen B
im innerdeutschen Flugverkehr kostenlos.
Hilfen für Menschen mit Einschränkungen
Mittlerweile sind fast alle internationalen Flughäfen weltweit
so ausgestattet, dass sie den Bedürfnissen gehbehinderter, aber
auch seh- und hörbehinderter Passagiere entsprechen. Es ist
wichtig, dass der Fluggast bereits bei der Buchung des Tickets
im Reisebüro oder bei der Fluglinie direkt seine Einschränkungen
und Bedürfnisse mitteilt.
Folgende Dienste werden z. B. angeboten:
• Behindertengerechte Schalter beim Check-in
• Sonderbetreuungsräume für behinderte Passagiere
• Rollstuhlservice: Bodenpersonal begleitet den behinderten
Menschen vom Abflugbereich zum Flugzeug, von Flugzeug
zu Flugzeug (Umsteiger) oder vom Flugzeug zum Ankunftsbereich. Flughafeneigene Rollstühle werden zur Verfügung
gestellt.
Wer hilft weiter?
Informationen über Einrichtungen, Serviceleistungen, Anlaufstellen und sonstige Ermäßigungen für behinderte Fluggäste geben
Reisebüros bzw. Flughäfen und -gesellschaften.
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Partnerschaft und Sexualität
Einige Behandlungsformen bei Prostatakarzinom können zu
Inkontinenz und Impotenz führen. Der Verlust der Erektionsfähigkeit beeinträchtigt
das männliche Selbstverständnis zutiefst. Kommunikation ist deshalb wichtig,
auch Selbsthilfegruppen und Internetforen können helfen.
77
Viele Patienten mit Prostatakarzinom verschweigen die Diagnose
zunächst sogar vor ihren nächsten Angehörigen. Sie meinen, sie
nicht „unnötig belasten“ zu müssen. Allerdings spüren die nahen
Angehörigen sehr bald die Veränderungen und dieses Schweigen
kann eine größere Belastung darstellen als die Mitteilung der
Diagnose. Außerdem geht den Betroffenen eine wichtige, wenn
nicht die wichtigste Unterstützung verloren. Denn mit den
nächsten Angehörigen kann man in der Regel noch am besten
über Ängste und schwierige Themen wie Inkontinenz und
Impotenz sprechen. Aber auch „der beste Freund“ kann eine
große Stütze sein.
Impotenz
(erektile Dysfunktion)
Bei Prostatakrebs kann es infolge der Therapie zu einer
zeitweisen oder dauerhaften Impotenz kommen, medizinisch
„erektile Dysfunktion“. Da nicht nur der Krebs und seine
Folgen, sondern auch viele andere Gründe, z. B. Stress oder
Bewegungsarmut, die Erektionsfähigkeit beeinflussen, wird
die erektile Dysfunktion nachfolgend umfassend betrachtet.
Von einer erektilen Dysfunktionsstörung (ED) spricht man, wenn
in einem Zeitraum von einem halben Jahr in mehr als 70 % der
Versuche keine für einen befriedigenden Geschlechtsverkehr
ausreichende Erektion erreicht oder aufrechterhalten werden
kann.
Kommunikation
Erektile Dysfunktion ist ein Thema, über das Männer verständ­
licherweise nicht gerne reden. Zu sehr ist ED ein Tabuthema.
Dabei herrscht bei den Betroffenen ein hoher Leidensdruck.
Hinzu kommt die Angst, von der Partnerin abgelehnt zu werden.
Ein zusätzlicher „Erfolgsdruck“ verschlimmert dann die Versagens­
ängste.
Typisch männlich ist der Wunsch, allein mit dem Problem fertig
zu werden. Häufig ziehen sich betroffene Männer von ihrer
Partnerin zurück, gehen jeder Zärtlichkeit aus dem Weg oder
verweigern ein Gespräch über ihre Probleme.
78
Dieses Verhalten hat oft negative Auswirkungen auf die Partnerschaft. Da die Partnerin wegen der mangelnden Gesprächs­
bereitschaft oft nicht weiß, was im Mann vorgeht, kann sie nur
Vermutungen anstellen und wird dadurch selbst verunsichert.
Deswegen sollten sich Männer bewusst machen, dass sie die
Beziehung gefährden, wenn sie das Gespräch verweigern, d. h.:
Nicht die fehlende Erektion führt zu Partnerschaftsproblemen,
sondern die mangelnde Gesprächsbereitschaft.
Wesentliche Voraussetzungen für ein gelingendes Gespräch
über sexuelle Probleme sind:
• Klarheit über die eigenen sexuellen Bedürfnisse,
• Sachkenntnis über die Ursachen und Behandlungsmöglich­
keiten von Erektionsstörungen und
• Überzeugung, dass eine Lösung möglich ist.
Sexualität kann in jedem Alter die intensivste Möglichkeit
sein, sich gegenseitig Nähe, Zärtlichkeit und Geborgenheit zu
schenken. Auch mit Erektionsstörungen kann befriedigender Sex
möglich sein. Nicht für alle Frauen ist Penetration dabei wichtig.
Andernfalls sollte über Behandlungsmöglichkeiten (siehe unten)
nachgedacht werden.
Sind keine zielführenden Gespräche möglich, kann professionelle
Hilfe in einer Paarberatung gefunden werden, z. B. bei Pro Familia.
Beratung zum Thema „erektile Dysfunktion“ bieten
außerdem:
• Bundesweite Informationszentrum Sexualität und Gesundheit
(ISG e. V.), Infoline für Erektionsstörungen und Sexuelle
Funktionsstörungen, Geschäftsstelle, c/o Uniklinik Freiburg,
Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg, Telefon 0180 5558484
(14 Ct./Min.) Mo–Fr von 10–12 und 16-18 Uhr
E-Mail: [email protected], www.isg-info.de.
• Selbsthilfegruppe „erektile Dysfunktion“, Weiherweg 30a,
82194 Gröbenzell, Telefon 08142 597099 oder 030 76689521,
E-Mail: [email protected]
www.impotenz-selbsthilfe.de.
Da die Ursachen für eine ED so vielfältig sein können, ist es
unerlässlich, dass vor dem Beginn einer Therapie eine gründliche
Diagnose gestellt wird. Neben einem ausführlichen Arztgespräch
können die Blutabnahme zur Hormonbestimmung und ein
Schwellkörperinjektionstest zur Diagnostik gehören.
Gründliche Diagnose
79
Therapiemöglichkeiten
Für eine ED gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten:
Medikamentöse Behandlung
Verschiedene Wirkstoffe kommen für eine Behandlung von ED
in Frage. Dabei können Wirkweise und Nebenwirkungen bei
Patienten individuell sehr unterschiedlich sein. Daher sollte die
Behandlung immer mit dem Arzt abgesprochen werden.
Arzneimittel, bei denen die Erhöhung der Lebensqualität im
Mittelpunkt steht – und dazu zählen „Potenzmittel“ – werden
von den Krankenkassen nicht übernommen.
Mechanische Erektionshilfen
Erektionsringe und Vakuumerektionshilfen sind mechanische
Hilfsmittel zur Erzeugung einer Erektion.
Nähere Informationen zu diesen Erektionshilfen und zur
Kostenübernahme unter Hilfsmittel siehe S. 48.
Schwellkörper-Implantat
Ein Implantat ist eine letzte Möglichkeit, wenn andere Therapien
nicht erfolgreich sind. Operativ wird ein Kunststoffzylinder
eingeführt, mit dessen Hilfe eine Erektion erzeugt werden kann.
Der Eingriff kann nicht rückgängig gemacht werden, weil dabei
große Teile der Schwellkörper zerstört werden. Es gibt biegsame
Implantate, die den Penis dauerhaft versteifen, und auffüllbare
hydraulische Implantate. Letztere kommen einer natürlichen
Erektion am nächsten und sind von außen (z. B. Sauna) nicht
zu erkennen.
Die Krankenkasse trägt die Kosten nur nach gründlicher Prüfung
unter der Voraussetzung, dass der Eingriff medizinisch not­
wendig ist. Weil das hydraulische Implantat sehr viel teurer ist,
macht die Krankenkasse hier oft eine Einzelfallprüfung.
Testosteron-Ersatztherapie
Liegt eine hormonelle Ursache für die ED vor, kann die ErsatzTherapie den Testosteronmangel ausgleichen. Allerdings kann
Testosteron Prostatakrebs begünstigen und Testosteronentzug
ist ein Teil der Therapie. Deshalb gibt es bei Prostatakrebs in der
Regel keine Testosteron-Ersatztherapie.
80
Lebensstiländerung
Übergewicht und Bewegungsmangel begünstigen eine ED.
Deshalb kann die Änderung des Lebensstils insbesondere bei
vorübergehender ED ein Aspekt sein, der die Potenz fördert.
Patienten nach Prostatakrebs sollten aber ihre Ansprüche an
sich selbst auch nicht zu hoch schrauben. Die Krankheit und
ins­besondere ihre Therapie fordern dem Körper enorm viel
ab – sportlicher Ehrgeiz kann dann sogar schaden. Mehr zu
Ernährung siehe S. 90 und zu Sport siehe S. 92.
Psychotherapeutische Beratung oder Behandlung
Durch die ED kann das Selbstwertgefühl herabgesetzt werden.
Neben Versagensängsten können auch starker Stress (durch die
Arbeit und/oder die Erkrankung) und Depressionen zu einer ED
beitragen.
Selbst wenn eine organische Ursache vorliegt, wie das bei
Prostatakrebs der Fall ist, geht das meist mit einer psychischen
Beeinträchtigung einher. Die Behandlung der psychischen
Faktoren sollte deshalb immer mitbedacht werden, es muss
allerdings nicht immer gleich eine Psychotherapie erfolgen.
Oft bietet schon der Austausch in einer Selbsthilfegruppe oder
eine Sexualberatung Entlastung (Adressen siehe S. 79).
Bei Prostatakrebs bieten insbesondere Kliniken in der Nachsorge
und Rehabilitation Beratung und Behandlung von Erektions­
störungen an – siehe S. 82 „Psychoonkologie“.
Bei schwierigeren Fällen ist eine psychotherapeutische
Behandlung anzuraten, siehe S. 83.
81
Psychoonkologie
Eine Krebserkrankung hat für die Patienten Auswirkun­
gen auf psychischer, seelischer und sozialer Ebene. Psycho­
onkologen unterstützen Patienten bei der individuellen
Krankheitsbewältigung und bei möglichen Bewältigungs­
strategien.
Psychoonkologen
Unter Psychoonkologie versteht man einen interdisziplinär
orientierten Ansatz, der sich mit den psychosozialen Aspekten
bei der Entstehung, dem Verlauf und der Behandlung einer
Krebserkrankung beschäftigt. Zum Psychoonkologen fortbilden
können sich Mitarbeiter verschiedener Fachrichtungen, z. B.
Ärzte, Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialpädagogen oder
Krankenpfleger, die mit krebskranken Menschen arbeiten.
Therapie
Krebspatienten, die therapeutische Unterstützung suchen, sind
bei speziell ausgebildeten Psychoonkologen in guten Händen.
Nicht immer ist es allerdings möglich, vor Ort und zum passenden
Zeitpunkt einen Termin zu bekommen. Alternativ können
Patienten sich einen Psychotherapeuten suchen, der aber
Erfahrung in der Arbeit mit chronisch kranken Menschen
haben sollte.
In der psychoonkologischen Einzeltherapie stehen folgende
Aspekte oft im Mittelpunkt der Behandlung:
• Bedeutung der Krankheit
• Suche nach Sinn und Perspektiven
• Entdecken eigener Ressourcen
• Veränderung von Einstellungen, Werten, Partnerschaft,
Beziehungen
•Neuorientierung
Wer hilft weiter?
Eine Adresssammlung von psychotherapeutisch arbeitenden
Psychoonkologen in Deutschland bietet der Krebsinformationsdienst unter www.krebsinformationsdienst.de/wegweiser/adressen/wpo.php.
82
Psychotherapie
Bei psychischen Störungen mit Krankheitswert übernimmt
die Krankenversicherung die Kosten bestimmter psycho­
therapeutischer Behandlungen (im Sinne einer Kranken­
behandlung).
Für eine Psychotherapie ist keine Überweisung durch einen Arzt
erforderlich. Der gewählte Psychotherapeut muss allerdings
eine Kassenzulassung haben, damit die Krankenkasse die Kosten
übernimmt.
Therapeutenwahl
Es ist möglich, bis zu 5 Probestunden (bei einer analytischen
Psychotherapie bis zu 8) bei einem gewählten Therapeuten zu
machen, bis man entscheidet, ob man dort die Therapie durchführen will.
Probesitzungen
Nach diesen „probatorischen“ Sitzungen, auf jeden Fall bevor
die eigentliche Therapie beginnt, muss ein Arzt, z. B. Hausarzt,
Internist oder Neurologe, aufgesucht werden, um abzuklären,
ob eventuell eine körperliche Erkrankung vorliegt, die zusätzlich
medizinisch behandelt werden muss. Dieser Arztbesuch erübrigt
sich bei einem ärztlichen Psychotherapeuten, also einem
studierten Mediziner mit Zusatzausbildung Psychotherapie.
Praxistipps!
Es ist nicht immer einfach einen Therapeuten zu finden, der auch
freie Plätze hat.
Folgende Links können helfen:
• Kassenärztliche Vereinigungen (KV):
www.kbv.de > Die KBV > Mitglieder > Adressliste.
Dort stehen die Internetadressen der regionalen KVen, die z. T.
eine sogenannte „Koordinationsstelle Psychotherapie“ ein­
gerichtet haben.
• Therapeutensuche der KV: www.kbv.de > Service > Arztsuche.
• Suchservice der Bundespsychotherapeutenkammer:
www.bptk.de/service/therapeutensuche.html.
• Therapeutensuche Psychotherapie-Informations-Dienst beim
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen:
www.psychotherapiesuche.de oder Telefon 030 209166330.
Manche Psychotherapeuten stehen auch im Telefonbuch unter
„Ärzte“ oder in den Gelben Seiten unter „Psychotherapie“ oder
„Psychologie“.
83
Behandlung bei Therapeuten
ohne Kassenzulassung
Falls ein Patient nachweisen kann, dass erst nach mehrmonatiger
Wartezeit ein Therapieplatz in der Region frei wird, kann die
Krankenkasse auf Antrag auch die Therapie bei einem Psycho­
therapeuten mit Berufszulassung, jedoch ohne Kassenzulassung
genehmigen. Daher sollte eine Liste der vergeblichen Suche mit
Namen der Psychotherapeuten, Anrufdatum und Wartezeit
angefertigt und bei der Krankenkasse vorgelegt werden.
Diese prüft jedoch selbst nach, ob tatsächlich kein Platz bei
Therapeuten, mit denen Verträge bestehen, zu bekommen ist.
Erst wenn die Genehmigung der Krankenkasse vorliegt, kann
die Therapie dort begonnen werden.
Antragsverfahren
Der Patient muss bei seiner Krankenkasse einen Antrag auf
Feststellung der Leistungspflicht für Psychotherapie stellen.
Hierzu teilt der behandelnde Psychotherapeut der Krankenkasse
die Diagnose mit, begründet die Indikation und beschreibt Art
und Dauer der Therapie.
Derzeit anerkannt sind psychoanalytisch begründete Verfahren
und Verhaltenstherapie. Zu den anerkannten psychoanalytisch
begründeten Verfahren zählen die tiefenpsychologisch fundierte
und die analytische Psychotherapie. Für andere Therapien übernehmen die Kassen die Kosten nur im Einzelfall.
Vereinfachte Unterscheidung
„psychoanalytisch“ und „verhaltenstherapeutisch“
Psychoanalytisch begründete Verfahren setzen sich eher
mit dem Unbewussten auseinander, um aktuelle Konflikte
zu bearbeiten. Sie beschäftigten sich mit der Vergangenheit,
um daraus die Gegenwart zu erklären.
Verhaltenstherapeutische Verfahren arbeiten mehr über
das bewusste Denken, Fühlen und Handeln, um Erkenntnisse
oder Veränderungen zu erreichen. Sie setzen an der
Gegenwart an, um die Zukunft zu verändern.
Dauer
84
Die Dauer einer Psychotherapie ist abhängig von der Art der
Behandlung. Die Probesitzungen zählen nicht zur Therapie. Eine
Sitzung dauert mindestens 50 Minuten.
Einige Beispiele:
• Eine Kurzzeittherapie umfasst maximal 25 Sitzungen,
auch halbstündige Sitzungen.
• Verhaltenstherapie umfasst 45,
in besonderen Fällen bis 60 Stunden.
• Bei Gruppentherapie zählt eine Gruppensitzung (100 Minuten)
wie 2 Einzelsitzungen. Sie umfasst maximal 90 Sitzungen.
Eine Verlängerung kann beantragt werden, wenn mit Ende der
Therapiezeit das Behandlungsziel nicht erreicht werden kann,
aber bei Fortführung der Therapie begründete Aussicht darauf
besteht.
Praxistipp!
Es gibt von der Verbraucherzentrale (Bundesverband) einen
neutralen kostenpflichtigen Ratgeber „Psychotherapie“.
Informationen und Bestellung unter
www.ratgeber-verbraucherzentrale.de/psychotherapie.
Wer hilft weiter?
Ansprechpartner sind die Krankenkassen.
Kinder krebskranker Eltern
Wenn der Vater an Prostatakrebs erkrankt, sollte auch
mit den Kindern frühzeitig über die Krankheit gesprochen
werden. Kinder spüren schon in jungen Jahren intuitiv,
wenn Eltern in Gefahr sind, und empfinden die Ungewissheit
als eine größere Belastung als die Wahrheit. Manche Eltern
möchten die Kinder schonen und die bedrohliche Wirklich­
keit von ihnen fernhalten, aber Kinder merken, das „hinter
ihrem Rücken“ etwas vorgeht und fühlen sich mit ihren
Bedenken allein gelassen und unsicher.
Die Eltern sollten sich ihrem Kind zum ausführlichen Gespräch
zur Verfügung stellen und es zu Fragen ermuntern. Es hat keinen
Sinn, den Begriff „Krebs“ zu meiden, da das Kind auf anderen
Wegen, über Nachbarn, Verwandte und Freunde, doch davon
erfahren wird.
Kinder hören „Krebs“ oft nur im Zusammenhang mit Sterben.
Deshalb sollten Eltern ihrem Kind sagen, dass Krebs nicht tödlich
enden muss, sondern dass alles dafür getan wird, damit man
wieder gesund wird und noch lange leben kann. Es ist richtig,
von positiven Beispielen aus dem Bekanntenkreis zu berichten:
„Onkel Max hatte vor vielen Jahren auch Prostatakrebs. Das war
eine schwere Zeit für alle. Aber er wurde auch wieder gesund
und ist heute munter und fröhlich.“
Den Begriff „Krebs“
nicht meiden
85
Angst und
Schuldbewusstsein
Manchmal haben Kinder Angst, dass Krebs ansteckend ist und
dass es jetzt gefährlich wäre, mit dem kranken Papa zu kuscheln
und zu schmusen. Es ist wichtig, dem Kind diese Bedenken zu
nehmen.
Es sollte altersgerecht erklärt werden, wie Krebs entstehen kann,
damit sich das Kind nicht die Schuld an der Erkrankung gibt und
meint, dass diese die Folge von Ungehorsam oder Streit war.
Kindergarten und Schule
Es kann dem Kind helfen, wenn auch Klassenlehrer/Erzieher
über die Erkrankung des Vaters Bescheid wissen. So bekommt
es die nötige Rücksichtnahme, Verständnis und Trost, falls es
sich anders verhält als gewohnt.
Bei Jugendlichen sollte man solche Informationen nur nach
Rücksprache mit dem „Kind“ weitergeben, denn: Teenager
orientieren sich an Gleichaltrigen, sie wollen gleich (stark) sein
und dazugehören. Da passen schwere Krankheiten nicht ins Bild.
Veränderung und Normalität
Manchmal kommt es in Familien zu Konfliktsituationen, weil
die Eltern zwar einerseits wünschen, dass ihr Kind durch die
veränderte Situation nicht belastet wird, sie aber andererseits
enttäuscht über fehlendes Mitgefühl sind.
Krebskranke sollten versuchen, sowohl sich selbst als auch dem
Kind gerecht zu werden: z. B. auf Ruhe im Haus bestehen, wenn
sie müde sind. Dem Kind sollten Zeiten zugestanden werden, in
denen das Leben „wie früher“ ist: Freunde dürfen mitgebracht
werden, Fernsehen oder Musik laufen.
Kinder eines schwer kranken Elternteils brauchen Normalität und
den Kontakt zu Gleichaltrigen, um die belastende Situation besser
verarbeiten zu können und nicht zusätzlich aus der Gleichaltrigen­
gruppe als Außenseiter herauszufallen.
Wer hilft weiter?
Informationen und Beratungsangebote bietet:
Hilfe für Kinder krebskranker Eltern e. V.
Güntherstr. 4a, 60528 Frankfurt
Telefon 069 67724504
[email protected]
www.hilfe-fuer-kinder-krebskranker.de
86
Kontaktadressen für Ehe- und Familienberatung sind online
zu recherchieren bei der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für
Jugend- und Eheberatung e. V. (DAJEB): www.dajeb.de/.
Tipps zum Gespräch mit Kindern geben psychosoziale Krebs­
beratungsstellen. Kontaktdaten bieten Krebs-Selbsthilfegruppen,
Adressen siehe S. 126 oder Erziehungsberatungsstellen von
Kommunen, Kirchen oder Wohlfahrtsverbänden.
Hilfreiche Anlaufstellen sind auch Schulpsychologen oder
Schulsozialarbeit.
Auch kindergerechte Bücher können beim Gespräch helfen,
Buchtipp siehe S. 127.
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Ernährung,
Sport und Freizeit
Gesunde Ernährung und Bewegung – was für jeden Menschen gut ist, hilft auch Patienten.
Bei manchem Betroffenen führt die Krebserkrankung sogar dazu,
dass er von da an mehr auf seine Gesundheit achtet als vorher.
89
Patienten mit oder nach Prostatakrebs sollten aber ihre
Ansprüche an sich selbst auch nicht zu hoch schrauben:
Die Krankheit und insbesondere ihre Therapie fordern dem
Körper enorm viel ab – sportlicher Ehrgeiz kann dann sogar
schaden. Zudem führt eine Testosteronentzugstherapie fast
zwangsläufig zu einer Gewichtszunahme.
Bewegung in Maßen und eine gesunde Ernährung tragen aber in
der Regel zum Wohlbefinden bei und unterstützen die Heilung.
Ernährung
Eine Diät, die Prostatakrebs heilt, gibt es nicht. Grundsätzlich
ist eine vollwertige, fleischarme Ernährung zu empfehlen.
Wichtig ist in jedem Fall, die Ernährung mit den zuständigen
Ärzten abzusprechen.
Grundsätzliches
90
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass „gesunde“ Ernährung
positiv auf jeden Organismus wirkt, ganz gleich, ob er an Krebs
erkrankt ist oder nicht. Es ist allerdings nicht einfach zu
definieren, was wirklich gesund ist.
Folgende Anhaltspunkte zu einer gesunden Ernährung sind
allgemein anerkannt:
• Bedarfsgerecht: Viele Menschen essen zu viel, manche allerdings auch zu wenig. Übergewicht und Untergewicht belasten
den Organismus und ziehen langfristig Schäden nach sich.
• Vollwertig: Vollwertig bedeutet, möglichst viele Lebensmittel
in ihrer vollwertigen Zusammensetzung zu sich zu nehmen,
also z. B. Vollkornprodukte („volles Korn“) statt Weißmehl,
frisch zubereitete Produkte statt Fertigprodukte, die oft aus
mehrfach verarbeiteten Extrakten hergestellt werden.
• Schadstoffarm: Schadstoffe in der Ernährung meiden, z. B.
ungespritzte und ungedüngte Lebensmittel kaufen oder Obst,
Gemüse und Salate zumindest sorgfältig waschen.
• Wenig tierische Fette: Fett ist notwendig, aber in Maßen und
besser pflanzlich (z. B. Olivenöl) als tierisch (z. B. Schweinespeck, Wurst, fette Käsesorten).
• Salz: Auch Salz ist für den Körper unbedingt notwendig, aber
ebenfalls in Maßen. Vor allem Menschen, die viel Fleisch und
Wurst essen, essen häufig zu salzreich. Salz versteckt sich z. B.
in vielen Fertiggerichten, Würzmischungen und Flüssigwürze.
Geschmack ist trainierbar, deshalb zurückhaltender würzen,
Kräuter als Geschmacksgeber verwenden und Salz reduzieren.
• Genuss in Maßen: Essen darf und soll Genuss bereiten, aber
auch hier ist das rechte Maß die zentrale Frage. Zucker ist
nicht nur reichlich in allen Süßwaren enthalten, sondern auch
in Kuchen und Gebäck, in vielen Fertigmüslis, Quark- und
Joghurtzubereitungen. Alkohol, Kaffee und Schwarztee sollten
ebenfalls zurückhaltend konsumiert werden, Rotwein ist
Weißwein vorzuziehen.
• Empfehlenswert sind Obst und Gemüse, Vollkornprodukte,
Kartoffeln, Milch, Joghurt und reichlich ungesüßte Getränke.
Wichtig ist in der Summe, dass der Körper ausreichend Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente zu sich nimmt. Diese
sind für viele Köperfunktionen, den Stoffwechsel und das
Immunsystem notwendig.
Für Patienten mit Tumorkachexie (Auszehrung) sind jedoch
andere Richtlinien maßgeblich. Hier sollte eine individuelle
Ernährungsberatung und -therapie in Abstimmung mit dem
behandelnden Arzt erfolgen. Auch ist die jeweilige Situation
des Patienten zu berücksichtigen, möglicherweise gelten vor,
während und nach der Behandlung unterschiedliche Ernährungsempfehlungen.
Ernährung bei
Tumorkachexie
Grundsätzlich sollten Patienten jede Art von Diät, Nahrungs­
ergänzung oder Ernährungsumstellung auf jeden Fall mit
dem Arzt abstimmen.
• Es gibt mehrere sogenannte Krebsdiäten, die nutzlos und oft
sogar schädlich sind. Ein Tumor kann sich zwar während der
Diät zurückbilden, aber er vergrößert sich bei normaler
Ernährung wieder.
• Eine Fastenkur („Nulldiät“) kann gefährlich für den Patienten
werden, da sie den Körper Kraft kostet, die er eigentlich zur Abwehr des Tumors bräuchte. Das Abwehrsystem wird durch eine
Fastenkur geschwächt und Infektionen können die Folge sein.
• Bewiesen sind dagegen die gesundheitsfördernden und krebsverhindernden Wirkungen von Obst, Gemüse und fettarmer
Vollwerternährung (siehe oben).
• Granatäpfel und Granatapfelsaft werden immer wieder im
Zusammenhang mit Prostatakrebs erwähnt. Mehrere Studien
(z. B. Allan Pantuck et al., J Urol Suppl. 2009; 181, 4, Abstract
826) zeigen positive Wirkungen, sogar bei Männern, die nach
einer Prostataoperation steigende PSA-Werte aufwiesen.
• Kohlsorten scheinen gegen Tumorerkrankungen zu schützen,
also z. B. Weißkohl und Brokkoli.
• Krebserregende Stoffe sind absolut zu meiden:
Bekannt sind z. B. Nitrat, Tabakrauch oder Stoffe, die beim
Grillen von Fleisch über dem offenen Feuer entstehen können.
Krebsdiäten
91
Praxistipp!
Ausführliche Informationen zu diesem Thema bietet die
Broschüre „Ernährung bei Krebs“ der Deutschen Krebshilfe.
Diese kann unter www.krebshilfe.de/wir-informieren/materialfuer-betroffene/blaue-ratgeber.html bestellt oder herunter­
geladen werden.
Wer hilft weiter?
Tipps zur Ernährung bei Krebs geben insbesondere Ernährungsberatungsstellen. Entsprechende Adressen sind bei den Krankenkassen erhältlich.
Bewegung und Sport
Verschiedene Studien zeigen, dass Bewegung grundsätzlich
anzuraten ist, selbst in den Phasen der Behandlung und
auch, wenn die Tumorerkrankung weiter fortschreitet.
Allerdings sollte das Pensum der körperlichen Leistungs­
fähigkeit angepasst werden.
Während Chemotherapie oder Bestrahlung, die sehr anstrengend
für den Körper sein können, sollten bei Müdigkeit Ruhepausen eingelegt werden. Aber ansonsten sind normale Alltags­
tätigkeiten und leichte sportliche Betätigung zu empfehlen.
Sie fördern die Regeneration und bringen den Patienten auf
andere Gedanken.
Auch in fortgeschrittenen Stadien mit Metastasierung scheint
Sport zu helfen. Einer amerikanischen Studie zufolge wuchsen
die Geschwüre langsamer, wenn die Patienten Sport betrieben.
92
Ein besonderes Augenmerk sollte bei Prostatakrebs auf dem
Beckenbodentraining liegen, weil es die häufigsten Folgen der
Krebstherapie, Inkontinenz und Impotenz, lindern hilft. Beckenbodentraining kann Teil des Reha-Sport sein (siehe S. 94) oder
als Heilmittel (siehe S. 51) verordnet werden.
Geeignete Sportarten
Weiterer Schwerpunkt der Übungen sollten die benachbarten
Körperregionen sein, also Übungen für den Oberbauch, den
unteren Rücken, Gesäß und Oberschenkel. Dafür eignen sich die
verschiedensten Fitnessübungen, Sportarten oder auch Gerätetraining.
Auch Ausdauertraining hat nach einer Prostatakrebs-Erkrankung
positive Effekte und steigert die allgemeine Leistungsfähigkeit.
Wenn die Prostata entfernt wurde, kämpfen viele Männer mit
Inkontinenz. Solange dieses Problem ausgeprägt ist, muss
schwimmen gemieden werden. Sobald der Mann aber wieder
kontinent ist, sind Schwimmen und Wassergymnastik empfehlens­­
wert, weil sie den Beckenboden kräftigen.
Vorsicht beim Sport
Bei erst kurz überwundener Inkontinenz ist jegliche sportliche
Betätigung unter Pressatmung zu vermeiden, weil diese auf den
Beckenboden drückt.
Vermieden werden sollte auch alles, was mit Verletzungsgefahr
im operierten Bereich einhergeht, z. B. Ballsportarten mit viel
Körperkontakt und Radfahren.
Fußballspielen ist prinzipiell kein Problem, vorausgesetzt der
Mann ist so diszipliniert, dass er riskante Situationen trotz
„Spielfieber“ vermeidet. Radfahren sollte man erst wieder, wenn
man dabei keinerlei Schmerzen mehr spürt. Der Wiedereinstieg
sollte über Hometrainer oder Tourenrad erfolgen, Mountainbiken
ist erst nach Wundheilung und Stabilisierung des Beckenbodens
zu empfehlen.
Praxistipp!
Ausführliche Informationen zu diesem Thema bietet die
Broschüre „Bewegung und Sport bei Krebs“ der Deutschen
Krebshilfe. Diese kann unter www.krebshilfe.de/wir-informieren/
material-fuer-betroffene/blaue-ratgeber.html bestellt oder
heruntergeladen werden.
93
Reha-Sport
Noch sind Reha-Sportgruppen für Prostatakrebspatienten
selten, aber sie nehmen zu. Besonders wichtig ist daran,
dass Reha-Sport auf die Leistungsfähigkeit der Teilnehmer
eingeht und der Gruppeneffekt die Lebensqualität insgesamt
heben kann.
Reha-Sport findet immer in Gruppen und unter ärztlicher
Aufsicht statt. Er dauert je nach Erkrankung und Kostenträger
6 Monate bis 3 Jahre.
Zum Reha-Sport zählen z. B. bewegungstherapeutische Übungen.
Sie dienen der Stärkung von Ausdauer, Koordination, Flexibilität,
Kraft und psychischer Leistungsfähigkeit. Hierunter fallen u. a.
Gymnastik, Leichtathletik, Schwimmen oder Bewegungsspiele in
Gruppen. Bei Prostatakrebs liegt ein besonderes Augenmerk auf
der Stärkung der Beckenbodenmuskulatur, weil das die häufigsten Folgen der Krebstherapie, Inkontinenz und Impotenz, lindern
hilft.
Voraussetzungen
Die Renten- oder die Krankenversicherung übernehmen
Reha-Sport als ergänzende Leistung zur Rehabilitation unter
folgenden Voraussetzungen:
• ärztlich verordnet
Die Verordnung ist von einem Arzt zu erstellen, der das Leiden
und dessen Folgen behandelt. Sie soll enthalten:
– Diagnose und gegebenenfalls Nebendiagnosen, soweit
diese berücksichtigt werden müssen oder Einfluss auf die
Verordnungsnotwendigkeit nehmen
– Gründe und Ziele, weshalb Reha-Sport erforderlich ist
– Dauer und Anzahl der wöchentlich notwendigen Übungseinheiten
– Empfehlung zur Auswahl der geeigneten Sportart
• Durchführung in Gruppen
• Durchführung unter ärztlicher Betreuung
• Antrag: Vordruck „Antrag auf Förderung von Rehabilitationssport/Funktionstraining“
Zuständigkeit
Wird während einer Reha die medizinische Notwendigkeit einer
Reha-Sport-Maßnahme festgestellt, ist vom Arzt der Behandlungsstätte eine Empfehlung im sogenannten „Abschlussbericht“
auszusprechen, und der behandelnde Arzt hat dem Reha-Sport
zuzustimmen. Der Reha-Sport muss dann innerhalb von
3 Monaten nach der Rehamaßnahme beginnen. Kostenträger
sind in der Regel die Rentenversicherungsträger.
Geht dem Reha-Sport keine Reha voraus, ist die Krankenkasse
zuständig.
94
Reha-Sport dauert
• in der Rentenversicherung in der Regel 6 Monate,
bei medizinischer Erforderlichkeit längstens 12 Monate.
• in der gesetzlichen Krankenversicherung in der Regel
18 Monate.
Dauer
Danach muss der Arzt eine neue Verordnung ausstellen.
Wer hilft weiter?
Die Adressen von Reha-Sportgruppen in der Region sind bei den
Krankenkassen zu erfragen. Diese haben eine Übersicht über die
Sportvereine und -gruppen, mit denen sie vertraglich Kosten­
vereinbarungen (regional unterschiedlich) getroffen haben.
Auch Behindertensportverbände bieten zum Teil Reha-Sportarten
und Funktionstrainingsmaßnahmen an. Über entsprechende
Gruppen informiert die Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Behindertensportverbands, Telefon 02234 6000-0,
E-Mail: [email protected], www.dbs-npc.de.
Der Vordruck „Antrag auf Förderung von Rehabilitationssport/
Funktionstraining“ ist bei Sportvereinen, Ärzten und den
zuständigen Leistungsträgern erhältlich.
Urlaub
Bei Reisen ins Ausland sollten Patienten auf ihren Auslands­
krankenschutz achten, sich gegen Infektionen besonders
schützen und auf die Verträglichkeit von Nahrungsmitteln
achten.
Rechtzeitig vor Reiseantritt sollte der Krankenversicherungsschutz im Ausland geklärt werden.
Krankenversicherungsschutz im Ausland
Mit der Europäischen Krankenversichertenkarte (EHIC-Karte)
besteht Versicherungsschutz in fast allen Ländern Europas.
Dennoch kann eine zusätzliche Auslandsreisekrankenversicherung
sinnvoll sein, weil die Krankenkasse nur die Kosten übernehmen
muss, die auch in Deutschland für die jeweilige Behandlung
anfallen würden. Das kann im Zweifel zu einer hohen Eigen­
belastung führen. Zudem verlangen manche Ärzte im Ausland
bei der EHIC-Karte eine Barzahlung oder es findet gar keine
Behandlung statt.
95
Zu beachten ist auch, dass die Kosten für einen Rücktransport
meist nicht übernommen werden.
In anderen Erdteilen (z. B. USA, Asien) gilt nur ein stark ein­
geschränkter Versicherungsschutz und auch der nur unter
bestimmten Voraussetzungen. Deshalb ist es ratsam, eine
zeitlich begrenzte Auslandskrankenversicherung abzuschließen.
Anbieter sind z. B. Krankenkassen, Versicherungsgesellschaften,
Banken oder Automobilclubs.
Für etwa 10,– e im Jahr kann man bereits einen guten
Versicherungs­schutz im Ausland erhalten. Insbesondere ältere
Versicherte und chronisch Kranke sollten sich vor Antritt eines
Auslandaufenthalts mit der Krankenkasse absprechen, ob ein
ausreichender Versicherungsschutz besteht.
Wer hilft weiter?
Die Krankenkassen oder die DVKA
(Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland),
Pennefeldsweg 12c, 53177 Bonn,
Telefon 0228 9530-0, Fax 0228 9530-600,
www.dvka.de, E-Mail [email protected].
Schutzimpfungen
Bei Prostatakrebspatienten ist das Immunsystem häufig
geschwächt. Mindestens sechs Wochen vor Reiseantritt muss
mit dem behandelnden Arzt besprochen werden, welche
Impfungen notwendig sind.
Schutzimpfungen werden bei touristischen Reisen nicht von der
Krankenkasse bezahlt.
Medikamente
Mit dem Arzt ist zudem zu besprechen, welche Medikamente für
typische Reisebeschwerden wie Übelkeit oder Durchfall mitzuführen sind, die sich mit der ständigen Medikation vertragen.
In den Urlaub sollten mehr Medikamente mitgenommen
werden, als eigentlich notwendig, denn die Reisedauer kann sich
unvorhersehbar verlängern. Das gleiche gilt für die Mitnahme
auf Ausflüge.
Die Medikamente sind auf unterschiedliche Gepäckstücke und
Orte zu verteilen, falls ein Gepäckstück verloren geht oder etwas
gestohlen wird.
96
Für sogenannte Betäubungsmittel (z. B. bei sehr starken
Schmerzmittel) sind separate Vorschriften zu beachten.
Patienten, die auf diese Medikamente angewiesen sind, müssen
für die Zollbehörden den Beipackzettel sowie – in nichtdeutschsprachigen Ländern auf Englisch übersetzt – ein ärztliches Attest
vorweisen können, das erklärt, dass sie das Medikament auf
ärztliche Verordnung einnehmen müssen.
Informationen und Vordrucke unter www.bfarm.de > Bundes­
opiumstelle > Betäubungsmittel > Reisen mit Betäubungs­
mitteln.
Viele Patienten haben infolge der Therapie ein angegriffenes
Magen-Darm-System. Sie sollten deshalb Lebensmittel mit erhöhtem Infektionsrisiko meiden.
Kritische Lebensmittel
Praxistipps!
Folgende Tipps helfen dabei:
• Keine offenen Speisen und Getränke zu sich nehmen, die an
Straßenständen oder in Straßenrestaurants verkauft werden.
• Getränke nur in verschlossenen Originalflaschen servieren
lassen und diese selbst öffnen, um Verunreinigungen des
Inhalts auszuschließen.
• Obst mit Trinkwasser waschen und danach schälen.
• Kein Wasser aus der Leitung trinken, auch zum Zähneputzen
Flaschenwasser benutzen.
• Auf Speiseeis und Eiswürfel in Getränken verzichten.
• Rohes Gemüse und Salate meiden, da diese oft mit Fäkalien
gedüngt oder mit Leitungswasser gewaschen wurden.
• Auf rohe Meeresfrüchte oder ungenügend durchgegarte
Steaks verzichten.
• Bei Speisen vom Büffet ist Vorsicht geboten, da diese dort
oft stundenlang stehen.
• Auf ausreichende Händehygiene achten.
97
98
Patientenvorsorge
99
Im Rahmen der Patientenvorsorge können Menschen regeln,
wie in wichtigen Lebensbereichen für sie entschieden werden
soll und welche medizinischen Maßnahmen gewünscht sind,
falls sie sich selbst nicht mehr dazu äußern können.
Dafür gibt es 3 verschiedene schriftliche Erklärungen:
• Patientenverfügung
•Betreuungsverfügung
•Vorsorgevollmacht
Ein Testament wird immer erst nach dem Tod wirksam, deshalb
ist es nicht Bestandteil der Patientenvorsorge.
Möglichkeiten der Vorsorge
„Was möchte ich regeln?“
Alltagsangelegenheiten
(z. B. Finanzen, Wohnungs- oder
Behördenangelegenheiten)
Sterbeprozess und
schwere Krankheitssituationen
(z. B. Koma, schwere Demenz)
Vertrauensperson
vorhanden NEIN
JA
Vorsorge­
vollmacht
100
Betreuungs­
verfügung
Patienten­
verfügung
Gründe und Argumente
Es ist den meisten Menschen verständlicherweise unangenehm,
sich mit dieser Situation für das eigene Leben auseinander­
zusetzen.
Hier einige Gründe, warum Menschen vorsorgende
Verfügungen erstellen:
• Ich möchte über meine Behandlung entscheiden,
solange ich noch kann.
• Ich möchte meinen Angehörigen schwere Entscheidungen
abnehmen. Sie sind ohnehin genug belastet, wenn ich dann
bald sterbe.
• Ich will nicht an Schläuchen hängen, wenn keine reelle
Aussicht mehr auf Besserung besteht.
• Ich will nicht künstlich länger leben, wenn meine Uhr
ab­gelaufen ist.
• Ich will festlegen, wer über meine Angelegenheiten
ent­scheidet, wenn ich es selbst nicht mehr kann.
• Ich will Dinge selbst regeln, solange es noch geht.
• Ich will auf keinen Fall, dass mein Sohn (Frau, Schwester …)
über mich entscheidet. Deshalb soll ein gerichtlich bestellter
Betreuer dafür sorgen, dass …
Patientenverfügung
In einer Patientenverfügung regelt ein Mensch, wie er in
lebensbedrohlichen Krankheitssituationen behandelt oder
nicht behandelt werden möchte, wenn er sich selbst dazu
nicht mehr äußern kann. Eine Patientenverfügung kann die
„Garantiepflicht“ des Arztes aufheben, Leben zu erhalten.
Wichtig ist, dass die Festlegungen in der Patientenverfügung
auf die dann aktuelle Lebens- und Behandlungssituation
zutreffen:
• Treffen sie zu, muss der Betreuer/Bevollmächtigte dem
Patientenwillen Geltung verschaffen, d. h.: Enthält die
Patientenverfügung z. B. den Verzicht auf künstliche Ernährung,
ist eine Entscheidung des Betreuers/Bevollmächtigten nicht
erforderlich, da der Patient bereits selbst entschieden hat und
dies für alle bindend ist.
101
• Treffen die Festlegungen der Patientenverfügung auf die
Situation nicht zu oder gibt es keine Patientenverfügung,
dann muss der Betreuer/Bevollmächtigte den mutmaßlichen
Patientenwillen ermitteln. Dies geschieht mit Bezug auf
frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische
oder religiöse Überzeugungen oder sonstige persönliche
Wertvorstellungen des Patienten.
Praxistipp!
Eine Patientenverfügung sollte unbedingt in Zusammenarbeit mit
einem Arzt verfasst werden, um ihr eine medizinisch fachkundige
Basis zu geben. Für Palliativpatienten ist das Gespräch mit einem
palliativmedizinisch erfahrenen Arzt zu empfehlen, da diese
Ärzte sehr genau wissen, welche Situationen bei bestimmten
Krankheiten in Krisen oder am Lebensende auf­treten können
und welche alternativen Behandlungsmöglichkeiten bestehen.
Sterbebegleitung,
nie Sterbehilfe
Eine Patientenverfügung bezieht sich auf den Bereich der
passiven Sterbebegleitung und der Schwerstkrankenpflege.
Sie muss vom Arzt beachtet werden, da er ansonsten der Körperverletzung bezichtigt werden kann. Verbindlich ist allerdings nur,
was rechtlich erlaubt ist, d. h.: Der Wunsch nach aktiver/direkter
Sterbehilfe darf nicht erfüllt werden.
Inhalte
Die Patientenverfügung beinhaltet die genaue, detaillierte
und persönlich begründete Aufzählung von spezifischen
Behandlungs- und Pflegewünschen bzw. deren Verzichtswunsch.
Folgende Situationen sollten genau beschrieben sein:
• Formen einer eventuellen Intensivtherapie.
• Wann soll bzw. soll nicht reanimiert werden?
• Wann soll eine bzw. keine Schmerztherapie durchgeführt
werden? Welche Folgen werden in Kauf genommen, welche
nicht?
• Wann ist eine bzw. keine künstliche Beatmung gewünscht?
• Wann ist eine bzw. keine Krankenhauseinweisung erwünscht?
• Wann ist eine bzw. keine künstliche Ernährung (hier auch die
Form aufschreiben) gewünscht?
• Ist eine verminderte Flüssigkeitszufuhr und entsprechende
Mundpflege zur Vermeidung von Durstgefühl gewünscht?
• Ist die Linderung von Übelkeit, Erbrechen erwünscht?
• Ist die Linderung von Angst- und Unruhezuständen gewünscht?
• Wie soll die Sterbebegleitung genau aussehen?
• Wer wird bzw. wird nicht als seelsorgerischer und/oder
persönlicher Beistand gewünscht?
102
Praxistipp!
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat eine Schiedsstelle
eingerichtet, die bei Konflikten rund um Patientenverfügungen
berät. Angehörige und Ärzte können dort Expertenhilfe in
Anspruch nehmen, wenn die Auslegung einer Verfügung
zweifelhaft ist. Der Service ist kostenlos.
Näheres unter www.die-schiedsstelle.de.
Vorsorgevollmacht
Im Rahmen einer Vorsorgevollmacht regelt der Patient,
welche Person(en) stellvertretend für ihn Entscheidungen
treffen sollen, wenn er selbst nicht dazu in der Lage ist.
Bevollmächtigte haben sehr weitgehende Rechte, ihre Ent­
scheidungen sind bindend. Sie werden (im Gegensatz zu
Betreuern) nicht vom Betreuungsgericht kontrolliert. Deshalb
sollte man nur Menschen des absoluten Vertrauens als Bevollmächtigte bestimmen. Hat man keine solche Person, sollte man
eine Betreuungsverfügung (siehe S. 104) abfassen.
Eine umfassende Vorsorgevollmacht sollte folgende
Aufgabenkreise abdecken:
•Vermögenssorge
• Wohnungs- und Mietangelegenheiten
•Aufenthaltsbestimmung
• Post- und Fernmeldeverkehr
• Behörden- und Ämtervertretung
• Beauftragung von Rechtsanwälten und Vertretung vor
Gerichten
• Gesundheitssorge, Pflegebedürftigkeit. Hier kann auch vieles in
einer Patientenverfügung bestimmt werden, an die der Bevollmächtigte dann gebunden ist.
Aufgabenkreise
Wenn die Vollmacht alle diese Bereiche abdeckt, bestellt das
Betreuungsgericht in der Regel keinen Betreuer.
103
Bei folgenden Situationen braucht jedoch auch der Bevoll­
mächtigte die Zustimmung des Betreuungsgerichts:
• Notwendige freiheitseinschränkende Maßnahmen sollen
durchgeführt werden, z. B. Unterbringung in einer
geschlossenen Einrichtung, Anlegen von Bauchgurten,
Anbringen von Bettgittern, Verabreichung ruhigstellender
Medikamente.
• Ärztliche Untersuchungen, Heilbehandlungen oder medizinische Eingriffe, wenn dabei Lebensgefahr besteht oder ein
schwerer, lang andauernder Gesundheitsschaden zu erwarten
ist.
Für den Fall, dass das Gericht einen Betreuer einsetzt, kann in der
Vorsorgevollmacht („Betreuung trotz Vorsorgevollmacht“) festgelegt werden, wer im Bedarfsfall als Betreuer eingesetzt werden
soll.
Betreuungsverfügung
Mit einer Betreuungsverfügung bestimmt der Patient, wer
für den Fall, dass das Betreuungsgericht eine Betreuung
anordnet, als Betreuer eingesetzt werden soll – oder wer
keinesfalls sein Betreuer werden soll.
Das Gericht ist verpflichtet, die vorgeschlagene Person zu prüfen
und ihre Eignung zu bestätigen. Wenn keine Betreuungs­
verfügung vorliegt, sucht das Betreuungsgericht eine geeignete
Person aus. Dabei prüft das Gericht zuerst, ob im Verwandtenund Bekanntenkreis eine Person ist, die diese Aufgabe über­
nehmen kann und will.
Die Betreuungsverfügung ist dann sinnvoll, wenn der Verfügende
niemanden kennt, dem er eine Vorsorgevollmacht in einem oder
mehreren Bereichen übertragen möchte, er aber eine Person
kennt, die die Verwaltung seiner Angelegenheiten mit Hilfe des
Betreuungsgerichts übernehmen soll und dies auch will. Diese
Person/en sollte/n genau über die eigenen Vorstellungen
informiert werden und damit einverstanden sein, im Ernstfall
die Betreuung zu übernehmen.
104
Der Patient kann in der Betreuungsverfügung seine Wünsche
an den Betreuer detailliert festlegen, z. B.:
• zum Umgang mit seiner Person.
• zur Verwaltung seiner Finanzen und seines Vermögens.
• wo er gepflegt werden möchte.
• zu medizinischen Angelegenheiten. Hier kann auch vieles
in einer Patientenverfügung bestimmt werden, an die der
Betreuer dann gebunden ist.
Inhalt
Die Wünsche an den Betreuer sollten schriftlich in einem Anhang
der Betreuungsverfügung festgelegt werden.
Formales
Die folgenden Punkte gelten für alle PatientenvorsorgeFormen:
• Um Zweifel auszuschließen, wird dringend die schriftliche
Form angeraten. Handschriftlichkeit ist nicht nötig.
• Möglich sind auch Vordrucke, die individuell abwandelbar sind.
• Ort, Datum und eigenhändige Unterschrift sind immer
erforderlich. Auch Ergänzungen und Streichungen müssen
mit Ort, Datum und Unterschrift dokumentiert werden.
• Um einer juristischen Anfechtung vorzubeugen, ist es
dringend empfehlenswert, dass ein Arzt
– bei einer Patientenverfügung die Einwilligungsfähigkeit,
– bei einer Vorsorgevollmacht die Geschäftsfähigkeit,
– bei einer Betreuungsverfügung die Einsichtsfähigkeit
des Patienten mit Unterschrift und Datum bestätigt.
•Eine notarielle Beurkundung ist prinzipiell nicht nötig. Eine
Beglaubigung durch einen Notar oder eine Behörde kann
zweckmäßig sein, da hierdurch bestätigt wird, dass der Patient
seine Unterschrift auch tatsächlich eigenhändig geleistet hat.
Dies ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn die Verfügung aufgrund von bestehenden körperlichen oder geistigen
Einschränkungen erstellt wird. Eine notarielle Beglaubigung
der Unterschrift kostet 20,– bis 70,– e. Beurkundungen sind
teurer und werden individuell berechnet.
105
• Aufbewahrung: Alle vorsorgenden Verfügungen sind nur im
Original gültig und müssen im Bedarfsfall unverzüglich zur
Verfügung stehen. Sie sollten leicht zugänglich hinterlegt
werden, z. B. beim künftigen Bevollmächtigten/Betreuer oder
bei Banken, Amts- bzw. Betreuungsgerichten, Notaren oder
Rechtsanwälten. Alle anderen, die davon wissen sollten,
sollten eine Kopie bekommen mit dem Hinweis, wo sich
das Original befindet.
• Beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer kann
eine Vorsorgevollmacht registriert werden und können zudem
die Kenndaten einer Betreuungsverfügung und/oder einer
Patientenverfügung hinterlegt werden. Beim Vorsorgeregister
werden keine Inhalte hinterlegt, es geht nur um die Existenz
einer vorsorgenden Verfügung. Informationen unter
www.vorsorgeregister.de.
• Geltungsdauer: Grundsätzlich unbegrenzt.
Der Patient kann jedoch jederzeit widerrufen oder ändern. Das
sollte dann allen entsprechenden Personen bzw. Institutionen
mitgeteilt werden.
Wer hilft weiter?
Informationen geben Amts- und Betreuungsgerichte, Rechts­
anwälte und Notare sowie das Patientenschutztelefon der
Deutschen Stiftung Patientenschutz unter Telefon 0231 7380730
oder 030 2844484-0 oder 089 202081-0.
Praxistipp!
Einen Ratgeber mit ausführlichen Informationen und
Vordrucken zu Patientenverfügung, Betreuungsverfügung
und Vorsorgevollmacht können sie kostenlos downloaden unter
www.betacare.de/ratgeber.php.
106
© INFINITY_fotolia.com
Hilfen im
fortgeschrittenen Stadium
Bei Prostatakrebspatienten kommt es in einem
weit fortgeschrittenen Stadium häufig zu Pflegebedürftigkeit.
107
Pflege: Hilfen der Pflegekasse
im Überblick
Die gesetzliche Pflegeversicherung bietet Leistungen für
Patienten, die mindestens ein halbes Jahr lang intensiv
gepflegt werden müssen.
Grundsätzliche
Voraussetzungen
Alle Pflegeleistungen müssen beantragt werden, siehe S. 110.
Zudem sind zwei Voraussetzungen immer zu erfüllen:
• Der Patient muss die Vorversicherungszeit erfüllen:
Er muss nachweisen, dass er innerhalb der letzten 10 Jahre vor
Antragstellung mindestens 2 Jahre in der Pflegeversicherung
versichert gewesen ist. Fast alle Krankenkassenmitglieder sind
bei der gleichen Kasse auch pflegeversichert.
• Der Patient muss „pflegebedürftig“ nach der Definition der
Pflegeversicherung sein. Details siehe S. 111.
Wer hilft weiter?
Für alle Fragen der Pflegeversicherung sind die Pflegekassen
zuständig. Sie sind immer bei den Krankenkassen angesiedelt.
Falls keine Pflegeversicherung vorliegt und nur minimales
Einkommen und Vermögen zur Verfügung steht, leistet das
Sozialamt „Hilfe zur Pflege“. Fragen hierzu beantwortet das
Sozialamt.
Pflegestützpunkte
und Pflegeberatung
Patienten und Angehörige haben einen Rechtsanspruch auf
Pflegeberatung. Die Beratung wird von Pflegestützpunkten oder
– wenn nicht vorhanden – von der Pflegekasse geleistet.
Sobald ein erstmaliger Pflegeantrag bei einer Pflegekasse
eingeht, muss die Pflegekasse:
• entweder einen konkreten Beratungstermin mit Angabe
der Kontaktperson anbieten, der spätestens innerhalb von
2 Wochen nach Antragseingang durchzuführen ist, oder
• einen Beratungsgutschein ausstellen, in dem Beratungsstellen
benannt sind, bei denen der Gutschein zu Lasten der Pflegekasse innerhalb von 2 Wochen nach Antragseingang eingelöst
werden kann.
Auf Wunsch des Versicherten muss die Beratung in der häuslichen Umgebung stattfinden und kann auch nach Ablauf der Frist
durchgeführt werden.
108
Adressen zur Pflegeberatung bieten
• die Stiftung „Zentrum für Qualität in der Pflege“ (ZQP)
in einer kostenlosen Datenbank auf http://psp.zqp.de/.
• das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit,
Telefon 030 3406066-02, Mo-Do 8-18 Uhr und Fr 8-15 Uhr.
•Pflegekassen.
• Fragen zur privaten Pflegeversicherung beantwortet die
telefonische Pflegeberatung des Verbands der Privaten
Krankenversicherung (Compass Private Pflegeberatung),
Telefon 0800 1018800 (kostenfrei), Mo–Fr von 8–19 Uhr und
Sa 10–16 Uhr.
Nachfolgend ein Überblick über die wichtigsten Leistungen
der gesetzlichen Pflegeversicherung:
Überblick über
die Leistungen
Vollstationäre Pflege
Der Patient wird ganz in einem Heim gepflegt (S. 121).
Häusliche Pflege
Der Patient bleibt zu Hause und wird von Angehörigen und ambulanten Pflegediensten gepflegt.
Die Pflegeversicherung leistet:
• Pflegegeld, wenn Angehörige pflegen (S. 113)
• Pflegesachleistung durch professionelle Pflegekräfte (S. 118)
• Kombinationsleistung, wenn Angehörige und Fachkräfte
sich die Pflege aufteilen (S. 117)
• Leistungen bei erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf,
z. B. bei Demenz (S. 112), und Häusliche Betreuung (neu,
deshalb noch selten verfügbar)
• Erssatzpflege, wenn vorübergehend eine andere als die
übliche Person pflegt (S. 117)
• Tages- und Nachtpflege, wenn der Patient stundenweise
nicht zu Hause gepflegt wird (S. 119)
• Kurzzeitpflege in einer Einrichtung, wenn die Pflegeperson
Auszeit braucht (S. 119)
• Pflegehilfsmittel, z. B. Pflegebett oder Hausnotruf (S. 51)
109
Pflegeantrag
Beim Eintritt von Pflegebedürftigkeit sollte unverzüglich
ein Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung gestellt
werden.
Pflegeantrag – Schritt für Schritt:
➜ Antrag anfordern.
Alle Pflegeleistungen müssen bei der Pflegekasse
beantragt werden. Das Antragsformular kann per
Telefon bzw. per E-Mail bei der Pflegekasse bestellt
werden. Der Antragsteller muss die Vorversicherungszeit erfüllen (in den 10 Jahren vor Antragstellung
mindestens 2 Jahre pflegeversichert).
➜ Antrag ausfüllen, unterschreiben, absenden.
Dabei helfen Pflegeberater in den Pflegestützpunkten,
Pflegedienste, ggf. Betreuer, Senioreneinrichtungen.
➜ Die Pflegekasse beauftragt den MDK mit der
Begutachtung der Pflegebedürftigkeit.
Details zur Pflegebedürftigkeit siehe S. 111.
➜ Der MDK kündigt seinen Besuch beim Patienten an.
➜ Pflegetagebuch führen.
Die Pflegepersonen dokumentieren ihre Pflegeleistungen.
➜ Besuch des MDK (Begutachtungstermin).
Der MDK prüft bei seinem Besuch die Pflegebedürftigkeit des Patienten. Details siehe unten.
➜ Entscheidung und Bescheid der Pflegekasse.
Die Pflegekasse entscheidet auf der Basis des MDKGutachtens. Gegen den Bescheid kann innerhalb von
4 Wochen schriftlich Widerspruch eingelegt werden.
Medizinischer Dienst (MDK)
begutachtet die Pflege­
bedürftigkeit
MDK ist die Abkürzung für „Medizinischer Dienst der Krankenversicherung“. Er arbeitet als neutraler und unabhängiger
Beratungs- und Begutachtungsdienst für alle gesetzlichen
Krankenkassen und Pflegekassen. Für die Pflegekassen begut­
achtet er die Pflegebedürftigkeit.
Er prüft, ob die Voraussetzungen für die Pflegebedürftigkeit
erfüllt sind, stellt fest, ob und welche Vorbeuge- und Rehamaßnahmen notwendig sind, gibt Anregungen zur Verbesserung der
Pflegesituation und erstellt ein Gutachten. Aufgrund des Gutachtens wird die Pflegestufe festgelegt, die Pflegestufe bestimmt
die Höhe der Leistungen der Pflegekasse.
110
Pflegebedürftigkeit ist die Hauptvoraussetzung für Leistungen
der Pflegekasse und für die Inanspruchnahme von Familien­
pflegezeit. Sie muss von der Pflegekasse festgestellt werden.
Die Kasse stützt sich dabei auf das Gutachten des MDK.
Pflege­bedürftigkeit
Definition „pflegebedürftig“
Pflegebedürftig im Sinne der Pflegeversicherung ist, wer
wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig
wiederkehrenden Verrich­tungen im Ablauf des täglichen
Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate,
in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedarf.
Die Schwere der Pflegebedürftigkeit wird in Pflegestufen
eingeteilt.
„Hilfe“ heißt, dass Pflegepersonen Tätigkeiten übernehmen oder
dass sie den Patienten unterstützen, anleiten oder beaufsichtigen
müssen.
Pflegestufen
Die Pflegestufe ergibt sich aus der Schwere der Pflege­
bedürftigkeit und bedingt die Höhe der Leistungen der
Pflegekasse. Es gibt die Pflegestufen 1 bis 3 sowie Sonder­
regelungen für besonders pflegeaufwendige Patienten
(Härtefälle) und Pflegebedürftige mit erheblichem all­
gemeinen Betreuungsbedarf (sogenannte Pflegestufe 0).
Hilfebedarf in den Bereichen Körperpflege, Ernährung oder
Mobilität (Grundpflege):
einmal täglich für wenigstens 2 Ver­richtungen
Pflegestufe 1 –
erheblich Pflegebedürftige
Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (HW):
mehrfach in der Woche.
Zeitaufwand für Grundpflege und HW:
wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten.
Davon mindestens 46 Minuten Grundpflege.
111
Pflegestufe 2 –
schwer Pflegebedürftige
Hilfebedarf Grundpflege:
mindestens 3-mal täglich zu verschiedenen Tageszeiten
Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (HW):
mehrfach in der Woche.
Zeitaufwand für Grundpflege und HW:
wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 3 Stunden.
Davon mindestens 2 Stunden Grundpflege.
Pflegestufe 3 –
schwerst Pflegebedürftige
Hilfebedarf Grundpflege:
täglich rund um die Uhr, auch nachts
Hilfebedarf bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (HW):
mehrfach in der Woche.
Zeitaufwand für Grundpflege und HW:
wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 5 Stunden.
Davon mindestens 4 Stunden Grundpflege.
Härtefall
Höherstufung
Erheblicher allgemeiner
Betreuungsbedarf –
Pflegestufe 0
Ein Härtefall liegt bei außergewöhnlich hohem und intensivem
Pflegeaufwand vor, der das übliche Maß der Pflegestufe 3 weit
übersteigt. Dies ist z. B. der Fall, wenn Hilfe bei der Grundpflege
mindestens 6 Stunden, davon mindestens 3-mal in der Nacht,
erforderlich ist oder mehrere Pflegepersonen notwendig sind.
Eine Höherstufung der Pflegestufe ist immer dann möglich,
wenn sich der Pflegeaufwand erhöht. Dazu ist ein Antrag bei
der Pflegekasse zu stellen und ein Wiederholungsgutachten
über den MDK nötig.
Personen, die aufgrund demenzbedingter Fähigkeitsstörungen,
geistiger Behinderungen oder psychischer Krankheiten einen
erheblichen Betreuungsbedarf haben, können Leistungen von
der Pflegeversicherung erhalten, auch wenn sie keine Pflegestufe
haben (sogenannte Pflegestufe „0“) oder sie erhalten zusätzliche/
höhere Leistungen.
Sie haben Anspruch
• auf bis zu 200,– e Betreuungsgeld monatlich, wenn sie sich
nicht dauerhaft in einer stationären Einrichtung befinden.
• auf Pflegegeld, Pflegesachleistung, Kombinationsleistung,
Ersatzpflege, Pflegehilfsmittel und Häusliche Betreuung.
• auf zum Teil höhere Leistungen als andere Pflegebedürftige
der gleichen Stufe.
112
Angehörige pflegen zu Hause
Pflegegeld erhält ein Pflegebedürftiger von der Pflegekasse,
damit er die Person, die ihn zu Hause pflegt, bezahlen kann.
Unter bestimmten Voraussetzungen gibt es für Hilfebedürftige
auch Pflegegeld vom Sozialamt.
Pflegegeld
Das Pflegegeld bekommt der Pflegebedürftige. Er kann damit die
Pflege durch eine selbst beschaffte Pflegeperson, z. B. Angehörige,
ehrenamtliche Pflegepersonen, erwerbsmäßige Pflegekräfte oder
eine von ihm angestellte Pflegeperson, bezahlen.
Folgende Leistungen der Pflegekasse sind neben dem
Pflegegeld möglich:
• Pflegehilfsmittel (S. 51) können beansprucht werden.
• Zeitweise Betreuung in einer Tages- und Nachtpflege (S. 119).
Hierfür stehen bei voll ausgeschöpftem Pflegegeld noch 50 %
der Tages/Nachtpflege zu.
• Während einer Ersatzpflege oder einer Kurzzeitpflege wird
die Hälfte des Pflegegelds fortbezahlt.
• Pflegegeld und Pflegesachleistung (S. 118) schließen sich
in der Regel aus; möglich ist allerdings eine Kombinations­
leistung (S. 117) aus beiden.
Kombination mit
anderen Pflegeleistungen
Die Pflegekasse bezahlt für eine selbst beschaffte Pflege­
person monatliches Pflegegeld in folgender Höhe:
Pflegestufe
normale
Pflegebedürftigkeit
bei erheblichem
allgemeinem
Betreuungsbedarf
„0“
—
120,– e
1
235,– e
305,– e
2
440,– e
525,– e
3
700,– e
Praxistipps!
• Tritt die Pflegebedürftigkeit erst im Laufe eines Monats ein,
wird das Pflegegeld anteilig nach Tagen gezahlt.
• Das Pflegegeld ist steuerfrei.
• Bei Krankenhausbehandlung, stationärer Rehamaßnahme oder
Häuslicher Krankenpflege (mit Anspruch auf Grundpflege und
hauswirtschaftliche Versorgung), um einen Krankenhaus­
aufenthalt zu vermeiden oder zu verkürzen, wird das Pflegegeld bis zu 4 Wochen weiterbezahlt.
• Stirbt der Patient, wird das Pflegegeld für den Restmonat
nicht zurückgefordert.
113
Pflege bei Berufstätigkeit
Pflegezeit: 6 Monate
Pflegezeit und Familienpflegezeit sind zwei Möglichkeiten, wie
sich Berufstätige zeitweise aus dem Arbeitsleben ausklinken
können, um Zeit für die Pflege ihrer schwer kranken Angehörigen
zu haben. Die Pflegezeit dauert 6 Monate, die Familienpflegezeit
2 Jahre.
Berufstätige Angehörige haben einen Anspruch auf Freistellung
von der Arbeit, um einen nahen Angehörigen zu pflegen.
Die Pflegezeit kann für maximal 6 Monate beantragt werden.
In dieser Zeit ist die Pflegeperson in der Regel ohne Gehalt von
der Arbeit freigestellt. Auch eine teilweise Freistellung ist
möglich.
Voraussetzungen für Pflegezeit:
• Pflegebedürftigkeit eines nahen Angehörigen.
Nahe Angehörige sind: Großeltern, Eltern, Schwiegereltern,
Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen
Gemeinschaft, Geschwister, Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder
• Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder
Lebenspartner
• Schwiegersohn oder -tochter, Enkel.
• Bescheinigung über die Pflegebedürftigkeit des Angehörigen.
• Schriftliche Anmeldung der Pflegezeit beim Arbeitgeber.
• Die Freistellung muss 10 Tage vor Pflegebeginn beim Arbeit­
geber angekündigt werden.
Anspruch und Dauer
• Ein Rechtsanspruch auf Pflegezeit besteht erst ab einer
Betriebsgröße von 15 Beschäftigten.
• Die Pflegezeit kann vorzeitig enden, wenn der Patient
z. B. stirbt oder in ein Pflegeheim kommt.
• Die Pflegezeit kann um maximal 6 Monate verlängert werden,
wenn der Arbeitgeber zustimmt.
Familienflegezeit: 2 Jahre
114
Die Familienpflegezeit ist eine freiwillige Leistung des Arbeit­
gebers. Sie gliedert sich in eine Pflegephase und eine Rück­
zahlungsphase. Beide dauern maximal je 2 Jahre. In der Pflegephase verringert der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit auf bis zu
15 Stunden und erhält vom Arbeitgeber einen monatlichen
Entgeltvorschuss. In der Rückzahlungsphase arbeitet er wieder
voll und der Arbeitgeber behält den Vorschuss vom Gehalt ein.
Voraussetzungen für die Familienpflegezeit:
• Schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es besteht kein Rechtsanspruch, Arbeitgeber sind also
nicht verpflichtet, diese anzubieten oder zu unterstützen.
• Nachweis der Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen.
• Pflege eines nahen Angehörigen, Details siehe unter Pflegezeit.
• Bescheinigung über das Bestehen einer Familienpflegezeit­
versicherung. Diese schützt den Arbeitgeber vor finanziellen
Risiken, die durch den Tod oder die Arbeitsunfähigkeit des
Arbeitnehmers entstehen können, der dann den Entgelt­
vorschuss nicht oder nicht komplett zurückzahlen kann.
Wer hilft weiter?
• Pflegekasse
• Das Bundesfamilienministeriums (BMFSFJ) und das Bundesamt
für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) haben
ein gemeinsames Servicetelefon Pflege eingerichtet,
Telefon 030 20179131, Mo bis Do von 9–18 Uhr, und bieten
viele Informationen zur Familienpflege unter www.wege-zurpflege.de und unter www.familien-pflege-zeit.de.
Für Personen, die über längere Zeit die anspruchsvolle Pflege
eines Angehörigen übernehmen, empfiehlt sich zwischendurch
eine kleine „Auszeit“ von der Pflege, um wieder neue Kraft
tanken zu können.
Auszeit bei Erschöpfung
In Frage kommen z. B. ein Urlaub oder eine medizinische Rehamaßnahme, wenn die Gesundheit der Pflegeperson durch
die dauernde Belastung gefährdet ist. Pflegende Frauen
können dafür auch Einrichtungen des Müttergenesungswerks
(www.muettergenesungswerk.de) nutzen. Während der Reha der
Pflegeperson kann der Patient über die sogenannte Ersatzpflege
(siehe S. 117) von einem ambulanten Pflegedienst oder in einer
Kurzzeitpflegeeinrichtung (S. 119) versorgt werden.
Soziale Sicherung der Pflegeperson
Pflegepersonen, vor allem wenn sie noch im Berufsleben stehen
oder vor der Pflege standen, sollten auf ihre soziale Absicherung
achten.
Rentenversicherung
Die Pflegeversicherung zahlt Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die Pflegeperson mindestens 14 Stunden
wöchentlich pflegt (nicht erwerbsmäßig!) und gleichzeitig
maximal 30 Stunden wöchentlich berufstätig ist. Die Beitrags­
höhe richtet sich nach der Pflegestufe des Patienten.
115
Details zu den Beiträgen bietet die Broschüre „Rente für Pflege­
personen: Ihr Einsatz lohnt sich“, Download unter
www.deutsche-rentenversicherung.de > Service >
Broschüren & mehr > Vor der Rente.
Unfallversicherung
Die Pflegeperson ist gesetzlich unfallversichert. Die Pflegekasse
muss die Pflegeperson beim kommunalen Unfallversicherungsträger melden, für die es pro Bundesland meist eine Anlaufstelle
gibt. Adressen unter www.dguv.de > Berufsgenossenschaften/
Unfallkassen/Landesverbände (linke Seite) > Unfallkassen.
Krankenversicherung
Die Krankenversicherung muss eine Pflegeperson selbst regeln.
Auf Antrag und unter bestimmten Voraussetzungen bezuschusst
die Pflegekasse die Mindestbeiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, z. B. bei voller Pflegezeit. Pflegende, die neben der
Pflege sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, sind darüber
auch krankenversichert, z.B. während der Familienpflegezeit.
Arbeitslosenversicherung
Pflegende, die einen Angehörigen mindestens 14 Stunden
wöchentlich pflegen und keiner versicherungspflichtigen
Beschäftigung nachgehen, können sich freiwillig und auf eigene
Kosten in der Arbeitslosenversicherung versichern. Der Beitrag
für freiwillig versicherte Pflegepersonen beträgt 8,30/7,04 e
(West/Ost, Stand 2014). Auskünfte gibt die Agentur für Arbeit.
116
Hilfen bei der Pflege
von außen
Bei länger andauernder Pflege und Überlastung der pflegenden
Angehörigen sollten folgende Entlastungsmöglichkeiten
geprüft werden:
• Kombinationsleistung (s. u.)
Ein Pflegedienst übernimmt einen Teil der erforderlichen
häuslichen Pflege.
• Ersatzpflege (s. u.)
Eine andere Pflegeperson oder ein Pflegedienst kommt
vorübergehend ins Haus.
• Pflegesachleistung (S. 118)
Ein Pflegedienst übernimmt die ganze häusliche Pflege.
• Tages- und Nachtpflege (S. 119)
Stundenweise Pflege des Patienten außer Haus.
• Kurzzeitpflege (S. 119)
Pflege des Patienten mehrere Tage und Nächte außer Haus.
Pflegedienst unterstützt teilweise
Kombinationsleistung bedeutet, dass die Pflege eines Patienten
zum Teil von einer nicht professionellen Pflegeperson (z. B.
Angehörige) und zum Teil von einer professionellen Pflegekraft
(z. B. ambulanter Pflegedienst, Sozialstation) erbracht wird. Die
Pflegeversicherung erstattet dann zuerst den Aufwand der Fachkraft und zahlt für die „restliche“ Pflege anteilig Pflegegeld an
den Pflegebedürftigen. Die prozentuale Aufteilung kann halbjährlich verändert werden.
Kombinationsleistung
Sozialrechtlich heißt das, dass Pflegesachleistung (siehe S. 118)
und Pflegegeld (siehe S. 113) miteinander kombiniert werden.
Insgesamt dürfen beide Leistungen zusammen 100 % nicht
übersteigen.
Zusätzlich zu 100 % Kombinationsleistung kann noch bis
zu 50 % Tages- oder Nachtpflege (siehe S. 119) in Anspruch
genommen werden, so dass ein Gesamtanspruch von 150 %
entsteht.
Kombinationsleistung und
Tages- und Nachtpflege
Andere Pflegeperson unterstützt zeitweise
Ersatzpflege, auch Verhinderungspflege genannt, ist die Pflege
durch eine andere als die normalerweise tätige Pflegeperson,
wenn diese wegen Erholungsurlaub, Krankheit oder anderen
Gründen verhindert ist. Die Ersatzpflege kann auch von einem
Pflegedienst übernommen werden.
Ersatzpflege
117
Die Pflegekasse zahlt maximal 1.550,– € für maximal 4 Wochen
im Jahr.
Ersatzpflege wird auch anerkannt, wenn
• die Wohnung des Pflegebedürftigen renoviert werden muss.
• alle Familienmitglieder bei der Ernte eingebunden sind (Landwirtschaft).
• die Zeit überbrückt werden muss, bis ein Heimplatz gefunden
ist.
• es sich um Kurzzeitpflege oder Sterbebegleitung in einem
Hospiz handelt.
Pflegesachleistung
Kombination mit
anderen Pflegeleistungen
Höhe
118
Pflegedienst pflegt zu Hause
Bei der Pflegesachleistung wird der Patient von professionellen
Pflegekräften gepflegt, die zu ihm ins Haus kommen. In der
Regel übernimmt ein ambulanter Pflegedienst die Pflege, aber
auch einzelne selbstständig tätige Fachkräfte sind möglich.
Folgende Leistungen der Pflegekasse sind neben der Pflege­
sachleistung möglich:
• Pflegehilfsmittel (S. 51) können beansprucht werden.
• Zeitweise Betreuung in einer Tages- und Nachtpflege (S. 119).
Hierfür stehen bei voll ausgeschöpfter Pflegesachleistung noch
50 % der Tages/Nachtpflege zu.
• Pflegegeld (S. 113) und Pflegesachleistung schließen sich in der
Regel aus; möglich ist allerdings eine Kombinationsleistung
(S. 117) aus beiden.
Die Pflegekasse und die Pflegedienste rechnen direkt
miteinander ab. Folgende Sätze gelten:
Pflegestufe
normale
Pflegebedürftigkeit
bei erheblichem
allgemeinem
Betreuungsbedarf
„0“
—
225,– e
1
450,– e
665,– e
2
1.100,– e
1.250,– e
3
1.550,– e
Härtefälle
1.918,– e
Tages- oder Nachtpflege bedeutet, dass ein Pflegebedürftiger
eigentlich zu Hause, zum Teil aber tagsüber oder in der Nacht in
einer Einrichtung gepflegt wird.
Tages- und Nachtpflege
außer Haus
Die Sätze für die Tages- oder Nachtpflege entsprechen den
Pflegesachleistungen (S. 118) und richten sich nach der Pflege­
stufe. Maximal sind 1.550,– e monatlich möglich. Der Patient
muss die Kosten für Unterkunft und Essen selbst zahlen.
Höhe
Folgende Leistungen der Pflegekasse sind neben der Tagesund Nachtpflege möglich:
• Pflegehilfsmittel (S. 51) können beansprucht werden.
• 50 % Pflegesachleistung (S. 118), 50 % Pflegegeld (S. 113) oder
50 % Kombinationsleistung (S. 117) sind zusätzlich möglich.
Kombination mit anderen
Pflegeleistungen
Kurzzeitpflege ist die vorübergehende Pflege eines Patienten in
einem Heim, wenn die häusliche oder teilstationäre Pflege nicht
möglich oder nicht ausreichend ist.
Kurzzeitpflege außer Haus
Anspruch auf die Unterbringung in einer Kurzzeitpflege
besteht,
• für eine Übergangszeit im Anschluss an eine stationäre
Behandlung,
• in sonstigen Krisensituationen oder
• wenn eine vorübergehende häusliche oder teilstationäre
Pflege nicht möglich oder nicht ausreichend ist.
Kurzzeitpflege übernimmt die Pflegekasse maximal 28 Tage im
Kalenderjahr.
Dauer und Höhe
Die Pflegekasse zahlt insgesamt maximal 1.550,– e im Jahr
ohne Differenzierung nach der Pflegestufe. Der Patient muss
die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten
selbst zahlen.
Praxistipp!
Neben der Kurzzeitpflege kann im selben Jahr auch Ersatzpflege
(S. 117) beansprucht werden.
119
Häusliche Krankenpflege
Häusliche Krankenpflege bedeutet, dass ein Patient zu Hause
von Fachpersonal versorgt wird. Die häusliche Krankenpflege
wird in der Regel von der Krankenkasse (!) finanziert und ist
nicht zu verwechseln mit der „häuslichen Pflege“ der Pflege­
versicherung. Gesprochen wird oft von der „Behandlungs­
pflege“.
Voraussetzungen
Dauer
Die Häusliche Krankenpflege kann vom Arzt verordnet
werden, wenn
• eine Krankenhausbehandlung erforderlich, aber nicht ausführbar ist oder eine Krankenhausbehandlung vermieden oder
verkürzt wird. In diesen beiden Fällen handelt es sich um die
sogenannte Krankenhausvermeidungspflege oder
• sie zur Sicherung des ärztlichen Behandlungszieles erforderlich
ist (z. B. falls der Arzt Injektionen im nötigen Umfang nicht
selbst vornehmen kann). In diesem Fall handelt es sich um die
sogenannte Sicherungspflege.
Die Krankenhausvermeidungspflege ist bis zu 4 Wochen je
Krankheitsfall möglich. In medizinisch begründeten Fällen
(Prüfung durch MDK) auch länger.
Die Sicherungspflege ist gesetzlich nicht begrenzt, jedoch ist die
Dauer von der Satzung der Krankenkasse abhängig.
Zuzahlung
120
Erwachsene Versicherte zahlen 10 % der Kosten pro Tag für
längstens 28 Tage im Kalenderjahr, sowie 10,– e pro Verordnung.
Vollstationäre Pflege im Heim
Wenn die Pflege zu Hause nicht (mehr) möglich ist, ist der
häufigste Fall, dass der Patient in ein Pflegeheim zieht.
Neben den üblichen Voraussetzungen wie Pflegebedürftigkeit
und Erfüllung der Vorversicherungszeit erfordert die Kostenübernahme bei Vollstationärer Pflege auch die sogenannte „Heim­
bedürftigkeit“. Diese wird von den Pflegekassen in Zusammen­
arbeit mit dem MDK festgestellt.
Voraussetzung
Die Pflegekasse übernimmt pauschal
• die pflegebedingten Aufwendungen,
• die Aufwendungen der sozialen Betreuung und
• die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.
Umfang und Höhe
Dafür zahlt die Pflegekasse an das Heim bei
• Pflegestufe 1: 1.023,– e monatlich
• Pflegestufe 2: 1.279,– e monatlich
• Pflegestufe 3: 1.550,– e monatlich
• Härtefälle der Pflegestufe 3: 1.918,– e monatlich
Lebt der Patient in einer Pflegeeinrichtung, die keinen Vertrag
mit seiner Pflegekasse hat, werden ihm nur 80 % des jeweiligen
Höchstbetrags von seiner Pflegekasse erstattet.
Der Patient muss Unterkunft und Verpflegung im Heim (so­
genannte „Hotelkosten“) und Investitionskosten selbst zahlen.
Diese Kosten variieren von Heim zu Heim und auch innerhalb
eines Heims je nach Zimmerausstattung stark. Als Richtgröße
muss man mit 1.000,– bis 2.500,– e Zuzahlung bei einem
einfachen Pflegeheimplatz rechnen.
Eigene Kosten im Pflegeheim
Wenn der Patient den Eigenanteil aus seinem Einkommen (in
der Regel die Rente) und seinem Vermögen nicht leisten kann,
werden seine Eltern, Ehepartner sowie Kinder und indirekt deren
Ehepartner herangezogen. Nur wenn diese Angehörigen ihrer
Unterhaltspflicht nicht nachkommen können, zahlt das Sozialamt.
Praxistipp!
In Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und
Schleswig-Holstein können pflegebedürftige Pflegeheim­
bewohner mit geringem Einkommen Pflegewohngeld bean­
tragen. Es unterstützt die Zahlung des Investitionskosten­
zuschusses.
121
Palliativversorgung
Wenn der Prostatakrebs nicht mehr heilbar ist und immer
weiter fortschreitet, so dass absehbar ist, dass die Lebens­
erwartung begrenzt ist, kann eine palliative Behandlung
sinnvoll sein. „Palliativ“ bedeutet lindernd. Es geht nicht
mehr darum, zu heilen, sondern der Blick richtet sich auf
die Linderung der Symptome.
Das oberste Ziel der Palliativversorgung ist die Linderung der
Beschwerden und die Steigerung der Lebensqualität. Leitfaden
sollte dabei immer der Wille des Patienten sein. Palliativversorgung
hat deshalb nicht nur die Symptome im Auge, sondern kümmert
sich ganzheitlich um die Bedürfnisse des Patienten und seiner
Angehörigen.
„Ganzheitlich“ in dieser letzten Lebensphase heißt, dass es neben
den körperlichen Leiden auch um psychische, soziale, seelische,
finanzielle und viele weitere Nöte gehen kann. Neben dem
Wunsch, schmerzfrei zu sein, können die Regelung letzter
Angelegenheiten, die Aufarbeitung alter Konflikte oder die
Angst vor dem Leiden und dem Sterben zentrale Bedeutung
bekommen.
Nachfolgend die wichtigsten Einrichtungen und Leistungen,
die Palliativpatienten und ihre Angehörigen unterstützen.
Ambulante Hospizdienste
Als ambulante Hospizdienste gelten verschiedenste Dienste,
Gruppen und Initiativen, die Palliativpatienten und ihre Angehörigen zu Hause begleiten. Der Schwerpunkt liegt meist auf
ehrenamtlichen Hospizhelfern, die oft sehr viel Zeit für die
Patienten und ihre Angehörigen mitbringen. Aber in allen
Hospizdiensten arbeiten auch hauptberufliche Fachleute, die
beraten, organisieren und begleiten.
Ambulante Palliativdienste
Ambulante Palliativdienste ergänzen die örtlichen Pflege­dienste und Sozialstationen und sind auf die medizinische und
pflegerische Betreuung sterbenskranker Patienten spezialisiert.
SAPV: Spezialisierte ambulante Palliativversorgung
Die „spezialisierte ambulante Palliativversorgung“ (SAPV) ist
eine relativ neue Leistung der Krankenkassen, die dabei hilft,
dass auch Palliativpatienten mit großer Symptomlast und aufwändiger Versorgung zu Hause/im Heim bleiben können.
Verordnet wird die SAPV vom behandelnden Arzt. SAPV gibt es
noch nicht überall in Deutschland.
122
Stationäre Hospize
Stationäre Hospize sind Pflegeeinrichtungen, die unheilbar
Kranke in ihrer letzten Lebensphase umfassend begleiten und
betreuen, wenn dies zu Hause nicht mehr möglich ist. Die durchschnittliche Verweildauer in einem stationären Hospiz beträgt
2 bis 4 Wochen. In Deutschland gibt es etwa 200 stationäre
Hospize.
Palliativstationen
Eine Palliativstation ist Teil eines Krankenhauses. Aufgenommen
werden Patienten vorübergehend, um starke Symptome in den
Griff zu bekommen. In Deutschland gibt es etwa 230 Palliativ­
stationen.
Praxistipp!
Adressen von Einrichtung, die Palliativversorgung anbieten, sind
zu finden unter www.wegweiser-hospiz-palliativmedizin.de.
123
124
Anhang
125
Adressen
Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe (BPS) e. V.
Kontakte zu Selbsthilfegruppen, Infos und telefonische
Beratungshotline Di, Mi, Do von 15–18 Uhr,
kostenlos unter 0800 7080123
[email protected]
www.prostatakrebs-bps.de
Internetforen Prostatakrebs
Eine Alternative zu Selbsthilfegruppen vor Ort sind Internetforen
für Patienten, wo Männer die Möglichkeit haben, anonym zu
bleiben:
• Prostatakrebs-Diskussionsforum vom BV Prostatakrebsselbsthilfe e. V.: http://forum.prostatakrebs-bps.de
• Krebskompass-Forum „Prostatakrebs“: www.krebs-kompass.de
• Foren und Chats des Selbsthilfeverband Inkontinenz e. V.:
www.selbsthilfeverband-inkontinenz.org/svi_suite/index.php
Deutsche Krebshilfe
Informations- und Beratungsdienst
Telefon 0228 72990-95 oder
E-Mail: [email protected] oder
schriftlich: Deutsche Krebshilfe e. V.,
Informations- und Beratungsdienst, Buschstr. 32, 53113 Bonn
Finanzielle Unterstützung durch den Härtefonds der Deutschen
Krebshilfe, Antrag unter www.krebshilfe.de > Wir helfen >
Härtefonds.
www.krebshilfe.de
Adressen von Pflegediensten
• Adressen von ambulanten Pflegediensten haben die
Pflegekassen und Wohlfahrtsverbände.
• Unabhängige Pflegedienste sind im Branchenbuch zu finden.
Adressen von Reha-Kliniken
• www.rehakliniken.de (= Inhalte Handbuch Reha- und
Vorsorgeeinrichtungen mit 1.400 Reha-Kliniken).
•www.kurklinikverzeichnis.de.
126
Leitlinien
Das aktuelle Wissen zu Früherkennung, Diagnose und
Therapie von Prostatakrebs ist in Leitlinien zusammengefasst.
Verantwortlich für den Inhalt sind die Arbeitsgemeinschaft
der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften
(AWMF), die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Krebs­
gesellschaft in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft
für Urologie (DGU).
Es gibt eine medizinische Leitlinie (sehr detailliert) und Leitlinien
für Patienten, Download unter www.awmf.org/leitlinien/detail/
ll/043-022OL.html, direkter Download der Patientenleitlinie:
www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/043-022OLp1_S3_Prostatakarzinom_2011.pdf.
Bücher und Broschüren
Das Bundesfamilienministerium gibt einen kostenlosen Leitfaden
heraus, der bei der Suche nach einem Pflegedienst unterstützen
soll: „Auf der Suche nach der passenden Wohn- und
Betreuungsform – Ein Wegweiser für ältere Menschen“,
zu bestellen unter: Telefon 01805 778090,
E-Mail: [email protected] oder zum Herunter­
laden unter www.bmfsfj.de > Publikationen > Ältere Menschen.
Sylvia Broeckmann:
Plötzlich ist alles ganz anders – wenn Eltern an Krebs
erkranken.
2. Aufl. Klett Verlag, 2009. 13,95 e. ISBN 978-3-608-94605-5.
Praktische Beispiele und Vorschläge der Autorin zeigen Eltern
und anderen Erwachsenen, wie sie Kindern im Umgang mit der
Erkrankung helfen können.
Der Ratgeber für Patienten und ihre Partnerinnen „Männliche
Sexualität und Krebs“ kann beim Krebsinformationsdienst
heruntergeladen werden unter: www.krebsinformationsdienst.de/
wegweiser/iblatt/krebspatient-sexualitaet.pdf.
Die blauen Ratgeber der Deutschen Krebshilfe informieren
verständlich zu nahezu allen Themen im Bereich Krebs, z. B.
Sport, Ernährung, Schmerzen oder speziell alle Aspekte von
Prostatakrebs. Die Ratgeber sind kostenlos und können bestellt
oder heruntergeladen werden unter www.krebshilfe.de >
Wir informieren > Material für Betroffene > Blaue Ratgeber.
127
128
Michael Ewers
Liebe Leserin, lieber Leser,
der vorliegende Ratgeber „Prostatakrebs & Soziales“ thematisiert die häufigste Krebs­
erkrankung bei Männern. Obwohl so verbreitet, ist der Umgang damit schwierig und
mit Tabus belegt, denn Prostatakrebs betrifft die Intimsphäre. Gute Informationen
können den Umgang mit der Erkrankung erleichtern.
Neben einem verständlichen Überblick über die Behandlung geht es vor allem um
hilfreiche Informationen für den Alltag sowie um sozialrechtliche Fragen: Wie lange
gibt es Krankengeld? Wie können finanzielle Engpässe überbrückt werden, wenn das
Gehalt ausfällt oder die Rente nicht mehr reicht? Welche Heil- und Hilfsmittel gesteht
die Krankenkasse zu? Was muss der Patient zuzahlen und wann gibt es Zuzahlungs­
befreiungen?
betapharm setzt sich seit Jahren aktiv für eine verbesserte Versorgungsqualität im
Gesundheitswesen ein. Aus diesem Engagement heraus hat sich betaCare – das
Wissenssystem für Krankheit & Soziales – entwickelt, welches Antworten auf alle
sozialen Fragen rund um eine Krankheit bietet.
Mit herzlichen Grüßen
Michael Ewers
Geschäftsführer betapharm & beta Institut
Weitere Informationen sowie alle bisher erschienenen Ratgeber
finden Sie auch unter www.betaCare.de.
Mehr über das soziale Engagement und die Produkte der
betapharm Arzneimittel GmbH finden Sie unter www.betapharm.de.
Impressum
Herausgeber und Redaktion
beta Institut gemeinnützige GmbH
Institut für angewandtes Gesundheitsmanagement,
Entwicklung und Forschung in der Sozialmedizin
Geschäftsführer: Michael Ewers
Kobelweg 95, 86156 Augsburg
Telefon 0821 45054-0,
Telefax 0821 45054-9100
E-Mail: [email protected]
www.betainstitut.de
Text
Maria Kästle
Andrea Nagl
Layout und Gestaltung
Manuela Mahl
Autoren und Herausgeber übernehmen keine Haftung
für die Angaben in diesem Werk.
Alle Rechte vorbehalten
© 2014
Copyright beta Institut gemeinnützige GmbH
Der Ratgeber einschließlich all seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes
ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen
und die Reproduzierung, Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen
Systemen oder Daten­verarbeitungsanlagen.
1. Auflage, April 2014
Schutzgebühr 5,– Euro
Ein Engagement der betapharm
Prostatakrebs
Gesundheit ist unser Ziel!
& Soziales
Prostatakrebs & Soziales
betaCare-Wissenssystem
Soziallexikon
Die größte Suchmaschine für Sozialfragen im Gesundheitswesen in Deutschland.
4.800 Stichwörter helfen gezielt, soziale, rechtliche und finanzielle Fragen einfach und verständlich zu beantworten.
Finden Sie z.B. Antworten auf folgende Fragen:
– Wie ist die Zuzahlung bei Arzneimitteln geregelt?
– Wie bekomme ich einen Schwerbehindertenausweis?
– Welche Vorsorge kann ich treffen, für den Fall,
dass ich nicht mehr selbst entscheiden kann?
Patientenratgeber
Die Broschüren bieten gebündelt und verständlich sozialrechtliche und psychosoziale
Informationen zur folgenden Themen und Krankheiten:
–Behinderung & Soziales
–Brustkrebs & Soziales
–Demenz & Soziales
–Depression & Soziales
–Epilepsie & Soziales
–Migräne & Soziales
– Multiple Sklerose & Soziales
–Osteoporose & Soziales
–Palliativversorgung & Soziales
–Patientenvorsorge
–Pflege
– Psychosen, Schizophrenie & Soziales
–Schmerz & Soziales
Patientenfilme
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Zu Asthma, Brustkrebs, Darmkrebs, Demenz, Depression, Diabetes,
Osteoporose, Rheuma, Schlaganfall.
Die Initiative „betaCare – Verbesserung der Patientenversorgung und Prävention“
wird gefördert durch die betapharm Arzneimittel GmbH,
ein Generika-Unternehmen mit hochwertigen und
preiswerten Qualitätsarzneimitteln.
www.betaCare.de

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